Münzberger

Der Angeklagte Münzberger unterstützte die Massentötungen insbesondere dadurch, dass er das Füllen der Gaskammern mit den im Schlauch wartenden Opfern überwachte, hierbei selbst auf die sich sträubenden Menschen mit seiner Peitsche einschlug und schließlich darauf achtete, dass die Kammern bis zum Bersten voll belegt wurden.
Außerdem trieb er die Angehörigen des Leichenträgerkommandos mit Peitschenhieben zu schneller Arbeit an, um so eine baldige Leerung der Kammern von Leichen und ihre baldige erneute Verwendung zur Vergasung der noch im Schlauch wartenden Menschen zu erreichen.

Dem Angeklagten Münzberger waren alle Tatumstände bekannt.

Er war nicht nur über die Vorgänge im oberen, sondern auch über die im unteren Lager genau informiert, da er anfangs einige Wochen im Auffanglager eingesetzt war.
Schließlich war ihm auch bekannt, dass die Massenvernichtung aufgrund von Befehlen der obersten Staatsführung erfolgte. Er wusste auch, dass die Spitzenfunktionäre des Staates die unschuldigen Juden und Zigeuner nach einem genauen Plan aus rassischen und machtpolitischen Motiven, also aus niedrigen Beweggründen, liquidieren wollten. Trotzdem war er damit einverstanden, die Massenvergasungen durch Tätigkeit vor und hinter den Gaskammern zu fördern.

Er handelte somit vorsätzlich.

Münzberger ist nicht als Mittäter, sondern als Gehilfe der Vernichtungsaktion in Treblinka anzusehen.
Obwohl er an einer Schaltstelle der Vernichtung tätig war, lässt sich nicht nachweisen, dass sein Wille über die Leistung eines Forderungsbeitrages, auch eines solchen von bedeutendem Umfang, hinausging und dass er die Tötungen als eigene wollte.

Er gehörte zwar als Mitglied der NSDAP und der Allgemeinen SS an.
Er war darüber sehr erfreut, dass es der nationalsozialistischen Regierung Adolf Hitlers gelungen war, seine sudetendeutsche Heimat dem Deutschen Reich anzugliedern, und er billigte auch die auf eine Machterweiterung abzielenden Pläne der damaligen Staatsführung.

Aber es lässt sich bei ihm nicht mit einer für die Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachweisen, dass er auch die Massenvernichtung der Juden, insbesondere die Tötung von Frauen und Kindern, von alten und kranken Menschen, sich innerlich voll zu eigen gemacht und den Erfolg als eigenen gewollt hätte.

Dem Umstand, dass er einmal dem Angeklagten H. und dessen Freund Eisold Vorwürfe darüber machte, dass beide sich nicht eifrig genug an der Vernichtungsaktion beteiligten, kann man in diesem Zusammenhang kein entscheidendes Gewicht beimessen. Diesen Vorwurf erhob er möglicherweise nicht, weil er die Tötung der Juden als seine eigene Sache ansah, sondern deshalb, weil er meinte, jeder SS-Mann müsse die Befehle des Führers eifrig und exakt ausführen, und ein treuer Gefolgsmann habe nicht danach zu fragen, welcher Art diese Befehle seien.

Nach seinem gesamten Verhalten in Treblinka und nach seinem Persönlichkeitsbild, welches das Schwurgericht in der mehrmonatigen Hauptverhandlung von ihm gewonnen hat, kann man nicht unbedingt davon ausgehen, dass er sich die Ziele und Motive der Haupttäter zu eigen gemacht hat.
Vielmehr ist es möglich, dass er, bedingt durch seine besondere Autorittsgläubigkeit, seine Befehlsergebenheit und seine Dankbarkeit gegenüber dem Führer, der seine sudetendeutsche Heimat ins Reich heimgeholt hatte, lediglich eine fremde Tat, in freilich massiver Form, unterstützen wollte. Aus seiner inneren Einstellung kann man damit nicht auf einen Täterwillen schließen.
Hinzu kommt, dass der Angeklagte in Treblinka stets nur in einer untergeordneten Stellung tätig war und bei seinem Einsatz vor dem Gashaus über keinerlei entscheidende Tatherrschaft verfügte.
In diesem fortgeschrittenen Stadium des Vernichtungsprozesses besaß er keinerlei Möglichkeit zur Rettung auch nur eines einzigen Juden oder zu einer sonstigen Einflussnahme auf den Ablauf der Aktion. Er war lediglich ein Rädchen in der grausamen Tötungsmaschinerie und hatte stur seine vorgeschriebene Arbeit zu verrichten.

Münzberger hat in Treblinka an der Tötung von mindestens 300000 Menschen mitgewirkt. Er hat dem SS-Sonderkommando Treblinka von Ende September 1942 bis Mitte November 1943, also über 13 Monate, angehrt. Selbst wenn man hiervon einen Urlaub von etwa 13 Wochen absetzt, so verbleiben immer noch rund 10 Monate, in denen Münzberger an den Massentötungen teilgenommen hat. Hierunter fallen insbesondere auch die Monate Oktober, November und Dezember 1942, in denen besonders viele Transporte abgefertigt worden sind. Das Schwurgericht schätzt deshalb die Zahl der Personen, an deren Vernichtung Münzberger im Rahmen der Transportabfertigungen teilgenommen hat, auf mindestens 300000.

In dieser Zahl ist auch die Erschiessung einer Mutter mit zwei Kindern (vergleiche Abschnitt G.III. des Zweiten Teiles der Gründe) enthalten, denn auch in diesem Falle hat Münzberger nicht aus eigenem Antrieb, sondern in Beachtung der für die Transportabfertigung geltenden Richtlinien gehandelt.

Der Angeklagte Münzberger hat mithin den Tatbestand der Beihilfe zum gemeinschaftlichen, aus niedrigen Beweggründen (Rassenhass), heimtückisch und grausam begangenen Mord in mindestens 300000 tateinheitlich miteinander verbundenen Fällen verwirklicht (211, 47, 49, 73 StGB).