Die innere Einstellung des Angeklagten Mentz zu seinem Einsatz in Treblinka
Der Angeklagte Mentz wusste genau, dass die Juden in den Gaskammern, in die man sie nackt unter Peitschenhieben hineintrieb, eines qualvollen Todes sterben mussten. Ihm war auch bekannt, dass man die alten und kranken Juden unter dem Vorwand ins Lazarett lockte, sie würden dort Ärztlich behandelt werden, während sie in Wirklichkeit, die brennenden Leichen vor ihren Augen, erschossen wurden. Er erinnert sich deutlich der irreführenden Schilder in deutscher und polnischer Sprache, die den Ankömmlingen ein Bad und anschließend den Weitertransport zu neuen Arbeitsplätzen versprachen, während sie tatsächlich in kürzester Frist durch Gas getötet wurden.
Er hielt die Tötung der Juden für ein großes Unrecht, das gegen die Gesetze, gegen die Religion und gegen den menschlichen Anstand verstieß. Sein Gewissen setzte ihm anfangs öfter zu. Er fragte sich, wie man alle diese Menschen, darunter Frauen und Kinder, töten konnte, da sie doch nichts getan hätten. Er beruhigte sich aber immer mit dem Gedanken, Der Führer hat es befohlen, und er wird es verantworten müssen.
Ein Führerbefehl aber, so meinte er, müsse unter allen Umständen vollzogen werden. Begünstigt wurde diese Einstellung durch eine langjährige Mitgliedschaft des Angeklagten bei der NSDAP, wo er es bei Parteiversammlungen ständig zu hören bekam, dass man als Untergebener gehorchen müsse, und schließlich auch durch die berufliche Tätigkeit des Angeklagten, der als Melker und Melkermeister stets Anweisungen von Gutsbesitzern und Gutsverwaltern entgegennehmen und befolgen musste. Er meinte daher, auch in Treblinka alle Befehle ausführen zu müssen, zeigte sich mit seinem Einsatz bald einverstanden und brachte sein Gewissen zum Schweigen. Eifrig und willig wirkte er an der Erfüllung des dem Sonderkommando Treblinka gestellten Auftrages mit. Seine unbedingte Befehlsergebenheit ließ ihn eine Befehlsverweigerung überhaupt nicht in Betracht ziehen.
Trotz der scheußlichen und grauenvollen Aufgabe, der er sich bei seinem Einsatz im Lazarett unterziehen musste, hat er nicht ein einziges Mal einen ernsthaften Versuch unternommen, um von Treblinka wegzukommen oder einem anderen Kommando im Lager zugeteilt zu werden.
Zwar will er einmal Anfang September 1942 den Inspekteur Christian Wirth um seine Ablösung aus Treblinka gebeten haben. Wirth soll das aber abgelehnt und den Angeklagten auf die von ihm unterschriebene Verpflichtungserklärung hingewiesen haben mit dem Bemerken, man müsse da bleiben, wo einen der Führer hingestellt habe. Mit dieser Erklärung gab Mentz sich zufrieden, obwohl Wirth ihn wegen seiner Anfrage weder beschimpft noch bedroht hatte. Er unternahm in der Zukunft weder in Treblinka noch während seines häufigen Heimaturlaubs irgendwelche Versuche, um eine Versetzung zu einer anderen Einheit zu erreichen. Er verrichtete vielmehr stumpfsinnig seine Arbeit und tröstete sich mit den vielen Vorteilen, insbesondere dem häufigen Heimaturlaub, die ihm der Einsatz in Treblinka einbrachte, so dass er schließlich nicht einmal mehr den Wunsch nach einer Versetzung hatte. Da er seine dienstlichen Obliegenheiten Weisungsgemäß erfüllte, ohne je irgendwelche Schwierigkeiten zu machen, hatte er mit seinen Vorgesetzten auch keinerlei Zusammenstösse. Er kam selbst mit Christian Wirth gut aus und hatte demgemäß auch keinerlei Angst vor ihm.
Der Angeklagte Mentz, der alle diese Feststellungen selber einräumt, weist noch auf folgendes hin:
Die Juden hätten ihm alle von Herzen leid getan. Er habe aber keine großen Möglichkeiten gehabt, sein Mitleid mit ihnen zu zeigen, da er zum Töten befohlen worden sei. Manche Lazarettopfer hätten dem Tod gefasst ins Auge gesehen, andere hätten geweint und geschrien. Einige weinende und schreiende Opfer hätten ihn darum gebeten, sie zuerst zu erschießen. Diesen Wünschen habe er dann aus Mitleid entsprochen. Schließlich habe er sogar manchmal selber aus Mitleid gefragt, wer als erster drankommen wolle. Die geäußerten Wünsche habe er stets berücksichtigt. Er habe niemals auf Häftlinge eingeschlagen und sie auch niemals gequält. Soweit der Angeklagte hiermit seine besondere Anteilnahme am Schicksal der Lazarettopfer dartun will, so vermag ihm das Schwurgericht nicht zu folgen. Dass er Wünsche über die Reihenfolge der Erschießung im Lazarett erfüllt hat, mag richtig sein.
So hat der Zeuge Raj. einen Fall geschildert, bei dem Mentz eine Großmutter fragte, ob er zuerst sie, ihre Tochter oder das eben im Lazarett geborene Enkelkind erschießen solle (vergleiche D.IV.5. des Zweiten Teiles der Gründe). Man kann jedoch nicht davon ausgehen, dass er hierbei aus echtem Mitleid gehandelt hat. Wenn schreiende und weinende Menschen von ihm wunschgemäß als erste vor den übrigen Opfern getötet wurden, so hatte das wohl eher praktische Gründe, weil so die Unruhigen, die das Geschäft des Tötens erschwerten, zuerst beseitigt wurden.