SS-Oberscharführer

* 12.06.1909 in Johanngeorgenstadt
† 05.12.1993 in
Diepholz

letzter bekannter Wohnsitz: Diepholz, Maschstraße 79
(Eigentümer eines Einfamilienhauses)

Volksschule

Beruf: Klavierbauer

1925 - 1927
Ausbildung zum Klavierbauer

Umzug nach Diepholz

ab 1931
leitend in einer Möbelfabrik tätig

1934 heiratete Neubert (drei Kinder)

20.05.1940
Einberufung zur Waffen-SS
militärische Grundausbildung beim SS-Regiment „Ostmark“ in Prag

in den besetzten Niederlanden stationiert und danach zum Einsatz an die Ostfront
(Am Sammelort Krakau traf Neubert nach einem Heimaturlaub im Sommer 1942 seine Einheit nicht mehr an und wurde daraufhin in das KZ Auschwitz versetzt.)

20.05.1940
Beförderung zum SS-Schützen

ab 1942
Angehöriger der Lagermannschaft im KL
Auschwitz
(Vorübergehend leistete er Wachdienst, bediente dann den Dampfkessel der Desinfektionsanlage und absolvierte sowohl einen Desinfektions- als auch einen Krankenpflegerlehrgang.)

01.09.1943
Beförderung zum SS-Unterscharführer

Auschwitz, 15. September 1943
Standortbefehl Nr. 39/43
dem SS-Rottenführer Neubert Gerhard wird das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern verliehen.

1945
Nach der Evakuierung Auschwitz war Neubert noch bis Kriegsende in den Konzentrationslagern
Buchenwald, Mittelbau und Neuengamme eingesetzt.

Orden, Ehrenzeichen und Medaillen
Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern

nach 1945
In Schleswig-Holstein wurde Neubert von der britischen Armee gefangengenommen, nach zehn Wochen aber entlassen. Neubert ging wieder nach Diepholz, wo er Arbeit als Bauerngehilfe, Tischler und Polier fand. Von Oktober 1958 bis Dezember 1963 war er Angestellter bei der Standortverwaltung einer Bundeswehreinheit, danach war Neubert abermals in der Möbelfabrik tätig, in der er schon vor dem Krieg gearbeitet hatte.

Aussage der Ehemaligen Auschwitz Häftlinge Waitz Robert u. Trajster Jan
So oft waren Häftlinge bemüht, Bekannte vor der Vernichtung zu retten. Waitz berichtet, wie ein an chronischer Nierenentzündung Erkrankter aus einem zur Vergasung bestimmten Transport herausgeschwindelt wurde, nachdem der Sanitätsdienstgrad, Neubert, mit 100 Dollar bestochen war. Jan Trajster erinnert sich an ein ähnliches Vorkommnis: Ein aus Frankreich deportierter Jude namens Zawadzki wurde von Neubert für 50 Dollar und einen Liter Schnaps von der Vergasungsliste gestrichen.“

21.03.1962
Richterliche Vernehmung vom 21.03.1962 (Auschwitz-Prozeß, StA Frankfurt am Main, 4 Js 444/59)
„Bezüglich des Einsatzes arbeitsfähiger Häftlinge und der Beseitigung nicht arbeitsfähiger Häftlinge kann ich keine Angaben machen. Ich weiss nicht, wer hierzu die Befehlsgewalt hatte.
Ich weiß nichts darüber, durch wen die im Lager Monowitz durchgeführten Selektionen von nicht mehr voll arbeitsfähigen Häftlingen zur Ermordung angeordnet wurde. Ich weiss überhaupt nichts von irgendwelchen Selektionen, ob solche angeordnet sind.
Mir ist eine Vereinbarung, daß die I.G. alle ihr als nicht voll arbeitsfähig angegebenen Häftlinge zurückweisen konnte, nicht in Erinnerung.
Mir ist auch nicht bekannt, dass zwischen der I.G. und der SS eine Vereinbarung bestand, dass die I.G. für kranke Häftlingsarbeiter nicht länger als 14 Tage zu zahlen brauchte.“

05.06.1962
Richterliche Vernehmung vom 05.06.1962 (Auschwitz-Prozeß, StA Frankfurt am Main, 4 Js 444/59)
„Es bestand eine allgemeine Anordnung in Monowitz, dass kein Häftling länger als 5-6 Wochen im Häftlingskrankenbau verbleiben sollte. Die IG-Farbenindustrie, bei der die Häftlinge in Monowitz sämtlich beschäftigt waren, hatte Schwierigkeiten gemacht. Sie wollte für den langen Arbeitsausfall nicht bezahlen. Aus diesen Gründen fand von Zeit zu Zeit eine Bestandsbesichtigung des Häftlingskrankenbaus durch den zuständigen Arzt statt. Der Arzt bestimmte dann, wer den Häftlingskrankenbau in Monowitz zu verlassen hatte. Die länger kranken Häftlinge wurden nach Auschwitz oder nach Birkenau verbracht.“

23.07.1964
Am 23.07.1964 (68. Verhandlungstag) erschien Neubert wegen Krankheit nicht. Das Verfahren gegen ihn wurde auf Antrag der StA abgetrennt.

17.07.1964
Vernehmung des Zeugen Kurt Leischow
1. Frankfurter Auschwitz-Prozess
»Strafsache gegen Mulka u.a.«, 4 Ks 2/63
Landgericht Frankfurt am Main
67. Verhandlungstag, 17.7.1964
Vernehmung des Zeugen Kurt Leischow

14.12.1965-16.09.1966
Im 2. Frankfurter Auschwitz-Prozess (14.12.1965-16.09.1966) wurde Neubert zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt.
Neubert sprach das Gericht der Beihilfe zum gemeinschaftlichen, meist vielfachen Mord in 35 Fällen für schuldig. So nahmen die Frankfurter Richter in zwei dieser Fälle an, dass jeweils 80 Menschen getötet wurden. Das Gericht setzte für jeden dieser Fälle die Mindeststrafe von drei Jahren Zuchthaus an und bildete aus den Einzelstrafen von 35 mal drei Jahren eine Gesamtstrafe von dreieinhalb Jahren Zucht-haus. Strafmildernd wertete das Schwurgericht Aussagen von Insassen des Buna-Lagers, Neubert habe sich "gegenüber den Häftlingen menschlich" gezeigt und sein Verhalten daher eine positive Ausnahme unter dem SS-Personal gebildet.
(In welchem Umfange damals Leichenfledderei betrieben wurde, interessiert das Frankfurter Schwurgericht nur am Rande. Der ehemalige SS-Oberscharführer und Sanitäter im Nebenlager Monowitz Gerhard Neubert braucht sich auch nicht dafür zu verantworten, daß er laut Häftlingsaussage 25 Dollar als Bestechung angenommen hat. Die Anklage wirft ihm vor, daß er in regelmäßigen Abständen seinen Krankenbau durchkämmte, um die Häftlinge nach Birkenau in die Gaskammer zu schicken.)
(In Abwesenheit des SS-Arztes, der nur ein- bis zweimal pro Woche in Monowitz weilte, war der Angeklagte Neubert der für den Häftlingskrankenbau zuständige SS-Mann. Er war es, der für die Verladung und den Transport der selektierten Häftlinge nach Birkenau verantwortlich war und täglich Meldungen für den SS-Standortarzt über den "Abgang" in Monowitz zu fertigen hatte. Die Verteidiger Neuberts führten es auf eine "tragische Verkettung unvorhersehbarer Umstände" zurück, dass ihr Mandant zum Rädchen in einer bis dahin unbekannten Mordmaschinerie wurde. Die Neubert schwer belastenden Aussagen einiger überlebender Häftlinge bezeichneten die Verteidiger mitunter als "übertriebene Reproduktionen von Verfolgungsvorstellungen".
Zu seinen Tätigkeiten im Lager erklärte Neubert vor Gericht, seines Wissens sei der gesamte Betrieb im Krankenbau von Monowitz darauf ausgerichtet gewesen, kranke Häftlinge gesund zu pflegen bzw. in andere Krankenbauten zur, wie er sich ausdrückte, "Aufpäppelung", zu verlegen. Von der Vernichtung der Häftlinge in Birkenau habe er nichts erfahren. Seine Aufgabe sei lediglich gewesen, ab und zu nach dem Rechten zu schauen, er habe aber "praktisch nichts zu tun" gehabt.
Angesichts dieser Schilderung platzte selbst dem Vorsitzenden Richter der Kragen: "Da setzen sie doch nicht jahrelang einen SS-Oberscharführer hin, nur damit er nichts tut", entgegnete ihm Opper. Neubert hingegen unterstrich: "Ich war ja nur ein dummes Schaf, das so herumgelaufen ist.")

04.01.1966
Mit einer Überraschung endet der fünfte Verhandlungstag im zweiten Frankfurter Auschwitz-Prozess: Nach längerer Beratung verkündet das Schwurgericht einen Haftbefehl gegen den Angeklagten Gerhard Neubert, ehemaliger SS-Sanitäter und Oberscharführer, weil er „dringend verdächtig ist, durch Mitwirkung an Selektionen von kranken Häftlingen in einer Vielzahl von Fällen Beihilfe zum Mord geleistet zu haben.“

04.01.1966
Untersuchungshaft ab 4. Januar 1966

00.11.1968
Der Haftbefehl gegen Neubert wurde bereits im November 1968 unter Auflagen außer Vollzug gesetzt, wenig später fielen auch diese Einschränkungen.

03.07.1970
Revision durch BGH-Entscheidung vom 3. Juli 1970 verworfen, die erfolgte Verurteilung zu Zuchthaus umgewandelt in Verurteilung zu Freiheitsstrafe; durch Beschluss des LG Frankfurt am Main vom 28. Januar 1971 Strafrest auf Bewährung ausgesetzt.

Diepholz, Maschstraße 79