Sein Verhalten bei der Abfertigung von Transporten

Suchomel traf im Lager Treblinka ein, als noch der ehrgeizige Dr. Irmfried Eberl dessen Kommandant war.
Unter Dr. Eberl arbeitete er etwa zwei bis drei Wochen lang. Da zu dieser Zeit mehr Transporte mit Juden ankamen, als das Lager aufnehmen und fristgerecht abfertigen konnte, war der Arbeitsanfall besonders groß.

Damals mussten alle deutschen SS-Leute des unteren Lagers, auch Suchomel, zur Bahnhofsrampe kommen, wenn Umsiedlerzüge eintrafen. In der Zeit des Kommandanten Stangl dagegen war Suchomel nur gelegentlich am Bahnsteig anzutreffen, wenn in Zeiten verstärkter Eingänge von Judentransporten alle Männer gebraucht wurden.

Bei diesen Gelegenheiten benahm er sich unter den Augen seiner Vorgesetzten genauso wie seine Kameraden. Er schlug mit seiner Peitsche auf die eben eingetroffenen Juden ein und scheute sich auch nicht, mit seiner Maschinenpistole oder Pistole in die Menge zu schießen, wenn das zur Aufrechterhaltung eines geordneten Ablaufs der Massentötungen erforderlich war. Mit besonderer Vorliebe nahm er sich der jüdischen Frauen an, die er nach ihrer Absonderung von den Männern mit den hämischen Worten: Weiberchen, schnell, schnell, das Wasser wird kalt! zur Eile antrieb. Das tat er sowohl auf dem Wege der Frauen zur Auskleidebaracke wie auch nach ihrer Entkleidung auf dem Wege von dieser Baracke zur Himmelfahrtsallee und in die Gaskammern.
In mindestens zwei Fällen führte er auch eben eingetroffene und zur Massenvernichtung bestimmte Frauen zur Erschießung ins Lazarett. In der Hauptsache war er jedoch, wenn Transporte eintrafen, mit der Erfassung von Geld, Gold, Schmuck und anderen Wertsachen beschäftigt.
Das speziell für diese Arbeit zusammengestellte Kommando der Goldjuden, das aus 10 bis 12 Männern bestand, wurde zunächst von dem deutschen SS-Mann Lindenmüller geführt. Sein Stellvertreter war Suchomel.

Nachdem Lindenmüller Anfang 1943 aus Treblinka versetzt worden war, rückte Suchomel zum Chef der Goldjuden auf.
Er achtete streng darauf, dass alle Werte restlos erfasst und abgeliefert wurden und dass die von seinem Vorgänger Lindenmüller eingeführte Nachschau der unteren Geschlechtsteile der entkleideten Jüdinnen nach verborgenen Wertsachen durchgeführt wurde. In einzelnen Fällen mussten sich die nackten Jüdinnen sogar hinsetzen, ihre Beine breitmachen und eine Untersuchung ihrer Scheide nach verstecktem Schmuck in Kauf nehmen.

Allerdings beteiligte sich Suchomel an diesen häufig in seiner Gegenwart durchgeführten Maßnahmen seiner Goldjuden nicht persönlich. Er unternahm aber nichts, um diese von Lindenmüller eingeführte Neuerung abzustellen, obwohl das ohne weiteres in seiner Macht stand. In der Frauenauskleidebaracke wandten sich manchmal bereits ausgezogene Jüdinnen in ihrer Verzweiflung an den Angeklagten Suchomel, um zu erfahren, was das alles zu bedeuten habe und was ihnen nun bevorstehe. Suchomel pflegte dann den Frauen zu sagen, sie sollten sich gar keine Sorgen machen, da sie nur baden würden, dass ihnen dann alles wiedergegeben werden würde, was man ihnen abgenommen habe, und dass sie dann zu einer Arbeit eingeteilt werden würden. Ab und zu gab er den nackten Frauen Handtücher mit dem Bemerken, nach dem Bad könnten sie diese Tücher gut zum Abtrocknen gebrauchen.
In zwei Fällen bemühte sich Suchomel um die Rettung von angekommenen Juden vor der Vergasung, und zwar einmal mit Erfolg und einmal ohne Erfolg.

Am 18.Januar 1943 kam die damals 20 Jahre alte Zeugin Zu., geborene Tep., mit einem Transport aus dem Warschauer Ghetto in Treblinka an. Ein beim blauen Kommando tätiger junger Häftling mit dem Vornamen Marek, der ebenfalls aus Warschau stammte und dort mit der Schwester der Zeugin befreundet gewesen war, bat Suchomel darum, die Zeugin zu retten. Suchomel verwandte sich beim Lagerkommandanten Stangl für die Zeugin. Er konnte sie mit seiner Zustimmung vor dem Tode bewahren und sie als Schneiderin in der Schneiderwerkstätte des unteren Lagers einsetzen.

Mit einem Transport aus der Tschechoslowakei kamen der aus Krumau stammende jüdische Jurist Dr. Rubin, ein Schulfreund Suchomels, und seine Ehefrau in Treblinka an. Als Suchomel ihm bemerkte, ging er auf ihn zu und sagte ihm, er könne ihn für ein Arbeitskommando vorschlagen und dadurch vor dem Gastod retten. Als Dr. Rubin jedoch von Suchomel weiter erfahren musste, dass eine Rettung seiner Ehefrau nicht möglich sei, lehnte er Suchomels Vorschlag ab und ging mit seiner Frau den Weg zu den Gaskammern.

Diese Feststellungen ergeben sich aus der Einlassung des Angeklagten Suchomel, soweit man ihr folgen kann, und aus den eidlichen Behauptungen
der Zeugen
Gl.
Tu.
Kols.
Oscar Stra.
Do., Lak.
Tai.
Koh.
Sed.
Su.

Der Angeklagte Suchomel räumt diese Feststellungen mit folgenden Einschränkungen ein.
In den wenigen Fällen, wo er an der Rampe zu finden gewesen sei, habe er weder auf die ankommenden Häftlinge mit seiner Peitsche eingeschlagen noch in die Menge geschossen. Er habe auch nicht die Jüdinnen mit dem Zuruf: Weiberchen, schnell, schnell, das Wasser wird kalt! zur Eile angetrieben. Vor allen Dingen habe er niemals Frauen zum Erschießen ins Lazarett geführt.
Es könne auch keine Rede davon sein, dass er bei der Werterfassung einen besonderen Eifer entwickelt habe. Wohl habe er ordentlich und nicht schlampig gearbeitet, da er bei dem Einsammeln, dem Ordnen und Registrieren der Wertobjekte eine besonders hohe Verantwortung gehabt habe. Es habe ihn zwar sehr angewidert, dass seine Goldjuden in vereinzelten Fällen die Genitalien der nackten Jüdinnen nach verborgenem Schmuck abgesucht hätten. Nachdem diese Regelung aber nun einmal von seinem Vorgänger Lindenmüller getroffen worden sei, habe er keine Veranlassung gehabt, sie wieder abzuschaffen. Wenn sich 300 bis 400 Frauen gleichzeitig in der Frauenauskleidebaracke auszogen, habe er sich sofort in die Kasse begeben, die sich nur anfangs außerhalb, später innerhalb der Baracke befunden habe. Zur Kasse hätten die Goldjuden die gesammelten Wertstücke hinbringen müssen. Es sei vorgekommen, dass er den Jüdinnen, die nackt zum Schlauch gehen mussten, manchmal ein Handtuch gegeben und ihnen gesagt habe, sie könnten es nach dem Bad gut gebrauchen. Das habe er nur aus Mitleid getan, um den bedauernswerten Frauen ihren letzten Gang zu erleichtern.

Diese Einlassung des Angeklagten, mit der er sein Verhalten bei den Transportabfertigungen in ein günstigeres Licht zu rucken versucht, wird durch das Ergebnis der Beweisaufnahme im Wesentlichen widerlegt.
Zwar ist es richtig, dass Suchomel nach der Ablösung des Kommandanten Dr. Eberl nur noch selten an der Rampe war, da er sich als Chef beziehungsweise stellvertretender Chef der Goldjuden vorwiegend in der Frauenauskleidebaracke, in der sich die Kasse befand, aufhalten musste, wenn er aber am Bahnsteig war, dann schlug auch er mit seiner Peitsche auf die eingetroffenen Juden ein,
wie die Zeugen
Gl.
Oscar Stra.
Tai.
Lak.
Do.
Tu.
Koh.
Kols.
die sämtlich vereidigt worden sind, glaubhaft bezeugen.

Dass Suchomel in einigen Fällen hierbei auch auf die Masse der ankommenden Juden geschossen hat, geht aus den eidlichen Aussagen der glaubwürdigen Zeugen Tu. und Tai. hervor. Tu. hat Suchomel einmal bei einer Transportabfertigung schießen sehen, während Tai. das sogar mit Bestimmtheit in zwei Fällen hat beobachten können. Durch die eidlichen Aussagen der glaubwürdigen Zeugen Tai. und Lak. ist weiter erwiesen, dass Suchomel die Frauen mit den Worten:

Weiberchen, schnell, schnell, das Wasser wird kalt!

zu besonderer Eile antrieb.
Wenn er nach seinen eigenen Angaben die nackten Frauen in der Baracke tröstete und ihnen gelegentlich Handtücher gab, ein Vorgang, den auch der uneidlich vernommene Frisör Bor. bestätigte, so mag das zum Teil auf Mitleid, zum Teil aber auch darauf zurückzuführen sein, dass Suchomel jede Unruhe unter den Hunderten von Frauen in der Baracke vermeiden wollte, denn Unruhe hätte den reibungslosen und schnellen Ablauf der Vernichtung erschwert und Suchomel einen Tadel seiner Vorgesetzten, um deren Gunst er sehr bemüht war, eingetragen. Dass Suchomel sich bei Transportabfertigungen besonders geschäftig und eifrig aufführte, wenn er von Vorgesetzten beobachtet wurde, bestätigen nämlich unter anderem die Zeugen Kols.
Lak.
Tai.
Lac.
die ihre Aussagen sämtlich beschworen haben.

Durch die eidlichen Bekundungen der Zeugen Koh. und Lak. ist weiter bewiesen, dass Suchomel im Rahmen der Massentötungen Frauen zur Erschießung ins Lazarett brachte.

Dass Suchomel die Zeugin Su. vor der Vergasung bewahrte und dass er auch dem Krumauer Dr. Rubin anbot, ihn zu retten, ergeben die Einlassungen des Angeklagten und die mit ihr insoweit vollauf übereinstimmenden eidlichen Bekundungen der Zeugen Su. und Sed., der den Vorfall mit Dr. Rubin noch in bester Erinnerung hatte.