Seine persönlichen Verhältnisse
Der am 8.Juni 1890 als Sohn eines Bautischlers in Berlin geborene Angeklagte Ru. verbrachte seine Kinder- und Jugendzeit gemeinsam mit acht Geschwistern, von denen zwei starben, im Elternhaus.
Nach dem achtjährigen Besuch der Volksschule wurde er Hotelpage und machte dann im Berliner Hotel Kronprinz eine dreijährige Kellnerlehre durch, die er im Jahre 1909 mit einer Prüfung abschloss.
Anschließend arbeitete er als Kellner in England und Frankreich, um im September 1913 nach Berlin zurückzukehren.
Anfang 1915 wurde er zu den Hirschberger Jägern einberufen. Er machte den Weltkrieg als Soldat mit und wurde zu Weihnachten 1918 entlassen.
In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen arbeitete Ru. als Schlafwagenschaffner, als selbständiger Wirt, als Inhaber eines Wäschegeschäftes und vor allen Dingen in seinem erlernten Beruf als Kellner. Beim Ausbruch des 2. Weltkrieges war er Kellner in dem Berliner Nachtlokal Die Insel.
Da der Umsatz in diesem Nachtlokal seit Kriegsbeginn zurückging, suchte Ru. nach einer anderen Beschäftigung, die ihm zusagte. Der bei der Kanzlei des Führers seit 1937 angestellte Zeuge von He., den Ru. durch die NSDAP und auch als Gast in der Insel kennengelernt hatte, verschaffte ihm Ende 1939 eine Stelle als Fotokopist bei der Dienststelle T4. Ru. Ru. musste sich bei dem SA-Standartenführer Blankenburg im Columbushaus am Potsdamer Platz melden. Blankenburg klärte ihn über die Euthanasieaktion auf und verpflichtete ihn zur Verschwiegenheit. Ru. wurde dann nach einem vierwöchigen Einführungskursus fortlaufend als Fotokopist in der Dienststelle T4 beschäftigt. Er musste Fotokopien von Bildern und Akten von Geisteskranken anfertigen. Mit der Zeit konnte er die beim Fotokopieren auftretenden chemischen Dämpfe gesundheitlich nicht mehr gut vertragen. Er sprach deshalb bei der Personalabteilung vor und bat um eine andere Arbeit, nach Möglichkeit um eine solche im Freien. Seinem Wunsche wurde entsprochen. Man sagte ihm, er könnte als Wachmann in ein Arbeitslager nach Polen kommen. Damit war er einverstanden.
Ende November 1942 / Anfang Dezember 1942 wurde er von Berlin nach Lublin in Marsch gesetzt, hier als SS-Unterscharführer eingekleidet und dann nicht einem Arbeitslager, sondern dem Vernichtungslager Treblinka zugeteilt. In Treblinka blieb er bis Ende November 1943.
Dann wurde er zum Vernichtungslager Sobibor versetzt. Anfang Dezember 1943 erhielt er von Sobibor aus einen unbefristeten Urlaub, den er in Berlin verbrachte.
Anfang Januar 1944 musste er sich bei T4 in Berlin melden und wurde sogleich nach Oberitalien in Marsch gesetzt, wo er als Polizeihauptwachtmeister bei Polizeieinheiten in Udine und Tarvis Dienst machte. Bei einem Autounfall wurde er verletzt und in ein Lazarett in Udine eingeliefert, um von dort zur endgültigen Ausheilung seiner Verletzung in ein Krankenhaus nach Timmendorfer Strand verlegt zu werden.
Im Juni 1946 wurde er von dort nach Berlin entlassen.
Bis 1955 arbeitete er noch als Kellner, seither lebt er als Rentner.
Der Angeklagte, der seit 1922 verheiratet war, verlor seine Frau im Jahre 1945.
Er ist katholisch getauft, aber evangelisch konfirmiert worden. Aus der Kirche ist er nicht ausgetreten.
Im Mrz 1933 trat Ru. der NSDAP bei. Seit dem Jahre 1937 war er als Blockverwalter der Partei tätig.
Diese Feststellungen beruhen auf der insoweit glaubhaften Einlassung des Angeklagten Ru. und der uneidlichen Bekundung des Angestellten v. He., der die Darstellung des Angeklagten darüber, auf welche Art und Weise er zur Dienststelle T4 gestoßen ist, bestätigt hat.