Mehr als 1.200 Kinder zwischen 6 und 15 wurden am 23. August nach Terezin (Theresienstadt) deportiert, wo viele starben. Die Kranken lieferte man in die Kleine Festung Theresienstadt ein und prügelte sie zu Tode. Nach einigen Wochen schickten die Deutschen die noch lebenden Kinder nach Auschwitz-Birkenau, wo alle am 7. Oktober vergast wurden, zusammen mit 53 Erwachsenen, die freiwillige Begleitpersonen für die Kinder waren.
Bericht von Dagmar Lieblová (Theresienstadt)
Dagmar Lieblová wurde am 19. Mai 1929 in Kutná Hora/Kuttenberg als Dagmar Fantlová geboren
Es war ein Kindertransport. Bevor dieser Transport ankam, wurde eine strenge Ausgangssperre verhängt. Niemand durfte auf die Straße, nicht einmal ans Fenster. Die SS-Leute führten dann durch die leeren, verlassenen Straßen des Ghettos völlig heruntergekommene, in Lumpen gehüllte, völlig entkräftete Kinder. Sie führten sie zunächst in die Entlausungsstation. Viele der Kinder waren barfuss, andere hatten halbzerschlissene Schuhe oder Holzpantinen an. Sie trugen Reste alter Uniformen oder ganz zerrissene Kleider, hielten sich an den Händen und blickten ängstlich um sich. Vor Angst trauten sie sich nicht zu sprechen, wurde anschließend bekannt.“ Bei der Entlausungsstation waren Kommandant Burger und alle SS-Leute der Kommandantur anwesend. Sie achteten streng darauf, dass niemand vom Betreuungspersonal Kontakt zu den Kindern aufnahm und mit ihnen sprach. „Als den Kindern befohlen wurde, sich auszuziehen und in die Entlausungsstation hineinzugehen, wehrten sie sich, begannen laut zu weinen und schrien ständig „Gas, Gas“.“ Damals konnten sich die Häftlinge nicht vorstellen, was das bedeutet. Die Kinder aber wussten von den Gaskammern im Osten. “Die Kinder waren verlaust und nach dem langen Transport verschmutzt. Mit Gewalt mussten sie entkleidet und ins Bad gebracht werden. 26 Stunden dauerte die Entlausung. Danach wurden sie sauber eingekleidet und in die westlichen Baracken geführt, die durch Stacheldraht eingezäunt und vom übrigen Ghetto abgeschnitten waren. Niemand, auch nicht der Judenälteste, hatte dort Zutritt. Aus dem Lager wurden Ärzte und Pfleger für die Kinder ausgesucht. Dies waren 53 Häftlinge. Sie durften die westlichen Baracken dann nicht mehr verlassen.“ Dennoch sickerten Gerüchte durch und man erfuhr, dass die Kinder aus Bialystok kamen. Niemand wusste, wie viel Kinder es genau waren, denn sie wurden nicht gezählt und auch nicht in der Lagerkartei geführt. „Das Essen wurde in der Ghettoküche (der alten Heeresbäckerei) für sie gekocht. Es waren täglich 1.500 Portionen. Irgendwann tauchte das Gerücht auf, dass die Kinder ausgetauscht, nach Palästina oder in Schweiz fahren würden.“
Tatsächlich stimmte etwas an diesem Gerücht. Die Kinder kamen tatsächlich aus Bialystok, etwa 400 Kinder kamen aus den beiden Waisenhäusern, der Rest kam von Eltern, die ihre Kinder in der Hoffnung abgaben, sie somit retten zu können. Die Kinder wurden zusammen mit Begleitern unter SS-Bewachung zum Bahnhof geführt und in Waggons verladen. Nach 3 Tagen und 3 Nächten kam der Transport dann in Theresienstadt an. Tatsächlich hatte es Verhandlungen zwischen deutschen Stellen und britischen Behörden durch Vermittlung neutraler Länder gegeben, in denen es um eine Ausreisegenehmigung für 5.000 Juden aus den von den Deutschen besetzten Ländern ging; getauscht sollten sie werden im Verhältnis 1:4 (1 Jude gegen 4 Deutsche), wobei die deutsche Seite darauf bestand, dass die auszutauschenden Deutschen zeugungs- und gebärfähig sein sollten, d. h., nicht älter als 40 Jahre. Bald fiel jedoch auf deutscher Seite die Entscheidung, dass ein Austausch politisch nicht günstig sei und die Verhandlungen wurden bis in das Jahr 1944 hinein nur noch zum Schein geführt und scheiterten letztendlich. Die Bialystoker Kinder wurden in den geheimen Aufzeichnungen nicht erwähnt. Es kann jedoch durchaus sein, dass die SS die Kinder aus Bialystok sozusagen auf ‚Vorrat’ gehalten hat. Ein Zeuge sagte später vor einem israelischen Gericht folgendes dazu:„Ich erinnere mich an ein Gerücht, nach dem die Kinder am nächsten Tag mit ihren Betreuern in die Schweiz reisen sollten. Auf Aufforderung von Dr. Munk (dem Leiter des Gesundheitswesens im Ghetto) meldeten sich noch ein Arzt und eine Krankenschwester zusätzlich zu dem Betreuungspersonal. Sie dachten, dass sie mit den Kindern in die Schweiz fahren würden. Am Tage, als die Kinder mit der Bahn abreisen sollten, war ich auf dem Bahnhof in Bohušovice. Aus einer Entfernung von vielleicht 500 Metern sah ich, wie die Kinder in die Eisenbahnwaggons gebracht wurden. Es waren acht Waggons. Ich sah, dass die Deutschen die Kinder in solchen Mengen in die einzelnen Waggons drängten, dass ich dachte, sie würden auf der anderen Seite wieder herausgedrückt. Es waren SS-Leute, die die Kinder in die Waggons pferchten. Es waren dort nur SS-Leute, keine tschechischen Gendarmen, ausgenommen der tschechische Kommandant Janeček. Dieser Janeček benahm sich ähnlich brutal wie die SS-Leute und wurde nach dem Kriege aufgehängt. Ich sollte dem Ältestenrat berichten, was mit den Kindern geschieht, war deswegen in Bohušovice.“ Der Zeuge erinnert sich, dass zu dieser Zeit Eichmann in Theresienstadt zu Besuch weilte. Am 7. Oktober 1943 kamen die Kinder in Auschwitz an. Kinder und Betreuer wurden von der Rampe direkt ins Gas geführt. Es kann sich nicht mehr um die gesamte Anzahl gehandelt haben, denn bereits in Theresienstadt waren Kinder aus Bialystok gestorben.
Hans Günther Adler, der Chronist Theresienstadts, schrieb:„Mehrere Kinder, die an Scharlach und anderen Infektionen erkrankt waren, wurden in der Sokolhalle, die als Infektionshospital diente, in einem Keller isoliert, dann nachts von SS-Männern abgeholt, auf die Kleine Festung gebracht und dort ermordet. Eines Tages kam ein Lastwagen. Damit wurden alle kranken Kinder in die Festung gebracht und dort erschlagen. Am nächsten Tag brachten die SS-Leute einige Holzkisten. Häftlinge, die im Krematorium arbeiten mussten, berichteten, dass aus den Kisten noch Blut floss. Die Kisten durften nicht geöffnet, sondern mussten so verbrannt werden."