SS-Hauptsturmführer

* 12.05.1908 in Braunschweig
† 29.12.1986
letzter bekannter Wohnort:
Krummhörn-Greetsiel

1932 an der Universität Göttingen mit der Dissertation „Vorausverfügungen über künftige Sachen“ zum Dr. jur. promoviert.

1932
Eintritt in die NSDAP

Regierungsrat beim Braunschweigischen Staatsministerium

18.08.1944
an der letzten Deportation von 1.600 Personen am 18. August 1944 beteiligt.

vor 1945: stellvertretender Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD
Paris
(Zuständig für Judenfragen, Deportation von mehr als 800 Juden nach
Auschwitz)

nach 1945: bis zu seiner Pensionierung im September 1972 Senatspräsident am Landessozialgericht Niedersachsen in Celle. Er lebte danach als Senatspräsident a. D. in Krummhörn. Im Gegensatz zu seinem ehemaligen Vorgesetzten Lischka, blieb Illers bis zu seinem Lebensende unbehelligt.
(Jeden Zweifel an der Rolle, die Illers in Paris spielte, räumt der Aktenvermerk einer Abteilungsbesprechung vom 19.10.1942 aus; dort heißt es: "Die von Abtl. IV benannten Sühnepersonen können erschossen werden. Abteilung IV. Dr. Illers, bemerkt, daß er 132 Personen vorschlagen werde)."

KRIEGSVERBRECHEN
Vermerk Geheim

Dokumente aus Pariser Kriegstagen bekräftigen den Verdacht, daß ein hoher niedersächsischer Richter als SS-Führer die Erschießung von Geiseln mitverantwortet hat.

Selbstsicher wies Dr. Heinrich Illers, 64, bis zu seiner Pensionierung Ende September Senatspräsident am Landessozialgericht im niedersächsischen Celle, alle Vorwürfe zurück, er sei während des Krieges in Paris für die Auswahl und anschließende Erschießung von Geiseln verantwortlich gewesen: "Ich hatte nur verwaltungspolizeiliche Aufgaben zu erledigen." Und: "Ich war nur ein kleines Licht."

Wie die Verwaltungstätigkeit aussah, geht etwa aus einem Schreiben hervor, das SS-Hauptsturmführer Illers in Paris am 17. September 1942 unterzeichnete. Unter dem Aktenzeichen IV A 6195/42 teilte er der "Abteilung II/3 im Hause" des Pariser Kommandos der Sicherheitspolizei (SD) die "Benennung einer Sühneperson" mit: "Es wird vorgeschlagen, die vom Sicherheitspolizeikommando Dijon benannte Sühneperson, Joly, Charles, geboren am 31.05.1914, auf die Sühneliste zu setzen und auf Joly bei Bedarf zurückzugreifen."

Was "Sühnepersonen" waren, weiß Illers noch: "So nannte man damals Geiseln." Und was "zurückgreifen" bedeutete, macht der "Vermerk" über eine "mündliche Besprechung" ("Betreff: Durchführung von Sühnemaßnahmen") klar, die im Pariser SD-Kommando am 16. Oktober 1942 um 17 Uhr stattfand: "Die von Abteilung IV vorgeschlagenen Häftlinge sitzen in verschiedenen Gefängnissen in Paris ein. Sie werden durch Abteilung IV nach Fort Romainville überstellt, so daß sie spätestens um 12 Uhr mittags am Tage vor der Erschießung dort versammelt sind. Für Abteilung IV (SS-HStfhr. Dr. Illers) war damit die Besprechung beendet."

Die Illers-Dokumente sind von der "Internationalen Liga gegen Rassismus und Antisemitismus" -- prominentestes Mitglied: Beate Klarsfeld -- aufgespürt worden, zu deren Zielen es gehört, doch noch die Bestrafung deutscher Kriegsverbrecher zu erreichen, die nach 1945 in Frankreich lediglich in Abwesenheit verurteilt wurden und unbehelligt in der Bundesrepublik leben: So versuchten "Liga"-Mitglieder im März 1971, den ehemaligen Pariser SD-Kommandeur Kurt Lischka in Köln zu entführen. Bei ihren Recherchen stießen Beate Klarsfeld und Ehemann Serge auf einen Lischka-Mitarbeiter, der noch nie behelligt worden war -- Heinrich Illers.

Seit 1971 liegt das komplette Illers-Material der Klarsfelds dem niedersächsischen Sozialminister Kurt Partzsch (SPD) vor, bis vor kurzem Dienstherr des Sozialrichters Illers. Auch die Staatsanwaltschaft in Köln hat Kopien bekommen. Staatsanwalt Gerling: "Es besteht kein Anlaß, an der Zuverlässigkeit der Unterlagen zu zweifeln."

Die Papiere beweisen, daß Illers beim SD-Kommando in Paris, Rue des Saussaies 11, nach dem Geschäftsverteilungsplan vom 1. Februar 1943 als Leiter der Abteilung IV und Vertreter des Kommandeurs, SS-Obersturmbannführer Lischka, tätig war.

Zum Aufgabenbereich der Abteilung gehörte zum Beispiel der Komplex "Terrorakte" und "Sabotage- Abwehr und -Bekämpfung": Für jeden Wehrmachtsangehörigen, der "durch Anschläge aus terroristischen Kreisen" getötet oder auch nur verwundet worden war, wurden -- so die Pariser SD-Regel

je zwei "Sühnepersonen" exekutiert. Laut Aktennotiz vom 15. Oktober 1942 waren "seit der letzten Sühnemaßnahme (Erschießung)" wieder fünf deutsche Soldaten getötet und 52 verletzt worden, also "insgesamt wären 114 Sühnepersonen zu erschießen". Illers benannte 85 davon und erklärte sich bereit, "noch weitere 12" vorzuschlagen, "so daß eine gewisse Reserve gegeben ist".

Als Sühnepersonen wies Illers Franzosen ein, die sich etwa "aktiv kommunistisch betätigt", Flugblätter verteilt, "Geldsammlungen zugunsten der Frauen politischer Gefangener" veranstaltet oder auch nur "Personen für die KPF" geworben hatten. Mitunter benannte er auch spanische Emigranten

"das dürfte aber kein Hindernis sein, sie als Sühneperson in Anspruch zu nehmen", so Illers schriftlich am 18. Oktober 1942. Denn: "Die Rotspanier weigern sich, nach Spanien zurückzukehren. Spanien verzichtet auch auf ihre Rückkehr, so daß irgendwelche Schwierigkeiten wegen der Erschießung nicht zu erwarten sind."

Am 13. Januar 1943 füllte Illers "14 Formblätter in zweifacher Ausfertigung" aus; sie betrafen "Sühnepersonen", die "der Spionage bzw. der Feindhilfe zugunsten Englands überführt" seien.

Sonst aber hatte alles seine Ordnung: Zwei Wochen nachdem am 21. September 1942 drei französische Widerstandskämpfer erschossen worden waren, fiel Illers auf, daß man ganz vergessen hatte, die Opfer vorschriftsmäßig anzumelden: "Der Ordnung halber werden die drei Einweisungsverfügungen in der Anlage nachgereicht."

Am 11. Dezember 1942 standen nach Illers' Unterlagen "nunmehr 158
Sühnepersonen zur Verfügung" -- offenbar mehr als genug, und Illers regte in einem "Geheim!"-Vermerk an, "ob es sich nicht empfiehlt, einen Teil der Sühnepersonen als Schutzhäftlinge (Stufe 3) nach Deutschland zu transportieren. Da Sühneerschießungen für die nächste Zeit nicht in Aussicht genommen sind, erscheint es zweckmäßig, wenigstens die gefährlichsten Elemente unter den Sühnepersonen aus Frankreich abzutransportieren und in das Konzentrationslager Mauthausen zu bringen".

Jeden Zweifel an der Rolle, die Illers damals in Paris spielte, räumt der Aktenvermerk einer Abteilungsbesprechung vom 19. Oktober 1942 aus; dort heißt es: "Die von Abtl. IV ... benannten Sühnepersonen können erschossen werden. Abteilung IV. Dr. Illers, bemerkt, daß er 132 Personen vorschlagen werde."

Allerdings: "Es war eben so, das war in jedem Kriege so, da wurden eben Geiseln erschossen." Schließlich: "Von einer Mitverantwortung kann ich nicht sprechen. Man kann ja auch nicht den Kanonier zur Verantwortung ziehen, der geschossen hat."

Ermittlungsverfahren StA Aurich durch Tod 1986 beendet