Wien (Am Steinhof)

Transportliste

Mit diesem Transport wurden 228 erwachsene Frauen durch Busse der Gekrat aus den Alsterdorfer Anstalten abtransportiert. Diese fuhren mit den Frauen zum Güterbahnhof Ochsenzoll, hier wurden sie in einen Güterzug verladen und in die Wiener Landes- Heil- und Pflegeanstalt für Geistes- und Nervenkranke Am Steinhof deportiert.

Landesheilanstalten nach 1945
Meldebögen
Nahrungsentzug
Parteiideologen und Bürokraten
Aufarbeitung nach 1945

Helga Jutta Heidelmann

Helga Jutta Heidelmann, geb. 13.2.1926 in Hamburg, durch Vernachlässigung ums Leben gekommen am 03.11.1943 in der Wagner von Jauregg – Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien. (Wiener Landes- Heil- und Pflegeanstalt für Geistes- und Nervenkranke Am Steinhof)
Helga Heidelmann war das einzige Kind des Brotfabrikanten Walter Heidelmann und seiner Frau Erna, geb. Schmidt. Fabrik und Wohnung der Familie lagen in der Timmermannstraße 16.
Helga Heidelmann war geistig und körperlich behindert, sie lernte erst mit sieben Jahren etwas laufen, sprach gar nicht und litt unter epileptischen Anfällen. Sie konnte nur unter Mühen Nahrung zu sich nehmen und musste meist gefüttert werden.
Am 13. April 1935 wurde sie von ihren Eltern in die damaligen Alsterdorfer Anstalten gebracht und dort laut Krankenakte sauber an Körper und Kleidung im Wachsaal aufgenommen.
Die Diagnose lautete: Idiotie, Epileptische Anfälle.

In den folgenden Jahren durchlebte sie Phasen der Besserung wie auch Rückschritte durch epileptische Anfälle. Sie erhielt Medikamente und aus einigen Eintragungen in der Krankenakte klingt durchaus so etwas wie Wohlwollen durch: Helga muss an- und ausgezogen werden. ... Birnen und Apfelsinen ißt sie allein. Sie spricht nicht. ... H. kennt ihre Eltern, schreit freudig auf wenn sie Besuch bekommt. ... Sie hört gern Musik. ... Mit Anfassen kann sie jetzt schon ganz gut laufen. (12.2.1937) Im November 1937 überstand sie eine Lungenentzündung. Ab 1940 wird der Ton der Eintragungen wie in vielen anderen Alsterdorfer Akten schärfer und abwertender, auch ungeduldiger, am 21. November 1940 heißt es: Pat. muß in der Körperpflege vollkommen besorgt werden. Mit Spielsachen weiß sie nichts anzufangen, sie ist völlig uninteressiert u. teilnahmslos. Sie hat dauernd die Finger im Mund, spuckt viel, nach den Mahlzeiten würgt sie das Essen wieder hoch.
Sie wurde mit 227 anderen Frauen und Mädchen am 16. August 1943 in die Wiener Landes- Heil- und Pflegeanstalt für Geistes- und Nervenkranke Am Steinhof verlegt. Der Transport kam am 17. August dort an. Der leitende Arzt Dr. Kreyenberg schloss das Alsterdorfer Krankenblatt mit den Worten: Verlegt nach Wien, da die Alsterdorfer Anstalten zerstört sind. Dies war eine Lüge, während des gesamten Krieges war Alsterdorf voll funktionsfähig.

In Wien waren die Behinderten durch Vernachlässigung, Unterernährung und mangelnde Pflege dem Tod preisgegeben. Im Krankenblatt von Helga Heidelmann heißt es am 1. September 1943:
Bei der Besprechung: Kann weder gehen noch sprechen. Vollkommen verblödet. Pflegebedürftig, unrein. Von nun an gab es keine Besserung mehr, im Gegenteil. Die spärlichen Eintragungen deuten auf einen schnellen Verfall hin, am 27. Oktober 1943 wurde eine Tuberkulose festgestellt und die entsprechende Meldung an die Behörden erstattet. Am 3. November starb Helga Heidelmann. Das Sektionsprotokoll bestätigte den Tuberkulose-Befund.

Walter Heidelmann wurde der Tod seiner Tochter umgehend per Telegramm mitgeteilt. Am 17. Dezember 1943 erhielt er auf seinen Wunsch hin die Urne zur Beisetzung in Ohlsdorf. Am 10. Juni 1944 sandte der inzwischen verwitwete Vater die Kleiderkarte seiner Tochter nach Alsterdorf mit der Bitte, sie an die zuständige Behörde zurückzugeben.

Quellen:
Ev. Stiftung Alsterdorf Archiv, Bewohner Sonderakte
Ulrike Sparr