Vorwort

Kriegsverbrecher kassieren Millionen aus der Bundeskasse.

Noch immer erhalten Kriegsverbrecher und deren Angehörige eine Rente nach dem Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (BVG) aus dem Jahre 1950. Wer kriegsverletzt ist, wird aus Steuergeldern alimentiert, was immer er auch getan hat. Die britischen Besatzungsbehörden hatten Mitglieder der Waffen-SS noch ausdrücklich von einer Kriegsversehrtenentschädigung ausgenommen. Doch nach Gründung der Bundesrepublik mußten die NS-Aktivisten derartige Unterscheidungen nicht mehr fürchten. Während Ämter und Gerichte den Tätern wohlwollend entgegenkamen, mußten die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung schikanöse Überprüfungen und zynische Ablehnungen hinnehmen.
Den Hinterbliebenen des von den Nazis ermordeten Musikkritikers Wilhelm Schmid wurde beispielsweise die Rente verweigert, weil der Ermordete aufgrund einer Namensverwechslung bloß "versehentlich getötet" worden sei.
Einer nichtjüdischen Frau, die mit ihrem jüdischen Mann in die Illegalität gegangen war, wurde vorgehalten, sie hätte keine Ansprüche, weil sie keiner nationalsozialistischen Gewalttat ausgesetzt war: Sie hätte sich von ihrem jüdischen Mann ja trennen können.

Kommunisten, Homosexuelle, Roma und Sinti sind bis heute fast ganz von Entschädigungen ausgeschlossen. Ebenso die Nazi-Opfer in ehemaligen Ostblockländern wie Tschechien, Bulgarien und dem Baltikum. Eine Entschädigung der baltischen Opfer führe bei der "geringen Zahl" zu unangemessen hohen Verwaltungskosten, erklärte im Januar 1994 ein Vertreter des Bundesfinanzministeriums im Bundesrat.
Menschen, die weniger als eineinhalb Jahre durchhalten mußten, könnten leider wegen der "schwierigen gesamtwirtschaftlichen Bedingungen" nicht berücksichtigt werden, erklärte das Bundesfinanzministerium dem Sohn einer 80jährigen Antragstellerin.

Die Täter bzw. ihre Angehörige mußten aber nur noch auf den 31. Dezember 1955 warten. Vom 1. Januar 1956 an war es nämlich zumindest in Teilen der Bundesrepublik und in Westberlin) nach den gesetzlichen Vorschriften nicht mehr möglich, neue Sühneverfahren zu eröffnen. Wenn also bis zu diesem Tage die Spruchkammer eines Bundeslandes nicht ausdrücklich festgestellt hatte, daß beispielsweise Adolf Hitler oder Heinrich Himmler, Roland Freisler oder Martin Bormann als "Hauptschuldige", "Schuldige" oder "Mitläufer" im Sinne des Entnazifizierungsgesetzes galten, wurden vom gleichen Tage an in diesem Bundesland die gegenwärtig noch gesperrten oder von Treuhändern verwalteten Vermögen dieser Toten frei und standen den Hinterbliebenen und Erbberechtigten zur Verfügung.

Die Entnazifizierung war Angelegenheit der Länder. Bis auf Nordrhein-Westfalen und Hamburg, die sich per Gesetz das Recht vorbehalten hatten, gegen "Hauptschuldige" jederzeit ein neues Verfahren zu eröffnen, war die Einleitung neuer Sühneverfahren nach dem 1. Januar 1956 nicht mehr statthaft.

Bei ehemaligen SS-Männern war Berlin nicht knickerig. Deren BVG-Renten überweisen die zuständigen Versorgungsämter anstandslos quer durch die ganze Welt.

Der Litauer Kazys Ciurinskas war 1941 als Mitglied eines Schutzmannschaft-Bataillons in Belorußland an der Erschießung Tausender Männer, Frauen und Kinder beteiligt. Seit 1949 lebte er in den USA, wo inzwischen wegen Kriegsverbrechen gegen ihn ermittelt wird. Das Versorgungsamt Bremen überwies dem 1942 bei einer Minenexplosion verletzten Ciurinskas seit 1966 eine Opferrente, zuletzt 873 Mark monatlich.

§ 64 BVG
Stand der Gesetzgebung: 1. Dezember 2012
Berechtigte mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland erhalten Versorgung wie Berechtigte im Geltungsbereich dieses Gesetzes, soweit die §§ 64a bis 64f nichts Abweichendes bestimmen. Die Leistungen können mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ganz oder teilweise versagt oder entzogen werden, wenn

1.der Leistungszweck nicht erreicht werden kann, insbesondere der fremde Staat Renten nach diesem Gesetz auf eigene Renten ganz oder teilweise anrechnet, oder

2.in der Person des Berechtigten ein von ihm zu vertretender wichtiger Grund, insbesondere eine gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Handlung des Berechtigten, vorliegt.

siehe auch
Urteile und Gerichtsentscheidungen

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Gesetzestexte (nach 1945)

Schleswig-Holstein galt nach 1945 als "Braunes Schutzgebiet", hier fanden die Mörder und Henker des dritten Reiches Unterschlupf, konnten sich Ausruhen, und konnten ihr verbrecherischen Wissen weitergeben. Viele Namen die sich auf Fahndungslisten befanden, aber auch verurteilte (darunter Todesurteile) finden sich in der gehobenen Politik, Justiz, Polizei und Wirtschaft wieder.

Andrae Alexander

General a. D., Kriegsverbrecher, zeitweiliges Direktoriums-Mitglied der DRP – erhält Generals-Pension nach § 131

Schlegelberger Franz

Staatssekretär Schlegelberger Franz
* 23.10.1876 Königsberg, + 14. 12.1970 Flensburg

Im Fall des Juden Markus Luftglass, der in Kattowitz wegen des Hamsterns von Eiern zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden war, zeigte sich Adolf Hitler empört, und Reichsminister Hans Lammers, Chef der Reichskanzlei, verlangte im Namen Hitlers die Todesstrafe. Schlegelberger erklärte sich sofort bereit und übergab Luftglass nach einem Schreiben vom 29. Oktober 1941 der Gestapo, die Luftglass vier Tage später exekutierte.
Zusammen mit Roland Freisler arbeitete Schlegelberger die am 4. Dezember 1941 in Kraft getretene Verordnung über die Strafrechtspflege gegen Polen und Juden in den eingegliederten Ostgebieten aus, die die Todesstrafe bei „deutschfeindlicher Gesinnung“ vorsah.
In einem Schreiben vom 5. April 1942 schlug er dem Chef der Reichskanzlei, Hans Lammers, vor, dass „Halbjuden“ sterilisiert werden sollten. „Den fortpflanzungsfähigen Halbjuden sollte die Wahl gelassen werden, sich der Unfruchtbarmachung zu unterziehen oder in gleicher Weise wie Juden abgeschoben zu werden“, was für die Betroffenen entweder Deportation oder Sterilisierung bedeutete.

1950 wegen Haftunfähigkeit vorläufig, im Januar 1951 endgültig entlassen und bekam 280 000 DM Pensionsnachzahlung, zu einer Zeit, als das Durchschnittsgehalt eines Arbeiters 200 Mark betrug. Danach bezog er jahrelang eine Pension von 2.894 Mark
sein Sohn Günther Schlegelberger machte im Auswärtigen Dienst Karriere, war noch Generalkonsul in Ōsaka-Kōbe und wurde später Botschafter, der jüngere Sohn Hartwig Schlegelberger war Landrat in Flensburg und Landtagsabgeordneter der CDU in Schleswig-Holstein und war später dort noch langjähriger Innenminister.

Heydrich Lina

Witwenrente für Lina Heydrich (Witwe des SS-Obergruppenführers und Generals der Polizei Heydrich Reinhard)
Nachdem die Bundesrepublik Deutschland der Witwe Lina Heydrich zunächst wegen der Verbrechen ihres Mannes das Anrecht auf eine Witwenrente abgesprochen hatte, prozessierte diese 1956 bis 1959 erfolgreich. Trotz der führenden Rolle ihres verstorbenen Mannes bei der Judenvernichtung erging ein Gerichtsbeschluss, der ihr die Rente einer Generalswitwe zubilligte, deren Mann im Kampf gefallen war, die sie bis zu ihrem Tod 1985 erhielt.
Die gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Rente führten 1958 unter der Kanzlerschaft Konrad Adenauers zu einer Kabinettserörterung und einer Großen Anfrage der SPD im Bundestag.
Als wollte sie den Staatsanwalt und die deutschen Medien verhöhnen, die das Urteil des Gerichts empört kritisiert hatten, wählte Lina Heydrich als Titel für ihre 1976 publizierten Memoiren "Leben mit einem Kriegsverbrecher’“. Die Witwe betrieb nun auf der Ostseeinsel Fehmarn die Pension „Imbria Parva“, die häufig „ehemalige SS-Kameraden ihres Mannes zu Wiedersehensfeiern“ beherbergte, die dort „Erinnerungen an bessere Zeiten’ austauschten“.


Heydrich hatte neben der Witwe zwei Kinder hinterlassen, Heider und Silke, das dritte Kind Marte war erst sechs Wochen nach dem Tod Heydrichs zur Welt gekommen und ein viertes vor seiner Tötung bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt.
Im NS-Staat waren Lina Heydrich, die sich schließlich in ihr Haus in Burg auf Fehmarn zurückgezogen hatte, neben einigen Ehrungen und der Zuwendung des Schlosses
Jungfern-Breschan, einschließlich der ,Dienstboten" (KZ Häftlinge) und umfänglichen und wirtschaftlich nutzbaren Ländereien, die Witwen- und Waisenbezüge eines Polizeigenerals, 1942 sehr stattliche 1 900.- Reichsmark netto monatlich, zugestanden worden. Das hatte bis 1945 gereicht. Nach der Kapitulation, mutmaßlich keineswegs sofort, war damit irgendwann Schluß gewesen, und die Witwe des einst so mächtigen und erfolgreichen Polizeichefs hatte sich bald gezwungen gesehen, sich zumindest teilweise um den eigenen Lebensunterhalt zu bemühen. Sie spielte, wie sie später schrieb,„auf den Tastendes Schwarzmarktes" und hat sich bis zur Währungsreform „einigermaßen durchgemogelt". Danach sei es für sie schwieriger geworden, sie hätte angeblich nur 160.- Reichsmark zur Verfügung gehabt.
War es Unverfrorenheit, Mut, ein einfacher Versuch oder die weitsichtige Einsicht in den erstaunlich schnellen Lauf der Dinge in der Bundesrepublik. 1950 schien ihr zumindest, daß ihres Leidens genug sei. Sie beantragte im September bei der Außenstelle Lübeck des Landesversorgungsamtes Schleswig-Holstein schlicht die Gewährung von Witwen- und Waisenbezügen nachdem frischen Bundesversorgungsgesetz, weil, so führte sie aus, ihr Ehemann „einer unmittelbaren Kriegseinwirkung zum Opfer gefallen" sei.

Zunächst wehrte das Landesversorgungsamt 1952 formlos ab.
Heydrich sei gar kein Soldat, sondern Reichsbeamter gewesen, falle folglich gar nicht unter das Bundesversorgungsgesetz. Das Versorgungsamt Lübeck beschied im selben Jahr mit einer klugen und überzeugenden Begründung, daß Heydrichs Tod in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit Kriegseinwirkungen gestanden habe. Ähnlich lautend lehnte der Beschwerdeausschuß des Landesversorgungsamtes kurz darauf Pensionszahlungen ab. Dagegen legte Lina Heydrich Berufung beim zuständigen Oberversicherungsamt in Schleswig ein, und erhielt hier Recht. Das Urteil der VIII. Spruchkammer vom 28.Februar 1952 führte aus, daß Heydrich „von tschechischen Staatsangehörigen, die in England für den Partisanenkampf ausgebildet wurden, von englischen Flugzeugen in ihre Heimat befördert und dort vermittels Fallschirmen abgesetzt" worden seien, getötet wurde. Aufgrund der Vorbereitungen in England sei das Attentat „als Kampfhandlung im Sinne des § 1 Abs. 2a, § 5 Abs. Ia des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) anzusehen." Gegen dieses Urteil, das erhebliche Pensionszahlungen ab 1950 intendierte, legte das Landesversorgungsamt 1954 Berufung ein, der sich der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung anschloß. Darüber hatte schließlich das Landessozialgericht in Schleswig zu urteilen. Und es nahm sich dreieinhalb Jahre Zeit bis zum nicht mehr anfechtbaren Urteil. Drei Senate des Gerichts, zunächst der 1., dann der 7. und schließlich der urteilende 4. Senat nahmen sich der Entscheidungsfindung in dieser heiklen und natürlich von der Medienöffentlichkeit beachteten Angelegenheit an.
Zunächst Berichterstatter und damit Hauptakteur in der Vorbereitung war Landessozialgerichtsrat Dr. Meinicke-Pusch, (* 12. Februar 1905 in Breslau + 31. Oktober 1994 war ein deutscher Politiker, FDP, später CDU. Meinicke-Pusch blieb bis zu seiner Pensionierung Anfang der 1970er Jahre Landessozialgerichtsrat. Die ausbleibende Beförderung wird auf seine Aussagebereitschaft im Untersuchungsausschuss zur Heyde-Sawade-Affäre zurückgeführt. Ein wegen der Affäre eingeleitetes Dienststrafverfahren endete im März 1962 mit einem Verweis für Meinicke-Pusch. Ein gegen ihn eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Begünstigung war im April 1960 eingestellt worden).
Meinicke-Pusch war 1937 Mitglied der NSDAP geworden, hatte ab 1940 als Kriegsgerichtsrat gewirkt und war 1950 bis 1954, noch als Rechtsanwalt und Notar, zunächst als FDP-, dann als CDU-Fraktionsmitglied Abgeordneter des Schleswig-Holsteinischen Landtages gewesen.
Jetzt, 1955, ging der am 1. Februar zum Landessozialgerichtsrat ernannte Richter mit Fleiß an die Ermittlungsarbeit, ob Heydrich tatsächlich Opfer von Kriegshandlungen geworden sei.
Nur um diese, formaljuristisch und wahrlich historisch anmutende Frage konnte es in Anwendung des BVG gehen. Eine Bewertung der eventuell verbrecherischen Rolle oder die Berücksichtigung konkreter Taten schloß das Bundesgesetz im Gegensatz zu seinen Vorläufern der Ländergesetzgebung oder der alliierten Verordnungen ausdrücklich aus. Ein wahrlich eklatanter Gegensatz der Kriegsopferentschädigung zur Wiedergutmachung für NS-Opfer.
Die Verfahren der Wiedergutmachung kannten von Beginn an und schließlich gesetzlich fixiert die Unwürdigkeit der Antragsteller als klaren Ausschlußgrund. Weiter aktive Kommunisten sowie Homosexuelle, Asoziale’, Zigeuner' und, Verbrecher wurden damit keineswegs „vergessen", sondern bewußt und gezielt von jeder Zahlung ausgeschlossen, auch wenn sie jahrelange KZ-Haft nachweisen konnten.
Meinicke-Pusch formulierte die Situation im Fall Heydrich in seinem Auftrag an einen Gutachter in aller Deutlichkeit. „Grundsätzlich ist für die Beurteilung von Bedeutung, dass die Hinterbliebenen Heydrichs nur dann Anspruch auf Hinterbliebenenrente haben, wenn Heydrich selbst Ansprüche aufgrund des Versorgungsgesetzes erheben könnte. Da nach dem Bundesversorgungsgesetzs eine persönliche. Unwürdigkeit nicht rechtserheblich ist, dürfte es entscheidend darauf ankommen, ob in dem Attentat auf Heydrich eine Kriegshandlung feindlicher Mächte zum Ausdruck gekommen ist oder ob es nicht anders als ein Attentat z.B. eines deutschen Kommunisten oder Juden zu bewerten ist." Von der klaren Intention dieses Schreibens abgesehen, bleibt festzuhalten, daß die Schleswiger Juristen ihre spätere Entscheidung offenbar daran maßen, ob - ihrer Interpretation nach - Reinhard Heydrich selbst einen Anspruch auf staatliche Versorgungsleistungen der Bundesrepublik besessen hätte oder nicht. Der Anspruch seiner Hinterbliebenen galt lediglich als ein abgeleiteter. Sie erhielten sozusagen in Vertretung des Massenmörders dessen Bezüge. Mit dem Außerachtlassen eventueller Unwürdigkeit schied übrigens auch die im gesamten Verfahren nicht ein einziges Mal aufgeworfene Frage aus, ob denn unschuldige Kinder und die allenfalls mitwissende Ehefrau unter diesem Ausschlußgrund leiden dürften. Eine nicht triviale ethische Fragestellung, die allerdings bei Wiedergutmachungsfällen eindeutig beantwortet war.

Selbstverständlich konnten Waisen einer im KZ ermordeten Asozialen in den 1950er Jahren nicht mit Zahlungen rechnen.

Trotz des hohen Bekanntheitsgrades von Heydrich und trotz des Dokumentenapparates des Nürnberger Tribunals war in den 1950er Jahren präzises Wissen über Hergang und Hintergründe des Attentats in Prag nicht ganz einfach zu beschaffen. Meinicke-Pusch unternahm das, was von ihm zu erwarten war. Er wandte sich unter anderem an das Münchner Institut für Zeitgeschichte, ließ Auszüge aus publizierten Erinnerungsbüchern ehemaliger deutscher Besatzer anfertigen und spürte Zeugen auf, vorwiegend ehemalige Angehörige der Staatspolizeistelle Prag und der deutschen Kriminalpolizei. Diese waren 1955 entweder Pensionäre oder längst wieder im Polizeidienst beziehungsweise, wie ein vernommener ehemaliger Prager Gestapoangehöriger, beim Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes tätig. Selbst der Präsident des Bundessozialgerichtes, laut seines Schreibens gelegentlich vom Schleswiger Gerichtspräsidenten Dr. Buresch, später einer der Hauptbelasteten in der Heyde-Sawade-Affäre - auf den Fall Lina Heydrich angesprochen, teilte Hinweise und Namen mit, denn auch er sei „damals in Prag" gewesen.
Die 1942 mit den Tatermittlungen (und der Täterverfolgung) befassten Zeugen sagten aus: Durch einen Verräter aus der Tätergruppe seien sie schnell auf die richtige Spur gekommen. Die mutmaßlichen Täter hätten Polizisten und Angehörige der Waffen-SS schließlich in einer Kirche gestellt, durch deren Schüsse und angeblich auch durch Selbsttötungen seien alle Verdächtigen umgekommen. Die Sachermittlungen hätten ergeben, daß die Attentäter als Fallschirmspringer von einem britischen Flugzeug abgesetzt worden seien und im Auftrag der Exilregierung Benesch in London handelten. Der ehemalige Leiter des kriminalistischen Referats der Staatspolizeistelle Prag, Heinz P, gab in erstaunlich geringer Präzision zu Protokoll: Nach dem, was ich von den entsprechenden Dezernatsleitern gehört habe, mögen im Jahre 1941 bis zum Attentat auf Heydrich etwa 50 Personen mit dem Fallschirm abgesetzt worden sein." Es habe sich um Angehörige der tschechischen Exilarmee gehandelt, die von britischen Soldaten ausgebildet worden seien. War in den ebenfalls beigezogenen Ursprungsakten der Prager Gestapo noch durchweg von „Partisanen" die Rede, wählten, was bei dem Prozeß Gegenstand auffallen muß, spätere Zeugen gern die militärische Bezeichnung „Offiziere", ging es doch schließlich im Kern um die Frage, ob Heydrich einer militärischen Operation zum Opfer gefallen war

Für den Prozeßvertreter Lina Heydrichs, den Kieler Anwalt Dr. Wilhelm Maßmann, der übrigens zeitgleich auch den ehemaligen schleswig-holsteinischen NSDAP-Gauleiter und Oberpräsidenten Hinrieh Lohse bei seinen Bemühungen um eine staatliche Pension vertrat, schien die Sachlage klar und eindeutig.
Die tschechische Exilregierung in London hat seinerzeit dem Deutschen Reich den Krieg erklärt und eine Truppe aufgestellt."
Richter Meinicke-Pusch hatte zuvor alle Verfahrensbeteiligten befragt, ob sie, dem Nürnberger Urteil folgend, die Tschechoslowakei als ein vom Deutschen Reich besetztes und nicht durch Staatsvertrag in Protektorat genommenes Gebiet ansehen könnten, mit der logischen Ableitung, daß die Besatzungspolitik wie die Gegenwehr jeweils als „Kriegshandlung" anzusehen wären. „Bejahen die Bet

iligten die Rechtsauffassung
des Nürnberger Gerichtshofes und die sich daraus ergebenden rechtlichen Folgen?" Das Landessozialgericht wäre mit dem Hinweis auf Nürnberg elegant aus der Not einer kritisierbaren eigenen Entscheidung entlassen worden.
Im Gegensatz zu Maßmann mochte das verfahrensbeteiligte Bundesministerium für Arbeit dieser Logik keineswegs folgen.
„Es ist vielmehr ein politisches Attentat gewesen, das Heydrich durch sein brutales politisches Wirken herauf beschworen und auf sich gelenkt hatte." Dezidiert befaßt sich die Antwort wieder mit der verantwortlichen Rolle Heydrichs am Holocaust: „Einer der Führer dieser Einsatzgruppen, Otto Ohlendorf, der in Nürnberg zum Tode verurteilt und in Landsberg hingerichtet wurde, gestand, 90 000Juden, darunter Kinder, Frauen und Greise, beseitigt zu haben. Dieses alles geschah auf Weisung und nach Plan Heydrichs. Daneben führte Heydrich systematisch einen Vernichtungskampf gegen die Intelligenz in ausserdeutschen Gebieten".
Schließlich gelte doch wohl: „Sinn und Zweck des BVG, das amtlich als ,Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges' bezeichnet wird, würden in ihr Gegenteil verkehrt werden, wollte man den Tyrannentod Heydrichs oder etwa den Tod der als Kriegsverbrecher hingerichteten Kaltenbrunner, Frank oder Ohlendorf dem Opfertod von Millionen anständiger deutscher Soldaten gleichsetzen."

Schon im Jahr zuvor hatte das Arbeitsministerium darauf hingewiesen, daß selbst den Hinterbliebenen der Militärs, die zum Verschwörerkreis des 20. Juli 1944 gehört hatten, Ansprüche aus dem BVG nicht zustünden, ihr Handeln werde von bundesdeutschen Gerichten als allein politisch motiviert erachtet. Dann dürften erst recht weder Heydrichs Rolle als stellvertretender Reichsprotektor in Prag noch das Handeln seiner Attentäter als militärisch erachtet werden. Im Übrigen sei das Protektorat Böhmen und Mähren gar nicht im Kontext des 2. Weltkriegs, sondern ja bereits im Frühjahr 1939 errichtet worden.
In dieser verwirrenden Situation forderte Meinicke-Pusch ein wissenschaftliches historisches Gutachten beim Kieler Ordinarius Michael Freund an. Prof. Dr.Michael Freund war bekannt als profilierter, publikationsfreudiger und historisch orientierter Politikwissenschaftler sowie als aktiver Sozialdemokrat. Er tat sich schwer mit diesem Auftrag, hielt sich kaum an die engen Fragen nachdem militärischen Gehalt des Attentats auf Heydrich. In seinen vorläufigen Antworten wie im lesenswerten 42 Seiten umfassenden Gutachten holte er weit aus. Dem tschechischen Staatspräsidenten Hacha, der am 15.März 1939 unter massivem Druck mit Hitler den Protektoratsvertrag abgeschlossen hatte, schrieb er ins Stammbuch: „Ein Staatsmann hat nicht in Ohnmacht zu fallen, wenn es um Sein oder Nichtsein seiner Nation geht." Die Besetzung der Tschechoslowakei sei ein„Einmarsch im Frieden" gewesen, ein „Kriegszustand zwischen der Tschechoslowakei und dem Deutschen Reich" habe zu keiner Zeit geherrscht, das Attentat auf Heydrich sei als „eine völlig isolierte Tat" ohne Bezug zum „Geschehen des Krieges" zu werten. Im übrigen sei über den Tathintergrund herzlich wenig bewiesen.
Nach seiner Lektüre der im Verfahren entstandenen Zeugenaussagen müsse er festhalten. „Ich bin verblüfft über die Unverfrorenheit, mit der von den Herren Dinge behauptet werden, über die sie aus unmittelbarer Kenntnis nichts wissen". Im Gutachten heißt es an anderer Stelle. Zwar kenne das Bundesversorgungsgesetz „den Begriff der Unwürdigkeit nicht", vielleicht wären Heydrichs „Kriegsverbrechen" auch rechtlich unerheblich, wenn ein Luftangriff sein Leben ausgelöscht hätte, „Aber das Attentat meinte ihn als Person, und die Rechtsnatur des Attentats wird beherrschend durch seine Person bestimmt." Wie die kommentierenden Randnotizen auf dem Gutachten ausweisen, missfiel es den Auftraggebenden Juristen in Schleswig, daß Freund immer wieder das Gebiet seines eigentlichen Auftrages verließ und eine eigene, Beweiswürdigung' vornahm.

Aber Freund selbst schien sich darum nicht zu scheren. Er charakterisierte Heydrich schlicht als eine „der ganz großen Verbrechergestalten der Geschichte", testierte ihm, daß er im Überlebensfalle mit nahezu absoluter Sicherheit in Nürnberg hingerichtet worden wäre,und schilderte den Werdegang Heydrichs als Holocaustverantwortlichen und Polizeichef so plastisch, daß er festhalten konnte, über das was in der Tschechoslowakei selbst geschah, ist im Grunde bedeutungslos.
Das Fazit des engagierten Gutachters: Zwar gelte: „Gesetz ist Gesetz und muß es bleiben, auch wenn es uns nicht gefällt, wem es zugute kommt." Aber: Wo es auch für mich Zweifel und eine freie Entscheidung läßt, müssen die größeren Gesichtspunkte und Wertbegriffe herangezogen werden, die einem von Recht und Menschlichkeit bestimmten Gemeinwesen zugrunde liegen.
Genau daran sind juristische Urteile in der Tat zu messen. Wo Handlungsspielraum für die Einbeziehung fundamentaler ethischer Gesichtspunkte besteht, ist er zu nutzen. Freund verwies in seiner rhetorisch geschickt aufgebauten Stellungnahme auf einen möglichen Interpretationspunkt. „Das Bundesversorgungsgesetz hat nicht definiert, was denn Krieg wäre." Bezogen auf das Reichsprotektorat war damit einbeachtlicher juristischer Ermessensspielraum definiert. Und außerdem, so Freund weiter, müsse es „offenkundig Unterschiede geben" bei der Antwort auf die Frage, „welchen Krieg der deutsche Soldat führte und welchen er rechtmäßig führen durfte". Denn, so der Schlußappell des Gutachters an das Landessozialgericht, es müsse „auch der Anschein vermieden werden - um der Rechtlichkeit und des moralischen Ansehens der Bundesrepublik willen - als ob das verbrecherische Tun Heydrichs dem Kriegsdienst redlicher deutscher Soldaten gleichgestellt werden sollte."
Kurz vor Eingang des Gutachtens von Michael Freund hatte das Nachrichtenmagazin ,Der Spiegel' von Lina Heydrichs Bemühungen um Hinterbliebenenrenten berichtet.

Ein aufgebrachter, jetzt im Exil in Frankfurt lebender ehemaliger Prager Student, der eine von Heydrich verantwortete KZ-Haft überlebt hatte, schrieb an das Gericht in Schleswig: „Ich stamme aus Böhmen.
Ich kenne Heydrich. Wissen Sie, wer Heydrich war?
Der Teufel von Böhmen, ein Mörder, der durch Blut und Tränen watete, ein Scherge, der tausende Menschen auf dem Gewissen hat.
Haben Sie von dem
Blutbad in Lidice gehört?

Den Richtern des Landessozialgerichts mußte spätestens jetzt, im Frühsommer des Jahres 1956, klar sein, welch einen heiklen und sensiblen Fall sie bearbeiteten. Und, bei aller Unzufriedenheit der professionellen Juristen mit Freunds Gutachten und den Stellungnahmen aus dem Bundesministerium für Arbeit: Ihnen waren mehrere Wege gewiesen worden, die eine auch juristisch saubere und sichere Ablehnung der Hinterbliebenenzahlungen ermöglicht hätten. Das Ergebnis der Überlegungen in Schleswig deutete indes in die entgegengesetzte Richtung. Im April 1956 teilte Meinicke-Pusch seinem Dienstvorgesetzten und wegen der „Bedeutung dieser Sache" auch den potentiell beisitzenden Richtern mit, nach eingehender Befassung in der Sache sei er „zu dem aus der Anlage ersichtlichen Ergebnis gekommen". Er wolle es mitteilen, damit der Adressat Tatbestand und Votum „in Ruhe durchdenken" und seine „etwaige gegenteilige Auffassung begründen" könne.
Vorerst aber tat das Gericht - gar nichts. Das Verfahren dümpelte über viele weitere Monate ohne erkennbar relevante Aktivitäten weiter. Freund gab Ende 1956 eine Ergänzung seines Gutachtens ab. Rechtsanwalt Maßmann bezweifelte Anfang 1957 die Unbefangenheit des Gutachters und beantragte vorsichtshalber die Berufung eines alternativen Sachverständigen.
Ende Januar 1957 mahnte das Bundesarbeitsministerium eine Entscheidung beim Schleswiger Gericht an. „Damit scheint der Sachverhalt voll geklärt und die Sache zur Entscheidung reif."
Kurz darauf nutzte der Eckernförder Bundestagsabgeordnete Pohle (SPD) die Fragestunde des Bundestages, um vom Bundesarbeitsminister den Stand des Verfahrens zu erfahren.
Das Gericht geriet also offenkundig unter Druck. Aber für weitere 12 Monate passierte wenig. Dann aber, am 20.Januar 1958, ging die Streitsache nach Beschluß des Präsidiums des Landessozialgerichtes mit sofortiger Wirkung vom 7. auf den 4. Senat über. Übrigens ohne notierte Begründung, was als unüblich anzusehen ist. Zumindest bleibt die Ursache des Wechsels unklar. Weitere fünf Monate später, am 20. Juni 1958 traf der Senat unter der Leitung des Senatspräsidenten Michaelis sein „mit Rechtsmitteln nichtanfechtbares Urteil. Michaelis, laut Personalakte NSDAP-Mitglied seit 1932 und fachlich lediglich als, mittelmäßig’ bewertet sowie auch ein Mitwisser Heyde-Sawades fällte mit seinen Kollegen - Dr. Meinicke-Pusch war aufgrund des Senatswechsels nicht mehr dabei - eine klare Entscheidung.
Lina Heydrich und ihren Kindern stehe Hinterbliebenenrente zu. In der umfänglichen Urteilsbegründung wurde sprachlich sehr zurückhaltend der Werdegang Heydrichs gewürdigt, etwa daß er „an der Organisation und Durchführung der Maßnahmen gegen die Juden beteiligt" gewesen sei und daß er „einen schärferem Kurs in der Regierung des Protektorats" eingeführt habe. Und auch in diesem Textauszug ist die Diktion bezeichnend. „An der Glaubwürdigkeit der Zeugen" bestehe kein begründeter Zweifel, „auch wenn sie damals im Auftrage der Staatspolizei tätig und im Sinne einer gewissen propagandistischen Zielsetzung zu arbeiten gezwungen gewesen sind." Zur Tätigkeit tschechischer Partisanen heißt es lapidar, aber richtungweisend. „Im Ausland befindliche Tschechen hatten sich nach Kriegsausbruch England und Frankreich militärisch zur Verfügung gestellt. "Die aus ihnen gebildeten Truppenteile" hätten das - offenbar also militärische - Rekrutierungsfeld der Attentäter gebildet, ausführende waren tschechische Soldaten, die auf Seiten der alliierten Streitkräfte am Kriege gegen das Deutsche Reich teilnahmen." Das war nun schlicht das Gegenteil dessen, was der wissenschaftliche Gutachter Freund ausgeführt hatte. Die „sogenannten Freischärler oder Partisanen" hätten im 2. Weltkrieg eine „zunehmende Rolle" gespielt. Und: „Es

entspricht dem Wesen dieser Art von Kriegsteilnehmern, daß sie meist einzeln, im Verborgenen und ohne äußere Kennzeichnung auftreten und den Gegner nicht in der eigentlichen Kampfzone, sondern im Hinterland zu schädigen suchen. Die Besonderheit ihrer Beteiligung besteht, wie der letzte Krieg erneut bewiesen hat, gerade in der Abweichung von den Kriegsregeln." Dadurch würden „ihre Aktionen aber nicht den Charakter von Kampfhandlungen" verlieren -und folglich sei Heydrich Opfer einer militärischen Operation geworden.

Genau diesen entscheidungsrelevanten Aspekt hätte auch ein als Gutachter hinzugezogener Völkerrechtler genauer und offener bewerten können. Aber es scheint, daß die Schleswiger Richter meinten, aus eigener teilnehmender Beobachtung des Krieges ein Urteil treffen zu können. Das einschlägige personelle Milieu des Landessozialgerichts in Schleswig hat Klaus-Detlev Godau-Schüttke mit vielen Bezügen zum Landessozialminister der Jahre 1950 bis 1957, Hans-Adolf Asbach (BHE), der als ehemaliger Kreishauptmann im besetzten Polen der Jahre 1941 bis 1943 später des Mordes an mindestens 3148 Juden beschuldigt wurde, beschrieben. Wodurch auch immer ihr Handeln motiviert war. Alle Randnotizen auf den Akten und die schriftlichen Bewertungen sowie Vorstöße der Bearbeiter in Schleswig deuten einhellig in eine Richtung. Sie wollten nicht anders entscheiden, sie wollten keine alternative Prüfung.
Ihr Fazit: Heydrich sei zwar nicht an der „Folge einer militärischen oder militärähnlichen Dienstverrichtung" gestorben, soweit irre die Witwe in ihrem Antrag, aber der Tod sei eindeutig „als Folge einer unmittelbaren Kriegseinwirkung" zu werten.
Die gesetzlichen Voraussetzungen der Hinterbliebenrente sind danach gegeben. Damit hatte Lina Heydrich im Sommer 1958 mit Rückwirkung bis 1950 ihr Ziel erreicht. Proteste des Bundes der Verfolgten des Naziregimes, entrüstete Eingaben von Bürgern, Anfragen des offenbar sehr überraschten Gutachters Freund, auch die deutliche Verärgerung der ohnehin mit NS-Altlasten geplagten Landesregierung von Hassel änderten daran nichts. Das Urteil war rechtskräftig und unanfechtbar.
Und es reihte sich ein in eine Serie vergleichbarer Gerichtsentscheide in Schleswig-Holstein:
Der ehemalige Lübecker NS-Polizeipräsident und höhere SS- und Polizeiführer im besetzten Lettland, Schröder, Oberreichsanwalt Lautz, ehemaliger Ankläger vor dem Volksgerichtshof, und bald darauf auch Ex-Staatssekretär Schlegelberger, einst der Erlasser des ,Sonderstrafrechts gegen Juden und Polen',- durchweg Leute also, die man ohne Abstrich als Mörder bezeichnen kann, bezogen im nördlichsten Bundesland stattliche Staatspensionen. Der politisch unverdächtige
,Rheinische Merkur' druckte im November 1960 die publizistische Kritik eines ehemaligen Richters, der von „der erschreckenden Häufung düsterer Justizbeschlüsse" sowie „brauner Patronage in Schleswig-Holstein" schrieb.

Der Zahlungsanspruch Lina Heydrichs auf Witwenversorgungsbezüge eines Polizeigenerals erlosch erst 1985 mit dem Tod der 74jährigen. Das Urteil kam die bundesrepublikanische Gesellschaft also nicht billig. Im Übrigen hatte Heydrichs Witwe, die 1951 selbst als „unbelastet" aus ihrem Entnazifizierungsverfahren hervorgegangen war, mit Hilfe hoher Gerichte - und begleitet von einer Landtagsdebatte - ihr zunächst beschlagnahmtes Erbe, eine Villa auf Fehmarn, schließlich zurückerhalten. Ein mutiger Amtsgerichtsrat auf Fehmarn hatte das zunächst verweigert. 1962 erstattete der tschechoslowakische Verband der Widerstandskämpfer bei mehreren Staatsanwaltschaften, unter ihnen auch die in Schleswig, Strafanzeige gegen Lina Heydrich wegen „Misshandlung von Häftlingen", Beihilfe zum Mord und Durchsetzung von Hinrichtungen.

Anklage wurde nie erhoben. Lina Heydrich verbrachte fast die ganzen Jahrzehnte auf Fehmarn, investierte glücklos in touristische Herbergen, heiratete 1965 einen finnischen Künstler, sammelte Zeugnisse der Vorzeit und galt als gute Erzählerin. Ihre publizierten Memoiren unter dem Titel „Leben mit einem Kriegsverbrecher" werden entsprechend bewertet: als belanglos, stark fehlerhaft, schönfärberisch. Sie sind darüber hinaus sehr provozierend. Sie, die Witwe eines Cheforganisators des Holocausts schrieb darin im Jahr 1976 über die Juden in der deutschen Gesellschaft der 30er Jahre in hämischer Weise.
„Merkwürdigerweise begriffen die Juden dies und ihr Fremdsein in unserem Land überhaupt nicht, auch wenn ihnen der blanke Haß entgegenschlug. Hätte es damals Psychotherapeuten gegeben, hätten sie den Juden nur den Auszug aus Deutschland raten können." Auch machte sie keinen Hehl daraus, daß sie in der Nachkriegszeit zahlreiche ehemalige SS-Leute mit falschen Pässen versorgt habe. Schließlich bezeichnete sie die „sogenannte Entnazifizierung" als „systematische Räuberei". „Ich gehörte zu denen, die alles verloren."

Rein kann das Gewissen von Lina Heydrich jedoch kaum gewesen sein. Wie Insider wissen, pflegte sie nicht zu Hause zu übernachten. Jeden abend verließ sie ihre Wohnung, um sich anderweitig zur Nachtruhe zu begeben. Sie befürchtete, die DDR-Marine könne mit Schnellbooten durch die Mecklenburger Bucht kommen und sie in einem Kommandounternehmen entführen, um sie im Ostblock vor Gericht zu stellen bzw. der Strafvollstreckung zuzuführen.

Schleswig-Holstein galt nach 1945 als "Braunes Schutzgebiet", hier fanden die Mörder und Henker des dritten Reiches Unterschlupf, konnten sich Ausruhen, und konnten ihr verbrecherischen Wissen weitergeben. Viele Namen die sich auf Fahndungslisten befanden, aber auch verurteilte (darunter Todesurteile) finden sich in der gehobenen Politik, Justiz, Polizei und Wirtschaft wieder.

Anton Max

Ehem. NS-Polizeirat
der Lübecker Polizeirat außer Diensten Max Anton hatte 18 000 Mark als Ersatz für seine Wohnung und die Wohnungseinrichtung verlangt, die beide im Juni 1945 von den englischen Besatzungstruppen für Displaced Persons beschlagnahmt worden waren.
Die Stadt Lübeck wollte nicht zahlen. Der Vertreter der Stadt berief sich auf die Engländer, die befohlen hätten, Max Antons Wohnung zu räumen. Deshalb müsse der Polizeirat seine Ansprüche bei englischen Stellen geltend machen. Anton ließ nicht locker, und der Bundesgerichtshof gab ihm recht. Max Anton kassierte von der Stadt Lübeck tatsächlich 18 000 Mark.

Budde Fritz

Er war in der Zeit des Nationalsozialismus erster Beigeordneter der Stadt Bielefeld, Kreisleiter der NSDAP und wurde 1935 Oberbürgermeister von Bielefeld.

* 30.03.1895 Lantenbach, + 08.08.1956 Bielefeld

Das Grauen der nationalsozialistischen Diktatur, dem auch in Bielefeld viele Menschen zum Opfer gefallen sind, stellt die alltägliche Arbeit der kommunalen Verwaltung zwischen 1933 und 1945 in den Schatten. In der Amtszeit Buddes fand Ausgrenzung und Verfolgung der politischen Opposition sowie Diffamierung, Entrechtung, Vertreibung und Deportation von Juden statt, von denen viele in den Vernichtungslagern ums Leben kamen. Der Oberbürgermeister, der sich „als politischer Soldat Adolf Hitlers” verstand und nach eigenen Worten gewohnt war, „als Nationalsozialist zu gehorchen und zu dienen”, war ohne jeden Zweifel ein wichtiges Zahnrad in der menschenverachtenden Politik der Nationalsozialisten, sein Verhalten gegenüber politischen Gegnern oder seine Reaktion auf die Pogromnacht weisen aber auch eine unübersehbare Distanz zur vorherrschenden nationalsozialistischen Meinung auf.
Fritz Budde wurde am 12. April 1945 im Haus Nebo in Bethel verhaftet und blieb wegen seiner herausragenden Position drei Jahre lang bis zum 16. April 1948 interniert. Das im August 1949 durchgeführte Entnazifizierungsverfahren unter dem Vorsitz des prominenten Sozialdemokraten Carl Schreck reihte ihn dagegen nur in die Kategorie IV „ohne Beschränkungen” ein, in die Kategorie der Mitläufer, die ohne ideologische Überzeugung gehandelt hatten. Mehrere Bescheinigungen von Menschen aus Kirche und Verwaltung, aber auch von Verfolgten des Nazi-Regimes, die in Gefängnissen und Konzentrationslagern inhaftiert waren, betonten den menschlichen und mitfühlenden Charakter des ehemaligen Oberbürgermeisters.


Kaum drei Wochen nach dem Entnazifizierungsbescheid wandte sich Fritz Budde im September 1949 an die Stadtverwaltung und bat, seine „Pensionierung durchführen zu wollen.” Unter Hinweis auf die Einstufung des Verfahrens teilte er mit, dass er 1945 „als ehemaliger Oberbürgermeister” verhaftet worden sei, seine „Wahlperiode” allerdings im September 1947 geendet hätte. Die Berechnung der Pensionsansprüche unterlag der Sparverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 19. März 1949. Danach war bei Beamten, deren Beförderung nach 1933 aus politischen Gründen erfolgte, die am 31. Januar 1933 innegehabte Planstelle zur Berechnung der Versorgungsansprüche heranzuziehen. Da der Personalausschuss die Auffassung vertrat, dass „die Wahl zum 2. Bürgermeister und später zum Oberbürgermeister der Stadt Bielefeld aus erkennbar politischen Gründen” erfolgte, zog er Buddes Planstelle beim Finanzamt Bielefeld im Januar 1933 zur Berechnung der Versorgungsansprüche heran. Dagegen legte Budde Einspruch ein.

Ein jahrelanger Rechtsstreit folgte, der 1953 zugunsten Buddes entschieden wurde. Nach einem Entscheid des Regierungspräsidenten, waren dem früheren Oberbürgermeister die „Ruhebezüge nach der Besoldungsgruppe B 8 RBO” zu gewähren. Budde sei zwar aus politischen Gründen zum Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister ernannt worden, er habe aber auch die für dieses Amt notwendigen Qualifikationen mitgebracht, auf die die Stadtverwaltung in einem Antrag vom 5. Mai 1934 zur Berufung Buddes zum Kämmerer der Stadt ausdrücklich hingewiesen habe. Daher standen ihm eine Nachzahlung von 21.000 DM und eine monatliche Pension von 1345 DM zu.

Fritz Budde starb am 8. August 1956 in Bielefeld.

In einer Todesanzeige würdigte Bürgermeister Martin Vogeler Budde als einen Mann, der bis „zum militärischen Zusammenbruch und bis zu der politischen Wandlung im Frühjahr 1945” die Stadtverwaltung geleitet habe. Ihm sei es „gegen manche Bestrebungen aus seiner Partei gelungen, unter dem damaligen Regierungssystem in Bielefeld Ansätze kommunalen Eigenlebens zu erhalten.” Auch hier spiegelt sich beispielhaft die Vergangenheitsbewältigung in den 1950er Jahren wider.

Dönitz Karl

* 16.09.1891 Grünau bei Berlin, + 24.12.1980 an einem Herzinfarkt in Aumühle
erhielt
1300 DM Pension

Großadmiral und enger Gefolgsmann Adolf Hitlers und überzeugter Nationalsozialist.
Ende Januar 1943 zum Oberbefehlshaber der Kriegsmarine ernannt, war er nach dem Tod Hitlers Oberbefehlshaber der Wehrmacht und der letzte Reichspräsident des Deutschen Reiches.
Im politischen Testament von Adolf Hitler zum Nachfolger ernannt, leitete Dönitz vom 2. Mai 1945 an eine geschäftsführende Reichsregierung. Nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945 wurden alle Mitglieder der Regierung Dönitz am 23. Mai 1945 im Sonderbereich Mürwik verhaftet.
Dönitz gehörte zu den 24 angeklagten Personen im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher. Er wurde vom Internationalen Militärgerichtshof wegen Führens von Angriffskriegen und Kriegsverbrechen schuldig gesprochen und am 1. Oktober 1946 zu zehn Jahren Haft verurteilt. Nach der vollständigen Verbüßung seiner Strafe wurde er 1956 entlassen.

Nach der vollständigen Verbüßung seiner Strafe am 1. Oktober 1956 lebte er in Aumühle bei Hamburg. Seine Frau Ingeborg verstarb 1962.[32] Seine beiden Söhne waren gefallen: Lt.z.S. Peter Dönitz am 19. Mai 1943 als Wachoffizier auf U 954, OLt.z.S. Klaus Dönitz am 13. Mai 1944 auf dem Schnellboot S 141 nur das älteste Kind, seine Tochter Ursula überlebte den Krieg.

Einen Eklat verursachte Dönitz’ Auftritt am 22. Januar 1963 im Otto-Hahn-Gymnasium (Geesthacht). Der Schülersprecher Uwe Barschel hatte Dönitz auf Anregung seines Geschichtslehrers Heinrich Kock eingeladen, vor Schülern der Klassen 9 bis 13 über das Dritte Reich zu referieren. Die Schüler wurden von ihren Lehrern auf den Auftritt nicht vorbereitet. Daher gab es keine kritischen Nachfragen der Schüler und auch keine von den Lehrern. Nachdem die Bergedorfer Zeitung einen begeisterten Bericht über diesen Geschichtsunterricht in höchster Vollendung veröffentlicht hatte, griffen überörtliche und ausländische Medien den Fall auf. Die Kieler Landesregierung wurde auf einer Pressekonferenz mit starker Kritik an dem Vorgang konfrontiert. Nachdem ein Regierungsrat aus dem Kultusministerium die Schule am 8. Februar 1963 aufgesucht und mehrere Stunden mit dem Schulleiter Georg Rühsen gesprochen hatte, ertränkte sich dieser noch am selben Abend in der Elbe. Seine Leiche konnte erst am 25. April 1963 geborgen werden.

Eichhoff Arnold

Angeh. des Pol.-Bat. 9, Mitschuldiger am Tode hunderter jüdischer Bürger – Bezieht Rente, Höhe unbekannt

Eisele Hans Dr. med.

* 13.03.1913 Donaueschingen, + 03.05.1967 Kairo

Erhielt 4000 DM Heimk.-Entschädigung. und 25 000 DM Aufbauhilfe

SS-Hauptsturmführer und
Lagerarzt
Lagerarzt im KZ Dachau, KZ Buchenwald, KZ Mauthausen, KZ Natzweiler

Nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums in Donaueschingen studierte er ab 1931 in Freiburg Medizin. 1933 trat er sowohl in die NSDAP (Mitgliedsnr. 3.125.695) als auch in die SS (Mitgliedsnr. 237.421) ein. Er war verheiratet und hatte drei Kinder.

Er war als KZ-Arzt verantwortlich für die Ermordung von bis zu 300 an Tuberkulose erkrankten Häftlingen. Außerdem hatte er experimentelle Operationen, zum Teil ohne Betäubung und mit tödlichem Ausgang, durchgeführt, sowie Häftlinge misshandelt und gequält. Anschließend war er im KZ Natzweiler und im Juni 1942 im SS-Lazarett in Prag eingesetzt. Weiterhin tat er bei der SS-Division „Das Reich“ Dienst an der Ostfront. Im Februar 1945 wurde er ins Konzentrationslager Dachau zum Einsatz unter dem Ersten Lagerarzt Fritz Hintermayer versetzt, wo er durch amerikanische Truppen im April 1945 verhaftet wurde.

Eisele wurde am 13. Dezember 1945 im Dachau-Hauptprozess, der im Rahmen der Dachauer Prozesse stattfand, für seine Teilnahme an drei Exekutionen, bei denen er als Lagerarzt die Todeszertifikate auszustellen hatte, zum Tode verurteilt. Nach Umwandlung des Urteils in eine lebenslängliche Freiheitsstrafe wurde Eisele am 11. April 1947 im Buchenwald-Hauptprozess erneut unter Anklage gestellt und erhielt gemeinsam mit einundzwanzig Mitangeklagten erneut die Todesstrafe. Allerdings erwies sich die Verurteilungsgrundlage gegen Eisele als derartig fragwürdig und unsicher, dass vier der acht Militärrichter ein Gesuch einreichten, das Urteil möge durch die Überprüfungsinstanz in eine zehnjährige Haftstrafe umgewandelt werden, dem stattgegeben wurde.
Nach weiteren Strafreduktionen wurde Eisele am 26. Februar 1952 aus der Haft entlassen.
Nach seiner Freilassung eröffnete er unbehelligt eine Arztpraxis in München. Als 1958 im Verlauf des Prozesses gegen Martin Sommer, einem Mitglied der Wachmannschaft im KZ Buchenwald, neue Anschuldigungen gegen Eisele erhoben wurden, flüchtete er nach Ägypten, wo er sich unter dem Pseudonym Carl Debouche im vornehmen Kairoer Villenvorort Maadi niederließ. In Ägypten verübte der Mossad mindestens einen Mordanschlag auf Eisele, bei einem Paketbombenanschlag kam der ägyptische Paketzusteller ums Leben, Eisele aber blieb unverletzt. Er starb am 3. Mai 1967 unter unbekannten Umständen in seinem Haus in Maadi, und wurde dort auf dem kleinen deutschen Friedhof in Grab Nr. 99 beigesetzt.

Schröder Walther

* 26.11.1902 Lübeck, + 31.10.1973 Lübeck

SS-Brigadeführer und Polizeipräsident in Lübeck
als SS- und Polizeiführer in Lettland war er einer der Hauptverantwortlichen für den Mord an den Juden im Reichskommissariat Ostland.

NSDAP Mitglieds Nu. 6288 (alter Kämpfer)
SS Mitglieds Nu. 290797

von 1927 bis 1929 war er SA-Führer des Gausturmes Mecklenburg-Lübeck.
Von 1928 bis 1930 war er NSDAP-Ortsgruppenleiter in Lübeck.

Seit dem 06.03.1933 war Schröder kommissarischer Polizeiherr in Lübeck. Am 31.05.1933 wurde er durch den Reichsstatthalter Friedrich Hildebrandt zum Senator der inneren Verwaltung und Polizeiherrn ernannt.

Am 06.10.1933 heiratete Schröder, aus der Ehe gingen eine Tochter (* 1937) und zwei Söhne (* 1935, * 1942) hervor. Schröder und seine Frau waren Mitglieder im Lebensborn.

Nach der Eingliederung Lübecks in Preußen durch das Groß-Hamburg-Gesetz am 01.04.1937 war Schröder Polizeipräsident sowie ehrenamtlicher Beigeordneter für das Bauwesen von Lübeck. Als solcher war er auch stellvertretender Vorsitzender der Städtischen Verwaltungswerke Lübeck und Vorsitzender der Kühlhaus Lübeck AG.

Am 04.08.1941 wurde Schröder von Heinrich Himmler zum SS- und Polizeiführer (SSPF) in Riga und am 11.08.1941 zum SS- und Polizeistandortführer für den Generalbezirk Lettland im Reichskommissariat Ostland mit Dienstsitz in Riga ernannt.

Nach 1945
Nachdem die Briten unter Major Coolay zunächst im Lübecker Rathaus den Oberbürgermeister Drechsler festgenommen hatten, begab sich Coolay zum Lübecker Polizeipräsidium im Zeughaus, wo er Schröder und die Lübecker Polizei arretierte. Während die Polizei schon am Folgetag unbewaffnet den Dienst wieder aufnahm, wurde Schröder durch die am 03.05.1945 eingetroffene Militärregierung in Person des Kreis-Resident-Officer A.J.R. Munro verhaftet.
Das Spruchgericht Bergedorf verurteilte Schröder zu zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis. Die Kammer stellte bei ihm wahrheitswidriges Leugnen und Mangel an Einsicht fest. Schröder wollte weder vom Holocaust noch von unbilligen Härten im KZ etwas erfahren haben.

Im Entnazifizierungsverfahren wurde Schröder nur als Mitläufer eingestuft.

Schröders Dienstvilla am Lübecker Burgfeld wurde von den Besatzungsbehörden beschlagnahmt. Im Januar 1956 forderte Schröder, der eine monatliche Pension von 1 100 Mark bezog, deswegen aufgrund des Reichsleistungsgesetzes Schadensersatz in Höhe von 53 000 Mark von der Stadt Lübeck.

So kam es, daß Lübecks Kommunalpolitiker Ende Januar auf ihren Tischen im Sitzungssaal der Bürgerschaft eine dreiseitige Liste fanden, auf der die Forderungen des SS-Oberführers und Polizeipräsidenten außer Diensten verzeichnet standen.
An Hand jener Liste konnten die Bürgerschaftsabgeordneten nun erkennen, was der einstige Polizeipräsident verloren hatte. Mit der Akribie eines Buchhalters hatte Walther Schröder notiert:

1 Präsidentenstuhl 180 DM
Studenten-Utensilien (Wappen, Mützen, Schläger, Trinkgeschirr) 3 600 DM
1 Teeküche 625 DM
1 Trinkzimmer 930 DM
2 antike Blumentöpfe 200 DM
1 japanischer Gong mit Klopfer 130 DM
2 Ascher 10 DM
1 Gluttöter 5 DM
1 Bohnerbesen 40 DM
1 Piassava-Besen 10 DM
12 Fingerschalen 40 DM
1 Pfeifenständer 150 DM
850 Bücher 4 500 DM
1 antikes Spinnrad 240 DM
1 Teewärmer 10 DM
2 Reitsättel 400 DM
70 Grammophonplatten 450 DM

Schröder kam auf eine Schadenssumme von rund 53 000 Mark, wobei er das Herrenzimmer allein auf 18 230 Mark taxierte.
Nach hitzigen Schröder-Debatten faßten alle Fraktionen der Lübecker Bürgerschaft am 26. Januar den Beschluß, die Ansprüche ihres früheren NS-Polizeipräsidenten schlichtweg abzulehnen: Die Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck betrachtet diese Forderungen im Hinblick auf die unsäglichen Leiden und Verluste an Leib und Gut, die den Opfern des Krieges, den Heimatvertriebenen, den Kriegsgeschädigten und den Opfern des Nationalsozialismus zugefügt worden sind, als unerhörte Herausforderung. Ob Zahlungen erfolgten, wurde der Bevölkerung verschwiegen.

Schröder, erhielt eine Monatspension von über 1000 Mark, sowie Einkünfte aus seiner Handelsvertretung und seinem Büro für Wärmetechnik.

Freisler Marion geb. Russegger

* 10.02.1910 Hamburg, + 21.01.1997 Hamburg
Russegger Marion wurde im Grab ihrer Eltern auf dem Waldfriedhof Dahlem am Hüttenweg in Berlin beerdigt, wo auch Roland Freisler anonym beerdigt worden war.

Russegger Marion heiratete am 24.03.1928 den Rechtsanwalt und Stadtverordneten der NSDAP in Kassel Freisler Roland. Sie hatten zwei Söhne, Harald (* 01.11.1937) und Roland (* 12.10.1939), wurden laut den beiden der Personalakte Freisler beigefügten Taufzeugnissen in Berlin getauft..

Nach dem Krieg nahm Marion Freisler wieder ihren Geburtsnamen Russegger an, sie zog nach München und wollte von den Taten ihres Mannes nichts mehr wissen.

Die Witwe des erbarmungslosesten Nazi-Richters, des Volksgerichtshofpräsidenten Freisler, bekam Rente und Schadensausgleich, weil ihr Mann im Überlebensfall möglicherweise wieder Karriere gemacht hätte.
Sie erhielt nach dem Kriege nicht nur die übliche Witwen-Grundrente aus der Kriegsopferversorgung zugesprochen, sondern der Freistaat Bayern gewährte ihr seit 1974 einen zusätzlichen "Schadensausgleich" von 400 Mark mehr im Monat.
Das kleine Zubrot für die Witwe des erbarmungslosesten Nazi-Richters, der Tausende von Terror- und Todesurteilen zu verantworten hatte, wurde nach einer Indiskretion aus dem bayrischen Sozialministerium bekannt. Daß es Aufsehen und Abscheu erregte, hatte weniger mit der Nutznießerin zu tun als mit der aberwitzigen Argumentation, die ihr zu dem Segen verhalf. Denn das bayrische Landesversorgungsamt und schließlich auch das übergeordnete Sozialministerium, das den Fall Freisler/Russegger überprüfte und in Ordnung fand, unterstellten dem Mord-Richter, wenn er nur überlebt hätte, eine fiktive Nachkriegskarriere "als Rechtsanwalt oder Beamter des höheren Dienstes".
Untergeordneten Beamten waren 1982 Zweifel an diesem auf eine fiktive Nachkriegskarriere des obersten NS-Blutrichters gegründeten Schadensersatzanspruch gekommen. Freisler, so meinten sie, wäre doch ganz gewiß als Mörder zum Tode oder wenigstens zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden; er hätte also zum Unterhalt seiner Frau nichts mehr beitragen können. Das übergeordnete Landesversorgungsamt und, ihm ausdrücklich beipflichtend, der damalige CSU-Sozialminister Fritz Pirkl, wischte solche Bedenken beiseite: Es könne „ebenso wahrscheinlich sein, daß Freisler in seinem erlernten oder einem anderen Beruf weitergearbeitet hätte, zumal da eine Amnestie oder ein zeitlich begrenztes Berufsverbot ebenso in Betracht zu ziehen sind“.

Nur mit dieser Überlebenstheorie konnte der Witwenanspruch auf quasi entgangene Einkommens- oder Rentenanteile überhaupt begründet werden.
Dem SPD-Abgeordneten Günter Wirth, der den Vorgang im bayrischen Landtag publik machte, verschlug es "den Atem, daß hohe Ministerialbeamte es für möglich hielten, einen der schlimmsten Verbrecher des Nazi-Regimes zu amnestieren etwa so wie einen Dieb oder Spendensteuerbetrüger".

Oberstaatsanwalt Alfred Streim, Leiter der Ludwigsburger Zentrale für NS-Verbrechen, erklärte dazu: "Freisler wäre mit Sicherheit von einem Militärgericht der Alliierten zum Tode verurteilt worden".

Die Fiktion einer Nachkriegslaufbahn Freislers hielt jedoch der Ministerialrat Hans-Christof Förster vom Münchner Sozialministerium nach wie vor für "nicht rechtswidrig", weil eine neuerliche Berufsausübung des bürokratischen Phantoms Freisler eben "nicht auszuschließen" sei. Und bei dieser Vorgabe konnte ein Renten-Schadensausgleich auch ohne weiteres eingerichtet werden.

Geradezu phänomenal am Fall Freisler aber ist, daß dabei nicht nur die grundsätzlichen Kriegsopfer-Rechte und frühere "Verdienste" geltend gemacht wurden, sondern ein bis ins Rentenalter künstlich verlängertes Berufsleben eines Nazi-Verbrechers.

Frau Marion Russegger, Witwe des am 03.02.1945 bei einem Bombenangriff getöteten ehemaligen Präsidenten des Volksgerichtshofs Roland Freisler, bezog von 1950 bis zu ihrem Tod im Jahr 1997 Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz.
Mit Bescheid vom 05.04.1974 wurde ihr zusätzlich zur Grundrente rückwirkend ab 01.07.1973 ein Schadensausgleich gewährt.

Änderung des Bescheides
Da der rechtswidrige Bescheid aus dem Jahr 1974 wegen zwischenzeitlichen Ablaufs der Rücknahmefrist des § 45 SGB X nicht mehr zurückgenommen werden konnte, wies der Staatsminister a.D. Neubauer die Versorgungsverwaltung an, die Versorgungsbezüge gemäß § 48 Abs. 3 SGB X „einzufrieren“. Dies hatte zur Folge, dass die monatlichen Versorgungsbezüge von Frau Russegger von 1985 bis zu ihrem Tod im Jahr 1997 nicht mehr erhöht wurden.

Erst 1997 wurde durch eine Änderung des Bundesversorgungsgesetzes für Kriegsgeschädigte, die während der Herrschaft des Nationalsozialismus gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit verstoßen hatten, sowie für deren Hinterbliebene, eine Versorgung ausgeschlossen. Auch Altfälle waren von dieser Novellierung betroffen. Bei diesen Fällen entfiel der Anspruch auf Versorgung mit Wirkung für die Zukunft bei einer besonderen Schwere der Taten.

In Vorahnung böser Dinge legte Freisler seinen letzten Willen in einer für einen Volljuristen merkwürdigen Form nieder.
Aus dem Testament Dr. Roland Freisler vom 1. Oktober 1944
"Alles, was ich habe, soll meine Frau haben. Das ist nicht viel, im wesentlichen das, was an meine Familie erinnert: meine Bücher, meine Briefmarkensammlung und was auf meinen Spar- und Bankkonten steht. Sollte ich etwas vergessen haben, einerlei welchen Wert es hat, so soll auch das meine Frau erben. Sie soll eben alles erben."
"Die beiden Häuser Hüttenweg 14a und Habelschwerdter Allee 9 gehören meiner Frau. Sie zählen also nicht zu meinem Nachlaß. Dasselbe gilt für das Mobiliar der Wohnung mit den Bildern und Teppichen, überhaupt mit allem, was in ihr ist. Wenn diese Werte aber mir gehören würden, würde ich für sie ebenfalls meine Frau als Erbin einsetzen."

Da Marion Freisler, durch Spruchkammerentscheid vom 29. April 1953 als "nicht belastet" galt, ist sie Universalerbin.

Ob Freisler allerdings noch klüger war und sogar die Meldung über seinen Tod erfunden hat, das konnte auch die Spruchkammer nicht entscheiden. An der Richtigkeit der Version, Roland Freisler sei am 3. April 1945 bei einem Bombenangriff im Hause des Volksgerichtshofes in der Bellevuestraße ums Leben gekommen, bestanden bei den Berliner Entnazifizierungsbehörden jedenfalls ernsthafte Zweifel. Tatsache ist, daß in seiner Todesurkunde niemand genannt wird, der Freislers Leichnam gesehen hat. Statt dessen soll es Zeugen dafür gegeben haben, daß Freisler sich noch am 2. April mit 20.-Juli-Leuten unterhalten hat.

Roland Freisler gehörte unzweifelhaft zu den prominentesten Massenmördern des NS-Regimes. In der Zeit seiner Präsidentschaft von 1942 bis 1945 und zum Teil unter seinem persönlichen Vorsitz verkündete der „Volksgerichtshof“ durchschnittlich zehn Todesurteile pro Tag. Seine Opfer waren nicht nur politische Gegner, sondern auch Tausende von kleinen Leuten, die irgendeine abfällige Bemerkung gemacht, Kriegsgefangenen etwas zu essen gegeben oder Feindsender abgehört hatten. Freisler wollte nicht, daß der „Volksgerichtshof“ Recht sprach. Im Prozeß gegen die Geschwister Scholl schleuderte er das ihm von einem Beisitzer zugereichte Strafgesetzbuch in den Zuhörerraum und schrie: „Wir brauchen kein Gesetz, wer gegen uns ist, wird vernichtet.“

Gritzbach Erich Dr.

SS-Obersturmbannführer und Ministerialdirektor
* 12.07.1896 Forst (Lausitz)
letzter bekannter Wohnsitz: Martinsweiler im Schwarzwald
zweimal verheiratet

NSDAP Nu. 3 473 289
SS Nu. 80 174

Angehöriger des II. Sturmbann der SS-Standarte 6
ab 1938 war er im Stab des Reichsführers SS Heinrich Himmler tätig
00.07.1940 Chef des Stabsamtes des Reichsmarschalls des Großdeutschen Reiches
Persönlicher Referent Görings
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Gritzbach von den Amerikanern interniert. In der Bundesrepublik fand er ein Auskommen als leitender Angestellter bei der Internationalen Montanunion und hatte seinen Wohnsitz in Martinsweiler im Schwarzwald.
Ab 1955 bezog Gritzbach bezog er eine monatliche Pension von 1293,36 DM zu einem jährlichen Einkommen von 25 240 DM
Die Berliner Zeitung vom 12. September 1956 berichtete in einer kurzen Notiz unter dem Titel „Kein Kommentar“ davon, dass Gritzbach zu dieser Zeit der Vorladung einer Berliner Spruchkammer nicht Folge geleistet habe.

vollständiger Bericht

Fritz Ries (Fritz Karl Ries)

* 04.2.1907 Saarbrücken (Saarland)
+ 20.07.1977 Frankenthal (Rheinland-Pfalz)
Unternehmer, Eigentümer der Marienthaler Textilfabrik

Fritz Ries, Sohn des Möbelhändlers Karl Ries, studierte Rechtswissenschaften zunächst an der Universität Köln (Nordrhein-Westfalen), dann an der Universität Heidelberg (Baden-Württemberg), wo er 1930 zum Doktor der Rechte (Dr. jur.) promoviert wurde. Ries war Mitglied der schlagenden Burschenschaft Corps Suevia Heidelberg und hatte den späteren Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer (1915–1977) zum Leibfuchsen. Ries, der angeblich das letzte Pistolen-Duell Deutschlands ausgetragen hatte, wurde 1933 Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Er heiratete die Zahnarzttochter Rita Heinemann aus Rheydt (Nordrhein-Westfalen), mit der er unter anderem die Tochter Ingrid Ries hatte, Handelskauffrau im väterlichen Unternehmen, geschiedene Kuhbier; sie heiratete 1979 den späteren sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Hans Biedenkopf (geb. 1930), 1963 bis 1977 Generalsekretär der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU). Mit dem Geld des Schwiegervaters erwarb Fritz Ries die Gummiwarenfabrik Flügel & Polter Kommandit Gesellschaft in Leipzig und war deren persönlich haftender Gesellschafter. Den Betrieb mit ursprünglich etwa 120 Beschäftigten baute er bis 1945 zu einem Konzern mit über zehntausend Arbeitern und Arbeiterinnen aus. Die Firma Flügel & Polter, im Widerstand als Firma Prügel & Folter verspottet, war unter anderem deutscher Marktführer bei der Erzeugung von Präservativen, weshalb Ries den Namen Kondom-König erhielt. Der Ausbau des Unternehmens erfolgte durch so genannte Arisierungen, also durch Raub an jüdischem oder so genannt jüdischem Eigentum.

Eines der von Fritz Ries arisierten Unternehmen war die Textilfabrik Marienthal von Kurt Sonnenschein (1906–195?), der mit seiner Familie nach England flüchten musste und konnte. Das 1939 geraubte Eigentum, welches nunmehr als Mechanische Weberei und Appretur Marienthal Dr. Fritz Ries, Wien und Gramatneusiedl, betrieben wurde, ging im September 1940 in das Eigentum der Firma von Adolf Ahlers (1899–1968) aus Herford (Nordrhein-Westfalen) über.

Gleich nach Beginn des zweiten Weltkriegs 1939 stellte der gesamte Konzern von Fritz Ries auf die Produktion von Kriegsbedarf für die Deutsche Wehrmacht um. 1941 begann der systematische Ausbau des Unternehmens im eroberten und besetzten Polen, Generalgouvernement Polen genannt, wo Ries unter anderem die von ihm geleiteten Oberschlesischen Gummiwerke Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Trzebinia mit Nebenwerken in Wadowitz (Wadowice, Polen) und Krenau (Chrzanów, Polen) übernahm, wo Tausende polnische Zwangs-, richtiger Sklavenarbeiter arbeiten mussten; nicht mehr Arbeitsfähige wurden in die Vernichtungslager eingeliefert. 1942 ließ Ries für die auf ihre Ermordung Wartenden im Konzentrationslager Auschwitz (Oświęcim, Polen) eine Großnebenstelle des Ries-Konzerns einrichten. Ries, der in einer beschlagnahmten Villa in Trzebinia wohnte (die bis dahin dort wohnende jüdische Familie Seligmann wurde ermordet), wurde 1942 für seine Verdienste in der Kriegswirtschaft mit dem Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse ausgezeichnet. Er eignete sich weitere Unternehmen an, unter anderem die Gentleman-Gummiwaren-Aktiengesellschaft Lodz in Litzmannstadt (Łódź, Polen), welche von ihm unter dem neuen Namen Gummiwerke Wartheland Aktiengesellschaft geleitet wurden, und die Wäsche- und Bekleidungswerke L. Hoffmann in Sambor (Sambir / Самбір, Ukraine). Aber auch in Deutschland eignete sich Fritz Ries zahlreiche Unternehmen an, etwa die Herea-Gummiwerke Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Finsterwalde (Brandenburg) mit Sitz in Leipzig (Sachsen), die Konfektionsfabrik Lewinstein in Berlin und die Mitteldeutsche Gummi- und Guttapercha-Gesellschaft MIGUIN Edelmuth & Co. in Frankfurt an der Oder (Brandenburg).

1943 flüchtete die Familie Ries vor den Bombenangriffen auf Leipzig, und Fritz Ries erwarb einen Landsitz am Westerbuchberg in Übersee am Chiemgau (Bayern), heute Feriensitz der Familie von Kurt Biedenkopf. Mit dem vor der herannahenden Roten Armee nach Deutschland verbrachten Raubgut (Rohstoffe, Teil- und Fertigprodukte, Maschinen, Kunst- und Wertgegenstände, Bargeld in Millionenhöhe) gründete Fritz Ries 1944 die Gummiwerke Hoya Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Hoya an der Weser (Niedersachsen). Außerdem kaufte er unmittelbar nach Kriegsende das größte Hotel auf der Nordseeinsel Borkum (Niedersachsen), Köhlers Strandhotel (heute ein Fachklinik für Dermatologie).

Gleich nach Kriegsende gründete Fritz Ries die zunächst auf Herstellung von Fußbodenbelage spezialisierten Pegulan-Werke Aktiengesellschaft in Frankenthal (Rheinland-Pfalz) als sein neues Hauptunternehmen, wurde dessen Vorstandsvorsitzender und Hauptaktionär; stellvertretender Vorstandsvorsitzender wurde übrigens Hanns-Martin Schleyer. Ries, der 1949 Dora Apitzsch heiratete, war außerdem Direktor der Saar-Mosel-Plastic-Werke Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Aufsichtsratsvorsitzender der »Badischen Plastic-Werke Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Beiratsmitglied der Deutschen Commerzbank, Vorsitzender des Industrieverbands Kunststoff-Bodenbeläge und königlich-marokkanischer Konsul für die Länder Hessen und Rheinland-Pfalz. Die letzte große Firmengründung Ries’ erfolgte 1971: die Dyna-Plastik in Bergisch-Gladbach (Nordrhein-Westfalen), bei der die Ehefrau des späteren bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (1915–1988), Monika Strauß, geborene Zwicknagl (1930–1984), Teilhaberin wurde.

Fritz Ries hatte auch weiterhin enge Beziehungen zu Österreich. So erwarb er hier das Schloss Pichlarn in Aigen im Ennstal (Steiermark), mit Jagdrevier und Golfplatz. Hier verkehrten viele einst wichtige und hochrangige nationalsozialistische Persönlichkeiten. 1972 teilweise zu einem Hotel umgebaut, fanden hier seither die Pichlarner Topmanager Gipfeltreffen von Fritz Ries statt. Und in Hartberg (Steiermark) errichtete er 1972/73 eine Teppichbodenfabrik der Pegulan-Werke AG. (seit 1977 Durmont).

Fritz Ries zählte nach 1945 weiterhin zu den führenden Wirtschaftspersönlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland, dem besonderer politischer Schutz und öffentliche Ehrungen zuteil wurden, insbesondere durch die von ihm geförderte Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU). Obwohl in Deutschland geboren und bis Kriegsbeginn dort lebend, wurde Fritz Ries 1953 von den rheinland-pfälzischen Behörden als Heimatvertriebener anerkannt (unter anderem wegen des von ihm beschlagnahmten Hauses in Trzebinia). Ries, der millionenschwere Arisierungs- und Kriegsgewinnler, der als absolut zuverlässiger Nationalsozialist zum Vertrauensmann der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) vorgesehen, wurde nach Kriegsende lediglich als Mitläufer des Nationalsozialismus eingestuft. Ries, der als politischer Entdecker des späteren Bundeskanzlers Helmut Kohl (geb. 1930) gilt, erhielt 1967 das Große Bundesverdienstkreuz und 1972 den Stern zum Großen Bundesverdienstkreuz. Die Pegulan-Werke kamen 1975 in eine schwere Krise und konnten nur mit Unterstützung des Landes Rheinland-Pfalz überleben. Fritz Ries erschoss sich nach dem zwangsweisen Teilverkauf seines Unternehmens; er hinterließ aus drei Ehen insgesamt sieben Kinder.
Fritz Ries gilt heute als wenig ruhmreiches Beispiel für die ungebrochene Karriere vom durch den Nationalsozialismus begünstigten Kriegs- und Arisierungsgewinnler (Arisierungs-König) zum hoch dekorierten Unternehmer der Bundesrepublik Deutschland.