Bedingungsloser Gehorsam

Insgesamt ließ sich unter der Beamtenschaft ein erhebliches Maß an Anpassung an die neuen Verhältnisse feststellen. Nur vereinzelt kam es zu Reibungen, insgesamt aber herrschte eine pragmatisches Bemühen um eine Fortsetzung der korrekten Verwaltungsführung unabhängig vom System vor.
Die ideologische Neuausrichtung der Verwaltung geschah also überwiegend mit dem bisherigen Personal und nicht gegen dieses. Das war insbesondere deshalb möglich, weil demokratische Überzeugungen sich wenn überhaupt bei vielen Mitarbeitern nicht so fest verankert hatten, dass sie ein Aufbegehren zur Folge gehabt hätten. Hinzu kam, dass die Beamten- und Angestelltenschaft durch verschiedenste Maßnahmen an den NS-Staat gebunden wurde, sei es durch den Eid auf den Führer, sei es durch die Organisierung in den Verbänden RDB (Reichsbund Deutscher Beamten) bzw. DAF (Deutsche Arbeitsfront), sei es durch die Ideologisierung der Beamtenausbildung.
Besonders durch das Deutsche Beamtengesetz von 1937 machte das Dritte Reich deutlich,
dass es die Beamten als wichtige Institution des Staates anerkannte.


Bei den normalen, mittleren Beamten und Angestellten hat man aber kaum von einer größeren Eigeninitiative auszugehen, die zur Umsetzung des Massenmordes entscheidend gewesen wäre. Schon gar nicht werden hier Schreibtischtäter erkennbar, die inspiriert gewesen wären, von einem faustischen Erlebnishunger und durchdrungen von dem berauschenden Gefühl, Geschichte zu schreiben. Weitaus häufiger und mindestens ebenso wichtig für die reibungslose Umsetzung des Massenmordes war nämlich nicht die begeisterte Eigeninitiative, sondern die routinemäßige und vermeintlich unschuldige Mitwirkung der Beamten und Angestellten im arbeitsteiligen System der Verwaltung. Begünstigend wirkten hier die zentralistisch organisierten Verwaltungsstrukturen und
das streng hierarchisch gegliederte Beamtentum, bei dem niemand in eigener Verantwortung handelte.

Deportation

Vor der Deportation geschah Folgendes. Die dazu von der SS ausgewählten Opfer wurden spätestens zwei Tage vor dem Abtransport in einem Sammellager untergebracht, oft bereits früher in Judenhäusern, sofern sie nicht schon in einem der Heime lebten. Durch einen Gerichtsvollzieher wurde ihnen eine Urkunde zugestellt, mit der ihr verbliebenes Eigentum zum staats- und volksfeindlichen Vermögen erklärt und beschlagnahmt wurde. Mitarbeiter des Finanzamtes, des Wohnungsamtes und des städtischen Ernährungsamtes arbeiteten Hand in Hand und zogen Lebensmittelkarten, Rentenbescheide, Sparbücher und deren Wohnungsschlüssel ein. Die Gestapobeamten durchsuchten spätestens am Bahnsteig das Gepäck und die Opfer nach verstecktem Bargeld und Wertgegenständen. Später in den KZ erfolgten entsprechende Durchsuchungen der mitgebrachten Kleidung und der Leichen

Euthanasie-Verbrechen

Da bei den Euthanasie-Verbrechen letztlich die Parteiideologen und Bürokraten die Arbeitsweise und Entscheidungsabläufe bestimmten und dies nicht den Ärzte überließen, konnten sie für eine noch effizientere und umfassendere Umsetzung der Mordabsicht sorgen indem sie eine saubere Verwaltungsführung und eine einträgliche Etatgestaltung höher ansetzten als das Wohl der Patienten, leisteten sie mit ihren Fachabteilungen einen Beitrag auch zur Umsetzung der rassenpolitischen Ziele, selbst wenn es in den Abteilungen auch Beamte gab, die diese Ziele nicht teilten.
Sie organisierten mit verwaltungstechnischen, strukturellen Mitteln –z. B. Verlegungen aus Luftkriegsgründen, Nahrungsentzug durch Änderung des Haushaltsplans – die möglichst unauffällige und reibungslose Fortsetzung der Kranken- und Behindertenmorde.


Beispiel:
Das Frankfurter Arbeitsamt in Kooperation mit NSDAP-Gauleitung und -Ortsgruppen in Frankfurt kümmerte sich um die Akquirierung von zusätzlichem Personal für verschiedene T4 Anstalten.
Mehr als 30 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurden so zwischen Oktober 1940 und Sommer 1941 über das Arbeitsamt dienstverpflichtet, mindestens 20 von ihnen waren anschließend im Verwaltungs- oder Wirtschaftsbereich der Hadamarer Anstalt eingesetzt.

Bürokraten in den Tötungsanstalten

Die Omnibusse waren meist mit Gleichgeschlechtlichen geladen, die kamen rein und wurden ausgezogen und weitergeführt zum Photographieren, dann dem Bürobeamten vorgeführt, der die Identifizierung vornahm. Das Photographieren geschah aus dokumentarischen Gründen. Wissenschaftlich ist eigentlich zuviel gesagt. Ohne die Fälle näher zu erläutern, war es vielleicht nur, um eine Sammlung von Bildern der Geisteskranken zu haben. Sie wurden gemessen, gewogen. Sie gingen an den Bürobeamten vorbei, der festzustellen hatte, ob die in der Krankengeschichte und auf der Photokopie angegebenen Daten stimmen. Fragliche Fälle, die der Bürobeamte nicht ohne weiteres entscheiden konnte, übergab er den Ärzten. Ein Teil konnte den Namen sagen. Ein Schizophrener kann in den meisten Fällen seinen Namen noch sagen. Hier und da fragte der Bürobeamte mal nach dem Geburtsdatum, aber das war schwer festzustellen.