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An die Reichsstatthalter in den Reichsgauen (Landesregierungen) die Regierungspräsidenten den Polizeipräsidenten in Berlin den Oberbürgermeister der Reichshauptstadt die Gesundheitsämter
Betrifft: Behandlung missgestalteter usw. Neugeborener
Die Volksgemeinschaft hat das größte Interesse daran, dass Kinder mit schweren Missbildungen oder schweren geistigen Schädigungen alsbald einer erfolgversprechenden Behandlung oder einer Asylierung zugeführt werden. Über die Notwendigkeit einer Behandlung ist nichts weiter zu sagen, da dies selbstverständlich ist. Ich verweise hierzu auf den Runderlaß vom 1. Juli 1940 – IV b 2140/40 – 1079 Mi – (RBBliv. S. 1437) Durch die Asylierung schwer leidender und besonders pflegebedürftiger Kinder wird den Eltern erfahrungsgemäß einer wirtschaftliche und seelisch Last abgenommen und eine Vernachlässigung etwa in der Familie vorhandener gesunder Kinder zugunsten des kranken Kindes verhindert. Oft wird beobachtet, dass, auch wenn das Leiden des kranken Kindes nicht anlagemäßig bedingt ist, seitens der Eltern auf weitere Nachkommenschaft verzichtet wird, um alle Sorgfalt dem kranken Kinde zuwenden zu können. Alle diese ungesunden Begleitumstände werden durch eine Asylierung des Kindes vermieden. Die in den Anstalten mögliche fachärztliche Untersuchung gestattet es auch, die Erblichkeit des Leidens zu körn und diesen Eltern gegebenenfalls von weiterem Nachwuchs abzuraten oder sie zu Zeugung weiterer Kinder zu ermutigen.
Der Reichssusschuß zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagedingter schwerer Leiden hat hervorragende Sachkenner auf dem in Frage kommenden medizinischen Spezialgebiet in den Dienst seiner Aufgabe gestellt. Neben der in dem Erlaß vom 1. Juli 1940 – IV b 2140/40 – 1079 Mi – erwähnten Anstalt Görden sind noch andere Anstalten zur Mitarbeit herangezogen worden. Die Fürsorgeverbände sind durch Runderlaß vom 30. Mai 1941 – IV W I 9/41 – 7805 – (RMBliV. S. 1009) angewiesen, bei fürsorgerechtlicher Hilfsbedürftigkeit die Anstaltsbedürftigkeit und Notwendigkeit der Durchführung der Anstaltspflege in der vom Reichsausschuß bestimmten Anstalt anzuerkennen. Dem Reichsausschuß stehen weiterhin auch Mittel zur Verfügung, um in bestimmten Fällen, in denen die Eltern zwar nicht hilfsbedürftig sind, aber die Anstaltskosten selbst nur schwer tragen können, helfend einzugreifen. Der Reichsausschuß übernimmt in derartigen Fällen auch die Verlegungskosten und in einzelnen Fällen auch die Kosten für Besuche durch die Angehörigen. Um die Regelung dieser Fragen sicherzustellen und eine zweckmäßige Verteilung der Fälle auf die einzelnen Anstalten zu erreichen, ersuch ich, Anstaltsüberweisungen von Kindern, bei denen eine Mitwirkung des Reichsausschusses in Frage kommt, nicht unmittelbar, sondern durch seine Vermittlung vorzunehmen.
Die Sorgeberechtigten sind oft nicht gern bereit, das Kind in eine Anstalt zu geben. Sie stützen sich dabei oft auf die Angebe des Hausarztes, dass auch eine Anstaltsbehandlung an dem Zustand nichts ändern könne, oder sich glauben, eine fortschreitende Besserung im Zustand des Kindes zu bemerken, was in Wirklichkeit aber meist keine Besserung des Zustandes des Kindes als vielmehr eine Anpassung der Beobachter an diesen Zustand darstellt. Erfahrungsgemäß ist dies bei Kindern mit mongoloider Idiotie besonders häufig der Fall, zumal die Angehörigen die Anhänglichkeit, Freundlichkeit oder Musikfreude derartiger Kinder oft falsch werten, sich unerfüllbare Hoffnung vortäuschen und daher von Anstaltspflege nichts wissen wollen.
Die Kinder werden nicht in Irrenanstalten sondern in offenen Kinder- und Jugendfachabteilungen, die zur Zeit nur verwaltungsmäßig einzelnen Heil- und Pflegeanstalten angegliedert sind, untergebracht.
Ich bringe das den Gesundheitsämtern zu Kenntnis, damit sie die Sorgeberechtigten entsprechend belehren können.
Den Amtsärzten mache ich zur besonderen Pflicht, (1) sich zu vergewissern, dass die Hebammen der ihnen obliegenden Meldepflicht gewissenhaft nachkommen.
Ich bemerke hierzu, dass die Meldungen aus einzelnen Bezirken nur spärlich eingehen, was auf Mängel in der Durchführung der Meldepflicht schließen lässt, denen nachzugehen ich mir noch vorbehalte;
(2) die Bestrebungen des Reichsausschusses in jeder Weise zu unterstützen, insbesondere auf die Sorgeberechtigten im Sinne obiger Ausführungen gegebenenfalls auch mit Hilfe des Hausarztes einzuwirken.
Den Eltern muß gesagt werden, dass durch eine rechtzeitige Anstaltsunterbringung ihnen und dem Kind am besten gedient sei, dass eine Anstaltsunterbringung später doch notwendig werde, dass bei Verweigerung des Anstaltsunterbringung gegebenenfalls für sie oder für das Kind später wirtschaftliche Belastungen eintreten können, so dass unter Umständen geprüft werden müsse, ob nicht in der Zurückweisung des Angebots eine Überschreitung des Sorgerechts zu erblicken ist.
In Vertretung (gez.) Dr. Conti
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