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Euthanasieanstalt (Heilerziehungsanstalt Kalmenhof) (Calmenhof)
Gebiet Idstein, Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Rheingau-Taunus-Kreis
Dr. med Mathilde Weber geb. Wolters (wiederverheiratete: Vogtmann) * 1909 1931 Besuch des Oberlyzeums in Euskirchen, Medizinstudium in Bonn 1938 Examen, einjährige Tätigkeit an der Univ.-Klinik Bonn
Dr. Mathilde Weber (Ehegattin eines angesehenen in Idstein wohnenden praktischen Arztes, der übrigens als Stabsarzt auch im Lazarett im Kalmenhof tätig war) kam 1939 als Assistenzärztin zum Krankenhaus (Heilerziehungsanstalt Kalmenhof). Sie leitete von 1940–1944 die Kinderfachabteilung der Heilerziehungsanstalt. Im Mai 1944 wurde sie durch Hermann Wesse ersetzt. Aus gesundheitlichen Gründen (Sie erkrankte selbst an Tuberkulose) trat sie mit Wirkung Ende Juni 1944 zurück. Sie war für einen Großteil der Morde Verantwortlich. Das Gift mit dem die Kinder ermordet wurden, kam aus einer Apotheke in Idstein. Es waren Luminaltabletten und Morphiumspritzen. Das Rezept stellte die Ärztin aus. Die Angehörigen erhielten meist die knappe Mitteilung: plötzlich verstorben, Beerdigung konnte nicht aufgeschoben werden. An die Heidelberger Universitätsnervenklinik, an der Untersuchungen an asozialen Gehirnen vorgenommen wurden, schickte der Kalmenhof heimlich die Gehirne einiger Asozialer.
Bezeichnend ist, als die Heimärztin Mathilde Weber zu einer 6-wöchigen Fortbildung nach Heidelberg fuhr, (Sie besuchte im Rahmen dieser Fortbildung in Heidelberg den Psychiater Professor Carl Schneider), sank die Zahl der toten Kinder fast auf Null. Interessant ist, was bei dieser Fortbildung der Kalmenhof-Ärztin geschah. Es wurde mit Elektroschocks und Darminfektionen an lebenden Menschen in Heidelberg experimentiert. Einige Patienten starben daran noch während des Kurses. Das Ziel dieser Elektroschockversuche war, ein therapeutisches Koma bei widerspenstigen Fürsorgezöglingen einzuführen. Der Kalmenhof erhielt sogar ein solches Elektroschockgerät, dass in den 50er Jahren noch da gewesen sein soll.
Nach dem Krieg begann die prozessuale Aufarbeitung der Geschehnisse während des Nationalsozialismus. April 1945 Vernehmung durch das US-Militär. Mit Ermächtigung der Militärregierung wurde der Fall Kalmenhof im März 1946 an die deutsche Gerichtsbarkeit übergeben. September 1946 erließ das Amtsgericht Idstein Haftbefehl gegen die die frühere Anstaltsärztin Dr. Mathilde Weber. Januar 1947 Verurteilung durch das LG Ffm im Kalmenhof-Prozess zum Tode wg. Mordes April 1948 Urteilsaufhebung durch das OLG Ffm Februar 1949 Verurteilung zu 3 Jahren u. 6 Monaten Zuchthaus wg. Beihilfe zum Mord durch das LG Ffm Juni 1949 Rechtskraft des Urteils nach Revisionsabweisung durch das OLG Ffm ab 11.10.1954 in Haft für 36 Tage, 16.11.1954 vorzeitige Haftentlassung nach Verbüßung von 2/3 der Strafe (Anrechnung der U-Haft, Reststrafe auf Bewährung)
In diesem Zusammenhang ist zunächst das Urteil des LG Frankfurt/M. vom 30.01.1947 aufzugreifen. Zunächst war ein Todesurteil gefällt worden,
Die Idsteiner Bevölkerung unterstützte aktiv eine Revision der Gerichtsurteile für den Direktor des Kalmenhofes und die Ärztin Weber. Es seien doch stets charaktervolle und wohltätige Mitbürger gewesen, hieß es. Jeder hier weiß, das ist jetzt ein wörtliches Zitat aus der Petition der Idsteiner Bürger jeder hier weiß, mit welchem Pflichtgefühl und welche Liebe sich Frau Dr. Weber für die ihr anvertrauten Pfleglinge und Patienten eingesetzt und aufgeopfert hat. In den schmucken Gassen des durch den Krieg kaum in Mitleidenschaft gezogenen Fachwerkstädtchens wurden dafür sogar 600 Unterschriften gesammelt, ein evangelischer Pfarrer, forderte ebenso die Revision wie die Bürgervertretung Idsteins. ab 1960 angebl. wieder medizinisch tätig trotz Entzugs der Approbation. Frau Dr. Weber lebte bis zu ihrem Tod in Idstein. Man sah sie, wenn sie durch die Fußgängerzone zu ihrem Mietshaus ging. Der ursprünglich zum Tode verurteilte Direktor Großmann kam noch 1970 als angesehener Mann in den Kalmenhof, um seine Beihilfeanträge als ehemaliger Staatsdiener einzureichen. Im Kalmenhof sprach niemand über die Vergangenheit. Auf dem Massengrab wucherte Unkraut
Der Kalmenhof war bis in den 60-er Jahren durch Misshandlungen und Missbrauch von Schutzbefohlenen berüchtigt.
Bericht: Elfriede Schreyer
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