Polizei- und Durchgangslager
Italien, Region Emilia-Romagna, Provinz Modena
Eröffnung im Juli 1942
das Lager bestand in erster Linie aus Zelten In diesen waren 1.800 britische Soldaten Interniert, sie wurden durch 350 italienischen Wachen unter dem Kommando von Oberst Giuseppe Ferrara bewacht. Im September wurde ein zweiter Abschnitt eröffnet wurde und es wurde damit begonnen, die Zelte durch Kasernen zu ersetzen. Die Lebensbedingungen für die Gefangenen waren in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht, und wurde von Vertretern des Roten Kreuzes regelmäßig besucht. Bis zum Sommer 1943 hielten sich in beiden Teile des Lagers etwa 4.000 Häftlinge auf.
Das auf dem Gelände befindliche Internierungslager wurde im Dezember 1943 von den italienischen Faschisten auf Befehl der deutschen Besatzer zunächst als Internierungslager für Juden übernommen. Anfang März 1944 wurde Fossoli als „Polizeidurchgangslager“ durch den deutschen BdS in Verona übernommen
Lagerkommandant
SS-Untersturmführer Karl Friedrich Titho
Es gibt kaum Unterlagen über dieses Durchgangslager, da sie alle von den Nazi-Truppen bei ihrem Abzug vernichtet wurden
Odoardo Focherini, Journalist aus Carpi
Er hatte 105 jüdischen Menschen zur Flucht in die Schweiz verholfen. In Fossoli konnte ihn seine Frau besuchen. Es gab dafür nach Aussage von Frau Focherini sogar eine eigene Besuchsbaracke.
Auch konnten die Inhaftierten Briefe und Päckchen empfangen. Diese unterlagen zwar der Zensur, die aber nicht sehr streng gewesen sein muss. Vor allem Lebensmittel, aber auch Geld wurden geschickt, denn für Essen musste im Lager bezahlt werden.
Die Baracken im jüdischen Block des Lagers waren in kleine Zimmer unterteilt, in denen die Familien zusammen leben konnten, um einen relativ normalen Alltag vorzutäuschen. Dies gelang nur bedingt, denn die Häftlinge mussten im Januar und Februar 1944 in Ermangelung von Feuerholz ihre Betten verheizen um nicht zu erfrieren.
Die Menschen bekamen bei ihrer Einlieferung eine Nummer. Sie wurde nicht tätowiert, sondern musste auf einem Band um den Arm getragen werden. Sie sollte angeblich dazu dienen, den Verwaltungsaufwand für den Lohn zu vereinfachen, den die Häftlinge nach ihrer Deportation nach Deutschland für ihre dort zu leistende Arbeit bekommen sollten. Dies wurde den jüdischen Menschen auch als Grund für ihre Inhaftierung genannt.
Odoardo Focherini wurde nach Flossenbürg deportiert und starb im Außenlager Hersbruck an Blutvergiftung auf Grund einer unbehandelten Beinverletzung.
Amalia Navarro
Amalia Navarro ist 27 Jahre alt, als sie mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern im Mai 1944 von den Deutschen in das Durchgangslager Fossoli bei Carpi deportiert wird.
"Der Eindruck, den wir am Lagereingang erhielten, war entsetzlich. Schließlich hatten wir bis dahin noch nichts Schlimmeres gesehen. Aber nachdem wir nach einiger Zeit alte Bekannte wieder getroffen und mit den anderen Gefangenen neue Freundschaften geschlossen hatten, konnten wir uns dort etwas einleben.
Zum Glück war das deutsche Kommando nicht in unserem Lager stationiert. Wir wurden von italienischen Aufsehern bewacht, die human waren und uns gut behandelten. Es waren Kriegsgefangene, die aus Deutschland kamen. Sie hatten unter der Voraussetzung nach Italien zurückkehren können, dass sie in den Konzentrationslagern die Überwachung übernahmen. Sie hatten tatsächlich nichts mit den deutschen Wachen gemeinsam.
Nachdem wir die erste Woche auf den Stufen der Baracken hatten übernachten müssen, weil kein anderer Platz vorhanden war, konnten wir uns mehr schlecht als recht im Inneren einrichten. Die Baracken bestanden aus jeweils zehn Räumen, und einen Raum mussten sich sechs bis sieben Menschen teilen; obwohl es keine Betten gab, konnten wir doch auf den Strohlagern mit einer Decke in der Nacht etwas Ruhe finden.
Wir wurden zu keiner Arbeit gezwungen, und es gab auch keine Appelle. Wir konnten alle zusammen bleiben, und das war uns ein großer Trost. Morgens konnten wir selbst bestimmen, wann wir aufstanden, und bis nachts um 10 Uhr konnten wir uns ungehindert innerhalb des Lagers bewegen. Wenn die Sonne schien, sonnten wir uns, und abends trafen wir Jungs (wir lebten nicht getrennt von den Männern). Manchmal tanzten wir sogar etwas, um für einen Moment unser ungewisses Schicksal zu vergessen. Trotzdem empfanden wir diese Gefangenschaft als sehr hart.
Als wir erfuhren, dass Rom von den Alliierten eingenommen worden war, gaben wir uns der Illusion hin, dass wir bald befreit werden würden. Wir lebten von dieser Hoffnung, denn wenn wir uns nur annähernd hätten vorstellen können, was uns noch erwartete, wir hätten uns alle in Fossoli selbst umgebracht."Bei der Ankunft in Auschwitz wird ihre Mutter sofort ermordet. Sie ist erst 48 Jahre alt. Auch Amalias Bruder wird getötet.
Amalia Navarro überlebt die Konzentrationslager Auschwitz, Bergen-Belsen, Buchenwald und Theresienstadt. Nach der Befreiung gelingt ihr die Rückkehr nach Venedig.
Zeugenaussage Nichy Malitsansos
Zeugenaussage des Leutnants der Britischen Armee Nichy Malitsansos
Ich war Kriegsgefangener, und dadurch war ich gewissermaßen privilegiert. Ich sah, wie ganze jüdische Familien mit Gewalt auf die Lastwagen gepfercht und verschleppt wurden: man behandelte sie wie Tiere. Und keiner von uns konnte etwas tun, sonst wäre er auf der Stelle erschossen worden.“ Man erfährt auch von selbstloser Solidarität: „Im Lager gab es keine Lebensmittelvorräte, wir litten schrecklichen Hunger. Manchmal erreichten uns Pakete von außerhalb. Eines Tages habe ich ein handgeschriebenes Zettelchen über den Stacheldraht geworfen. Darauf hatte ich meinen Namen geschrieben und gebeten, irgendeine gute Seele möge mir mit etwas Essbarem helfen. Ein paar Tage später kam im Lager ein Päckchen an – anonym und an mich adressiert. Darin befand sich Butter und Weißbrot: Lebensmittel, die dort praktisch unerhältlich waren! Ich habe nie erfahren, wer das getan hat, wahrscheinlich jemand aus Carpi. Ich hoffe, dass er sich auf diese Weise an mich erinnert, und möchte mich ganz herzlich bedanken.“
„Ihr könnt euch nicht vorstellen, was wir durchgemacht haben. Am meisten gelitten haben allerdings die jüdischen Menschen. Ich sah oft, wie ganze jüdische Familien mit Gewalt auf die Lastwagen gepfercht und verschleppt wurden: man behandelte sie wie Tiere. Was mich betrifft, ich arbeitete in der Küche. Ich hatte den Oberfeldwebel Haage darum gebeten und er hatte es genehmigt. Das Essen war oft aber nur eine wässrige Brühe. In Fossoli litten alle entsetzlichen Hunger. Das war eine noch schlimmere Folter als eingesperrt zu sein.
22.02.1944
Am 22.02.1944 werden mit dem 8 RSHA Transport 650 "Juden und unerwünschte Elemente" die im Polizei- und Durchgangslager Fossoli "inhaftiert" waren ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Der Transport erreicht Auschwitz am 26.02.1944. Aus diesem Transport werden 95 Männer und 29 Frauen als Häftlinge übernommen, 526 Menschen werden der "Sonderbehandlung" zugeführt.