Aktenzahl des Gerichts (Geschäftszahl): LG Wien Vg 1d Vr 257/52

Denunziationsprozess, Prozess wegen Endphase-Verbrechen

Opfer
Widerstand/Opposition, Ausländische ArbeiterInnen

Tatland (Tatort)
Wien, Niederösterreich

Volksgerichtsverfahren gegen
Dr. Erich Roland
Walter Hanslik
Dr. phil. Karl Pawek

wegen
Denunziation von Major Alfred Biedermann * 11. August 1890 in Miskolc, Ungarn
Hauptmann Alfred Huth * 30.08.1918
Oberleutnant Rudolf Raschke * 21.06.1923
und anderen Mitgliedern der militärischen Widerstandsgruppe um Major Carl Szokoll
Die Denunziation hatte den Tod von Biedermann, Oberleutnant Raschke und Hauptmann Huth zur Folge.
Anstiftung zur Denunziation in Wien im Jahre 1942 und Registrierungsbetrug (Dr. Erich Roland); Illegalität (Altparteigenosse, Dienstauszeichnung der NSDAP in Bronze und Silber) und Befehl zur Ermordung eines ukrainischen Zwangsarbeiters Ende April 1945 in Oberhautzenthal/Niederösterreich (Walter Hanslik)

Verlauf der Vorerhebungen/Voruntersuchung bzw. des Gerichtsverfahrens

21.11.1947: Freispruch von Dr. Erich Roland, Verurteilung von Dr. Karl Pawek zu drei Jahren und von Walter Hanslik zu lebenslänglichem schweren Kerker.

26.09.1952: Stattgabe des Wiederaufnahmeantrags von Walter Hanslik hinsichtlich § 7/3 KVG und der diesbezüglich Qualifikation nach § 11 VG, Aufhebung des Urteils in diesem Rahmen und Rückverweisung des Verfahrens in den Stand der Voruntersuchung.

Am 09.03.1953 wurde Walter Hanslik im Wiederaufnahmeverfahren wegen §§ 10, 11 VG zu vier Jahren schweren Kerkers verurteilt; bereits mit Beschluss vom 14.02. 1953 war das Verfahren hinsichtlich des Tatbestandes nach § 7/3 KVG gemäß § 109 StPO (Erklärung der Staatsanwaltschaft: kein Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung) eingestellt worden.

Beitrag ist kein Bestandteil der Gerichtsakte

Grabstein Major Alfred Biedermann, Hauptmann Alfred Huth, Oberleutnant Rudolf Raschke

Es war Szokolls Aufpasser, der NS-Führungsoffizier Walter Hanslik, der die Verschwörung meldete. In den frühen Morgenstunden des 06. April schlugen die Nationalsozialisten zu. Biedermann wurde verhaftet, die Gestapo zwang ihm das Kennwort Radetzky und die Namen der Anführer ab. Ein SS-Kommando drang in das Wehrkreiskommando XVII ein und nahm Huth und Raschke fest. Grüne Leuchtkugeln verpufften im Wiener Himmel. Sie sollten den Sowjets den Beginn des Aufstand signalisieren. Vergeblich. Bevor es richtig los ging, war Radetzky bereits zu Ende.
Szokoll hatte das Gebäude zuvor verlassen, um mit kommunistischen Widerstandskämpfern zu verhandeln. Als er wieder zurück kehren wollte, wurde er gewarnt. Er schlug sich zu den Befehlshabern der 9. sowjetischen Gardearmee in Purkersdorf durch, um vom Scheitern des vereinbarten Aufstands zu berichten. Glücklicherweise traf zugleich die Nachricht ein, dass die Rotarmisten bei der Umgehung Wiens (Westumfassung) kaum auf Gegenwehr stießen.
Die Meldung löste die zunächst gespannte Stimmung zwischen Szokoll und dem sowjetischen General. Für die Westumfassung hatte Szokoll den Sowjets ursprünglich Hilfe zugesichert: Einheimische sollten die Soldaten durch den Wiener Wald lotsen, um die starken deutschen Stellungen im Süden zu umgehen. Nun bot ihm der General an, als Verbindungsoffizier in Purkersdorf zu bleiben, Szokoll lehnte ab. Ich möchte zurück in die Stadt. Vielleicht kann ich doch noch meine drei Freunde retten", lautete seine Antwort.

Karl Biedermann, Kommandant der Heeresstreife Wien, stand am selben Tag wegen Landesverrat vor einem NS-Sondergericht. Der Angeklagte hat die Feindbegünstigung in einem Augenblick begangen, in welchem der Feind vor den Toren Wiens steht, hieß es in der Urteilsschrift holprig. Als Strafe musste allein auf die Todesstrafe erkannt werden. Dasselbe Urteil fällte ein SS-Standgericht am 8. April gegen den 26-jährigen Alfred Huth aus Wien und den 21-jährigen Rudolf Raschke, H.J.-Ehrenzeichenträger aus Bleiburg. Ihre Taten, so die SS-Richter, müssen als besonders gemein und verabscheuungswürdig betrachtet werden.

Die Hinrichtung dauerte etwa 20 Minuten.
Als erster wurde Biedermann aus dem Wagen geholt. Der Offizier wurde von zwei SS-Männern zu der Säule der Autobusbahnhaltestelle geführt, wo der erste Strick befestigt war. Der Leutnant schrie 'Hoch!'. Die zwei Henkersknechte hoben ihn hoch und der Leutnant zog den Kopf in die Schlinge. Die Knechte zogen dann auf Befehl an, schilderte der Zeuge Huschka.

Der nächste war Alfred Huth.
Die zwei SS-Männer gingen nach rückwärts, der Offizier blickt gegen den Himmel und schrie vermutlich 'Es lebe Österreich'. Ich habe nur ganz genau vernommen 'Österreich'. Der Leutnant stand bereits auf der Leiter und wurde dadurch wütend, stieg einige Sprossen herunter und brüllte zornig 'Rauf!'. Doch Huth fiel den Schergen aus den Händen. Der SS-Offizier rammte dem am Boden liegenden wutentbrannt ein Messer ins Gesicht. Dann wurde der junge Widerstandskämpfer gehenkt.

Der letzte war Rudolf Raschke.
Er wurde gleich zu seiner Richtstelle geführt. Der SS-Leutnant war schon auf der Leiter, der Offizier wurde hochgehoben und aufgehängt. Dies ging sehr schnell. Nach der Abfahrt des Trupps kamen Zivilisten aus den Häusern, und näherten sich dem Schauplatz.

Der Volkssturmmann Ferdinand Huschka wurde Zeuge dieser Hinrichtung in Wien-Floridsdorf. Am Spitz, vor dem Haus Nr. 5

Zwei Tage später kam mit dem Rückzug der Hitler-Jugend über den Donaukanal der 15-jährige Theodor Hirl am Floridsdorfer Spitz vorbei. Er sah die Leichen noch an den Masten hängen. Die Bevölkerung habe ihnen nur wenig Beachtung geschenkt, erinnerte sich Hirl Jahre später. Im Angesicht der Gehenkten zerlegten Frauen verendete Pferde, um Essbares zu ergattern.

Im Jahr 1967 benannte das Verteidigungsministerium eine Wiener Kaserne nach den Namen der Widerstandskämpfer. In dem Gebäude in Wien-Penzing sind heute die Militärstreife und eine Fahrschule untergebracht. Am Floridsdorfer Spitz erinnert seit 1964 eine schlichte Tafel an den Tod der Widerstandskämpfer. Am 8. April wollen das Militärkommando Wien und die Stadt Wien am Spitz einen Kranz zu Ehren der Hingerichteten niederlegen. Zur Ehrung Szokolls soll der Hof des neuen Verteidigungsministeriums nach dem verstorbenen Widerstandskämpfer benannt werden.

Beitrag ist kein Bestandteil der Gerichtsakte

Im Vordergrund Major Alfred Biedermann

Major Alfred Biedermann, Kommandeur des Streifenregiments Groß-Wien, wurde am 08. April 1945 nach einem Standgerichtsverfahren gemeinsam mit seinen Landsleuten Hauptmann Alfred Huth und Oberleutnant Rudolf Raschke öffentlich in Wien-Floridsdorf am Floridsdorfer Spitz gehängt. Der Wiener Chef der Sicherheitspolizei und des SD Rudolf Mildner übernahm persönlich das Kommando am Richtplatz.
Szokoll, der der blutigen Vergeltung der Nazis nach dem 20. Juli entgangen war, hatte als 1b/org des Festungskommandanten von Wien, von Bünau, den Plan Walküre Stauffenbergs zum Plan Radetzky umgestaltet, der sich vor allem auf österreichische Soldaten und Offiziere sowie den Kontakt zu zivilen Widerstandsgruppen stützen sollte. Es ging darum, Wien den drohenden Endkampf zu ersparen und die Stadt der vor ihren Toren stehenden sowjetischen Armee rasch zu übergeben. Der Plan wurde jedoch verraten, die gemeinsam mit anderen daran beteiligten Offiziere Biedermann, Huth und Raschke verhaftet und hingerichtet. Szokoll konnte entkommen und überlebte. Die letzten deutschen Truppen räumten fünf Tage später die Stadt.
1967 wurde die Kleine Breitenseer Kaserne in Wien-Penzing nach Biedermann und seinen beiden Mitstreitern Biedermann-Huth-Raschke-Kaserne benannt. Im Jahr 1995 wurde in Wien-Floridsdorf die Karl-Biedermann-Gasse nach ihm benannt.
Im 21. Bezirk Floridsdorf wurden die Karl-Biedermann-Gasse, die Ferdinand-Käs-Gasse, die Rudolf-Raschke-Gasse und die Alfred-Huth-Gasse nach den Beteiligten an der Operation Radetzky benannt.

Pawek Karl Dr.

nannte sich später: Karl H. Pawek
* 27. August 1906 in Wien
+ 24. September 1983 in St. Peter bei Freiburg

Karl Pawek wurde am 13. April 1945 wegen dieser Denunziation noch kurz bevor die Stadt Wien durch sowjetische Truppen besetzt wurde zum Unteroffizier befördert.

Nach der Besetzung Wiens, floh Pawek nach St. Gilgen und arbeitete bis zu seiner Endtarnung für die amerikanische Militärregierung beim Salzburger Radiosender.

Nach seiner Verhaftung am 16. Juli 1945 verurteilte ihn das Volksgericht am 21. Juli.
Pawek wurde wegen der Denunziation der Operation Radetzky mit den Worten
„zur Strafe des schweren Kerkers in der Dauer von drei Jahren, verschärft durch ein hartes Lager vierteljährlich, sowie eine Dunkelhaft an jedem 5. April des Jahres, zum Ersatze der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Auf diese Strafe ist die Haft vom 16. Juli 1945, 22 Uhr bis 21. November 1947, 12. Uhr anzurechnen“. Die vergleichsweise milde Bestrafung resultierte aus einem Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen. Pawek musste die gesamte Strafe absitzen, obwohl sich Minister Felix Hurdes für ihn eingesetzt hatte.

Nach seiner Freilassung im November 1947 durfte Karl Pawerk als nationalsozialistisch Belasteter in Österreich publizistisch nicht tätig sein. Es wird allgemein angenommen, dass er sich Klotilde-Maria Gassner als Strohfrau bediente, welche 1949 den Zeitschriftenverlag Austria International GmbH in Wien gründete, hier erschien 1949 bis 1955 die Zeitschrift Austria international.

1955 bis April 1958 Herausgeber der Zeitschrift Austria international
1955 bis April 1957 als Redakteur
Juni 1961 bis Juni 1962 als Chefredakteur für Kultur
1954 bis 1964 war er außerdem Kunstkritiker bei der Zeitung Kurier in Wien

seit 1962 war er Redakteur und Leiter des Ausstellungsressorts bei der Zeitschrift Stern in Hamburg.
In Zusammenarbeit mit der Zeitschrift Stern organisierte Karl Pawek 1964 die erste von vier Weltausstellungen der Photographie in verschiedenen Museen in zahlreichen Städten. Er war auch ein bedeutender Förderer der Life-Fotografie.

1983 wurde Karl Pawek posthum mit dem Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft für Photographie ausgezeichnet.