Judenhaus (Ghetto)


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Beschreibung

Deutschland, Bundesland Nordrhein-Westfalen, Regierungsbezirk Köln, kreisfreie Stadt Aachen

Auf Befehl des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) in Berlin fertigte das Standesamt der Stadt Aachen eine Aufstellung der in Aachen lebenden Juden an (Adrema). Im August 1935 haben danach 1.276 Juden in Aachen gelebt. Da viele Juden nicht gemeldet waren, ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Anzahl der hier lebenden jüdischen Bürger höher war.

Dieses Haus wurde als „Judenhaus“ für Ehepaare in so genannter „Mischehe“ eingerichtet. Zum 1. April 1941 setzte der Rat der Stadt Aachen damit die Weisung der NS-Führung zur Ghettoisierung der jüdischen Bevölkerung um.

Als Judenhaus wurden in der Behördensprache des nationalsozialistischen Deutschen Reichs Wohnhäuser aus (ehemals) jüdischem Eigentum bezeichnet, in die ausschließlich jüdische Mieter und Untermieter zwangsweise eingewiesen wurden. Wer in diesem Zusammenhang als Jude galt, war im § 5 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 geregelt; ausgenommen wurden sogenannte privilegierte Mischehen. Neben ideologischen Gründen bestimmten auch handfeste materielle Interessen diese Maßnahme. Die Judenhäuser mussten gemäß einer Anweisung des Reichssicherheitshauptamtes vom März 1942 mit einem schwarzen Judenstern an der Eingangstür gekennzeichnet werden und standen unter Kontrolle der Gestapo. Sie durften von den "Bewohnern nicht verschlossen werden

Rauch Elisabeth geb. Herzberg

Elisabeth Rauch geborene Herzberg, geboren am 23. Oktober 1875 in Aachen, evangelische Pfarrfrau in der Magdeburger Ambrosiusgemeinde, wohnhaft in Aachen, Krefelder Straße 29, wurde am 25. Juli 1942 in das KL Theresienstadt deportiert und starb dort am 12. Oktober 1942.

Elisabeth Rauch stammt aus einer Aachener Kaufmannsfamilie. Ihre Eltern sind der Tuchgroßhändler Gotthold Herzberg (1847 bis 1923) und seine Ehefrau Berta, geborene Meyer (1849 bis 1912). Sie hat eine ältere Schwester, Emmi (1874 bis 1943). “Die Herzbergs gehörten, nach allem was wir von ihnen wissen, zum so genannten assimilierten Judentum. Deshalb überrascht es nicht, dass alle vier aus der jüdischen Gemeinde austraten. Ein genaues Datumdafür und für die wahrscheinliche Konversion zum Christentum konnte bisher nicht ermittelt werden”. Emmi Herzberg heiratet in erster Ehe einen Herrn Keil und nach seinem Tode den Amtsgerichtsrat Dr. Karl Leopold Brach (1859 bis 1942) aus Saarlouis, mit dem sie bis zu ihrer Deportation in Aachen wohnt. Elisabeth Herzberg heiratet am 9. September 1897 den katholischen Diplomingenieur Paul t`Serstevens (1868 bis 1912) aus Brüssel. ZumZeitpunkt dieser Heirat ist sie noch mosaischen Glaubens. Ihre Mutter und ihr Mann sterben kurz hintereinander im Jahr 1912. Nach dem Tode ihres Mannes am 8. August 1912 zieht sie zu ihrem verwitweten Vater nach Aachen zurück (Lothringer Straße 103). Vier Jahre später, während des Ersten Weltkrieges, lernt sie den Magdeburger Oberpfarrer Theodor Rauch kennen. Auch er ist verwitwet und hat aus der ersten Ehe zwei inzwischen erwachsene Töchter.

Rauch bittet am 13. Juni 1917 seine vorgesetzte Behörde, wie es damals üblich ist, um die Erlaubnis zur Verheiratung, die er auch erhält. Das wäre nicht der Fall gewesen, wäre Elisabeth t`Serstevens nicht evangelisch getauft gewesen. Es ist aber bisher nicht bekannt, wann und wo sie getauft wurde. Die Hochzeit findet in Aachen am 30. Juni 1917 in aller Stille statt. Trauzeugen sind Elisabeths Vater und der Kaufmann Jacob Otto Keiler aus Burg bei Magdeburg. Unbekannt ist, ob die Töchter Rauch sanwesend sind. Ihr Name fehlt später auch auf der Todesanzeige von Theodor Rauch in der Magdeburger Zeitung. Die Gründe dafür sind unbekannt. Elisabeth Rauch zieht mit ihrem Mann nach Magdeburg in die Westendstraße 1 und wird “Pfarrfrau” in der Ambrosiusgemeinde - eine in der Tradition der evangelischen Kirche wichtige ehrenamtliche Tätigkeit. Die Pfarrfrau hat viele Aufgaben, Unterstützung des Ehemannes bei seiner Arbeit, Besuche in der Gemeinde bei Kranken und bei Familien, die Hilfe brauchen, Mitarbeiten bei den zahlreich enevangelischen Vereinen und Gruppen, vor allem wohl bei der “Frauenhilfe”, einem sozial engagierten Frauenverein, und natürlich auch ganz einfach hausfrauliche Aufgaben im Rahmen des Gemeindelebens.Zu Elisabeth Rauchs Zeiten geht man selbstverständlich davon aus, dass sie sich als Pfarrfrau all diesen Aufgaben stellt und keiner eigenen Berufstätigkeit nachgeht. Vielleicht hat sie aber als Frau eines Oberpfarrers auch repräsentative Aufgaben, Einladungen für Sponsoren oder Honoratioren und andere smehr. Heute ist diese Pfarrfrau niemandem mehr bekannt, aber damals scheint sie ein wichtiges und angesehenes Mitglied der Ambrosiusgemeinde gewesen zu sein, zu dem auch nach 1931 und nach ihrem Wegzug aus Magdeburg 1934 eine Reihe von Magdeburger Gemeindegliedern noch guten Kontakt unterhält. Die für Elisabeth Rauch gewiss erfüllte und schöne Pfarrfrauenzeit in Magdeburg endet mit dem Tod ihres Mannes am 11. September 1931. Er ist erst 68 Jahre alt und wird mitten aus der Arbeit heraus gerissen. Noch etwa drei Jahre bleibt die Witwe in Magdeburg, dann zieht es sie wieder in ihre Heimatstadt Aachen. Am 1. Mai 1934 meldet sie sich dort an und wohnt Krefelder Straße 29. Sie schließt sich bald der kleinen Aachener Bekenntnisgemeinde an, die sich gegen die Anpassung der Kirche an den Führungsanspruch der Nazis wendet. Lange kann sie ihre jüdischen Wurzeln verbergen, auch dadurch, dass sie die Anordnung, den zusätzlichen Namen “Sara” ihremVornamen hinzuzufügen, ignoriert. Elisabeth Rauch Die Ambrosiuskirche in Sudenburg, Elisabeth Rauchs Wirkungsstätte

Doch 1941 wird sie - mit dem Zwang zum Tragen des Judensterns ab 15. September - öffentlich als Jüdin bekannt. Im gleichen Jahr muss sie am 1. Dezember ihre Wohnung räumen. Sie zieht zu Schwester und Schwager in die Försterstraße 28. Treu wird sie auch dort von einigen Frauen aus der Bekenntnisgemeinde besucht - eine mutige Tat angesichts dessen, dass diese deswegen von der Gestapo bedroht werden. Es ist bei den Frauen großes Mitgefühl mit der Situation der christlich-jüdischen Mitschwester vorhanden, allerdings gibt es in der Bekenntnisgemeinde darüber hinaus keinen Ansatz, sich für ihre Rettung einzusetzen. Eine zusätzliche Belastung für Elisabeth Rauch wird im März 1942 die Auflage vom Finanzamt, 939,50 RM nachzuzahlen. Als “nichtarische” Witwe sei sie einer anderen Steuergruppe zuzuordnen und hätte folglich unberechtigter Weise steuerliche Ermäßigungen in Anspruch genommen. Es gelingt durch Vermittlung der Diakonie in Aachen, dass die Berliner Konsistorialkasse, die für ihre Witwenbezüge zuständig ist, das Geld auslegt und ihr dafür monatlich 80 RM von ihren Bezügen einbehält. Das bleibt bis zum 31. Oktober so. Doch schon längst vorher, am 17. Juni 1942, wird Elisabeth Rauch mit ihrer Schwester und deren Mann in ein Aachener “Sammellager” Am Grünen Weg gesteckt und am 25. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Sie stirbt dort am 12. Oktober 1942, zwei Tage später stirbt Dr. Karl Brach, ihr Schwager, ihre Schwester Emmi am 13. September 1943. Die schlimmen Zuständein Theresienstadt sind es, die zu ihrem schnellen Tode führen. Die Berliner konsistoriale Behörde, verärgert, dass Frau Rauch ihr ihren “Wohnungswechsel” nach Theresienstadt nicht angezeigt hat, und ahnungslos, wie es ihr ergeht, schreibt am 9. November 1942 an die Aachener Finanzbehörde, sie stelle die Hinterbliebenenbezüge an Frau Rauch wegen ungemeldeten Wohnungswechsels zum 31. Oktober ein. Noch im Jahr 1943 gibt es einen kirchenbehördlichen Briefwechsel darüber, wie die Kirchenkasse mit dem nun noch offenen Rest des Vorschusses an Frau Rauch umgehen solle. Schließlich wird die Schuld erlassen. Im Entwurf zu diesem Brief schreibt ein Beamter: “Bei einer etwaigen Wiederaufnahme der Zahlung der Hinterbliebenenbezüge an die Pfarrwitwe ElsaRauch ist der Steuerbetrag von ihr wieder zu erstatten. Für diesen Fall ist schon jetzt dafür zu sorgen, daß dies nicht übersehen wird.” Doch dieser Satz wird im endgültigen Brief dann gestrichen - vielleicht hat doch jemand erkannt, welcher Art jener “Wohnungswechsel” ist.
Quellen: Johannes Wever, “Zum Segen der Gemeinde”