Erschießung von zwei Häftlingen im Lazarett im Anschluss an den sogenannten Sport
Während einer gewissen Zeit im Jahre 1943 verschafften sich einige der Angehörigen des deutschen Lagerpersonals im Vernichtungslager Treblinka dadurch einen Zeitvertreib, dass sie im Anschluss an den Abendappell mit einer Gruppe von Häftlingen den sogenannten Sport veranstalteten.
Häftlinge, die infolge ihrer geschwächten Gesundheit zu langsam gearbeitet hatten oder aus sonstigen Gründen aufgefallen waren und deshalb meist bereits mit einem Peitschenhieb im Gesicht gezeichnet waren oder deren Häftlingsnummern man sich notiert hatte, mussten nach der Beendigung des Abendappells heraustreten.
Sie wurden dann unter ständigen Beschimpfungen und Peitschenhieben auf dem Appellplatz unter häufigem Niederlegen und Aufstehen so lange im Kreise umhergetrieben, bis einige das nicht mehr mitmachen konnten, zusammenbrachen und liegenblieben.
Diese wurden zur Seite geschleift, und der Sport wurde fortgesetzt, bis man auf diese Weise genügend Schwache aussortiert hatte. Alle, die beim Sport liegengeblieben waren, wurden dann ins Lazarett gebracht und dort erschossen. Diejenigen Häftlinge, die den Sport durchhielten, sah man als noch genügend Arbeitsfähig an. Sie wurden wieder in die Unterkunftsbaracke geführt. Da den zum Sport ausgesuchten Häftlingen bekannt war, dass sie nur überlebten, wenn sie beim Laufen nicht schlappmachten und hinfielen, gaben sie ihre letzten körperlichen Kräfte her, um den Sport überstehen und am Leben bleiben zu können.
Der Sport wurde entweder von dem Angeklagten Franz oder dem SS-Hauptscharführer Kttner oder auch von beiden gemeinsam veranstaltet. Zu ihrer Unterstützung wirkten der eine oder andere SS-Unterscharführer, so insbesondere der SS-Unterscharführer Hirtreiter, der Angeklagte Miete und auch der Ukrainer Rogossa mit. Franz hatte bei manchen dieser Sportveranstaltungen seinen Hund Barry bei sich, den er auf die Laufenden hetzte.
Bei dem Abendappell an einem Tage im Jahre 1943 wurde neben anderen Häftlingen auch der aus Lodz stammende, aber bis zu seinem Abtransport nach Treblinka in Czenstochau lebende Häftling Starsze Lipchitz ausgesucht. Er litt an Typhus, hatte sich 2 Tage lang im Krankenrevier befunden, war dann aber vorzeitig zum Appell gegangen. Beim Appell war er als kranker Mann dem SS-Hauptscharführer Kttner aufgefallen, der ihn zusammen mit anderen Häftlingen für den Sport aussuchte.
Am darauffolgenden Sport selbst beteiligten sich der Angeklagte Franz, Kttner, Miete und der Ukrainer Rogossa. Diese vier Männer jagten unter Leitung von Franz die kranken Häftlinge im Kreis über den Appellplatz. Der Häftling Starsze Lipchitz und ein weiterer namentlich nicht bekannter Häftling waren den Anstrengungen des Sports nicht gewachsen. Sie fielen vor Erschöpfung hin, wurden zur Seite geschleift und dann auf Anordnung des Angeklagten Franz ins Lazarett gebracht und von Miete erschossen.
Der Angeklagte Franz bestreitet, an einer solchen Sportveranstaltung teilgenommen zu haben. Darüber hinaus will er vom sogenannten Sport nicht einmal etwas gehört haben. Das alles ist mit Sicherheit unrichtig.
Die Mitangeklagten Miete, Ru. und Suchomel haben erklärt, dass derartige Sportveranstaltungen im Lager öfter stattgefunden haben, dass sie aber insbesondere vom SS-Hauptscharführer Kttner und vom SS-Unterscharführer Hirtreiter veranstaltet worden seien. Der Angeklagte Miete hat bestritten, am Sport selbst persönlich teilgenommen zu haben. Er hat jedoch eingeräumt, beim Sport Selektierte im Lazarett erschossen zu haben. Auf die Frage, wer ihm solche Selektierte zur Erschießung übergeben habe, hat er geantwortet, dass sei in einigen Fällen von Franz, in anderen Fällen von Kttner geschehen. Miete halt es für möglich, auch Lipchitz und dessen Kameraden liquidiert zu haben. Die Namen der Opfer, so sagt er, vermöge er jedoch nicht anzugeben.
Dass der Angeklagte Franz mehrfach an derartigen Sportveranstaltungen teilgenommen hat, haben der Ingenieur Gl., der Geschäftsführer Zygmund Stra., der Klempner Oscar Stra., der Magazinverwalter Lak., der Kaufmann Kols. und der Mechaniker Tu. bekundet. Sie haben ihre Aussage mit ihrem Eide bekräftigt. Dass Franz, der nach den Bekundungen des Zeugen Gl. dazu neigte, aus allem, was im Lager passierte, eine Schau zu machen, sich nicht die Gelegenheit wird haben entgehen lassen, mit den Häftlingen den Sport zu betreiben, davon ist das Gericht überzeugt. Gab doch gerade diese Art einer Sportveranstaltung dem Angeklagten die beste Gelegenheit wieder einmal eine Schau zu veranstalten und sich mehrere Stunden lang auf satanische Art und Weise zu vergnügen.
Allerdings lässt sich nicht eindeutig klären, wie oft ein derartiger Sport veranstaltet worden ist, wie oft Franz hieran beteiligt war und wie viele Juden insgesamt hierbei ihr Leben gelassen haben, da die Zeugen mit Ausnahme des Zeugen Tu. konkrete Einzelfälle mit bestimmten Opfern nicht beschreiben konnten. Mit hinreichender Sicherheit lässt sich nur ein einziger Fall des Sports feststellen, bei dem der Häftling Starsze Lipchitz und ein anderer Häftling auf Anweisung von Franz ausgesondert und anschließend im Lazarett erschossen wurden. Diesen Fall schilderte der 51 Jahre alte Mechaniker Tu. aus Bat Jam / Israel ausführlich. Er hat durch ein Fenster der jüdischen Unterkunftsbaracke diese Sportveranstaltung, an der Franz, Kttner, Miete und der Ukrainer Rogossa teilnahmen, auf das Genaueste beobachtet, weil sich unter den Sport treibenden Häftlingen der Czenstochauer Starsze Lipchitz befand, den er von Czenstochau her gut kannte. An seinem Schicksal war er besonders interessiert. Er sah, wie Starsze Lipchitz und ein anderer Häftling beim Sport hinfielen. Er hörte die laute Anweisung von Franz an Miete, diese beiden Personen ins Lazarett zu bringen und dort zu erschießen. Wenn er auch die Erschießung der beiden durch Miete im Lazarett nicht miterlebt hat, so spricht doch der Umstand, dass er Starsze Lipchitz und den anderen Häftling seit dieser Zeit nicht mehr im Lager gesehen hat, eindeutig dafür, dass diese beiden Männer von Miete im Lazarett liquidiert worden sind. Dass es üblich war, die Opfer des Sports im Lazarett zu erschießen, hat im Übrigen der Mitangeklagte Miete insoweit durchaus glaubhaft eingeräumt. Schließlich war es ja der Zweck des Sports, schwache und kranke Häftlinge auf ihre Arbeitsfähigkeit und Widerstandskraft zu prüfen und die schwächsten von ihnen zu töten.
Der eidlich vernommene Zeuge Tu. hat auf das Schwurgericht einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Er hat Franz persönlich sofort wiedererkannt. Auch auf den Bildern, die Franz in Uniform zeigen, hat er ihn sofort identifiziert. Besonders beeindruckt hat das Schwurgericht der Umstand, dass er hierbei ohne besonderen Vorhalt sogleich sagte, ein Bild von Franz, das ihn als SS-Offizier zeigt, habe er allerdings vor einigen Jahren in einer israelischen Zeitung gesehen. Das spricht für eine besondere Objektivität des Zeugen. Das gilt auch davon, dass er bezüglich des Angeklagten Stadie anerkennend bemerkte, er verdanke ihm das Leben, weil er ihn zur Arbeit herausgesucht und hierdurch vor der Vergasung bewahrt habe. Er hat also keineswegs nur pauschal über Untaten der Angeklagten berichtet, sondern sich bemüht, auch gewisse positive Dinge zugunsten einzelner Angeklagter zu bekunden. Zudem hat er mit besonderer Sorgfalt zwischen dem unterschieden, was er persönlich erlebt, und dem, was er nur gehört hat.
Das Schwurgericht hat keine Bedenken, seiner Bekundung zu folgen.