Auschwitz

Mit dem vierten Transport des RSHA wurden 337 Männer und 161 Jungen sowie 374 Frauen und 126 Mädchen aus dem Durchgangslager für Juden und unerwünschte Elemente Mechelen/Malines (St. Georges Kaserne) in das Konzentrationslager KL Auschwitz deportiert. Nach der Selektion in Auschwitz werden 104 Männer, die die Nummern 60178 - 60281 erhalten, sowie 71 Frauen, die die Nummern 17714 - 17784 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen. 823 Personen wurden der Sonderbehandlung zugeführt.

Einer der Hauptverantwortlichen
SS-Oberscharführer Erich Holm galt nach 1945 zunächst verschollen,wurde 1967 in Teneriffe entdeckt und starb am 08.03.1981 unter falschem Namen im Krankenhaus Buxtehude. Nach seiner Zeit auf Teneriffa, verlebte er seinen Lebensabend bei seinem Sohn in Schwiederstorf (Gemeinde Neu Wulmstorf) bei Hamburg.
Anscheinend hatte die Justiz erst nach seinem Ableben Interesse an Erich Holm und so wurden alle Verfahren wegen Todes eingestellt.
Angeklagt war Erich Holm wegen Tötung einer Vielzahl von Juden, niederländischen Zivilisten, Widerständlern und amerikanischen Kriegsgefangenen. Ebenso wurde er von Belgien wegen Mordes gesucht.

Bericht

Die Razzia wurde in den Morgenstunden des 15. August per Telefon von der Sipo-SD-Stelle befohlen und vom Leiter des Antwerpener Judenreferats, SS-Oberscharführer Erich Holm, geleitet. 50 belgische Polizisten und drei Offiziere wurden für 20:30 Uhr zum Dienst beordert und angewiesen, bestimmte Straßen abzusperren. Um 22:00 Uhr durchkämmten dann Angehörige von SS und Feldgendarmerie die Häuser. Die dokumentierten Zahlen von verhafteten Juden variieren zwischen 998 und 1067. Sie wurden unverzüglich ins 25 km entfernte Mechelen gebracht. Diese „Judenaktion“ ermöglichte es, Transport IV in zwei Tagen zusammenzustellen. Die am 14. August begonnene Transportliste wurde vor der Razzia erstellt und basierte auf dem Personenverzeichnis der AJB, das diese der Sipo-SD-Dienststelle zur Verfügung stellte. 704 Deportierte waren bei der Razzia zusammengetrieben, weitere 172 zufällig andernorts verhaftet worden.

Der vierte Transport verließ Mechelen am 18. August 1942 und umfasste 999 Deportierte. 124 Juden hatten sich auf den Aufruf zum Arbeitsdienst hin gemeldet. Die Adressaten wurden dem Personenverzeichnis der AJB entnommen, die Ehlers daraufhin zwang, seinen Befehl weiterzuleiten, wonach die Deportierten sich im Sammellager Mechelen zu melden hatten. Sie sollten Proviant für 14 Tage mitbringen (unverderbliche Lebensmittel wie Haferflocken und Konserven), zudem Arbeitsstiefel, Arbeitskluft und andere unverzichtbare Kleidungsstücke sowie einen Napf und eine Tasse, Lebensmittel- und Kleiderkarten und Ausweise.

Die meisten Insassen in Mechelen erhielten eine Nummer. Die „Freiwilligen“ wurden von der Sipo-SD-Dienststelle in Brüssel zugeteilt und in Mechelen unter der Rubrik AB (Arbeitseinsatz) in die Transportliste aufgenommen. Jeder Gefangene erhielt ein Erkennungszeichen. Die für die unmittelbare Deportation vorgesehenen „Transportjuden“ erhielten eine Ordnungsnummer, die ihren Namen ersetzte. Diese Nummer (in arabischen Ziffern) musste gemeinsam mit der Transportnummer (in römischen Ziffern) auf einem Schild um den Hals getragen werden. Die für längere Zeit Internierten erhielten statt einer Nummer einen Buchstaben wie „E“ für „Entscheidungsfälle“, deren Identität weitere Überprüfung erforderte, „G“ für andernorts in Straflager zu steckende „Gefährliche Juden“ oder „P“ (Personal oder Stammpersonal) für Juden, die in der Lagerverwaltung arbeiteten.

Bei der Aufnahme hatten sie zuerst an von SS-Männern und mehrsprachigen jüdischen Sekretären und Buchhaltern besetzten Tischen vorbeizugehen. Joseph Hakker, ein Konditor aus Antwerpen, hat die Registrierungsprozedur in seinem ausführlichen Zeugenbericht über seine Lagererfahrungen wie folgt geschildert: „Das Registrierungsbüro stand unter dem Kommando des Rechtsanwalts Dr. Erich Krull. Wir saßen auf einer Bank, wo wir eine Nummer erhielten… Eine Stimme wies uns an, alles, was wir hatten, in einen Hut zu stecken, und sagte, wir dürften nichts behalten. Die Wände waren voll von Postern, die uns aufforderten, alles an Gold, Bargeld, Diamanten, Lederwaren, Pelzen, Stiften, Essen… abzugeben. Am ersten Tisch mussten wir Namen, Beruf und Adresse angeben. Am zweiten Tisch wurden wir registriert. Am dritten Tisch mussten wir alle in unserem Besitz befindlichen Ausweise abgeben… […] Dieser Prozedur folgten eine Leibesvisitation und Schläge, sofern ein versteckter Gegenstand gefunden wurde… Die scheußlichste Sache, die ich gesehen habe, war, dass alle Fotos von Ehegatten, Kindern, Muttern, Vätern zerstört wurden, auch Briefe, Zertifikate, Pässe – alle Habseligkeiten mit hohem persönlichen Wert.“

In einigen Fällen setzte die SS Folter als Strafmaßnahme bei der Suche nach Wertsachen ein. SS-Sturmscharführer Max Boden, der Personal- und Verwaltungsleiter im Lager, pflegte regelmäßig Frauen zu missbrauchen und seine Opfer brutal zu schlagen, wie mehrere Zeugen während des Prozesses gegen ihn (1950) bezeugten.

Transport IV markierte auch den Beginn der Massendeportation von Kindern und Jugendlichen. Jeder vierte Deportierte war unter 15, 122 waren unter zehn. Außerdem umfasste dieser Transport erstmals Babys. Zehn der Deportierten hatten noch nicht ihren zweiten Geburtstag erreicht, das jüngste Kind war gerade einmal drei Monate alt.

Über das Ziel der Reise wurden die Deportierten im Dunkeln gelassen. Sie mussten in Dritte-Klasse-Passagierwaggons steigen, jeder gemäß seiner/ihrer Nummer auf der Transportliste.

Die Deportierten reisten in Dritte-Klasse-Passagierwaggons. Die genaue Fahrtroute dieses Transports ist nicht bekannt. Die Fahrpläne oder andere entsprechende Dokumente, die Auskunft über die Route geben könnten, sind nicht überliefert. Manche der Deportierten geben eine ungefähre Vorstellung vom Verlauf der jeweiligen Strecke. So etwa Erwin Haber aus Brüssel. Er brachte unterwegs ein paar flüchtige Notizen zu Papier und warf sie aus dem fahrenden Zug. Darin bat er den Finder "höflichst" seine Nachricht nicht aufzugeben sondern, so möglich, in personam "auch ohne Briefmarken" zu überbringen. "Meine Familie wird Ihre Unkosten entsprechend vergüten." Solche Nachrichten, auch Postkarten wurden in der Nähe von Bahnhöfen aus dem Fenster geworfen. "Wir fahren jetzt über Louvain und Tienen und sind wahrscheinlich auf dem Weg nach Deutschland, möglicherweise gar Polen." Aussagen von Überlebenden, die mit den nächsten Transporten fuhren erwähnen auch andere Strecken. Demanch nahmen die Transporte aus Belgien nicht immer die gleiche Route. In den meisten Aussagen werden bestimmte Orte jedoch wiederholt genannt. Das sind vor allem die Städte Leuven (Louvain), Tienen (Tirlemont), Tongren (Tongeres) und Waremme (Borgworm). Es ist daher wahrscheinlich, dass der Zug über Louvain und Liège (Lüttich) die Bahnlinie nach Köln nahm. In Belgien waren belgische Waggons und Lokomotiven der staatlichen belgischen Eisenbahngesellschaft SNCB im Einsatz. Die Lokomotiven wurden von belgischen Zugführern gesteuert. In den Grenzbahnhöfen Eupen und Herbesthal hat das technische Personal von der Reichsbahn den Zug übernommen. Die Lokomotiven wurden ebenfalls ausgetauscht. Von Köln aus nahm der Zug dann entweder die nördliche Route über Hagen, Kassel, Erfurt und Leipzig nach Dresden oder die südliche Route über Gießen, Erfurt und Chemnitz nach Dresden.
Von Dresden aus fuhr er über Görlitz nach Schlesien. Die meisten Züge aus dem Westen Deutschlands steuerten anschließend das Vernichtungslager Auschwitz über den Knotenbahnhof Kohlfurt (Węgliniec), Bunzlau (Boleslawiec) und Liegnitz (Legnica) an. Von Liegnitz aus fuhr der Zug wahrscheinlich in südöstlicher Richtung über Breslau und Oppeln weiter nach Kattowitz. Von dort aus blieben nur noch 60 der grob 1200 km nach Auschwitz.

Der 18-jährige Simon Gutfreund aus Brüssel war der Einzige, dem es gelang, zu fliehen. Er wurde allerdings wieder gefasst und dann auf dem nächsten Transport deportiert.

Transport IV erreichte sein Ziel, den Gleisanschluss zwischen Auschwitz und Birkenau, am 20. August. Nach der Ankunft wurden nur 175 Deportierte zur Zwangsarbeit selektiert; 104 Männer wurden mit den Ordnungsnummern 60178-60281 tätowiert, 71 Frauen mit den Ordnungsnummern 17714-17784. 465 Frauen und Mädchen und 368 Männer und Jungen wurden in den Gaskammern der Bunker ermordet. Dies bedeutet eine sofortige Vernichtungsrate von 87 % bei den Frauen und 78 % bei den Männern.

Transport IV ist der einzige Transport von Mechelen nach Auschwitz, von dem niemand überlebt hat.

Quelle: Gedenkstätte yad vashem