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Übersicht
Österreich, Bundesland Salzburg, Bezirk Zell am See
1816 kam Salzburg (und damit auch Saalfelden) nach neuerlich sechsjähriger Zugehörigkeit zu Bayern wieder zu Österreich. 1850 bis 1854 war Saalfelden Sitz der Bezirkshauptmannschaft. 1864 wurde die neue Salzburger Gemeindeverordnung erlassen, unter anderem: Die Grundfeste des freien Staates ist die freie Gemeinde!.
Am 10. April 1938 stimmte man auch in Saalfelden mit einem überwältigenden „Ja“ dem Anschluss an Hitler-Deutschland zu (offiziell 99,03 %). Dieses Ergebnis wurde aber noch im selben Jahr angezweifelt. Trotzdem entsprach das Abstimmungsergebnis dem österreichischen Gesamttrend. Der Anteil an NSDAP-Mitgliedern in der Bevölkerung stieg rasant. Bürgermeister Fersterer wurde 1938 auf dieselbe undemokratische Weise seines Amtes enthoben, wie es Riedler 1934 erleben musste.
Am 27. April 1945 wurde die Wiederherstellung der (Zweiten) Republik Österreich unter Staatskanzler Karl Renner proklamiert. Damit konnte sich auch die Arbeiterpartei SPÖ wieder neu formieren. Aus dem christlich-sozialen Lager ging die Österreichische Volkspartei hervor, die den ersten Bürgermeister Saalfeldens in der Zweiten Republik stellte.
1938 Antisemitismus
In Saalfelden hängen bereits kurz nach dem "Anschluss" im Jahr 1938 vor den Ortseinfahrten Transparente mit der Aufschrift: "Saalfelden braucht keine Juden!"475 Im benachbarten Tiroler Kitzbühel prangt an der Ortseinfahrt: "Kitzbühel ist judenfrei!", in Krimml heißt es: "Juden betreten diesen Ort auf eigene Gefahr!"476 Auch KundInnen jüdischer Geschäfte sind von den Verfolgungen betroffen: Der 17-jährige Otto Wolf aus Saalfelden wird im Frühjahr 1938 von den SA Männern Peter Altmann und Michael Trixl mißhandelt und gedemütigt, weil er beim jüdischen Kaufmann Artur Kant einen Anzug kauft. Die beiden SA Männer stehen vor dem jüdischen Kaufhaus und hindern Passanten beim Betreten des Ladens. Wolf betritt trotz Warnung das Geschäft, um einzukaufen. Er wird beim Verlassen des Geschäfts von den beiden SA-Männern festgenommen und zur Gendarmerie gebracht, wo ihm eine Tafel mit der Aufschrift "dieses Schwein kauft bei Juden ein" umgehängt wird. Mit Ohrfeigen, Tritten und Schlägen muss er einen Spießrutenlauf durch den Ort absolvieren.
Arisierung
Enteignung und der erzwungene Verkauf des Eigentums der Familie Kant in Saalfelden
Das Ehepaar Arthur und Sara Kant betreibt – mit einer Angestellten – bis zum 6. Oktober 1938 ein kleines Modewaren-Detailgeschäft in Saalfelden. An diesem Tag wird der Lodenfabrikant Georg Höttl als kommissarischer Verwalter bestellt. Der Wert des Lagers wird mit rund 12.000 Reichsmark beziffert, die Geschäftseinrichtung mit 1.500 Reichsmark. In der Kassa befinden sich 9.000 Reichsmark. Diese werden von Höttl sofort beschlagnahmt. Den jüdischen InhaberInnen werden vorerst 300 Reichsmark pro Monat ausbezahlt. Für die Ausreise bewilligte man bis zu 4.000 Reichsmark. Arthur Kant wird im Zuge des Novemberpogroms in das KZ-Dachau deportiert. Höttl verbietet Sara Kant am 12. November 1938 das Betreten des Geschäftes. Das Geschäft übernimmt schließlich der Neffe des kommissarischen Leiters, Hans Aschböck, der es am 1. Februar 1939 neu eröffnet. Die verwitwete Sara Kant – später Sara Wassermann – gibt in einem Schreiben an die Salzburger Landesregierung am 1. September 1946 an, sie und ihr Mann hätten vom kommissarischen Verwalter insgesamt 5.060 Reichsmark erhalten. In diesem Betrag sind die 4.000 Reichsmark, den die Familie Ende Oktober für die Flucht erhalten hat, von Arthur Kant enthalten.
Firma Gottlieb und Süssmann
Die Firma Gottlieb und Süssmann in der Gemeinde Bsuch bei Saalfelden gehört Jacob Süssmann, der am 28. November 1948 stirbt. Die Firma beschäftigt vier Angestellte und rund ein Dutzend Arbeiter. Sie wird unmittelbar nach dem "Anschluss" unter kommissarische Verwaltung gestellt. Zunächst von Josef Schulz, im Herbst 1938 übernimmt Forstmeister Josef Kreuzspiegel die kommissarische Verwaltung. Die Gemeinde Saalfelden verfolgt das Ziel, die Firma zu liquidieren. Konkurrenzgründe dürften dabei im Vordergrund stehen. Faktum ist, dass die Gemeinde plant, Wohn- und Siedlungsraum auf dem Areal zu schaffen. Höchste Stellen, Gauleiter, Vermögensverkehrsstelle, Reichswirtschaftsministerium, befassen sich mit der Angelegenheit. Im April 1939 setzt sich die Gemeinde durch: Sägewerk und Inventar werden der Gemeinde Saalfelden einverleibt. Kaufpreis: 40.000 Reichsmark. Am 6. April 1948 kommt es zu einem ersten Vergleich zwischen den Erben und der Gemeinde Saalfelden, die Liegenschaft wird wieder zurückgegeben. Die Gemeinde erhält das Recht, die Liegenschaft weiterhin zu nutzen. Das Rückstellungsverfahren ist deshalb schwierig, weil die Gemeinde Saalfelden Holz und Maschinen bereits verkauft hat. Darum müssen mehrere Rückstellungsprozesse geführt werden. Im ersten Verfahren, dabei geht es um den Verkauf des Holzes, wird ein außergerichtlicher Vergleich getroffen. Daneben werden sechs weitere Rückstellungsverfahren für diverse Maschinen geführt. Vier der Verfahren enden mit einer Rückstellung, bei zwei der Verfahren wird ein Vergleich geschlossen.
Firma Severin Agdern
Die Firma Severin Agdern mit Sitz in Wien verfügte über ein großes Holzlager in Saalfelden. Die Firma gehört den polnischen Staatsbürgern Severin und Sebastian Agdern. Auch diese Firma wird 1938 unter kommissarische Verwaltung gestellt. Severin Agdern kann fliehen, Sebastian Agdern kommt 1943 im Konzentrationslager ums Leben. Der kommissarische Verwalter, Franz Friza, verkauft die Liegenschaft im Sommer 1938 um rund 40.000 Reichsmark. Im Herbst 1938 wird die Firma liquidiert. Severin Agdern stellt am 2. September 1953 beim Salzburger Landesgericht einen Rückstellungsantrag nach dem Dritten Rückstellungsgesetz. Der Wert des Holzlagers wird mit 768.000 Schilling angegeben und im Laufe des Verfahrens auf 1.000.000 Schilling erhöht. Die Gegner bestreiten diesen Wert und die hohe Qualität der Ware. Am 8. April 1955 wird der Antrag erstmals abgewiesen. Herr Agdern muss die Prozesskosten für den Rechtsstreit in der Höhe von rund 100.000 Schilling bezahlen. Herr Agdern beschreitet den Instanzenweg: Sowohl die Rückstellungsoberkommission beim Oberlandesgericht in Linz als auch die Oberste Rückstellungskommission beim Obersten Gerichtshof in Wien lehnen den Antrag ab.
Die Rückstellungskommission beim Landesgericht in Salzburg argumentiert im Wesentlichen, dass es sich um keine Sachwerte handelt, sondern lediglich um ein Transitlager, das ohnedies hätte verkauft werden müssen, um einen Qualitätsverlust zu vermeiden. Nach jahrelangem Rückstellungsverfahren wird die Rückstellung am 15. Mai 1955 von der Obersten Rückstellungskommission endgültig abgelehnt. Auch die Oberste Rückstellungskommission schließt sich der Argumentation der Rückstellungskommission an
13.03.1938
In Saalfelden werden am 13. März 1938 fünf Gendarmeriebeamte, darunter Postenkommandant Mathias Knee, sein Stellvertreter, Johann Brunauer, sowie Albert Huber, Georg Schreder und Johann Hudax von SA-Führer Otto Raber festgenommen und in das Bezirksgericht Saalfelden eingeliefert.
Frühjahr 1938
Der 17-jährige Otto Wolf aus Saalfelden wird im Frühjahr 1938 von den SA Männern Peter Altmann und Michael Trixl mißhandelt und gedemütigt, weil er beim jüdischen Kaufmann Artur Kant einen Anzug kauft. Die beiden SA Männer stehen vor dem jüdischen Kaufhaus und hindern Passanten beim Betreten des Ladens. Wolf betritt trotz Warnung das Geschäft, um einzukaufen. Er wird beim Verlassen des Geschäfts von den beiden SA-Männern festgenommen und zur Gendarmerie gebracht, wo ihm eine Tafel mit der Aufschrift "dieses Schwein kauft bei Juden ein" umgehängt wird. Mit Ohrfeigen, Tritten und Schlägen muss er einen Spießrutenlauf durch den Ort absolvieren.
Die beiden SA-Männer werden im Juni 1946 dafür vom Landesgericht Linz verurteilt: Altmann erhält 2 Jahre und 6 Monate schweren Kerker, Trixl erhält 10 Monate Kerker.
07.07.1938
Der Hüttenwirt der "Peter Wiechenthaler-Hütte" in Saalfelden, Karl Pirchner, äußert sich am 7. Juli 1938 beim Mittagessen kritisch gegenüber der Partei. Dem Ehepaar Walter und Wilhelmine Schöttner erklärt Pirchner u.a.: "Ach was, die Partei hat viel versprochen und nichts gehalten. Wir haben noch immer Schundlöhne bei den Arbeitern." Das sudetendeutsche Ehepaar meldet den Vorfall umgehend der Gendarmerie. Pirchner wird zu drei Monaten Arrest verurteilt.
05.09.1938
Der Gastwirt Karl Pirchner (geb. 1902) aus Saalfelden wird vom Landesgericht Salzburg am 5. September 1938 wegen des "Vergehens gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung" zu drei Monaten Arrest verurteilt. Ihm wird sozialdemokratische Betätigung vorgeworfen. Pirchner verbringt schließlich sechs Monate in Haft.
31.05.1939
Gendarmeriebericht Saalfelden an die Gendarmerieinspektion Zell am See vom 31. Mai 1939
"Seit einiger Zeit werden aus Tirol, und zwar von den angrenzenden Gend. Stationen, wiederholt Zigeuner anher abgedrängt, ohne daß eine der hiesigen Stationen vorher zwecks Übernahme von dort verständigt wird.
So hat sich am 23. Mai 1939 abends wieder ein ähnlicher Fall ereignet, und wurde von der Gend. Station St. Johann in Tirol die Zigeunerfamilie – Seger und Blach – aus Villach in Kärnten mittels Bahn bis Bahnhof Saalfelden abgedrängt, ohne daß die hiesige Station hievon vorher verständigt worden wäre. Diese Zigeuner kamen ohne die übliche Gendarmeriebegleitung hier mit dem P-Zug um 22 Uhr 38 an. Zur Begleichung der Fahrtauslage St. Johann in Tirol bis Bahnhof Saalfelden wurde dem Seeger ein Fahrrad beschlagnahmt und veräußert. Die beiden Zigeunerfamilien bestanden aus 9 Personen.
Es wäre daher höchst an der Zeit, wenn die Zigeunerfrage für dauernd gelöst werden würde, indem dieselben ohne Rücksicht auf Kinder, Frauen oder Männer in ein gemeinsames Lager gebracht und letztere zur Arbeit herangezogen würden. Eine andere Lösung ist nicht denkbar."
13.11.1940
Auszug aus dem Schreiben der Gendarmerie Saalfelden an den Oberstaatsanwalt Salzburg:
Bei einem neuerlichen Verhör durch den Gendarmen Josef Hohenwarter gesteht Josef Linsinger (sen.), dass sein "fahnenflüchtiger" Sohn, Josef Linsinger, sich in Saalfelden "bei einer gewissen Familie Wieser aufhält". Die Familie Wieser besitzt bei der Gendarmerie "den denkbar schlechtesten Leumund, und zwar in politischer und krimineller Hinsicht". Vertrauliche Ermittlungen und eine Hausdurchsuchung in Saalfelden werden vorbereitet.
Auszug aus dem Gendarmeriebericht:
"Diese Aktion wird zu einem günstigen Zeitpunkt, und zwar bei recht schlechtem und kaltem Wetter, weil sich Linsinger nur bei solchen Witterungsverhältnissen im fraglichen Orte aufhalten soll, vorgenommen." Josef Linsinger (jun.) wird am 29. November 1940 bei der Festnahme auf der Großglocknerstraße von der Gendarmerie erschossen. Josef Linsinger (sen.) wird am 15. November 1940 wegen Wehrkraftzersetzung zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt.
08.01.1942
Am 8. Januar 1942 wird der polnische Landarbeiter Aleksy Jagla in Saalfelden hingerichtet. Ihm wird die Beziehung zu einer Magd in Saalfelden vorgeworfen. Die Hinrichtung muss im Beisein der Gestapo und der SS von zwei polnischen Landsmännern durchgeführt werden. Alle polnischen ZwangsarbeiterInnen müssen zuschauen und zur Abschreckung schließlich am Toten vorbeigehen. Die Magd wird in ein Konzentrationslager eingewiesen.
11.05.1942
Der 45jährige Reichsbahnbeamte Franz Thurner und der 37jährige Reichsbahnangestellte Alois Huemer, beide aus Saalfelden, werden am 11. Mai 1942 wegen "Rundfunkverbrechens" angeklagt. Der ehemalige Sozialdemokrat Thurner ist offensichtlich seit langem im Visier der Gestapo. Sein Dienstrundfunkgerät wird mittels Mikrophon überwacht. Darum weiß der Oberstaatsanwalt, dass Thurner "vom Frühjahr 1940 bis 22.3.1942 im Gefolgschaftsraum des Reichsbahnunterwerkes mit dem Dienstrundfunkgerät, abends während des Nachtdienstes, in jedem Monat mehrere Male Nachrichten und Vorträge des englischen Rundfunks in deutscher Sprache abgehört"249 [hat]. Thurner, so der Oberstaatsanwalt, hat darüberhinaus in seiner Wohnung in Gegenwart von Alois Huber englische Nachrichten in deutscher Sprache gehört. Franz Thurner wird zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Laut Unterlagen ist Thurner vom 27. März 1942 bis 9. Mai 1945 inhaftiert. Huemer wird freigesprochen. Er befindet sich vom 30. März 1942 bis 27. Mai 1942 in Untersuchungshaft.
Täter und Mitläufer 1933-1945
SS-Obersturmführer
Kurz Alois
* 14.07.1917 in Saalfelden
vor 1945 Angehöriger der Lagermannschaft im KL Auschwitz, KL Lublin-Majdanek u. KL Mittelbau-Dora