Theresienstadt, 21.02.1943

Seit kurzem stärkt sich mein Wille täglich, mich von diesem Misthaufen, auf den wir geworfen worden sind, noch einmal wieder zu erheben und die Erlösung zu erleben, um das Leben in geordneten Verhältnissen zu beschließen, nachdem ich mich von dem Wohlergehen meiner Kinder und Enkel überzeugt habe. In dem Maße aber, in dem mein Lebenswille zunimmt, fühle ich meine Körperkräfte täglich mehr schwinden. Mir ist, als ob mich ein März-oder Aprilsturm wegfegen würde. Für den Fall ordne ich hiermit an, daß mein Bruder Meier Gdt., der alleinige Erbe aller meiner hinterlassenen Habseligkeiten wird, wobei er folgendes beachten möge:

1.
möge er sich für die Verbrennung meines Leichnams bemühen,

2.
meinen mit den Initialen HL gezeichneten Ehering der Familie Pins überlassen, die meine Wäsche besorgt und mich in Krankheitstagen körperlich gepflegt hat, wofür ich sie nicht zu entschädigen vermochte. Für die Liebe, mit der dies geschah, kann ich nur Dankbarkeit bewahren,

3.
hat sich Frau Johanna Stern mit so liebevoller Fürsorge meiner angenommen, daß das nicht mit Geld oder Geldeswert zu entgelten ist, darüber kann man nur lobsingen und preisen. Mir tut es leid, daß ich dazu nicht in der Lage sein werde. Wenn unter meinem Nachlasse irgend etwas sein sollte, das ihr nützlich oder wertvoll erscheint, so soll sie es an sich nehmen.
Auch Frau Betty Rosenthal, Herr B. Seelig und Herr Nathan waren sehr aufmerksam, selbstlos und zuvorkommend gegen mich, wenn sie durch irgend etwas aus meinem Nachlasse erfreut werden könnten, so wäre das ganz in meinem Sinne.

4.
die von mir benutzte kleine Urinflasche habe ich von meinem Freunde Andorn geliehen bekommen, sie ist ihm alsbald nach meinem Tode gut gereinigt zurückzugeben.

5.
Frau Käre Jungheim aus Dortmund gab mir zweihundert Reichsmark vor ihrer Evakuierung zur Aufbewahrung, der Betrag sollte der Reichsvereinigung zufallen, falls Frau Jungheim nicht zurückkommt. Ich habe das Geld mit meinem Sparguthaben vereinigt, das vermutlich der R.V. zugefallen ist. Sollte dem so sein, so bitte ich dafür sorgen zu wollen, daß Frau J. zu ihrem Rechte kommt.
Sollte ich wider Erwarten im Jenseits vor einer Glorie Rechenschaft abzulegen haben und Bitten vortragen können, so werde ich für alle hier Benannten bitten, daß der Rest ihres Lebens noch lange währe, sich noch schöner gestalte, als es je vorher gewesen ist, und daß alle ihre innigsten Herzenswünsche aufs Schönste sich erfüllen.
Die gleichen Gedanken hege ich für die, welche mir hier wohlgetan haben, wie Herr Dr. Huth und Herr San.-Rat Dr. Kamnitz oder die vielen lieben Menschen, die mir Freundschaft geschenkt haben wie Herr und Frau Dr. Ostwald und Frau Weinberg u.a. Ob meine Seele solchen Jubel erleben wird?

Emanuel Goldschmidt