Am 2., 5., 6., 9., 10., 23. und 28. September, sowie am 7., 12., 18. Oktober und am 8.November 1942 fanden insgesamt 15 sogenannte "Sonderaktionen" statt. Am 5. und 23. September erfolgten je zwei, am 8.11. sogar drei derartiger Einsätze.

Unter "Sonderaktionen" verstand man im Konzentrationslager Auschwitz die Vernichtung ankommender jüdischer Häftlingstransporte vermittels Giftgases. Diese Massnahmen gingen auf eine mündliche Anordnung zurück, die Hitler im Juni 1941 "Zur Endlösung der Judenfrage" getroffen hatte. Sie sah die Vernichtung aller im nationalsozialistischen Einflussgebiet lebenden Menschen jüdischer Abstammung vor. Diese Anordnung ist nie veröffentlicht worden. Sie ist als sogenannter "Geheimbefehl" ergangen. Zur Durchführung dieser Anordnung waren in den Jahren 1941 und 1942 in einem in der Nähe des Lagers Birkenau gelegenen alten Bauernhaus die ersten Gaskammern ausgebaut worden.

Die zur Vernichtung in diesen Gaskammern vorgesehenen Transporte wurden in den besetzten Gebieten und den dort eingerichteten Sammellagern unter der unmittelbaren Leitung des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) und des Reichsführers der SS Himmler (RFSS) zusammengestellt. Die Menschen, die für diese Transporte ausgesucht wurden, waren mit ihrer Auswahl zum Tode bestimmt. Ihre Verbringung nach Auschwitz erfolgte nach den Anordnungen des RSHA mit dem alleinigen Ziel, diese Menschen dort umzubringen. Eine Internierung im Konzentrationslager Auschwitz war für sie nicht vorgesehen. Diese Grundsätze wurden nur in Ausnahmefällen durchbrochen: In der Umgebung von Auschwitz hatten sich zur damaligen Zeit bereits in erheblichem Umfange rüstungswichtige Industriebetriebe angesiedelt. Diese Betriebe hatten einen erheblichen Bedarf an Arbeitskräften, der aus dem Kreis der Häftlinge des Konzentrationslagers Auschwitz gedeckt wurde. Wegen der damals bereits ungewöhnlich hohen Sterblichkeit unter den Häftlingen kam es vor, dass bisweilen nicht die erforderliche Zahl von Arbeitskräften für die Rüstungsbetriebe zur Verfügung stand. Obwohl dieser Fehlbestand durch normale Zugänge von Häftlingen ausgeglichen werden sollte, trat verschiedentlich der Fall ein, dass auch diese Zugänge nicht ausreichten, um dem Arbeitskräftemangel abzuhelfen. Man ging deshalb dazu über, aus den ankommenden, zur Vernichtung vorgesehenen Transporten die arbeitsfähigen Menschen auszulesen, um sie als Arbeitskräfte einzusetzen. Diese Menschen wurden sodann in das Lager Auschwitz aufgenommen und dort als Häftlinge registriert.

Die zur Tötung bestimmten Menschen erreichten Auschwitz in Eisenbahntransporten. Die eintreffenden Züge wurden zu einer Verladerampe in der Nähe des Lagers Birkenau geleitet. Dort wurden die Opfer ausgeladen und zusammengetrieben. Bereits in diesem Stadium wurde unter ihnen eine Art Vorauswahl getroffen. Das bedeutet, dass die SS-Wachmannschaften, unterstützt von Häftlingen - deren man sich in diesem, wie in anderem Zusammenhange vor allem deshalb bediente, um die arglosen Opfer über ihr Schicksal im Ungewissen zu lassen - jene Personen zu einer Gruppe zusammenstellten, die überhaupt als Arbeitskräfte in Frage kamen. Nur die dieser Gruppe Zugewiesenen hatten eine Chance zu überleben. Von dieser Möglichkeit waren alte Menschen, schwangere Frauen, Frauen mit Kindern und Kinder von vornherein ausgeschlossen. Sie wurden in jedem Falle umgebracht. Die Gruppe der als arbeitsfähig in Betracht kommenden Personen wurde sodann meistens dem für den sogenannten "Rampendienst" abgestellten SS-Arzt vorgestellt. Er hatte die endgültige Entscheidung darüber zu treffen, wer im Einzelnen als arbeitsfähig in das Lager aufgenommen werden sollte. Dies geschah lediglich auf Grund des äußeren Erscheinungsbildes, das der Häftling beim Vorbeigehen bot, ohne jede nähere Untersuchung. Zu diesem sogenannten "Rampendienst" wurden sämtliche SS-Ärzte, die im Lager Auschwitz zur Verfügung standen, herangezogen. Der Einsatz der einzelnen Ärzte bei den einzelnen Aktionen erfolgte nach Maßgabe eines Dienstplanes, der von dem Standortarzt aufgestellt wurde.

Die ausgesonderten arbeitsfähigen Personen wurden sodann in das Lager geführt. Die übrigen - ihre Zahl überwog immer bei weitem; im Einzelnen wird das noch ausgeführt werden - wurden auf bereitstehende Lastkraftwagen verladen und zu den etwa 3 km (Fahrstrecke) entfernten Gaskammern gebracht. Ein Sanitätswagen fuhr hinter dem Zuge her. An den Gaskammern angekommen - es handelt sich um das bereits erwähnte umgebaute Bauernhaus in der Nähe des Lagers Birkenau - wurde den Opfern vorgetäuscht, dass sie einer Entlausungsaktion unterzogen würden. Sie wurden zunächst in eine neben den Gaskammern gelegene Baracke geführt mit der Aufforderung, sich vollständig zu entkleiden. Wenn der innerhalb der Baracke zur Verfügung stehende Raum wegen der großen Zahl der Opfer nicht ausreichte, mussten sie sich im Freien entkleiden. Um das Misstrauen der Opfer einzuschläfern und sie in Arglosigkeit zu wiegen, wurde ihnen gesagt, sie sollten sich genau merken, wo sie ihre Kleider abgelegt hätten, damit sie diese später schnell wiederfinden könnten. Dann wurden die Opfer in die Gaskammern geführt. Diese waren als "Desinfektionsräume" gekennzeichnet. Die Opfer waren in der überwiegenden Anzahl auch in diesem Zeitpunkt noch arglos. Das wurde vor allem dadurch erreicht, dass auch an den Gaskammern Häftlinge eingesetzt wurden, die ihren Leidensgenossen vorzuspiegeln hatten, es handele sich tatsächlich nur um eine Desinfektion. Diesen glaubhaft vorgebrachten Zusicherungen ihrer Leidensgenossen schenkten die Opfer zumeist Glauben. Es kam aber auch vor, dass die Opfer die wahre Absicht ihrer Henker erkannten. Es kam dann zu grauenvollen Szenen. Die Menschen schrien in höchster Todesnot und flehten kniefällig um ihr Leben. Diese Opfer wurden dann zumeist zur Seite geführt und von den SS-Wachmannschaften mittels eines schallgedämpften Kleinkalibergewehrs erschossen. Sobald alle Opfer in die Gaskammern hineingeführt worden waren - es handelte sich um mehrere voneinander getrennte Kammern -, wurden die luftdicht schließenden Türen zugeworfen. Ein SS-Sanitätsdienstgrad, der mit einer Gasmaske ausgerüstet war, stieg auf das Dach des Hauses und warf durch Einwurfschächte die gifttragenden Chemikalien in das Innere der Gaskammern.

Als Giftgas wurde Blausäure (Cyanwasserstoff) verwendet. Sie wird unter der Bezeichnung "
Zyklon B" als Schädlingsbekämpfungsmittel verwendet. Bei diesem Präparat ist die Blausäure an Kieselgur gebunden. Dieses feine, aus den Panzern der Kieselalge gewonnene Pulver besitzt, vor allem unter Druck, die Fähigkeit, die zweifache Menge seines Gewichts an Blausäure aufzunehmen und sie - ausgestreut - schnell und vollständig wieder abzugeben. Der Siedepunkt der Blausäure liegt bei 26.5 ° C. Aus diesem Grunde war es notwendig, die Raumtemperatur über diesem Wert zu halten. Dabei hatte eine weitere Steigerung der Raumtemperatur eine Beschleunigung des Vergasungsvorgangs zur Folge. Aus diesem Grunde wurden die Opfer möglichst eng in die Gaskammern hineingepfercht, um die in diesem Falle im Inneren des Raumes sich ausbreitende Körperwärme zur Beschleunigung des Vergasungsvorganges auszunutzen. Die Blausäure ist ein außerordentlich stark und schnell wirkendes Giftgas. Ihre Wirkung besteht darin, dass sie das Atmungsferment okkludiert mit der Folge einer sofortigen Lähmung des Atmungszentrums. Die für den Menschen tödliche Dosis liegt bei 1 mg/kg Körpergewicht. Bei ausreichender Gaskonzentration tritt der Tod schlagartig und ohne dass Schmerz empfunden wird ein. Die zuletzt genannten Feststellungen beruhen auf dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Prof.Dr.Dr.hc B.

Nach dem Einwerfen des
Zyklon B in die Gaskammern wurden die Menschen, die in der unmittelbaren Nähe des Einwurfschachtes standen, sofort getötet. Diejenigen hingegen, die weit von dem Einwurfschacht entfernt standen, kämpften noch minutenlang um ihr Leben. Sie mussten, bevor sie selbst tot zusammenbrachen, den verzweifelten Todeskampf ihrer Leidensgenossen miterleben. Die draussen vor den Gaskammern Stehenden hörten deutlich die Geräusche dieses Todeskampfes. Augenzeugen bekundeten später: "Die Menschen schrien einige Minuten und kämpften um ihr Leben."

Sobald sich im Inneren der Kammern kein Leben mehr regte, wurde der Fahrer mit dem Sanitätswagen zu seiner Unterkunft zurückgebracht. Die Gaskammern wurden nach einiger Zeit geöffnet. Die Leichen wurden von Häftlingen herausgefahren und durch Verbrennen vernichtet. Während der oben beschriebenen Vorgänge saß der Fahrer in dem Sanitätswagen, der in der unmittelbaren Nähe der Gaskammern abgestellt war. Der Fahrer beobachtete den gesamten Tötungsvorgang aus dem Wagen heraus. Der Fahrer hielt sich aber - dem ihm erteilten Auftrag entsprechend - in dem Wagen bereit, um für den Fall, dass dem SS-Sanitätsdienstgrad beim Hantieren mit dem Giftträger Zyklon B etwas zustoßen sollte, sofort mit dem Sauerstoffgerät Hilfe zu leisten. Dieser Fall ist tatsächlich aber nie eingetreten.