SS-Hauptsturmführer

* 31.12.1912 in Dresden
† 08.07.1966 in
Leipzig (durch Enthauptung)

zuletzt wohnhaft in
Spreenhagen /Fürstenwald

Reichsdeutscher

vollständiger Name: Horst Paul Sylvester Fischer

Er wuchs nach dem Tod beider Elternteile als Vollwaise bei seinem Onkel in
Berlin auf.

1932 - 1937
Medizinstudium an der Universität Berlin (Staatsexamen)

ab 01.11.1933
Mitglied der Allgemeinen SS (Mitglieds Nu. 293 937)

ab 01.05.1937
Mitglied der NSDAP (Mitglieds Nu. 5 370 071)

ab 1939
Truppenarzt der Waffen-SS in Oranienburg, Dachau und Stralsund

ab 01.05.1940
Mitglied der Bewaffneten Verbände der SS

01.05.1940
Beförderung zum SS-Untersturmführer

Beteiligt am Überfall auf die Sowjetunion
Die Erkrankung an einer Lungentuberkulose führte zu seiner Versetzung von der Fronttruppe. Im Erholungsheim machte Fischer die Bekanntschaft mit Enno Lolling.
Auf Lollings Angebot, in einem Konzentrationslager eingesetzt zu werden, um seine chirurgischen Fachkenntnisse zu erweitern, willigte Fischer ein und wenige Monate später erfolgte ein Einberufungsbefehl nach Auschwitz.

30.01.1942
Beförderung zum SS-Obersturmführer

06. November 1942 bis März 1943 Truppen- und Lagerarzt im KL
Auschwitz, NL Janinagrube u. NL Jawischowitz
Von dem SS-Arzt Dr. Fischer wird der Ausspruch überliefert: "Wir sind so weit gegangen, daß wir jetzt nicht mehr zurück können."
(von Ende 1942 bis Frühjahr 1943 beteiligte sich Fischer zwölf Mal an der Vergasung von jeweils 250 bis 300 Personen, insgesamt von mindestens 3 000 Menschen, in Auschwitz-Birkenau. Fischer bescheinigte als Arzt zudem in 71 Fällen die »Straffähigkeit« von Häftlingen für den Vollzug der Prügelstrafe mit fünf bis 25 Stockschlägen, in 51 Fällen war er beim Vollzug anwesend. Fischer hat als SS-Lagerarzt und als SS-Standortarzt an der Vernichtung von 70 000 Menschen verantwortlich mitgewirkt.

Auschwitz, 30. April 1943
Kommandanturbefehl Nr. 10/43

21.06.1943
Beförderung zum SS-Hauptsturmführer

März 1943 bis September 1944
Lagerarzt im KL
Monowitz

Oktober 1943
Zuzug der Ehefrau mit zwei Kindern

ab Februar 1945
im SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt tätig

Orden, Ehrenzeichen und Medaillen
Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern
Medaille Winterschlacht im Osten 1941-1942

Fischer sortierte die in Auschwitz einrollenden Häftlinge zumeist schon an der Bahnrampe in den Tod. Auf die Frage, ob er auch Frauen und Kinder ausgewählt habe: "Wenn ich Dienst hatte, habe ich sie alle ins Gas geschickt." Oder er selektierte aus Arbeitskommandos und Krankenstation: "Das Anschauen eines Häftlings dauerte maximal 60 Sekunden." Maximale Lebenserwartung in dem zuletzt mit 10 000 IG-Farben-Arbeitern belegten Nebenlager Monowitz: sechs Monate. Der NS-Heilkundige tat alles, was hart macht. Er genehmigte zahlreiche Prügelstrafen, wobei er in 51 Fällen zusah. Und er stoppte am Guckloch der Gaskammer mit der Uhr den Todeskampf seiner Auserwählten.

ab 00.04.1943
Fischer verrichtete seit April 1943 regelmäßig seinen Dienst an der Rampe. Durch ein Zeichen mit der rechten Hand trennte er die „Arbeitsfähigen“ von denen, die gleich ins Gas geschickt wurden: Mütter mit Kindern, Alte und Kranke. Beteiligt war Fischer darüber hinaus an Experimenten mit Elektroschockgeräten. Der Zweck dieser Versuche: Sie sollten die Arbeitsmoral depressiver Häftlinge heben.

nach 1945
Umsichtig hatte sich Fischer das SS -Blutgruppenzeichen schon vor der Kapitulation in einem Wehrmachts-Verbandsplatz am Pariser Platz zu Berlin wegoperieren lassen. Unter den neuen Machthabern retuschierte er sein politisches Vorleben durch SED-fromme Führung und zeitweise emsige Mitarbeit in der Einheitsgewerkschaft FDGB.

Er tauchte zunächst unbehelligt unter seinem richtigen Namen in
Golzow bei Brandenburg an der Havel unter und später in Spreenhagen, Kreis Fürstenwalde, wo er die Praxis eines Namensvetters übernahm. Als Landarzt führte er fortan Schutzimpfungen und Untersuchungen in den Kindergärten durch und übernahm die medizinische Betreuung der Kinderferienlager. Überdies war er Mitglied im örtlichen Tischtennisverein.

06.04.1960
Am 6. April 1960 erließ die Zentralstelle in Ludwigsburg Haftbefehl gegen Horst Fischer.

1962
1962 stattete Fischer, in der DDR noch unerkannt und mit einem ordnungsgemäßen Passierschein versehen, einem Schwager in der Bundesrepublik einen Besuch ab. Der Bundesgrenzschutz, der dicke Fahndungsbücher bei sich führt, ließ ihn unbehelligt die Grenze passieren.

00.04.1964
Im April 1964 wurde das MfS auf Fischer aufmerksam.
(Nicht wegen seiner Vergangenheit, sondern wegen seiner Westkontakte geriet er ins Visier des MfS. Da auch die westdeutschen Behörden im Zuge der Frankfurter Auschwitzprozesse gegen ihn ermittelten, bot sich für die DDR die Gelegenheit, in einem parallelen Prozess ihre konsequente Verfolgung von NS-Tätern zu demonstrieren. Der plötzliche Eifer der DDR-Behörden bei der Aufklärung von NS-Verbrechen überraschte Fischer: "Ich war der Meinung, dieses Kapitel wäre abgeschlossen." Das Verfahren gegen ihn vor dem Obersten Gericht der DDR 1966 wurde, wie alle NS-Prozesse, vom MfS minutiös geplant. Von der Eröffnung bis zum Urteilsspruch, von der Pressearbeit bis zu den Reaktionen in der DDR-Bevölkerung kontrollierte es das Verfahren. Dass Fischer nach den Grundsätzen des Völkerstrafrechts - das in einem DDR-Prozess erstmals angewandt wurde - zum Tode verurteilt werden sollte, stand schon vor Prozesseröffnung fest. Das Misstrauen der Sicherheitsbehörden ging so weit, dass einer der wichtigsten Zeugen, der österreichische Kommunist und ehemalige Schreiber im Häftlingskrankenbau von Auschwitz Hermann Langbein, nicht geladen wurde, weil er dem Stalinismus abgeschworen hatte.)

11.06.1965
Am 11. Juni 1965 wurde Fischer in Untersuchungshaft genommen und vom MfS über einen mehrmonatigen Zeitraum eingehend verhört.
(Der Zugriff erfolgte am Morgen des 11. Juni 1965 um kurz vor acht. Unter dem Vorwand, einen Unfall zu untersuchen, in den ein Mercedes verwickelt gewesen sein sollte, wurden drei Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit bei dem Landarzt Dr. Horst Fischer in Spreenhagen vorstellig. Die vermeintlichen Verkehrspolizisten baten den Besitzer eines Mercedes 190 sie zu seinem Fahrzeug zu führen. Auf dem Weg zur Garage wurde Fischer verhaftet und in das Untersuchungsgefängnis der Stasi nach Hohenschönhausen gebracht. Für die Heimlichtuerei gab es einen Grund: Bis zuletzt befürchtete die Stasi, Fischer könne von den Ermittlungen erfahren und sich einer Ergreifung durch Flucht in den Westen oder Selbstmord entziehen. Damit wäre ihnen ein großer Fang entgangen. So aber bot sich vor dem Hintergrund des aufsehenerregenden Auschwitz-Prozesses in Frankfurt am Main die Chance den antifaschistischen Anspruch der DDR zu bekräftigen: Mit dem stellvertretenden Lagerarzt von Auschwitz war man des höchsten SS-Mediziners habhaft geworden, der je vor einem deutschen Gericht stand.)

10.03.1966 - 25.03.1966
Prozeß vom 10. bis zum 25. März 1966 vor dem Ersten Strafsenat des Obersten Gerichts der DDR (Wahl-Verteidiger, die Rechtsanwälte Wolfgang Vogel und Günter Heinicke)
(45 Zeugen aus sechs Ländern, die DDR -Generalstaatsanwalt Dr. Josef Streit zum Prozeß aufgeboten hatte, beglaubigten dem Vater von vier Kindern noch einmal, was ihm einst in die Personalakte geschrieben worden war: frei zu sein von irgendwelchen Schwächen.)
Urteil: Todesstrafe (Die Strafe ist, laut Paragraph 13 des DDR-Strafgesetzbuches, "durch Enthauptung zu vollstrecken".) Es war das 179. Todesurteil in der DDR seit 1949

"Der Erste Strafsenat des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik verkündet in der Strafsache Fischer folgendes Urteil:
Im Namen des Volkes!
Der Angeklagte wird wegen fortgesetzt begangenen Verbrechens gegen die Menschlichkeit - Artikel 6 Buchstabe c IMT-Statut, Paragraph 1 StGB - zum Tode verurteilt. Die bürgerlichen Ehrenrechte werden ihm auf Lebenszeit aberkannt. Die Auslagen des Verfahrens hat der Angeklagte zu tragen."

26.04.1966
Im Fall Fischer setzte Erich Mielke auf Härte. Auf seine Empfehlung hin entschied Walter Ulbricht am 26. April 1966, kein Gnadenverfahren einzuleiten. Fischer erfuhr davon, ebenso wie die Öffentlichkeit, erst am Tag der Urteilsvollstreckung.

08.07.1966
am 8. Juli 1966 durch die „Fallschwertmaschine“ in der Zentralen Hinrichtungsstätte der DDR in der Justizvollzugsanstalt Leipzig hingerichtet

Aussage des ehemaligen Auschwitz Häftlings:
Häftlingsarzt Antoni Makowski, Häftlingsnummer 131791, über eine Selektion (BV):
»Alle kranken Häftlinge, vollständig nackt, gingen in einer Reihe, einer hinter dem anderen, an Dr. Fischer vorbei und hielten in ihren Händen die Karten, welche die Kartei des Krankenbaus bildeten; Dr. Fischer, begleitet vom SS-Sanitäter Neubert, nahm diese Karten von den vorbeigehenden Häftlingen und reichte sie, nachdem er sie sich anschaute, entweder dem Krankenbauschreiber oder Neubert. Wenn er die Karte des Häftlings dem Krankenbauschreiber gab, bedeutete es, daß dieser Kranke im Krankenbau blieb, die Abgabe an den SS-Sanitäter verurteilte den Häftling zum Tode in der Gaskammer.«

Aussage Justin Sonder, Auschwitz-Überlebender
Der SS-Arzt Dr. Horst Fischer untersuchte das Gelenk, er arbeitete nach dem Krieg 20 Jahre lang in der DDR und wurde erst 1966 enttarnt. „Fischer untersuchte mein Knie und behandelte es mit Jod. Er malte mir damit ein Hakenkreuz darauf, bevor er mich zur OP schickte.“ Nur weil ein polnischer Gefangener, der als Arzt arbeitete, ihn schützte, blieb der kranke Sonder von einer anstehenden Selektion verschont. „Von meinem Block überlebten nur zehn oder zwölf Menschen.“

Der Holocaust vor deutschen Gerichten: Amnestieren, Verdrängen, Bestrafen
https://books.google.de/books?id=grU3DwAAQBAJ&pg=PT162&lpg=PT162&dq=Fischer+Horst+in+Oranienburg&source=bl&ots=b23W6khoPi&sig=mZhSoTYVYYlquB551rHvLl-Wnx0&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwiFiMu8z9DaAhXEQJoKHdeeB8s4ChDoAQgmMAA#v=onepage&q&f=false

Mission Freiheit – Wolfgang Vogel: Anwalt der deutsch-deutschen Geschichte

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