Bezeichnung
Bezeichnungen:
Hinterbrühl, Wien-Mödling, Mödling, "Lisa" (Tarnname für Lager) bzw. "Languste" (Tarnname für Werk)
Ortsbeschreibung
Hinterbrühl Johannesgasse 16–24
Österreich, Bundesland Niederösterreich, Bezirk Mödling
Der Höhlensee der Seegrotte Hinterbrühl ist mit 6200 Quadratmetern der Größte Unterirdische See Europas. Er entstand im Jahr 1912 durch eine Sprengung im Ehemaligen Gipsbergwerk. Mehr als 20 Millionen Liter Wasser strömten in die Gänge und Stollen ein. Bis in die 1930er Jahre blieb das Bergwerk geschlossen. Dann entdeckte ein internationales Höhlenforscherteam die Höhle. 1932 wurde die Seegrotte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und touristisch genutzt.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde die im Familienbesitz befindliche Seegrotte von den Nationalsozialisten beschlagnahmt, Das Wasser abgepumpt und ein Rüstungsbetrieb eingerichtet.
Außenlager des Konzentrationslagers Mauthausen
Geschlecht: Männer
Einsatz der Häftlinge bei: Heinkel-Flugzeugwerke
Art der Arbeit: Produktion von Kopfelementen für V 2-Raketen; Bauteile für den Nachtjäger He 216, Herstellung des Rumpfs und Montage des Düsenjägers He 162
Eröffnung des Lagers
Eröffnung des Lagers
04.08.1943 - 00.07.1944 Konzentrationslager Mauthausen (Außenlager Hinterbrühl)
zählte ab dem
00.07.1944 - 01.04.1945 Konzentrationslager Wien-Floridsdorf
In Wien-Floridsdorf gab es 2 weitere Lager:
KZ - "Floridsdorf Hofherr- Schrantz" (Shuttleworthstraße 8)
ab dem 14.07.1944
KZ - "Floridsdorf Jedlesee" (Pragerstraße)
ab dem 13.07.1944
Täter/Wachmannschaft
Gössl Georg (Revierkapo)
* 14.06.1909 München
+ 27.05.1947 im Landsberger Kriegsverbrechergefängnis
26.12.1944
Am 26.12.1944 treffen mit einem Überstellungstransport 150 Häftlinge vom Konzentrationslager Mauthausen (Außenlager „SS-Arbeitslager Wiener Neustadt“) kommend, im Konzentrationslager Mauthausen (Außenlager Hinterbrühl) ein. Der Transport hat das Lager Wiener Neustadt am 26.12.1944 verlassen.
31.03.1945
Am Abend des 31.03.1945 es ist Karsamstag, das Lager soll am nächsten Tag "evakuiert" werden, brachte über das Lager den Gipfel an Grausamkeit. Um sich Schwierigkeiten mit den Gehunfähigen zu ersparen, befiehlt der Lagerleiter SS-Untersturmführer Streitwieser Anton, Spitzname „Der schöne Toni" (lebte nach 1945 bis zu seiner Entarnung unter dem Falschnamen „Klaus Werner Krug“ bei seiner Frau in Köln, * 17.07.1972 im Haftkrankenhaus Bochum), die „möglichst geräuschlose" Tötung von 50 Männern mittels Benzininjektion in das Herz noch in der Nacht vor dem Abmarsch. Weil aber der vom Kapo des Krankenreviers beauftragte – und alkoholisierte – Sanitätsgehilfe die Spritzen meist in die Lungen anstatt in die Herzen der Opfer injizierte, starben viele der Opfer nur langsam und äußerst qualvoll. 51 Leichen (ein Kapo war am Vortag erschossen worden) wurden umgehend in ein Massengrab am KZ-Gelände geworfen.
Am 09. September 1948 erhob die Staatsanwaltschaft Wien Anklage gegen Karl Sasko, Kriegsverbrechen nach § 1/2 KVG und das Verbrechen des Totschlages nach dem zur Tatzeit in Geltung gestandenen § 212 RStGB begangen zu haben.
Februar 1955
Volksgerichtsverfahren gegen Sasko, Dieplinger und andere wurde vom Volksgericht unter der Geschäftszahl LG Wien Vg 6c Vr 479/46 eingeleitet. Die Akten werden am Landesgericht für Strafsachen Wien unter der Geschäftszahl Vg 8e Vr 781/55 aufbewahrt.
Am 9. September 1948 erhob die Staatsanwaltschaft Wien Anklage gegen Karl Sasko, Kriegsverbrechen nach § 1/2 KVG und das Verbrechen des Totschlages nach dem zur Tatzeit in Geltung gestandenen § 212 RStGB begangen zu haben.
Häftlingsfunktionär Sasko Karl
Karl Sasko, geboren 1917 in Wien, war am 11. Juni 1941 vom NS-Sondergericht Leitmeritz wegen Betrug, Diebstahl und Beleidigung zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt und in das KZ Mauthausen eingewiesen worden. Von dort kam er als Sanitäter in das Krankenrevier des Außenlagers Hinterbrühl bei Mödling (Arbeitslager III, Johannesgasse), wo rund 1.800 Zwangsarbeiter in der unterirdischen Rüstungsfabrik im Stollen der "Seegrotte" zwischen September 1944 und Mai 1945 Flugzeuge produzierten. Als die Front im Jahre 1945 näher rückte, wurden die Häftlinge vom SS-Lagerkommando nach Mauthausen abtransportiert. Die marschunfähigen Häftlinge auf dem Krankenrevier sollten "liquidiert" werden. Dieser Mordbefehl wurde am Abend des 31. März 1945 erteilt. Die Durchführung sollte das aus Häftlingen bestehende Personal erledigen. Die Ärzte Dr. Krakowski und Dr. Jouon sowie ein russischer Arzt und ein russischer Sanitäter lehnten die Tötung der schwer kranken Häftlinge ab. Karl Sasko soll den Befehl mit "Jawohl" zur Kenntnis genommen haben. Er injizierte den einzeln auf den Behandlungstisch des Krankenreviers gebrachten Häftlingen Petroleum bzw. Benzin ins Herz.
Karl Sasko gab zu, die Petroleum- oder Benzininjektionen verabreicht zu haben und verantwortete sich damit, dass er unter Einfluss von Alkohol gesetzt worden sei und sich nicht getraut habe, die Ausführung des Befehls zu verweigern, weil er fürchtete, ansonsten erschossen zu werden.
Zeugenaussage von Dr. Josef Krakowski vom 14. Januar 1948 beim Bezirksgericht Enns (in: LG Wien Vg 8e Vr 781/55)
"Ich war bei der Einspritzung zugegen, die Häftlinge wurden von Sasko mit der Spritze in die Herzgegend gestochen, je nach dem Sasko gut traf, war der Tod schneller oder länger eingetreten, wenn Sasko in die Lunge traf, dauerte es natürlich länger, es geschah sogar, dass Häftlinge aus dem Massengrab herauskrochen, die nicht gut getroffen waren und von den Wachen erschossen wurden.“
Aussagen von Jakob Ludwig (Wachkommandant der Lagerwache Hinterbrühl )
Die bis zu 51 Opfer wurden in zwei Massengräbern am Grundstück des Lagers vergraben. Nach Angaben des Wachkommandanten der Lagerwache Hinterbrühl, Ludwig Jakob, wurde das Grab zu Allerheiligen 1945 aufgegraben. Mitte Dezember 1945 wurde ein zweites Massengrab gefunden. Im Januar 1946 kam die Mordkommission und die Staatsanwaltschaft zur Besichtigung. Vier Wochen später wurden die Leichen der beiden Gräber exhumiert. Die Toten wurden zur gerichtsmedizinischen Untersuchung und Identitätsfeststellung dem Institut für Gerichtliche Medizin und Kriminalistik der Universität Wien übergeben.
Gutachten vom 18. April 1946
Die als Leiche Nr. 3 aus dem Massengrab in der Hinterbrühl entnommene männliche Leiche, deren Alter um 30 Jahre betrug, ist offenbar infolge Petroleumeinspritzung in das Herz eines gewaltsamen Todes gestorben, denn die chemische Untersuchung des Herzens konnte in 50 g untersuchtem Organ 0,2 ccm Petroleum nachweisen. In den übrigen Organen wurde Petroleum nicht nachgewiesen. Die Leiche befand sich durch das lange Liegen im Erdgrab im Zustande weit fortgeschrittener Fäulnis und Verwesung, wies aber keinerlei Verletzungen auf.
Die Staatsanwaltschaft Wien sah diese Rechtfertigung als nichtig an, da Sasko keinesfalls als unter "unwiderstehlichem Zwang" handelnd angesehen werden konnte, zumal dem übrigen Revierpersonal aus der Verweigerung der Ausführung des verbrecherischen Befehls keine Nachteile oder Repressalien erwachsen waren.
Schließung des Lagers
Am 01.04.1945 werden auf einem "Evakuierungsmarsch" (Todesmarsch) 1700 gehfähige Häftlinge aus den Lagern Floridsdorf Hofherr, Floridsdorf Jedlesee und Hinterbrühl über das Außenlager Steyr ins Konzentrationslager Mauthausen (Stammlager) evakuiert. Den 200 km langen Marsch haben viele Menschen nicht überlebt. Ausführlicher Bericht unter Kapitel Todesmarsch.
(51 Häftlinge wurden bereits am 31.03.1945 einen Tag vor dem Abmarsch mit Benzininjektionen getötet bzw. von SS-Angehörigen erwürgt). Ausführliche Berichte unter Kapitel Täter (Karl Sasko und Johann Dieplinger)