Sein Aufgabengebiet im Vernichtungslager Treblinka
In Treblinka, wo infolge der Unfähigkeit des ersten Lagerkommandanten Dr. Eberl die gesamte Vernichtungsmaschinerie durcheinandergeraten war und alles drunter und drüber ging, übernahm der Angeklagte zunächst die Führung der ukrainischen Wachmannschaften und brachte diesem wilden Haufen, wie er sich ausdrückte, erst einmal militärische Zucht und Ordnung bei.
Dabei ließ er es aber nicht bewenden, sondern kümmerte sich schon bald um den gesamten Lagerbetrieb, den er mit und unter der Leitung Wirths neu aufbaute und durchorganisierte. Er kümmerte sich dabei um alles, was im Lager vor sich ging, und stieg gar bald zum Stellvertreter des Lagerkommandanten auf. In dieser Eigenschaft hatte er alle Zügel in der Hand und auf den ganzen Ablauf des Lagergeschehens einen uneingeschränkten Einfluss, zumal der Nachfolger von Dr. Eberl, der spätere SS-Hauptsturmführer Stangl, sich um den äußeren Dienstbetrieb nur wenig oder fast gar nicht kümmerte und sich draußen kaum sehen ließ. Franz nahm tatkräftig an allen im Lager anfallenden Arbeiten Anteil, inspizierte die Lagereinrichtungen im unteren wie im oberen Lager sowie die verschiedenen Arbeitskommandos.
Bei der Ankunft von Transporten traf der Angeklagte nicht nur die Maßnahmen zu verstärkten Sicherheitsvorkehrungen, sondern griff auch persönlich bei dem Entladen der Züge, der Selektion der alten, kranken und gebrechlichen Personen mit ein, suchte unter den Ankömmlingen Arbeitsjuden aus und beaufsichtigte die Abfertigung der Transporte auf dem Umschlagplatz, das Entkleiden der Opfer und ihre Weiterleitung durch den Schlauch bis in die Gaskammern.
Leisteten die Juden seinen Befehlen dabei nicht schnell genug Folge oder zeigten sich sonst Widerstände, so schlug er brutal mit der Peitsche oder der Faust auf die bedauernswerten Opfer ein, hetzte den Hund Barry auf die Menschen oder verschaffte mit der Pistole seinen Worten und seinem Willen den erforderlichen Nachdruck.
Alles in allem nutzte der Angeklagte, der wegen seines hübschen Gesichts, seiner guten Figur und seines gepflegten Äußeren bei den jüdischen Häftlingen den polnischen Spitznamen Lalka hatte, was in Deutsch Puppe bedeutet, die ihm zur Verfügung stehende Machtfülle in einer furchtbaren und hemmungslosen Weise aus, um das vom Führer gesetzte Endziel der restlosen Vernichtung der jüdischen Menschen in seinem Machtbereich mit verwirklichen zu helfen und den nach Treblinka verschleppten Juden die kurze Spanne ihres Lebens, die ihnen hier noch zur Verfügung stand, zur qualvollen Hölle zu machen.
Er offenbarte dabei einen derartigen Sadismus und eine solche Missachtung allen jüdischen Lebens, dass die menschliche Phantasie kaum ausreicht, um sich die von ihm oder unter seiner Leitung und Mitwirkung verübten Untaten überhaupt vorstellen zu können.
Er bezeichnete die im Lager befindlichen Juden als Arschlöcher, als Dreck, als Scheiße und als Hunde, die so bald und so gründlich wie möglich beseitigt werden müssten. Irgendeine Achtung vor dem Leben und der Persönlichkeit seiner Opfer war ihm völlig fremd. Er misshandelte, boxte, prügelte und tötete, wenn es ihm Spaß machte und wenn er gerade dazu aufgelegt war. Er fand nichts dabei, wenn sein Hund Barry sich auf seinen Zuruf auf die hilflosen Juden stürzte, sie zu Boden warf und sie in seiner Anwesenheit verletzte und zerfleischte.
War ein Häftling infolge dieser Misshandlungen nicht mehr arbeitsfähig, so erschoss ihn Franz auf der Stelle oder ließ ihn zur Liquidierung ins Lazarett bringen, wenn ihm aus irgendwelchem Grunde nicht danach zumute war, die Erschießung selbst vorzunehmen.
Demgemäß war der Angeklagte Franz der Schrecken des ganzen Lagers.
Sobald er sich zu Fuß, zu Pferde oder auf dem Fahrrad im Lager sehen ließ, warnte einer den anderen vor seinem Kommen, weil man wusste, dass jetzt wieder irgendeine Misshandlung oder Tötung fällig sein würde.
Jeder Häftling, mochte er noch so krank oder schwach sein, erhöhte seinen Arbeitseifer und bemühte sich, einen möglichst günstigen Eindruck zu machen, um nur ja nicht aufzufallen.
Gleichwohl fand der Angeklagte immer wieder Gründe, um jüdische Häftlinge zu misshandeln und zu quälen und sie sogar entweder an Ort und Stelle zu töten oder zum Lazarett zur Erschießung zu schicken.
Besonders gefürchtet war seine Anwesenheit bei den täglichen Appellen, wo er sehr häufig in großem Umfang Selektionen vornahm, um die Kranken und nicht mehr voll Arbeitsfähigen für die Liquidierung im Lazarett auszusuchen oder als Vergeltung für irgendwelche Fluchtversuche, Verstöße gegen die Lagerdisziplin oder sonstige Nichtigkeiten.
In zahlreichen Fällen verhängte er auch die Prügelstrafe und vollzog sie eigenhändig auf dem dafür vorgesehenen Prügelbock.
Dabei beschimpfte und bedrohte er sowohl die bedauernswerten Opfer als auch die angetriebenen Arbeitshäftlinge in der gemeinsten und unflätigsten Weise und machte aus allem eine große Schau, die Furcht und Schrecken verbreitete und in der der Angeklagte sich selbst bestätigen wollte.
Wie viele Menschen in Treblinka durch die Hand des Angeklagten Franz oder durch seine unmittelbare Veranlassung zu Tode gekommen sind, ist mit Sicherheit nicht mehr feststellbar.
Fest steht nur, dass diese Zahl nicht gering ist und der Angeklagte durch sein Verhalten im Lager eine große Blutschuld auf sich geladen hat. Ein großer Teil der Ströme von Blut und Tränen, die in Treblinka geflossen sind, geht allein auf sein Konto.