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Gebiet Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Rheingau-Taunus-Kreis
Idstein ist eine Stadt im Rheingau-Taunus-Kreis in Hessen, Deutschland. Sie liegt im Taunus nördlich von Wiesbaden. Die Stadt besteht aus der Kernstadt sowie elf weiteren Stadtteilen: (Idstein (Kern), Dasbach Ehrenbach, Eschenhahn, Heftrich, Kröftel, Lenzhahn, Niederauroff, Nieder-Oberrod, Oberauroff, Walsdorf, Wörsdorf). Idstein grenzt an Bad Camberg (Landkreis Limburg-Weilburg) die Gemeinde Waldems (Rheingau-Taunus-Kreis), die Gemeinde Glashütten (Hochtaunuskreis), an Eppstein (Main-Taunus-Kreis), im Süden an Niedernhausen, an Taunusstein sowie die Gemeinde Hünstetten.
Der Kalmenhof war eine Gründung von christlichen und jüdischen wohlhabenden Frankfurter Bürgern. Der Kalmenhof war eine freigemeinnützige Vereinsgründung, er wurde nicht von staatlicher oder kirchlicher Seite ins Leben gerufen, sondern er war von Anfang an eine überkonfessionelle, reformorientierte Einrichtung. Der Kalmenhof wurde deshalb auch in den 20er Jahren Mitglied im Verband der Krankenanstalten. Als Gründer werden der Pfarrer und Sozialreformer Rudolph Ehlers, (Ehlers selbst hatte eine geistig behinderte Tochter), der Bankier und Sozialmanager Charles Hallgarten und der Stadtrat und Sozialpolitiker Karl Flesch sowie der Frankfurter Polizeipräsident August von Hergenhahn benannt. Neben diesen Hauptinitiatoren werden der Industrielle Hermann Sonnenberg, der Firmeninhaber Carl Bolongaro, der Architekt Steinbrinck, Dr. med August Lotz, einem ehemaligen Assistenten von Heinrich Hoffmann, Landesdirektor Otto Sartorius, dem einzigen Nichtfrankfurter genannt.
Der Kalmenhof, der am Fuß des Idsteiner Taubenbergs liegt, ist im Wesentlichen beschränkt auf das gut 3 ha große Gelände westlicherseits des Veitenmühlwegs, östlich von Seelbacher Straße/Frölenberg und nördlich des Veitenmühlberg. Die Anlage besteht aus mehreren Gebäuden. Haupteingang ist der Veitenmühlweg 10. Auf dem Hauptgelände befinden sich mehrere Gebäude. Dies sind zum einen die Gruppenhäuser: das Rudolph-Ehlers-Haus (benannt nach einem der Gründer), das Rosenhaus, das Sternenhaus, das Loni-Franz-Haus und das Buchenhaus. Hinzu kommen Lagerhäuser, ein Mitarbeiterwohnhaus, das Shcwimmbad, Werkstätten, eine Klinik, sowie Wäscherei und Hauptgebäude. Außerhalb dieses Geländes finden sich noch die Gärtnerei an der Grunerstraße 41 und die Wohnanlagen am Hofgut Gassenbach. Die Gärtnerei verfügt dabei über 3500 m2; Treibhausflächen und 8 ha Land.
Ursprüngliches Kernstück und auch Namensgeber für den Kalmenhof war der Stockheimer Hof. Dieser wurde 1350 gegründet. Die Errichtung des heute bestehenden Gebäudes dieses Hofs erfolgte 1599 durch die Herren von Stockheim, Burgmannen der Grafen von Nassau. Die Linie der Stockheimer starb allerdings 1702 aus. Das Anwesen an sich erhielt den Namen Kalmenhof nach Johann Henrich von Kalm (+ 1776) benannt, der es 1768 erwarb. Von 1849 bis 1877 befindet sich die Kleinkinderschule von Weldert im Stockheimer Hof.
Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts stand im Zeichen eines sozialen Umbruchs. Für die meist am Existenzminimum lebenden Arbeiterfamilien bedeutete die Unterbringung behinderter Familienmitglieder in einer Anstalt eine erhebliche Erleichterung, zumal ab dem Jahr 1892 die Kosten der Unterbringung durch die Änderung des Unterstützungswohnsitzgesetzes durch den Landeshauptmann übernommen wurden. Ein endgültiger Anstoß zur Verwirklichung der Gründung für eine weitere Idioten-Anstalt im Großraum Frankfurt war die fünfte Conferenz für Idiotenheilpflege vom 16. bis 18. September 1886 in Frankfurt. Obwohl der Kalmenhof nicht auf der Tagesordnung stand, so ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass dessen Gründung am Rande der Konferenz intensiv diskutiert wurde.
Über die Motive der Gründung in Idstein ist heute nichts mehr bekannt. Allerdings war es üblich Anstalten auf dem land zu gründen, da man hier die Arbeitskraft der Zöglinge besser umsetzen konnte und die Verwahrung der Behinderten den Bürgern der Städte nicht ins Auge fiel. Am 1. Mai 1888 unterschrieb das Ehepaar Hallgarten den Kaufvertrag für den Gutshof Kalmenhof. Am 7. Oktober 1888 folgte die offizielle Eröffnung mit 12 bis 18 Kindern unter dem zum Direktor bestellten Lehrer Jakob Schwenk. Schon früh zeigte sich, dass die Kapazitäten des Kalmenhofs nicht ausreichen würden. Die Belegung bestand zu dieser Zeit fast ausschließlich aus Kindern. Der erste Erweiterungsbau, welcher von Steinbrinck geplant und ausgeführt wurde, wurde im Juni 1891 eingeweiht. Dieses Haus war Ende 1892 bereits nahezu voll belegt. Im September 1894 wurde der 1893 begonnene Bau des Knabenhauses eingeweiht. 1898 beherbergte der Kalmenhof bereits 114 Zöglinge. 1901 folgte die Einweihung des sogenannten Pensionshauses und im Juni 1905 die des Altenheims in der Nähe des Idsteiner Bahnhofs. 1908 war ein schwieriges Jahr für die Anstalt, da sowohl Ehlers als auch Hallgarten kurz hintereinander starben. Hallgartens Sohn Dr. Fritz Hallgarten übernahm den Posten des Schatzmeisters von seinem Vater. Ehlers Nachfolge im Vorsitz des Vorstandes wurde Geheimrat Dr. Varrentrap übertragen. 1910 kam Max Kirmsse an den Kalmenhof, wo er als Sonderschulpädagoge bis 1922 arbeitete. 1913 war vorerst der Schlusspunkt des Ausbaus erreicht, als auch das Frauenaltenheim und das zentrale Betriebsgebäude eingeweiht wurden. Durch Einberufungen in den Kriegsdienst während des Ersten Weltkriegs verlor der Kalmenhof Mitarbeiter. Ende 1917 wird berichtet, dass in den Kriegsjahren 52 Heimbewohner eingezogen wurden. 10 wurden mit dem Eisernern Kreuz ausgezeichnet. Demgegenüber sind 5 gefallen, zahlreiche verwundet. Aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Lage war die finanzielle Situation der Heilerziehungsanstalt äußerst schwierig. Hinzu kam, dass das Knabenhaus im Februar 1922 durch einen Brandschaden stark beschädigt wurde. Der Verein stand kurz vor dem Ruin, da auch die einst finanzstarken Gönner Ihren finanziellen Rückhalt verloren hatten. Die Anforderungen der Zeit konnte der Verein nicht mehr auf rein privater Ebene bewältigen, so dass man sich 1921 dem Verband der Krankenanstalten von Frankfurt und Angegenden anschloss. Unter Mithilfe der Idsteiner Bevölkerung wurde das Knabenhaus wieder aufgebaut. 1922 verstarb zudem Direktor Schwenk. Ihm folgte Emil Spornhauer als Direktor. 1923 wurde die Talsohle mit sinkender Zöglingszahl endgültig durschritten. In dieser Zeit waren lediglich 250 bis 300 Zöglinge verblieben. 1927 wurde der Betrieb des neu errichteten Krankenhauses aufgenommen. Von der benachbarten Lederfabrik wurde 1926 ein Gebäudekomplex abgekauft und in ein Lehrlingsheim umgebaut. Bereits am 4. April 1933, also kurz nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wurde der bisherige Direktor Spornhauer nach Augenzeugenberichten gewaltsam durch einen SS-Trupp aus dem Amt enthoben. Von der NSDAP Hessen-Nassau-Süd wurde kommissarisch der neue Direktor Müller eingesetzt. Der Verwaltungsrat versuchte sich der Übernahme durch den Nationalsozialismus zu widersetzen. Der Widerstand wurde allerdings Anfang August 1933 gebrochen, als der Verwaltungsrat am 1. August 1933 geschlossen das Amt niederlegte. Landesrat Fritz Bernotat als Dezernent für das Anstaltswesen beim Landeshauptmann übernimmt dem Vorsitz im Verwaltungsrat und Vorstand.
Vom 1. August 1938 bis Dezember 1939 war Hans Bodo Gorgaß leitender Arzt im Kalmenhof. Er wurde selbst unter am Vernichtungsprogramm beteiligten Ärzten als Metzger bezeichnet und hatte den Tod tausender Menschen zu verantworten. 1939 wurde im Kalmenhof ein Lazarett der Wehrmacht eingerichtet. Der Kalmenhof wurde verpflichtet, dieses Lazarett mit Unterkunft, Wäsche und Verpflegung zu versorgen. 1940 wird dieses Lazarett wieder geschlossen und eine etwa 600 Mann starke Nachrichteneinheit der Wehrmacht im Kalmenhof stationiert. Auch diese Einheit muss durch den Kalmenhof unterhalten werden. 1941 folgt wiederum die Einrichtung eines Lazaretts, welches bis zum Kriegsende besteht und bis zu 1.300 Betten umfasst. In dieser Zeit sind alle Gebäude bis auf das externe Altenheim unter Nutzung durch die Wehrmacht. Alle zu diesem Zeitpunkt rund 350 Zöglinge sind mit der Bewirtschaftung der Anlage beschäftigt. Die pädagogische Arbeit fand nahezu nicht mehr statt. Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt unüberschaubaren Verhältnisse tritt der immer noch komissarische Leiter des Kalmenhofs Müller 1941 von seinem Amt zurück und meldet sich zur Verwendung im Osten. Sein Amt übernimmt der bis dahin als Bürovorsteher und Buchhalter tätige Wilhelm Großmann.
Die erste Phase: Zwangssterilisationen Von 1934 an wurden am Kalmenhof Zwangssterilisation durchgeführt.
Die zweite Phase: Der Kalmenhof als Zwischenstation Ende 1939 wurden im Rahmen der Aktion T-4 verschiedene Heil- und Pflegeanstalten zu Tötungsanstalten umgebaut. In diesen wurden unnütze Esser unter anderem durch Vergasen massenhaft vernichtet. Der Kalmenhof wurde dabei der Tötungsanstalt Hadamar zugeordnet. Die Anstalt Kalmenhof diente dabei als Zwischenlager. Die Verlegungen erfolgten mit sogenannten Gekrat-Bussen. Von 1940 an wurden dazu auch an den Kalmenhof Meldebögen verteilt, mit denen die Zöglinge erfasst wurden. Diese wurden an den Reichsausschuß zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden zurückgeschickt. Hier wurde dann über Leben und Tod entschieden.
Neben den Transporten nach Hadamar spielen noch die Transporte nach Weilmünster und Scheuern eine größere Rolle. Auch die Anstalt Scheuern war eine Zwischenanstalt für Hadamar. Auch von Scheuern aus wurden Menschen, die vorübergehend in Idstein untergebracht waren, anschließend nach Hadamar verlegt. Die Anstalt Weilmünster war sowohl Zwischenanstalt wie auch eine Hungeranstalt während der Euthanasie-Morde. Auch wenn es in Weilmünster nie zu einem Prozess gekommen ist, so geht doch die historische Forschung derzeit davon aus, dass auch die Anstalt Weilmünster mit in den Kranken- und Behindertenmord verwickelt war.
Die dritte Phase: Die Tötungen lebensunwerten Lebens im Kalmenhof. Mit der Einstellung der Transporte nach Hadamar wurde im Kalmenhof die sogenannte Kinderfachabteilung eingerichtet. Ohne den bürokratischen Aufwand wurden nun die Tötungen im Kalmenhof selbst in wilder Euthanasie durchgeführt. Getötet wurde meist durch Medikamentenvergiftungen oder auch gezieltes Verhungernlassen, seltener auch mit purer Gewalt. Opfer waren Kinder und Jugendliche mit geistigen Behinderungen, Epileptiker, Mongoloide, Idioten und Schwachsinnige, aber auch Jugendliche die aus Sicht der Nationalsozialisten schlichtweg als arbeitsscheu oder asozial galten.. Da der städtische Friedhof nicht mehr für die zahlreichen Sterbefälle am Kalmenhof ausreichte, wurden die Opfer zeitweise am jüdischen Friedhof begraben. Da auch dieses nicht ausreichte, wurde auf einem Ackergelände des Kalmenhofs ein Gräberfeld eingerichtet. Die Begräbnisse wurden nach Möglichkeit still und heimlich durchgeführt und gestalteten sich letztlich als einfaches verscharren. Besonders bekannt ist die Verwendung des sogenannten Klappsarges. Der gleiche Sarg konnte vielfach bei Begräbnissen verwendet werden.
Reichsweit kam es ähnlich wie übrigens schon im Ersten Weltkrieg zu einem massenhaften Hungersterben hinter Anstaltsmauern.
Für die Tötungsmethode in diesen Anstalten hatte Dr. Hermann Paul Nitsche, der bereits bei der Aktion T4 als Obergutachter fungierte, schon 1940 das sogenannte Luminal-Schema entwickelt. Eine leichte Überdosierung dieses Schlafmittels bei gleichzeitigem Nahrungsentzug sollte die Verlegungspatienten unauffällig töten: Das geschah dadurch, daß einmal oder mehrfach den Kranken gewöhnlich zweimal 0,3 Gramm täglich Luminal, eine an sich zulässige, bei schwachem Zustand jedoch für manchen Kranken zu hohe Dosis - manchmal auch dreimal 0,3 Gramm Luminal verabreicht wurde, entweder unter das karge Essen (Wasser-/Kohlsuppe - ohne Fett) gemischt oder als Anti-Typhusmittel gespritzt.
Folgende Angaben über Todesfälle liegen nach unterschiedlichen Quellen vor: Nach den Angaben des Standesamtes 719 Tote nach den Prozessakten der Kalmenhof-Prozesse 358 Tote nach dem Hausbuch 292 Tote nach dem katholischen Register 201 Tote nach dem evangelischen Register 122 Tote nach der evangelischen Chronik ca. 690 Tote nach den Angaben des Totengräbers 556 Tote
1945 bis 1948 Lazarett und Flüchtlingslager Mit dem Einmarsch der US-Armee am 28. März 1945 in Idstein stand der Kalmenhof unter Leitung der Besatzer. 1948 löst sich der Verein für die Heilerziehungsanstalt auf, die Anstalt wird durch den Bezirkskommunalverband Wiesbaden übernommen. 1949 tritt Ernst Ilge die Nachfolge von Direktor Spornhauer an. 1953 wird der Landeswohlfahrtsverband (LWV) Hessen gegründet. Von nun an ist dieser der Träger des Kalmenhofs. 1954 erhält die Heimsonderschule einen Neubau.
Mißbrauch nach 1945
Bericht: Elfriede Schreyer
Parteiideologen und Bürokraten
Die NS-Propaganda In den Schulen rechnen die Kinder (nur einige Beispiele)
Meldebogen
Euthanasie-Aktion
Ablauf der Vernichtung
Berichte aus der Bevölkerung
Die NS-Propaganda
Euthanasie
Luminal-Schema (Tötungsmethode)
Änderung des Auszugs des Runderlasses vom 18.08.1939 Auszug aus dem RdErl. des Reichsministers des Innern vom 18.8.39 - IV b 3088/39 - 1079 Mi - , betr. Meldepflicht für missgestaltete usw. Neugeborene
23.03.1940 Deutsches Ärzteblatt Nr. 12 Meldung missgestalteter Neugeborener
07.06.1940 Betrifft: Meldung mißgestalteter usw. Neugeborener
18.06.1940 Wohlfahrtspflege und Jugendwohlfahrt Gewährung öffentlicher Fürsorge zur Behandlung von Kindern mit schweren angeborenen Leiden
01.07.1940 Kranken- und Säuglingsfürsorge Behandlung missgestalteter usw. Neugeborener
30.05.1941 Anerkennung der Anstaltspflegebedürftigkeit bei Kindern mit schweren angeborenen Leiden
20.09.1941 Behandlung missgestalteter usw. Neugeborener
Landesheilanstalten nach 1945
Juristische Aufarbeitung nach 1945
Der Landeswohlfahrtsverband Hessen (LWV) ist heute in Idstein Träger des Sozialpädagogischen Zentrums Kalmenhof, der Max-Kirmsse-Schule und der Feldbergschule sowie der Außenstelle der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters Rheinhöhe. Der Kalmenhof in Idstein ist heute eine differenzierte Behinderten- und Jugendhilfeeinrichtung. Es werden Menschen mit Behinderung betreut.
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