SS-Obergruppenführer und General der Polizei
Heydrich Reinhard
Heydrich Reinhard
Der Teufel von Böhmen, ein Mörder, der durch Blut und Tränen watete, ein Scherge, der tausende Menschen auf dem Gewissen hat.
Vielen Unverbesserlichen dient Heydrich heute noch als "großes Vorbild". Zu solcher Verehrung hat beigetragen, dass die Justiz die Untaten des 1942 ermordeten SS-Obergruppenführers nie voll aufgearbeitet hat.
Schon zu Lebzeiten war Heydrich Reinhard vielen Menschen ein Rätsel. Selbst seinen eigenen Mitarbeitern gegenüber blieb er weitestgehend anonym. Freundschaftliche Kontakte waren eine absolute Seltenheit. Reinhard, diesen Namen hatte er von seiner Mutter bekommen, benannt nach einer Heldenfigur einer Oper, die Heydrichs Vater komponierte. Den Namen Tristan bekam er von seinem Vater, benannt nach der Figur aus einer Oper Richard Wagners, den die Familie Heydrich verehrte. Eugen war der Name seines verstorbenen Großvaters mütterlicherseits (Professor Eugen Krantz war Direktor am Dresdener Königlichen Konservatorium gewesen).
Familie
* 07.03.1904 um 10:30 Uhr (einige Quellen geben 09:30 Uhr an) in Halle an der Saale Marienstraße 21
Im Halleschen Central-Anzeiger vom 10. März gaben hocherfreut Bruno Heydrich, der Leiter des örtlichen Konservatoriums, und seine Frau Elisabeth, Tochter des Dresdner Musikprofessors Georg Eugen Krantz, die glückliche Geburt eines überaus kraftvollen, gesunden Jungen bekannt.
Doch so gesund war Reinhard Tristan Eugen nicht. Erst ein halbes Jahr alt, wäre er fast von einer Hirnhautentzündung hinweggerafft worden. Der locker evangelische Vater und die streng katholische Mutter, bis dahin uneins, ließen den Säugling am 6. Oktober 1904 in der katholischen Propsteikirche St. Franziskus und Elisabeth nottaufen.
Vater
Heydrich Richard Bruno
Opernsänger und Komponist (Direktor am Konservatorium)
1899 gründete er in Halle an der Saale ein Konservatorium, welches seinen Namen trug und später nach Georg Friedrich Händel benannt wurde.
Mutter
Heydrich Elisabeth geb. Krantz
* 1871 Dresden
1946 in der russische Zone (Ostdeutschland) Verhungert
Bruder
SS-Obersturmführer, Journalist und Herausgeber die Zeitung "Die Panzerfaust"
Heydrich Heinz Siegfried
* 29.09.1905 Halle der Saale,
+ 19.11.1944 (Selbstmord)
Schwester
Heydrich Maria
Ehefrau
Heydrich Lina Mathilde geb. von Osten (wieder verheiratete Manninen)
* 14.06.1911 Fehmarn
+ 14.08.1985 Fehmarn
Sohn
Heydrich Klaus
* 17.06.1933
+ 24.10.1943
Sohn
Heydrich Heider
* 28.12.1934
Tochter
Heydrich Silke
* 09.04.1939
Tochter
Beyer Marte geb. Heydrich
* 23.07.1942
nach 1945 Inhaberin eines Modeladens in Burg auf Fehmarn
Vorfahren
Die Mutter Bruno Heydrichs somit die Großmutter von Reinhard Heydrich, Ernestine Wilhelmine geb. Lindner, wurde am 30.08.1840 in Lommatzsch geboren. Ihr Vater Karl Heinrich Lindner sowie dessen Vater Johann Gottfried waren beide in Lommatzsch ansässige Bürger und Zeug-, Lein- und Wollweber. Die Mutter von Ernestine Wilhelmine, Sophie Wilhelmine geb. Schrempel, stammte ebenfalls aus Lommatzsch und war die älteste Tochter des Hutmachers Johann Gottlob Schrempel.
Alle diese Vorfahren gehörten ebenfalls der evangelisch-lutherischen Kirche an. Ernestine Wilhelmine war das fünfte von dreizehn Kindern. Von diesen Kindern starben sieben, bevor sie ein Jahr alt wurden, zwei weitere im Alter zwischen ein und drei Jahren.
Bruno Heydrich wurde als zweites Kind seiner Eltern geboren. Der ältere Bruder Reinhold Otto kam am 24.06.1861 in Lommatzsch zur Welt, dem Geburts und Wohnort der Mutter. Die Eltern heirateten am 01.10.1861 in Lommatzsch, nachdem die Mutter 21 Jahre alt und damit mündig geworden war. Reinhold Otto erlernte den Beruf eines Instrumentenmachers, also eines gehobenen Handwerks, das eine gesicherte wirtschaftliche Selbständigkeit erwarten ließ, doch starb er noch nicht zwanzigjährig im April 1881 in Meißen an Schwindsucht.
Fünfzehn Monate nach Bruno wurde Reinhold Richard am 09.06.1864 in Leuben geboren.
Er erlernte den Beruf eines Töpfers. Den drei Brüdern folgten zwischen 1865 und 1870 vier Schwestern, von denen eine als Säugling verstarb, und 1873 ein weiterer Bruder, der allerdings nur drei Monate am Leben blieb. Zwei der Schwestern heirateten 1895 bzw. 1899, die dritte Schwester blieb wahrscheinlich unverheiratet, dürfte aber in ihrer Tätigkeit als Direktrice ein gutes und gesichertes Einkommen erreicht haben.
Der Weg von Brunos Elternhaus ging von Leuben, wo der Vater erst als Geselle, dann als Tischler arbeitete, über Obermeisa nach Meißen. Dort war die Familie spätestens seit 1867 ansässig. Leuben verzeichnete Carl Julius Reinhold Heydrich 1864 noch als Einwohner. Als er am 8. Mai 1874 im Alter von nur 37 Jahren an Tuberkulose starb, zählte ihn Meißen zu seinen Bürgern. Die Übersiedelung vom Dorf in die Kleinstadt scheint also zu einem gewissen sozialen Aufstieg geführt zu haben.
Der Vater hinterließ drei Söhne und drei Töchter im Alter zwischen drei und dreizehn Jahren.
Die dreijährige Witwenzeit, in der Ernestine Wilhelmine Heydrich für 6 Kinder Sorge zu tragen hatte, war sicher nicht leicht, und es ist nicht bekannt, wie sehr der elfjährige Bruno seelisch vom Tode des Vaters betroffen wurde. Heydrich hatte dadurch, daß sein Vater frühzeitig starb, eine schwere, sorgenvolle Jugend durchzumachen und war sozusagen einige Jahre der Verdiener und Erzieher für seine jüngeren fünf Geschwister.
Bruno war der zweite Sohn, hatte also einen älteren Bruder und nur vier jüngere Geschwister. Seinen eigenen Worten zufolge studierte er vom 12. Jahr ab Musik, das bedeutete, er erhielt Instrumentalunterricht in Meißen.
Selbst wenn die erwähnten öffentlichen Auftritte als Solist des Meißner Knaben Orchesters vom 13. Jahre ab manchen willkommenen Obolus zur Familienkasse beigesteuert haben mögen, ist es unwahrscheinlich, daß Bruno im Alter zwischen elf und vierzehn Jahren Verdiener für eine ganze Familie war.
Am 03.05.1877 heiratete die Witwe Ernestine Wilhelmine Heydrich den dreizehn Jahre jüngeren Schlossergehilfen Gustav Robert Süss. Vier Monate später kam das neunte Kind der Mutter, die erste Tochter dieser Ehe, zur Welt. Mindestens drei weitere Kinder folgten, starben aber in den ersten Jahren.
Bruno war zum Zeitpunkt der zweiten Heirat seiner Mutter vierzehn Jahre alt, sein Stiefvater nur neuneinhalb Jahre älter als er. Vermutlich wohnte Bruno spätestens seit seinem Studienbeginn am Dresdner Konservatorium im April 1879 nicht mehr zu Hause. Inwieweit er im zweiten Mann seiner Mutter überhaupt einen Stiefvater für sich sehen konnte, ist nicht überliefert.
Seine Mutter soll er, mindestens in seiner Hallenser Zeit ab 1899, bis zu deren Tod am 06.01.1923 in Meißen, regelmäßig finanziell unterstützt haben. (Sie wurde in Meißen begraben, Ihr Grabstein hat sich also niemals in Leipzig befunden)
Zu dieser Zeit waren alle Geschwister bzw. die Halbschwester Brunos
wirtschaftlich selbständig. Die Unterstützung der Mutter, die das hohe Alter von 82 Jahren erreichte, war also mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in erster Linie eine wirtschaftliche Notwendigkeit, zumal ihr zweiter Mann sie um acht Jahre überlebte.
Aus den Angaben läßt sich schließen, daß die Eltern Brunos in engen, aber gesicherten Verhältnissen lebten. Bruno Heydrichs Gattin, Elisabeth, hatte große Scheu, die Vorfahren ihres Mannes überhaupt nur zu erwähnen. Neben dem relativ geringen Status der Familie ihres Mannes mögen die in den Augen der als streng katholisch beschriebenen Frau wohl nicht ganz passende zweite Heirat seiner Mutter und der dann noch eintretende Kindersegen, vielleicht auch der Tod dieser Kinder, zum Verschweigen dieses Teils der Familiengeschichte beigetragen haben.
Die Vorfahren Elisabeth Heydrichs, geb. Krantz, der Mutter von Reinhard Heydrich, begannen ihren Aufstieg in die Oberschicht mit dem Großvater. Dessen Sohn, der Königlich-Sächsische Hofrat und Gründer des Dresdner Konservatoriums, Georg Eugen Krantz, zählte bereits zum Dresdner Großbürgertum. Der Großvater Elisabeth Heydrichs, Ernst Moritz Krantz, wurde im August 1812 als Sohn des Schuhmachermeisters Johann Gottlieb Krantz in Dresden geboren.
Ernst Moritz wurde Maler, später auch Zeichner und Lithograph. Er heiratete am 15.11.1840 Amalie Eleonore geb. Schmidt, die Tochter des pensionierten Dragoners Johann Andreas Schmidt. Aus dieser Ehe gingen mindestens fünf Söhne und vier Töchter hervor. Der am 13.09.1844 als drittes Kind geborene Georg Eugen wurde der Vater Elisabeths. Alle diese Vorfahren gehörten zur evangelisch-lutherischen Kreuzkirchgemeinde in Dresden.
Die Mutter Elisabeth Heydrichs, Maria Antonie, geb. Mautsch, wurde am 21.02.1846 in Bautzen geboren. Deren Vater, Johann Carl Mautsch, kam am 23.01.1797 in Wittigenau als Sohn des Hausbesitzers Joseph Mautsch zur Welt. Johann Carl war von Beruf Instrumentenmacher. Er heiratete am 27.01.1839 in Bautzen Henriette Helene Auguste, geb. Kreutter, die einzige Tochter des Schlossermeisters Ernst Daniel Kreutter, die aus Breslau stammte. Aus dieser Ehe gingen vier Kinder hervor, von denen aber nur zwei am Leben blieben. Maria Antonie und ihre Vorfahren gehörten alle der römisch-katholischen Kirche an. Georg Eugen Krantz konvertierte nach seiner Heirat zum Katholizismus.
Suche nach Saufkumpane und Sexpartner
Wenn Heydrich sich von Eheproblemen und Mordgeschäft ablenken wollte, suchte er Saufkumpane und Sexpartner. Nach wie vor sah er sich als toller Schürzenjäger, und Lina wusste, dass es "da immer Mädchen gab in meiner Ehe". Oft verpflichtete er seine engsten Mitarbeiter wie den jungen SD-Auslandschef Walter Schellenberg zu nächtelangen Streifzügen durch Berliner Bars und Bordelle. Kein Sex war ihm abartig genug. Und trotzdem endete er zuweilen als blasser Abglanz des Mannes, vor dem alle Angst hatten. In einer Kneipe lachten ihn Gäste aus, als er schrie: "Ich bin der Chef der Gestapo! Ich bin Heydrich! Ich kann euch alle ins Konzentrationslager schicken!"
30.03.1922
Am 30.03.1922 trat Reinhard als Seekadett in Kiel-Holtenau in den Dienst der Kriegsmarine ein. Entgegen den Hoffnungen seines Vaters wollte er eine Karriere als Offizier antreten. Sein Traum war die Erreichung des Admiralsrangs. Der sogenannte Seeteufel Graf Luckner ging bei den Heydrichs ein und aus. An so manchen Abenden erzählte er von seinen Erlebnissen bei der Marine rund um die Welt. Diese Erzählungen eines ereignisreichen Lebens auf hoher See, dürften Reinhard entscheidend beeinflusst haben, in die verhältnismäßig kleine Marine einzutreten. Letztendlich stimmten seine Eltern einer Offizierslaufbahn zu, da dieser Beruf trotz aller Schmach nach dem ersten Weltkrieg immer noch Ansehen und ein gesichertes Einkommen versprach.
01.07.1923
Am 01.07.1923 1923 wurde er auf den Kreuzer Berlin abkommandiert. Dieser 1. Juli 1923 sollte Heydrich sein weiteres Leben prägen, denn an diesem Tag wurde er 1. Offizier bei Korvettenkapitän Wilhelm Canaris.
Dies war die Zeit, in der Reinhard Heydrich seine Leidenschaft für den Fechtsport entdeckte. Er schrieb sich in Hamburg in einen privaten Fechtclub ein und unternahm lange Fahrten mit seinem neuen Motorrad. Hatte Heydrichs Geige ihm bisher immer nur Hohn und Spott eingebracht, so brachte sie ihm nun Zugang zur Gesellschaft. Oft wirkte Heydrich aufgrund seines Erscheinungsbilds als einfacher Matrose, wenn er jedoch musizierte, oder über Musik sprach, änderte sich dies schlagartig.
Die Frau des Korvettenkapitäns Canaris unterhielt im eigenen Haus ein kleines Streichquartett dessen 2. Geige damals nicht besetzt war, so lud ihn Canaris kurzerhand nach Hause ein. Schnell war Canaris Frau von Heydrichs hingebungsvollen Spiel beeindruckt. Viele Abende verbrachte Heydrich nun bei den Canaris. Er musizierte und lauschte so manche Stunde den Erzählungen des Korvettenkapitäns vom ersten Weltkrieg, den Canaris als Leutnant zur See auf dem Kreuzer Dresden erlebte.
01.10.1926
Am 01.10.1926, nach 4-jähriger Ausbildungszeit wurde Heydrich zum Leutnant zur See befördert.
18.12.1930
Am 18.12.1930 verlobte sich Reinhard Heydrich heimlich mit Lina von Osten. Zugleich bat Heydrich schriftlich bei Lina von Ostens Vater, einem Dorfschullehrer um die Hand seiner Tochter.
01.06.1931
Eintritt in die NSDAP Hamburg NSDAP Nu. 544916
14.07.1931
Beitritt in die Schutzstaffel SS Nu. 10120
Beförderung zum SS-Mann
10.08.1931
Beförderung zum SS-Scharführer
01.12.1931
Beförderung zum SS-Sturmhauptführer
25.12.1931
Als Hochzeitsgeschenk erhielt er vom Reichsführer SS am 25. Dezember 1931 gleich eine weitere Beförderung. Heydrich war somit bereits Sturmbannführer (Major) und hatte seinen Rang bei der Marine bereits um 2 Ränge übertroffen.
26.12.1931
Heirat mit Lina Mathilde von Osten
* 14.06.1911 in Avendorf, Kreis Fehmarn
08.06.1932
Vorwurf, Heydrich sei ein Jude
Am 08. Juni 1932 erhielt Gregor Strasser einen Brief von Rudolf Jordan, dem Gauleiter von Halle-Merseburg. In dem Schreiben stand, dass ihm zu Ohren gekommen sei, dass ein gewisser Bruno Heydrich – der Vater von Reinhard Heydrich in einem Musiklexikon von 1916 der Zusatz „eigentlich Süß“ geschrieben stehe und sich daher der Verdacht aufdränge, Heydrich könne jüdische Wurzeln haben.
Gregor Strasser wusste sofort, dass es sich hierbei um Reinhard Heydrich handelte, den Leiter des SD. Nicht auszudenken, was es bedeuten würde, hätte Hitler einen „jüdischen Weltfeind“ seinen Geheimdienst anvertraut. Strasser beauftragte noch am selben Tag den obersten Ahnenforscher der NSDAP Herrn Dr. Achim Gercke mit der Angelegenheit.
Das Gerücht, dass Heydrich jüdische Vorfahren gehabt haben könnte, stützte sich darauf, dass Heydrichs Großmutter väterlicherseits, Ernestine Wilhelmine Heydrich, geborene Lindner, in zweiter Ehe mit dem Schlossergehilfen Gustav Robert Süß verheiratet war und als solche ihre zahlreichen Kinder aus erster Ehe teilweise Süß-Heydrich genannt haben soll. Dr. Gercke fand jedoch heraus, dass es weder eine Verwandtschaftslinie zwischen Gustav Robert Süß und den Heydrichs gab, noch dass Süß selbst jüdischer Abstammung war. Dr. Gerckes Bericht wurde Gregor Strasser, Gauleiter Jordan, Heydrich selbst, wie auch Himmler zugesandt. Damit war diese Angelegenheit offiziell aus der Welt, auch wenn sich das Gerücht selbst nach dem Kriege weiterhin hartnäckig halten sollte. Bis zu seinem Tod strengte Heydrich selbst mehrere Gerichtsverfahren gegen Personen an, die diese Gerüchte immer wieder hervorholten.
19.07.1932
Ernennung zum Stabsführer und Leiter des Sicherheitsdienstes
29.07.1932
Beförderung zum SS-Standartenführer
27.01.1933
Auf Geheiß Himmlers, musste Heydrich erst einmal sein Amt als Leiter des SD niederlegen um als ZBV in den Stab von Himmler berufen zu werden. Heydrich hatte nun an allen Besprechungen an der Seite von Himmler teilzunehmen, alle Schreiben der SS Ämter mussten auch zur Kenntnis von Heydrich ausgestellt werden. Auf den ersten Blick, hatte Heydrich sein Amt und seinen Einfluss verloren, bei genauerem Hinsehen jedoch wird schnell klar, dass er nun zum persönlichen Berater von Himmler aufgestiegen ist.
21.03.1933
Beförderung zum SS-Oberführer
Ernennung zum Leiter der politischen Abteilung der Politischen Polizei München als SS-Oberführer
09.11.1933
Beförderung zum SS-Brigadeführer
20.04.1934
Ernennung zum Leiter des Geheimen Staatspolizeiamtes Berlin
30.06.1934
Beförderung zum SS-Gruppenführer
21.09.1934
Am 21. September 1934 wandte sich SS-Gruppenführer Reinhard Heydrich schriftlich an den neuen Burger Bürgermeister Jakob Martens, „um die Sache perfekt zu machen“ mit dem Sommerhaus am Südstrand. Heydrich sehe wohl ein, dass die Stadt Burg auf Fehmarn den Platz für das Grundstück festlege. Die Größe von 25 mal 25 Meter erschien ihm aber zu klein, „und ich glaube, dass 50 x 50 Meter das richtige Format wäre“. Lina Heydrich bezahlte das Grundstück bei der Stadt Burg. Das Sommerhaus erhielt eine Reetbedachung.
23.12.1934
Aussage Eichmann Adolf
Den Höhepunkt meiner damaligen Museumstätigkeit bildete das Weihnachtsfest 1934 im SD-Hauptamt, Julfest genannt.
Himmler selbst lud die etwa 100 Angehörigen des damaligen SD-Hauptamtes dazu ein. Stundenlang vorher räumten wir den Karteisaal aus, brachten Tische, die wir mit sauberen Leintüchern unserer Betten bedeckten, andere schmückten den Julbaum, Rotweinflaschen und Gläser, sowie Backwerk wurden auf die Tische gestellt und dann wurde gewartet. Die Hälfte seines Lebens wartet der Soldat vergebens sagten wir uns und machten uns schon über die Weinflaschen her. Mit einigen Stunden Verspätung kam dann auch die hohe Führerschaft. Es kam Himmler mit seiner Ehefrau, der frühere Bauernführer und jetzige Reichsernährungsminister Walter Darre, sowie eine große Suite von hohen SS Führern und unser damaliger unmittelbar höchste Vorgesetzte Heydrich. Manche Rotweinflecke auf dem weißen Leinen zeigte, daß Voreilige zu denen auch ich gehörte den Anfang nicht erwarten konnten, doch ging wieder einmal alles gut ab. Wir erhielten ein Buchgeschenk. Ich bekam die „Rote Beeke" von Hermann Löns, dem Heidedichter, in welches ich mir im Laufe des Abends von Reichsminister Walter Darré eine Widmung schreiben ließ. Frau Himmler sah ich zum ersten und gleichzeitig zum letzten Male. Sie war eine über alle Maßen einfach gekleidete, sehr natürliche und sympathische Frau, so zwischen 40 und 50 schätze ich und eher als Ehefrau eines begüterten Bauern erscheinungsbildlich aussehend.
Es ging sehr ungezwungen, ja man könnte sagen kameradschaftlich zu, doch hüteten wir niederen Dienstgrade uns, unseren Mund aufzumachen, es sei denn, man zog uns gnädig ins Gespräch. Und dann war auch dieser Abend vorbei.
20.06.1935
Sommerhaus Heydrichs auf Fehmarn
Das Fehmarnschen Tageblatt am 20.06.1935
„Gegen 5 Uhr findet ein Vorbeimarsch beim Burger Rathaus statt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass vorher der SS-Reichsführer auf dem Mellenthinplatz eine Ansprache halten wird. Um 9 werden die auf dem Land einquartierten Reiter usw. durch Lastautos nach Burgtiefe befördert, wo der Reichsführer mit der SS-Standarte eine Sonnenwendfeier eröffnen wird, bei der auch Kinder unserer Mittelschule mitwirken werden. Die Feier beginnt abends um 10 Uhr. Am anderen Morgen werden die Reiter wieder über den Sund zurückkehren.“
21.06.1935
Sommerhaus Heydrichs auf Fehmarn
Am Sonnabend, den 21. Juni 1935 wird in Burg auf Fehmarn am Sommerhaus des SS-Gruppenführers Reinhard Heydrichs das Richtfest gefeiert. Der Besuch des SS-Reichsführers Heinrich Himmler war ein großes Ereignis auf Fehmarn. Himmler fuhr, begleitet von der 4. SS-Reiterstandarte, zum Niobe-Denkmal am Gammendorfer Strand. Die Pferde wurden von der fehmarnschen Bauernschaft zur Verfügung gestellt. Auf dem Mellenthinplatz wandte sich Himmler in einer Ansprache an die Fehmaraner. Es kam zu einem Vorbeimarsch am Burger Rathaus. Himmler fuhr mit seinem Wagen direkt vor dem Rathaus vor, parkte auf dem Bürgersteig und trug sich in das Goldene Buch der Stadt Burg ein.
(Niobe-Denkmal: 1933 errichtet, der Mast stammt von dem Segelschulschiff Niobe, das ca. 8 km nördlich, am 25.07.1932 mit 69 Offizieren u. Mannschaften unterging. Eine gefährliche Einfallbö brachte das Schiff zum Kentern).
Das Fehmarnschen Tageblatt bezeichnete Himmler und seinen Stab als „liebe Gäste“.
Wörtlich hieß es am 22. Juni:
„Der heutige Tag bringt einen Aufmarsch der SS-Reiterstandarte IV und gleichzeitig damit auch den Besuch eines in ganz Deutschland berühmten Mannes aus der näheren Umgebung unseres Volkskanzlers Adolf Hitler, nämlich den SS-Reichsführer Himmler, der mit seiner Gemahlin und seinem Stabe in Schwenns Pension in Burgstaaken Wohnung nehmen wird und bis Montag hier verweilen wird. Allenthalben in der Stadt sieht man Flaggenschmuck. Mögen unsere lieben Gäste sich hier recht wohl fühlen.“
Reichsführer SS Heinrich Himmler saß als „Schirmherr" mit am lodernden „Johannisfeuer", während die Burger Hitlerjugend nach Mittsommer-Liedern im „Reigen" sang und tanzte. Nach dem Kriege eröffnete die Witwe Heydrich hier eine Gaststätte unter den Namen „Imbria parva", was Bezug nahm auf die 1652 erschienene Landesbeschreibung des Caspar Danckwerth:
„Die Insel Fehmarn wird in alten Quellen Cimbria narva (kleines Cimbrien) heißen, als ob der Name von den Cimbern übergeblieben wäre!"
09.11.1935
Am 9. November 1935 ließ Heydrich dem Reichsführer SS einen untergeschobenen Befehl unterschreiben nachdem jeder SS-Führer verpflichtet war, das fechten mit dem leichten Säbel zu erlernen.
09.06.1936
SD-Chef Heydrich fordet im Namen seines Reichsführers die ganze Macht: Himmler müsse Ministerrang erhalten, den Oberbefehlshabern der Wehrmachtteile gleichgestellt und unter der Dienstbezeichnung "Der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei" zum nahezu alleinigen Befehlshaber des Polizeiapparates ernannt werden, dem Reichsinnenminister persönlich", also nicht der Sache nach unterstellt. Reichsminister des Innern Wilhelm Frick war empört und ließ sich sofort bei Hitler melden, um Protest einzulegen. Er kam als ein gebrochener Mann zurück.
Hitler hatte ihm zu verstehen gegeben, daß Himmlers Berufung beschlossene Sache sei.
Der Minister führte nur noch einen hinhaltenden Kampf. Er monierte, daß ein Parteiamt (Reichsführer SS) mit einem Staatsamt (Chef der Deutschen Polizei) verbunden werden solle. Er schrieb in den Gesetzesentwurf viermal zu Himmlers Polizeititel die Worte hinzu: "im Reichsministerium des Inneren". Er hielt zäh an seiner Forderung fest, Daluege müsse "ständiger Vertreter" Himmlers werden. Der SS-Chef wich um einige Zentimeter zurück. Er verzichtete auf den Ministerrang. Er unterstellte sich dem Reichsinnenminister "persönlich und unmittelbar", was in der NS-Terminologie wenig besagte. Und er ließ Daluege seinen ständigen Vertreter nennen, freilich nur "für den Fall seiner (Himmlers) Abwesenheit".
17.06.1936
Ernennung zum Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes
08.12.1936
Vereidigung zum SS-Gruppenführer durch den Reichsführer-SS
01.02.1937
Heydrich hat sich als Vertreter des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei am 01.02.1937 dem StdF gegenüber zur Frage der „Errichtung jüdischer Schankwirtschaften in München“ befürwortend geäußert. Unter Auflagen und bei Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen bestünden grundsätzlich keine Bedenken. Als Vorteile nannte er die weitere Zurückdrängung der Juden in ein Ghetto, ihre schärfere Trennung von Deutschblütigen sowie die bessere polizeiliche Überwachungsmöglichkeit.
20.04.1937
Erhalt des Groß-Offizierskreuzes der Krone von Italien vom König von Italien und Kaiser von Äthiopien
12.06.1937
Reinhard Heydrich, verfügt per GeheimErlass dass jüdische "Rasseschänder" nach der Zuchthaushaft in Konzentrationslager zu überführen seien.
17.03.1938
am 17. März 1938 beschwert sich Heydrich beim Wiener Gauleiter Bürckel, dass „Angehörige der Partei in den letzten Tagen in großem Umfange in völlig undisziplinierter Weise sich Übergriffe erlaubt“ hätten; für ein solches „eigenmächtiges Vorgehen“ bestünde keinerlei Grund, da die Gestapo „mit dem Einmarsch der Truppen sofort ihre Tätigkeit aufgenommen“ habe. Heydrich kündigte „gegen solches verbrecherisches Treiben“ ein Einschreiten mit den „schärfsten Mitteln“ und „schonungsloser Strenge“ an.
01.06.1938
Heydrich weist die Kriminalpolizeileitstellen an, sogenannte Asoziale und vorbestrafte Juden im KZ Buchenwald zu inhaftieren
24.08.1938
Am 24.08.1938 stirbt Bruno Heydrich, Reinhard Heydrichs Vater. Reinhard organisierte eine pompöse Beerdigung. Ganz Halle sollte sehen, daß er, Reinhard es geschafft hatte, daß er an der Spitze der SS angekommen war.
27.09.1938
am 27. September 1938 befahl Sipo-Chef Heydrich nach einem Bericht der Gestapoleitstelle Wien „über die Zunahme der kommunistischen und marxistischen Propagandatätigkeit, der Arbeitsverweigerungen usw.“ den Stapo-Stellen in Österreich, „der präventiven Bekämpfung des Kommunismus und Marxismus ganz besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden“ und „alle führenden Funktionäre der KPD und SPD bis auf weiteres in Schutzhaft zu nehmen.“
18.10.1938
Erhalt des Großkreuzes der Krone von Italien vom König von Italien
10.11.1938
Heydrich präzisiert um 1:20 Uhr früh die Anweisungen des Geheimen Staatspolizeiamts zum Pogrom
11.11.1938
Heydrich ordnet an, dass Eichmann zu einer Besprechung über die künftige antijüdische Politik nach Berlin reist
24.01.1939
Beauftragter der sogenannten Lösung der Judenfrage
25.02.1939
Auf Anordnung Reinhard Heydrichs, wird ein Sonderfonds zur Unterstützung ausreisewilliger Juden bei der im Aufbau befindlichen Reichsvereinigung der Juden im Deutschen Reich geschaffen. Die Mittel sollen vermögende Juden durch Abgaben aufbringen
07.09.1939
Heydrich ordnet an, alle männlichen polnischen Juden über 16 Jahren im Reich zu verhaften
08.09.1939
Am 08.09.1939 reist Reinhard Heydrich in Begleitung des Leiters der Geheimdienste im RSHA, SS-Brigadeführer Walter Friedrich Schellenberg nach Warschau um die Sicherheit des Besuches Hitlers zu organisieren.
12.09.1939
erster Feindflug als Bordschütze beim KG 55
27.09.1939
Ernennung zum Leiter des Reichssicherheitshauptamtes
01.09.1939
Am Tage des Kriegsausbruches hinterlegte Heydrich im Panzerschrank einen Abschiedsbrief an Lina. Zur Feier der Starterlaubnis zwölf Tage später zog man mit Sekt und Weibern durch Breslaus Bars. Wieder zu Hause, im größten Hotel Breslaus, schrieb er einen zweiten Abschiedsbrief, ähnlich an Niveau dem ersten, und teilte mit, der eigentliche Abschiedsbrief liege im Panzerschrank.
Dort wurde er nach seinem Tode gefunden. Frau Heydrich gab ihn heraus, damit die Wahrheit über ihren Mann offenbar werde. Der Wortlaut des Briefes:
Berlin, den 01.09.1939, 01:30 Uhr
"Meine geliebte Lina!
Meine geliebten Kinder!
Hoffentlich braucht mein Panzerschrank nie diesen Brief hergeben. Als Soldat des Führers jedoch und als guter Mann und Vater muß ich alles bedenken. In dieser Stunde hat Adolf Hitler, der Führer unseres größten Deutschlands, dessen Händedruck von heute abend noch in meiner Hand brennt, die große Entscheidung schon getroffen.
Morgen früh 4:45 beginnt der Vormarsch der deutschen Armeen, um 10 Uhr ist Reichstag. Ich glaube nicht, daß mir etwas zustößt. Sollte es das Schicksal doch wollen, so soll all mein Eigen Dir gehören, Lina, Du wirst es gut und gerecht für die Kinder hüten. Gerichtliche Regelungen, Versicherungen, Pensions- und Witwenrenten usw. laß bitte durch Pomme und Elmers dann regeln, falls der Busch lebt, mit durch ihn. -
Liebe Lina, ich glaube, daß, so unendlich schwer für uns die beiden letzten Wochen waren (besonders das Versinken Deines Glaubens an mich hat mich in seiner unklaren Grundlage aufs tiefste verletzt), sie doch uns die Vertiefung und Festigung unserer Zusammengehörigkeit brachten. Erziehe unsere Kinder im Glauben an den Führer und Deutschland, in der Treue zur Idee der Bewegung, zur Härte in der Einhaltung der Grundgesetze der Schutzstaffel, zur Härte gegen sich selbst, zur Güte, zur Großzügigkeit gegen die Menschen des eigenen Volkes, zur Härte gegen alle Feinde im Inland und Ausland, zur Verpflichtung den Ahnen und Enkeln gegenüber.
Liebste Lina, ich mag Fehler haben, ich habe Fehler gemacht, dienstlich, menschlich, gedanklich und in der Tat, ich habe Dich unendlich lieb und ebenso liebe ich meine Kinder. Denke bitte in Achtung und Liebe an unser gemeinsames Leben zurück, gib, wenn die Zeit geheilt, den Kindern wieder einen Vater, nur, ein Kerl muß es sein, wie ich einer sein wollte.
In unendlicher Liebe, Heil Hitler!
Euer Reinhard."
03.09.1939
Heydrich, veröffentlicht einen Runderlass über Grundsätze der inneren Staatssicherung während des Krieges. Es ist gegen jedermann einzuschreiten, der öffentlich am deutschen Sieg zweifelt
21.09.1939
Heydrich, legt die Polenpolitik fest:
Liquidierung der Intelligenz, Ghettoisierung der Juden, Umsiedlung der Polen in einen eigenen Gau mit der Hauptstadt Krakau
Am 21. September 1939 schickte Heydrich eine dringende Mitteilung an die Kommandeure der Einsatzgruppen, in der er Anweisung fur
die Behandlung der Juden in den eroberten Gebieten gab. Die Juden sollten in groseren Stadten zusammengefast werden, die an Bahnlinien lagen. Es seien Judenrate zu bilden.
Am 21. September 1939 verkündete Heydrich in einer Besprechung, im übrigen Polen seien jüdische Gemeinden von weniger als 500 Köpfen aufzulösen und ihre Mitglieder in größeren Städten zu konzentrieren, so dass spätere Maßnahmen erleichtert werden.
20.10.1939
Heydrich empfiehlt in einer Denkschrift über "Die gegenwärtige Haltung der Kirche und der Sekten" im Deutschen Reich rücksichtsloses Durchgreifen der Geheimen Staatspolizei gegenüber dem katholischen Klerus überall da, wo Sabotageabsicht, Aufwiegelung u. ä. erkennbar seien
13.06.1940
Heydrich stellt klar, dass er allein für die Auswanderung der Juden aus dem Reichsgebiet zuständig ist
24.06.1940
Heydrich drängt gegenüber Außenminister Ribbentrop auf eine „territoriale Endlösung“
22.07.1940
Heydrich ordnet in einem Rundschreiben an alle Staatsdienststellen an, dass gegen Volkgenossen, die sich mit einer Beschwerde an die Reichskanzlei wenden, jedes staatspolizeiliche Eingreifen untersagt ist
15.08.1940
Heydrich legt dem Führer ein Papier vor, indem er veranschlagte, binnen 5 Jahren ca. 4 Millionen Juden nach Madagaskar aussiedeln zu können, vorrausgesetzt, die Kriegslage erlaube die vielen Transporte. Die Vorraustransporte waren bereits bis ins kleinste Detail geplant. Mit den ersten Schiffen sollten Landwirte, Baufachleute und Handwerker mitfahren, sie durften bis zu 200 KG nicht sperrendes Gepäck mitführen und sollten den Aufbau und die Organisation des Reservats Vor-Ort sicherstellen. Heydrich rechnete nach dem großen Sieg gegen Frankreich, dass ein Frieden mit England bevor stand und daher sein Vorhaben ohne weiteres durchführbar sei.
28.08.1940
Juni 1940 verstarb der Polizeipräsident von Wien SS-Oberführer Otto Steinhäusel. Otto Steinhäusel war allerdings nicht nur Chef der Wiener Polizei, sondern auch Präsident der IKPK, der Internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission. Die IKPK stellte den direkten Vorläufer des späteren Interpol dar.
Es war der erste Versuch einer Zusammenarbeit aller Kriminalpolizeilichen Abteilungen in ganz Europa. Da SS-Oberführer Otto Steinhäusel direkt Heydrich unterstellt war, übernahm Heydrich unter Zustimmung der Kommissionsmitglieder am 28. August 1940 selbst die Leitung der Kommission. Damit war Heydrich Chef der einzigen internationalen Polizeiorganisation, die selbst 1940 im zweiten Kriegsjahr, noch erstaunlich gut funktionierte. England, Frankreich und einige kleinere, von der Wehrmacht besetzte Länder, waren in der Kommission jedoch nicht mehr vertreten.
29.10.1940
Heydrich teilt dem Auswärtigen Amt mit, die Deportation der jüdischen Bevölkerung aus Baden und der Pfalz sei auf Anordnung Hitlers erfolgt
01.11.1940
Reinhard Heydrich, befiehlt, unter Berufung auf die Entscheidung des Reichsführers SS, den ihm unterstellten Dienststellen in Breslau und Kattowitz die Vollstreckung der Hinrichtung von 40 Polen im KL Auschwitz, die Himmler aus den ihm vorgelegten vier Namenslisten ausgesucht hat; die Hinrichtungen erfolgen durch Erschießen unter Ausschluß der Öffentlichkeit, als Vergeltung für angebliche Gewalttaten und Überfälle auf Polizeibeamte in Kattowitz.
16.12.1940
Ernennung zum Inspektor für Leibesübungen beim Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei
02.01.1941
Heydrich, gibt in einem Erlaß vom 2. Januar 1941 bekannt, daß der Reichsführer SS Heinrich Himmler seine Zustimmung zu der Einteilung der Konzentrationslager in drei Stufen erteilt habe, die der Persönlichkeit der Häftlinge und dem Grad der Gefährdung für den Staat* Rechnung trüge. Nach dem Erlaß werden die Konzentrationslager in folgende Stufen eingeteilt:
1.) Stufe I: KL Dachau, KL Sachsenhausen und KL Auschwitz I sind bestimmt für «wenig belastete und unbedingt besserungsfähige Schutzhäftlinge.
2.) Stufe II. KL Buchenwald, KL Flossenbürg, KL Neuengamme und KL Auschwitz II, das zu der Zeit noch gar nicht besteht, sind bestimmt für «schwer belastete, jedoch noch erziehungs- und besserungsfähige Schutzhäftlinge».
3.) Stufe III: KL Mauthausen ist bestimmt für schwer belastete Schutzhäftlinge» und besonders für «Vorbestrafte» und «Asoziale».
02.04.1941
Heydrich lässt mitteilen, wegen der zu erwartenden „Lösung der allgemeinen Judenfrage“ seien keine Renten mehr an Juden im Ausland auszuzahlen
22.06.1941
Am 22. Juni 1941 meldete sich Heydrich in Uniform eines Luftwaffen-Majors am Flugfeld von Balti. Ihm wurde eine Maschine zugewiesen und er flog noch am selben Tag seinen ersten Einsatz. Bei diesem Einsatz wurde er von russischer Flak zwischen den Frontlinien abgeschossen. Der Motor seiner Bf109 war ausgefallen und Heydrich musste zwischen den Fronten abspringen. Er konnte sich zur deutschen Front retten und überlebte den Einsatz. Zurück in Berlin wurde er mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse und der Frontflugspange in Silber ausgezeichnet.
17.07.1941
Reinhard Heydrich, gibt in Anlehung an die Richtlinien von Hitler vom 30. März 1941 und die vom OKW bearbeiteten Richtlinien zur Behandlung der politischen Kommissare vom 6. Juni 1941 den Befehl, alle russischen Kriegsgefangenen, die für den Nationalsozialismus gefährlich seien oder sein könnten, zu erschießen. Dies betrifft alle bedeutenden Partei- und Staatsfunktionäre und besonders sog. Berufsrevolutionäre, alle Volkskommissare der Roten Armee, führende Persönlichkeiten des Staatslebens, alle Angehörigen der russischen Intelligenz, alle Juden und alle Personen, die als Agitatoren oder fanatische Kommunisten bezeichnet werden.
27.07.1941
Heydrich und der ehrgeizige Volksgerichtshofs-Präsident Dr. Otto Thierack, ein Alter Kämpfer und ehedem Sachsens erster nationalsozialistischer Justizminister, vereinbarten am 27. September 1941, den tschechischen Divisionsgeneral Alois Elias, der die einheimische Protektoratsregierung in Prag leitete, zu verhaften und vor den Volksgerichtshof zu stellen; der skeptische Oberreichsanwalt Lautz aber sollte aus dem Verfahren ausgeschaltet, die Anklagevertretung der Sicherheitspolizei überlassen werden.
31.07.1941
Beauftragter der sogenannten Endlösung der Judenfrage
Heydrich erhält einen Brief von Göring mit folgendem Inhalt:
Auszug
„alle erforderlichen Vorbereitungen in organisatorischer, sachlicher und materiellen Hinsicht zu treffen für eine Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflussgebiet in Europa.“ … „Ich beauftrage Sie weiter, mir in Bälde einen Gesamtentwurf über die organisatorischen, sachlichen und materiellen Voraussetzungen zur Durchführung der angestrebten Endlösung der Judenfrage vorzulegen.“
27.09.1941
Beförderung zum SS-Obergruppenführer und General der Polizei
Ernennung zum stellvertretenden Reichsprotektor in Böhmen und Mähren
Heydrich trifft in Prag ein. Er hielt noch am selben Tag eine Antrittsrede, in der er keine Fragen offen ließ:
Ich brauche also Ruhe im Raum Böhmen und Mähren, damit der Arbeiter, der tschechische Arbeiter, für die deutsche Kriegsleistung hier vollgültig seine Arbeitskraft einsetzt. Dazu gehört, dass man den tschechischen Arbeitern natürlich das an Fressen geben muss, wenn ich es so deutlich sagen darf, dass er seine Arbeit erfüllen kann.“ Nach dem Krieg könne man dann mit den Tschechen abrechnen.
02.10.1941
Heydrich ordnet eine vollständige Zählung des Viehbestandes im Protektorat an. Zugleich stellte er Nachmeldungen zur letzten Zählung unter Straffreiheit. Die Anzahl der folgenden Nachmeldungen verblüffte alle. Unzählige Berichtigungen des Viehbestandes gingen nun ein und plötzlich stellte sich die allgemeine Versorgungslage gar nicht mehr so schlecht dar wie einen Monat zuvor noch angenommen. Alleine 560.000 Schweine wurden aus dem Protektorat nachgemeldet. Das ergab fast die doppelte Anzahl wie in den Monaten zuvor
Um das Volk weiter ruhig zu stellen, wurden auf Anweisung Heydrichs alle Waren und Lebensmittel, die bei Schiebern und Schwarzhändlern sichergestellt wurden, demonstrativ in den Kantinen von Betrieben verteilt. Heydrich erreichte damit, dass die Arbeiter tatsächlich den Eindruck hatten, dass Heydrich nicht gegen sie, sondern gegen Volksschädlinge kämpfen würde und auf der Seite der fleißig arbeitenden Menschen sei. Er vermittelte den Eindruck, dass ihnen eine neutrale Haltung des Untergrunds gegenüber und damit ihre Beteiligung an Heydrichs Kurs zugute kommen würde und sie so ihre Ruhe haben würden. Heydrich setzte durch, dass es künftig in allen Betrieben eine Kantine geben musste in der die Arbeiter des jeweiligen Betriebes ohne Lebensmittelkarten Nahrungsmittel beziehen konnten. Da es in tschechischen Betrieben bis dahin nicht üblich war, eine Kantine im Betrieb zu haben, kam diese Maßnahme außerordentlich gut an und führte weiter dazu, dass Heydrich durchaus an Beliebtheit im Volke gewann.
06.11.1941
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD Heydrich äußert sich am 6. November 1941 über die Beteiligung seiner Dienststelle an den Sprengstoffanschlägen auf Synagogen in Paris
19.11.1941
Crown of Saint Wenceslas
Am 19. November 1941 nimmt Heydrich in der Prager Wenzelskapelle aus den Händen des tschechischen Staatspräsidenten Hacha die sieben Schlüssel zur Krönungskammer der böhmischen Könige entgegen - das Symbol der Unterwerfung Tschechiens unter die deutsche Herrschaft.
Jetzt standen die Männer vor dem Allerheiligsten der Tschechen, der Wenzelskrone. Sie war, so sagte man, mit einem Fluch belegt: Wer diese Krone unbefugt aufsetzt, so lautete die Mär, würde binnen Jahresfrist eines gewaltsamen Todes sterben und danach sein ältester Sohn. Der alte Aberglaube reizte den Draufgänger und Machtmenschen Heydrich. Was sollte einen wie ihn schrecken? Kurzentschlossen setzte sich der 38-Jährige die Krone auf, zum Entsetzen der anwesenden Tschechen.
Sechseinhalb Monate später war Heydrich tot.. Bis heute glauben viele Tschechen, dass sich in Heydrichs Tod der Fluch der Wenzelskrone erfüllt hat.
Auch Klaus, Heydrichs ältester Sohn, wird Opfer des Fluchs.
Ein gutes Jahr später radelt der zehnjährige Bub geradewegs unter den Lkw, gesteuert von Karel Kaspar.
Insgesamt 22 böhmische Könige wurden mit der St. Wenzels Krone gekrönt. Der erste von ihnen war am 2. September 1347 Karl IV, der letzte 1836 Ferdinand V. Seither warten die Kronjuwelen in ihrer Kammer im Prager St. Veits Dom auf ihren nächsten Einsatz.
1938, als die Bedrohung der Tschechoslowakei durch das Dritte Reich zunahm, machten sich die Prager Regierenden ernsthaft Sorgen um die Kronjuwelen. Im September 1938 beschloss Präsident Benes mit Vertretern der Regierung, die Kostbarkeiten in der Filiale der Nationalbank im slowakischen Zilina in Sicherheit zu bringen. Die gesamte Aktion wurde streng geheim gehalten. Die beiden Fahrer des Autos wussten ebenso wenig, was sich in den Holzkisten befand, wie die Angestellten der Bankfiliale in Zilina, wo die Kronjuwelen am 20. September 1938 eintrafen. Nach dem Münchner Abkommen, gut eine Woche später, schien der Aufbewahrungsort unter anderem wegen des wachsenden slowakischen Strebens nach Unabhängigkeit nicht mehr ideal zu sein. Die Kronjuwelen kehrten am 16. Oktober 1938 nach Prag zurück. Während dieses kurzen Ausflugs verließen übrigens die Kronjuwelen im gesamten 20. Jahrhundert das einzige Mal die Prager Burg.
Eine Enttäuschung erlebte Hitler bei seinem Aufenthalt in Prag am 15. März 1939: der Reichführer bekam die Königskrone nicht zu sehen. Die Kronkammer war leer. Die Kronjuwelen befanden sich zu diesem Zeitpunkt in einem geheimen Safe des Staatspräsidenten, was die deutschen Besatzer allerdings nicht wussten.
29.11.1941
Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD
IV F 4- 3076/41 g (1180)
Berlin SW 11, den 29. 11. 1941
Prinz Albrecht Str. 9
Persönlich
An
SS-Gruppenführer Hoffmann
Rasse- und Siedlungshauptamt
Berlin
Lieber Hoff mann!
Am 31. 7. 1941 beauftragte mich der Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches, unter Beteiligung der in Frage kommenden anderen Zentralinstanzen alle erforderlichen Vorbereitungen in organisatorischer, sachlicher und materieller Hinsicht für eine Gesamtlösung der Judenfrage in Europa zu treffen und ihm in bälde einen Gesamtentwurf hierüber vorzulegen. Eine Fotokopie dieser Bestellung lege ich meinem Schreiben bei.
In Anbetracht der außerordentlichen Bedeutung, die diesen Fragen zuzumessen ist, und im Interesse der Erreichung einer gleichen Auffassung bei den in Betracht kommenden Zentralinstanzen an den übrigen mit dieser Endlösung zusammenhängen- den Arbeiten rege ich an, diese Probleme zum Gegenstand einer gemeinsamen Aussprache zu machen, zumal seit dem 10. 10. 1941 bereits in laufenden Transporten Juden aus dem Reichsgebiet einschließlich Protektorat Böhmen und Mähren nach dem Osten evakuiert werden.
Ich lade Sie daher zu einer solchen Besprechung mit anschließendem Frühstück zum 9. Dezember 1941, 12.00 Uhr, in die Dienststelle der Internationalen kriminalpolizeilichen Kommission, Berlin, Am großen Wannsee, Nr. 56/58 ein.
Ähnliche Schreiben habe ich an Herrn Generalgouverneur Dr. Frank, Herrn Gauleiter Dr. Meyer, die Herren Staatssekretäre Stuckart, Dr. Schlegelberger, Hütterer und Neumann sowie an Herrn Reichsamtsleiter Dr. Leibbrandt, Herrn Unterstaatssekretär Luther, SS-Obergruppenführer Krüger, SS-Gruppenführer Greifeid, SS-Oberführer Klopfer und Herr Ministerialdirektor Kritzinger gerichtet.
Heil Hitler
Ihr (Unterschrift).
09.12.1941
Reinhard Heydrich lädt per persönlichem Schreiben alle an der Endlösung beteiligten Instanzen zu einer Konferenz in einer Villa am Berliner Wannsee ein. Die Konferenz wird von Heydrich kurz darauf auf den 20. Januar 1942 verschoben
20.01.1942
Konferenz in einer Villa am Berliner Wannsee (Wannseekonferenz)
Anwesend waren folgende Personen
Vorsitz
Heydrich Reinhard
Schriftführer
Eichmann Adolf
Staatssekretär im Amt des Generalgouverneurs in Krakau
Bühler Josef
Staatssekretär im Reichsjustizministerium
Freisler Roland
Chef des Rasse- und Siedlungshauptamtes der SS
SS-Gruppenführer Hofmann Otto
Ministerialdirektor in der Parteikanzlei der NSDAP
SS-Oberführer Klopfer Gerhard
Ministerialdirektor in der Reichskanzlei
Kritzinger Friedrich Wilhelm
Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für Lettland in Vertretung des Befehlshabers
SS-Sturmbannführer Lange Rudolf
Reichsamtsleiter im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete
Leibbrandt Georg
Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt
Luther Martin
Staatssekretär im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete
Meyer Alfred
Chef des Amtes IV (Gestapo) des Reichssicherheitshauptamtes
SS-Gruppenführer Müller Heinrich
Staatssekretär im Amt des Beauftragten für den Vierjahresplan, Vertretung von Göring
Neumann Erich
Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD im Generalgouvernement
SS-Oberführer Schöngarth Karl Eberhard
Staatssekretär im Reichsministerium des Innern
Stuckart Wilhelm
Zur Sprache kamen hauptsächlich logistische Probleme – an der Durchführung konnte nicht mehr gerüttelt werden, sie war bereits beschlossene Sache. Die Tötung der deportierten Juden in den Lagern Sobibor, Treblinka und Auschwitz stand nicht mehr zur Diskussion.
27.01.1942
Heydrich erhält vom Reichsführer SS Himmler ein Fernschreiben, in dem dieser schreibt, daß der Bevollmächtigte des Feldmarschalls Keitel bei ihm sein werde. Er habe dem Feldmarschall gesagt, daß die SS die en bloque in Frankreich durch den dortigen Wehrmachtsbefehlshaber verhafteten Kommunisten und Juden aufnehmen werde. Gelegentlich habe er erneut die Frage des Höheren SS- und Polizeiführers in Frankreich berührt, die beim Feldmarschall Keitel vollständiges Verständnis gefunden habe.
13.02.1942
Reinhard Heydrich ordnet an, daß Juden ihre Wohnungen durch einen weißen Judenstern aus Papier kennzeichnen müssen. Für die Durchführung wird die Reichsvereinigung der Juden verantwortlich gemacht.
27.02.1942
Reinhard Heydrich verschickt den neuen Lagebericht über die Tätigkeit der Einsatzgruppen in der UdSSR.
Es wird angestrebt, das Ostland möglichst vollständig von Juden zu säubern. Die Erschießungen werden überall so durchgeführt, daß sie in der Öffentlichkeit kaum bemerkt werden. In der Bevölkerung und selbst bei den zurückgebliebenen Juden ist vielfach die Überzeugung verbreitet, daß die Juden lediglich umgesiedelt worden sind.
Estland ist bereits judenfrei. In Lettland wurde die Zahl der in Riga verbliebenen 29.500 Juden auf 2.500 verringert. In Dünaburg leben noch 962 Juden, die für den Arbeitseinsatz dringend erforderlich sind.
In Litauen wurden das flache Land und die kleinen Städte vollständig von Juden gesäubert. Dies war neben grundsätzlichen Erwägungen besonders vordringlich, weil kommunistische Elemente, insbesondere Terrorgruppen und Kreise der polnischen Widerstandsbewegung, Verbindungen zu den Juden aufnahmen. In Litauen befinden sich nunmehr noch in Kauen (Kaunas/Kowno) 15.000, in Schaulen (Siauliai) 4.500 und in Wilna weitere 15.000 Juden, die ebenfalls für den Arbeitseinsatz benötigt werden. In Weißruthenien ist die Säuberung von Juden im Gange. Die Zahl der Juden in dem bisher der Zivilverwaltung übergebenen Teil beläuft sich auf 139.000 Juden. 33.210 Juden wurden inzwischen von der Einsatzgruppe erschossen.
01.04.1942
Am 1. April 1942 traten auf Anordnung Heydrichs Verbesserungen der Sozialversicherungen für Arbeiter und Bergleute in Kraft:
Renten wurden ohne Anhebung der Beiträge erhöht.
Invaliden- und Altersrenten erhöhten sich dadurch um ein Fünftel.
Eine obligatorische Arbeitslosenversicherung wurde erstmals eingeführt.
Der Feiertag des 1. Mai wurde von Heydrich kurzerhand auf einen Samstag gelegt, sodass die Arbeiter am Stück 2 Tage frei haben konnten. (damals wurde noch in einer 6-Tage-Woche gearbeitet) Heydrich ließ am Morgen des verlegten Feiertags 116.000 Filmfreikarten und 18.000 Theaterkarten verschenken. Die Fußballspiele der nationalen Meisterschaft wurden extra auf die beiden freien Tage verlegt und die Karten von den Gewerkschaften kostenlos verteilt. Der Höhepunkt der Maifeier war jedoch Heydrichs große Verkündung, dass er Luxushotels in Bad Luhatschowitz in Arbeitererholungsheime umwandeln ließ. 3000 tschechische Rüstungsarbeiter bekamen so am 1. Mai einen Erholungsurlaub geschenkt.
06.05.1942
Am 6. Mai 1942 berichtete Reinhard Heydrich, Chef des Reichssicherheitshauptamts in Paris einen kleinen Kreis deutscher Diplomaten und Offiziere über den Stand der "Endlösung". Einer der Zuhörer notierte: Busse, die für den Transport von Juden bestimmt sind und in die man während der Fahrt tödliches Gas einströmen lässt. Ein Versuch, der zum Leidwesen von Heydrich an unzureichender Technik scheitert. Die Busse sind zu klein, die Todesraten zu gering, dazu kommen noch andere ärgerliche Mängel. Weshalb er zum Schluss größere, perfektere, zahlenmäßig ergiebigere Lösungen ankündigt.
Die von Heydrich erwähnten Gaswagen wurden verbessert, in einer Expertise vom 05. Juni 1942 fachsimpelte der zuständige SS-Offizier über die technischen Probleme, Begriffe wie Beschickung und Stückzahl umschreiben Juden: Die Beschickung der Wagen beträgt normalerweise 9 - 10 pro m2. Bei großräumigen Saurer-Spezialwagen ist eine Ausnutzung in dieser Form nicht möglich, weil dadurch zwar keine Überlastung eintritt, jedoch die Geländegängigkeit sehr herabgemindert wird. Vorstehende Schwierigkeit ist nicht, wie bisher, dadurch abzustellen, dass man die Stückzahl vermindert. Bei einer Verminderung der Stückzahl wird nämlich eine längere Betriebsdauer notwendig, weil die freien Räume auch mit CO angefüllt werden müssen.
27.05.1942
Am Morgen des 27. Mai nahm sich Heydrich besonders viel Zeit für seine Kinder und schob den Abfahrtstermin immer wieder hinaus. Die Attentäter wurden dadurch langsam nervös. Sie wählten den Prager Vorort Holeschowitz für Ihren Anschlag aus. Heydrichs Mercedes muss hier in einer sehr engen Kurve stark abbremsen – ein idealer Ort um den Anschlag zu verüben. Heydrich, der an sich sehr pünktlich war, verspätete sich enorm und fuhr erst gegen 10 Uhr von seiner Villa in Jungfern-Breschan los. Er hatte eigentlich schon keine Zeit mehr, denn er musste sich noch am selben Tag auf seinen Termin bei Hitler vorbereiten.
Viertel nach zehn! Nervös blickt Josef Gabcik auf seine Armbanduhr. Seit neun Uhr steht er nun an der Straßenbahnhaltestelle Klein-Holleschowitzer Straße im Prager Vorort Lieben, und immer noch kein Zeichen von Josef Valcik. Der hält weiter oben an der Kirchmayerstraße Ausschau nach dem »Objekt«. Wieder wischt sich Gabcik den Schweiß von der Stirn. Seine Aufregung und die Maisonne heizen ihm ein. Trotz des warmen Frühlingswetters trägt er über dem Arm einen Regenmantel. Darunter verbirgt der in England ausgebildete Fallschirmjäger eine Maschinenpistole vom Typ Sten Gun Mk II FF 209. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite lehnt Jan Kubis an einer Laterne, der dritte Mann, zwei hochempfindliche Bomben in der Aktentasche. Er wirft Gabcik einen fragenden Blick zu. Mit gereizter Geste bedeutet der ihm: Warte!
Dann geht plötzlich alles ganz schnell - und ziemlich schief. Eben rattert die Straßenbahn der Linie 3 heran, da blitzt an der Kirchmayerstraße Valciks Rasierspiegel in der Sonne: das Zeichen! 10.29 Uhr. Gabcik hastet zu Kubis an die Innenseite der Haarnadelkurve, wo die Straße scharf zum Moldau-Ufer hin abbiegt. Ein dunkelgrüner Mercedes 320 mit dem Kennzeichen »SS-3« nähert sich, ein offenes Kabriolett, in dessen Fond ein hochgewachsener Mann in der Uniform eines Obergruppenführers der Schutzstaffel sitzt. Sein Fahrer, ein SS-Oberscharführer, bremst vor der Kurve ab, zumal die Straßenbahn jetzt gegenüber zum Stehen gekommen ist. Leute steigen ein und aus. Gabcik hat den Mercedes nur drei Meter vor sich. Da lässt er seinen Mantel fallen, reißt die Maschinenpistole hoch und drückt den Abzug. Es geschieht - nichts.
»Anhalten!«, schreit der Obergruppenführer und erhebt sich vom Sitz. Chauffeur Johannes Klein, statt seinen Chef durch Gasgeben in Sicherheit zu bringen, gehorcht. Während Gabcik total entgeistert an seiner Sten Gun fummelt, haben die beiden SS-Leute schon ihre Pistolen gezogen. Da tritt Kubis hervor und schleudert eine Bombe. Sie explodiert um 10.31 Uhr neben dem rechten Hinterrad und hätte um ein Haar ihr Ziel verfehlt.
Heydrich reagierte sofort, zog seinerseits seine Dienstwaffe und eröffnete das Feuer auf Gabcik, der sofort die Flucht ergriff.
Der Fahrer Klein machte nun einen entscheidenden Fehler. Er vermutete einen Einzeltäter und hielt daher den Wagen an um Gabcik zu verfolgen. Nun kam von der anderen Straßenseite Kubis gelaufen und warf eine Mills-Spezialgranate in den stehenden Wagen, der nun ein leichtes Ziel abgab. In den Wagen traf er jedoch trotzdem nicht und so detonierte die Granate neben dem rechten Hinterrad.
Heydrich wurde von der Splitterwirkung der Granate getroffen und schwer verletzt, dies hinderte ihn jedoch nicht daran, auszusteigen und nun auch auf den 2. Attentäter zu feuern. Heydrich schoss sein gesamtes Magazin leer, bevor er über der Kühlerhaube des Wagens zusammenbrach. Klein war indes mit der Verfolgung von Kubis beschäftigt, konnte ihn jedoch nicht mehr stellen. Eine tschechische Passantin, die das Geschehen beobachtete eilte Heydrich zu Hilfe. Sie hielt den nächsten vorbeikommenden Wagen an, welcher sich sofort bereit erklärte, Heydrich ins nächste Krankenhaus zu bringen.
Heydrichs Zustand war indes weiter kritisch. Er wurde von einem Bäcker auf dessen Ladefläche ins Libovka-Krankenhaus gebracht. Heydrich war zwar bei bewusstsein, krümmte sich jedoch vor Schmerzen. Heydrich bestand darauf selbst zu den Untersuchungen zu gehen und weigerte sich helfen oder sich stützen zu lassen. Beim Röntgen jedoch stellte sich sofort heraus, daß Heydrich einige Splitter abbekommen hat und umgehend operiert werden musste. Eine Rippe war zertrümmert, das Zwerchfell zerfetzt und ein Splitter steckte in der Milz. Heydrich weigerte sich anfangs von einem Tschechen operiert zu werden, da er getreu seinem Naturell grundsätzlich jedem misstraute, stimmte letztendlich dann doch der Operation zu, da Prof. Dr. Hohlbaum von der Deutschen Chirurgischen Klinik in Prag im Libovka-Krankenhaus eintraf. Himmler schickte seinen persönlichen Leibarzt und Jugendfreund Gebhardt sofort nach Prag, auch Professor Dr. Ferdinand Sauerbruch von der Charité wurde nach Prag gebeten. Eigentlich sollten die beiden für die bestmögliche medizinische Versorgung und die dringend nötige Operation sorgen, allerdings konnte aufgrund der Dringlichkeit der OP nicht auf die Ärzte gewartet werden. Heydrichs Operation wurde sofort von tschechischen und deutschstämmigen Ärzten Vor-Ort durchgeführt. Heydrichs Operation verlief ohne Komplikationen und es entstand erster Optimismus, daß der Reichsprotektor den Anschlag knapp überleben würde.
07.06.1942
Am Morgen des 7. Juni wurde die Leiche Heydrichs auf einer Lafette in die Prager Burg gebracht. Im Hof des Hradschin wurde der Sarg aufgebahrt, sodass jedermann dem Reichsprotektor die letzte Ehre erweisen konnte. Viele Menschen nutzten die Gelegenheit sich von Heydrich auf diese Art zu verabschieden.
In der Prager Burg fand bereits die erste Trauerfeier statt. Kurt Daluege hielt den ersten Nachruf vor versammelter Protektoratsregierung inkl. Hacha. Auch Himmler war anwesend, hielt jedoch keine Rede.
Am Nachmittag des 7. Juni rollte der Sarg bereits in einem Sonderzug nach Berlin wo er zuerst im Reichssicherheitshauptamt aufgebahrt wurde um dann am 9. Juni in die Reichskanzlei verlegt zu werden.
09.06.1942
Um 15 Uhr am 9. Juni fand der letzte Akt statt, die größte Trauerfeier des 3. Reichs. Während des Krieges gab es mehrere Staatsbegräbnisse – die Feier für Heydrich sprenge jedoch jeden Rahmen – sie war unter Umständen mit der von Staatspräsident Hindenburg vergleichbar. Alles was im 3. Reich Rang und Namen hatte nahm daran teil. Die gesamte Führung der SS und der Polizei, das diplomatische Korps, die Protektoratsregierung und der tschechische Staatspräsident Hacha. Die Berliner Philharmonie spielte Wagners Trauermarsch aus der Götterdämmerung und Himmler hielt eine bewegte Trauerrede. Er erzählte von den Anfängen der SS, dem Kennenlernen mit Heydrich und dessen Tätigkeit, des SD, der Gestapo und seien Leistungen als Reichsprotektor von Böhmen und Mähren. Himmler bezeichnete Heydrich als persönlichen Freund der nicht nur für ihn, sondern für das gesamte Reich unersetzbar sein würde.
Rede des Reichsführers SS Heinrich Himmler beim Staatsakt für SS -Obergruppenführer Heydrich im Mosaiksaal der Neuen Reichskanzlei am 9. Juni 1942
Mit dem Tode des SS -Obergruppenführers Reinhard Heydrich, des Stellvertretenden Reichsprotekors in Böhmen und Mähren und Chefs des SD und der Sicherheitspolizei, hat die nationalsozialistische Bewegung abermals einen opfervollen Beitrag zum Freiheitskampf unseres Volkes gegeben.
So unfaßbar für uns der Gedanke war, daß dieser strahlende, große Mensch nach kaum vollendetem 38. Lebensjahr nicht mehr unter uns weilen und in seiner Freunde Mitte kämpfen sollte, so unersetzbar sein einmaliges Können, verbunden mit einem Charakter von seltener Reinheit und einem Verstand von durchdringender Logik und Klarheit ist, so würden wir nicht in seinem Sinne handeln, wenn wir nicht hier an seinem Sarge die heldischen Gedanken von Stirb und Werde, die einstmals unser Volk beim Tode ihrer Liebsten bewegt haben, wieder zu unseren eigenen machen werden.
In diesem Geist wollen wir die Feier zu seinen Ehren begehen, von seinem Leben erzählen, von seinen Taten sagen, um dann die sterbliche Hülle dem ewigen Kreislauf alles Seins auf dieser Erde wieder zurückzugeben und hernach, so wie er gelebt und gekämpft hat, weiterzufechten, um so zu versuchen, seinen Platz mit auszufüllen.
Reinhard Heydrich wurde am 7. Mai 1904 in Halle an der Saale geboren. Er besuchte Volksschule und Reformgymnasium. Schon in seinen Schuljahren, die nach dem Jahre 1918 in die Zeit des großen Niederbruches unseres Volkes fielen, war der junge Schüler mit 16 Jahren in seiner glühenden Liebe zu Deutschland als Melder im Freikorps "Maercker" und als Freiwilliger im Freikorps "Halle" in dem damals so roten Mitteldeutschland tätig. Im Jahre 1922, in einer Epoche, die alles Soldatische ablehnte, tritt er als begeisterter Offiziersanwärter in die Reichsmarine ein. Im Jahre 1926 wird er Leutnant, 1928 Oberleutnant zur See. Als Funk- und Nachrichtenoffizier war er in den verschiedensten Dienstzweigen tätig und weitete seinen Blick durch Fahrten und Reisen in das Ausland. Im Jahre 1931 schied er aus der Reichsmarine aus.
Durch einen seiner Freunde, den damaligen SS-Oberführer von Eberstein, erfuhr ich von ihm und holte ihn im Juli d.J. in die Schutzstaffel. Heydrich, gewesener Oberleutnant, trat nun als einfacher SS-Mann in die kleine Hamburger Staffel ein und machte in ihr zusammen mit all den braven, meist arbeitslosen Jungs, die dort der erste treue Anfang waren, Dienst im Saalkampf und in der Propaganda in den reichlich vorhandenen roten Vierteln der Stadt.
Bald danach holte ich ihn mir nach München und übertrug ihm in der noch recht kleinen Reichsführung SS seine neuen Aufgaben.
Mit der ihm angeborenen Treue und Zähigkeit stand er in den politisch so schweren Monaten des Herbstes 1932, die manche Forderungen stellten, seinen Mann.
Als ich nach der Machtergreifung im Jahre 1933 am 12. März in München Polizeipräsident wurde, übergab ich ihm sofort die sogenannte politische Abteilung des Präsidiums. In kürzester Zeit war diese Abteilung umorganisiert und in wenigen Wochen war aus ihr die Bayerische Politische Polizei gebildet. Bald wurden nach ihrem Muster die politischen Polizeien aller nichtpreußischen deutschen Under gebildet, bis am 20. April 1934 der Preußische Ministerpräsident, unser Reichsmarschall, Parteigenosse Hermann Göring, mir und als meinem Stellvertreter, dem SS -Brigadeführer Reinhard Heydrich, die Leitung der Geheimen Staatspolizei Preußens übertrug. Im Jahre 1936 wurde Heydrich in der durch den Führer neu geschaffenen Reichspolizei mit 32 Jahren der Chef der Sicherheitspolizei. Es wurde ihm damit außer der Geheimen Staatspolizei auch die gesamte Kriminalpolizei unterstellt.
Die Jahre 1933, 34, 35, 36 waren erfüllt von vieler Arbeit und zahllosen Anfangsschwierigkeiten, tatenfrohem, unbekümmertem Zupacken im Ausland gegenüber Emigranten und Landesverrätern, harter schmerzvoller Pflichterfüllung im Innern und von der allerschwierigsten Aufgabe der neuen Polizei, insbesondere aber Heydrichs Sicherheitsdienst, dem SD und der Sicherheitspolizei Respekt, Ansehen und Rechte im Verwaltungs, Organisationsapparat der SS und des Reiches zu verschaffen.
Im Anfang des Jahres 1938 war die Sicherheitspolizei ein in jeder Richtung bereits weitgehend gefestigter und für alle Aufgaben gewappneter Apparat. Es sei heute ruhig ausgesprochen, daß Heydrich ein großes Verdienst an den unblutigen Einmärschen in die Ostmark, in das Sudetenland und nach Böhmen-Mähren sowie bei der Befreiung der Slovakei durch seine sorgfältige Feststellung und gewissenhafte Erfassung der Gegner und einen meist bis ins kleinste gehenden klaren Überblick über die Tätigkeit der Feinde in diesen Ländern, ihre Organisationsstellen und ihre Anführer hatte.
Ich darf hier auch einmal vor aller Öffentlichkeit die Gedanken dieses von den Untermenschen gefürchteten, von Juden und sonstigen Verbrechern gehaßten und verleumdeten, und auch einst von manchem Deutschen nicht verstandenen Mannes darlegen.
Alle Maßnahmen und Handlungen, die er traf, packte er als Nationalsozialist und SS Mann an. Aus den tiefen Gründen seines Herzens und seines Blutes heraus hat er die Weltanschauung Adolf Hitlers erfühlt, verstanden und verwirklicht. Alle Problemen, die er zu lösen hatte, faßte er aus der gnudsätzlichen Erkenntnis echter rassischer Weltanschauung und aus dem Wissen heraus an, daß Reinerhaltung, Sicherung und Schutz unseres Blutes das höchste Gesetz ist.
Er hatte dabei die schwere Aufgabe, eine Organisation aufzubauen und zu führen, die sich fast nur mit den Schattenseiten des Lebens, mit den Unzulänglichkeiten, Abwegigkeiten und mit dem Unverstehen ebensosehr wie mit dem bösen Willen, den verbrecherischen Trieben und asozialen Auswüchsen der menschlichen Gesellschaft zu befassen hat. Die größte Belastung dieses Sicherheitsdienstes der Nation besteht ja darin, daß an seine Männer erfreuliche Ereignisse kaum herangetragen werden.
Heydrich stellte sich mit Recht auf den Standpunkt, daß nur die Besten unseres Volkes, die rassisch sorgfältigst ausgelesenen, mit ausgezeichnetem Charakter und lauterem Sinn, mit einem guten Herzen und mit unbändig hartem Willen begabt, geeignet waren, in einer positiven, für die Gesamtheit nützlichen Weise diesen Dienst der Bekämpfung Negativen zu leisten und die Härte dieser Verantwortung zu tragen.
Er war von einem unbestechlichen Gerechtigkeitssinn erfüllt. Schmeichler und Angeber erregten bei ihm nur tiefe und offene Verachtung. Wahrhafte und anständige Menschen konnten, selbst wenn sie schuldig waren, stets auf seine ritterliche Gesinnung und auf ein menschliches Verstehen hoffen. Nie aber ließ er irgend etwas geschehen, was bei allem Verständnis für die oft so tragischen Probleme im einzelnen der Gesamtnation oder der Zukunft unseres Blutes geschadet hätte.
Nicht vergessen werden darf seine wahrhaft revolutionäre schöpferische und neugestaltende Arbeit auf dem Gebiet der Kriminalpolizei. Wie in allen Dingen ging er gerade auch an die Frage der Kriminalitlit mit gesundem, nüchternem Menschenverstand heran. Gleichzeitig sorgte er aber dafür, daß die deutsche Kriminalpolizei die modernste technische und wissenschaftliche Ausrüstung bekam. Als Leiter der Internationalen kriminalpolizeilichen Kommission gab er allen Polizeien der Welt von seinem Wissen und seinen Erfahrungen kameradschaftlich wertvolle Beiträge. Sein Verdienst ist es mit in erster Linie, daß die Kriminalität in Deutschland vom Jahre 1936 an ständig im Schwinden war und trotz des Krieges, nunmehr im dritten Kriegsjahr, den niedrigsten Stand seit jeher erreicht hat.
Mögen alle Menschen, die in Deutschland auch in der Zeit der Verdunkelung im Gegensatz zu den "herrlichen, humanen" demokratischen Ländern ruhig, unbelästigt und unberaubt über die Straße gehen können, in ihrem Herzen Reinhard Heydrich dankbar sein. Ob es sich um kriminelle oder politische Verbrecher handelte, die beide Gegner der Nation sind, sie werden immer wieder mit eiserner Faust gefaßt und werden auch von seinen Männern der Sicherheitspolizei in Zukunft gepackt werden.
Aus unzähligen Gesprächen mit Heydrich aber weiß ich, was dieser nach außen so hart sein mußte, und strenge Mann in seinem Herzen oft gelitten und gerungen hat, und was es ihn manchmal kostete, dennoch immer wieder nach dem Gesetz der SS, das uns verpflichtet, "weder eigenes noch fremdes Blut zu schonen, wenn es das Leben der Nation verlangt", zu entscheiden und zu handeln. In dieser An hat er, einer der besten Erzieher im nationalsozialistischen Deutschland, das SS Führerkorps des Reichssicherheitsdienstes erzogen und hat es in unbedingter Sauberkeit groß werden lassen und geführt.
Die unter seinem Befehl stehenden SS Führer und Männer hingen mit herzlicher Liebe und höchster Achtung an ihrem stets für sie eintretenden Kommandeur, der auch in den schwierigsten Fallen sich vor seine Männer stellte und sie deckte, ein Herr von Geburt und Haltung. Er war ein ebenso leuchtendes Vorbild in der Bereitschaft, Verantwortung zu tragen, wie er ein Muster an Bescheidenheit war. Er Vertrat den Standpunkt, daß es
besser wäre, die geleistete Arbeit und das Werk sprechen zu lassen, als sich vorzudrängen. Überrascht waren manche, die er in die geistige Arbeit des Reichssicherheitsdienstes auf allen Lebensgebieten hineinblicken ließ. Keine Spur war hier mehr zu finder von einer alten, verstaubten Büttel-Kriminalpolizei. In strengster wissenschaftlicher Forschung wurden die Grundlagen erarbeitet und dann erst aus ihrer Erkenntnis an Tagesfragen herangegangen.
Es kam nun der Krieg mit allen seinen vielen Aufgaben in den neubesetzten Gebieten in Polen, in Norwegen, in den Niederlanden, in Belgien, Frankreich, Jugoslawien und Griechenland, vor allem aber in Rußland.
Schwer war es für ihn, diesen einsatzbereiten Fechter und Draufgänger, nicht mit an der vordersten Front sein zu dürfen. Neben seiner nimmermüden vielen Arbeit, die er als einer der fleißigsten Männer im Reich Tag und Nacht leistete, nahm er sich Wochen und Monate hindurch in den Morgenstunden die Zeit, um allmählich die Flugscheine zu erwerben und seine Prüfung als Jagdflieger zu bestehen. Im Jahre 1940 flog er dann in den Niederlanden und in Norwegen als Jagdflieger und erwarb sich dort die bronzene Frontflugspange und das Eiserne Kreuz 2. Klasse. Damit war er jedoch nicht zufrieden.
Im Jahre 1941, am Anfang des Russenfeldzuges, flog er dann, ohne mein Wissen, und dieses, das kann ich mit stolzer Freude bekennen und feststellen, war die einzige Heimlichkeit in den elf Jahren gemeinsamen Weges, die er vor mir hatte, abermals als Jagdflieger bei einer deutschen Staffel in Südrußland und erwarb sich dort die silberne Frontflugspange und das Eiserne Kreuz I. Klasse.
In dieser Zeit schon hatte das Schicksal seine Hand einmal nach ihm ausgestreckt. Er war durch russische Flak abgeschossen worden, landete aber glücklich zwischen den beiden Linien und schlug sich nach der deutschen Seite hin durch, um am anderen Morgen in einem anderen Flugzeug sofort wieder aufzusteigen.
So sehr ich den Standpunkt immer vertreten hatte, daß gerade Heydrich an seiner Stelle wichtiger war als im Soldatendienst an der äußeren Front, so sehr habe ich gerade bei ihm sein Drängen verstanden: er wollte doch auch den einen Teil des Gesetzes, "das eigene Blut nicht zu schonen", an der Front wahrmachen und unter Beweis stellen, obwohl eigentlich sein ganzes Tun als Chef des SD ein täglicher, gefahrvoller Einsatz war.
Der September des vergangenen Jahres brachte ihm eine neue große, und wie wir heute wissen, die letzte große Aufgabe. Der Führer setzte ihn im Protektorat Böhmen-Mähren nach der Erkrankung des Reichsprotektors von Neurath als Stellvertretenden Reichsprotektor ein. Manche in Deutschland, vor allem im tschechischen Volk, haben damals geglaubt, nun käme dieser gefürchtete Heydrich und würde dort nur mit Blut und Terror regieren. In diesen Monaten jedoch, in denen er zum erstenmal eine große, vor aller Welt sichtbare, positive, schöpferische Aufgabe erhielt, zeigten sich seine genialen Fähigkeiten im reichsten Maße. Er griff hart zu, packte die Schuldigen, verschaffte der deutschen Macht und Reichsgewalt bedingungslosen Respekt, gab aber all denen, die eines guten Willens waren, die Möglichkeit zum Mitarbeiten. Kein Problem des vielfältigen Lebens in diesen Reichslanden Böhmen und Mähren gab es, was dieser junge Stellvertreter des Reichsprotektors nicht abgefaßt und aus der Kraft seines Herzens, dem tiefen Verstehen der Gesetze unseres Blutes und dem Durchdrungensein vom Mythos des Reiches heraus nicht glückhaft in die Wege geleitet und zum Teil schon gelöst hätte.
Am 27. Mai aber traf ihn die hinterhältige Bombe englischer Herkunft, geworfen von einem bezahlten Subjekt aus den Reihen wertlosesten Untermenschentums, und brachte ihn zur Strecke. Furcht und allzu große Vorsicht waren ihm fremd, ihm, der einer der besten Sportsmänner der SS war, ein kühner Fechter, Reiter, Schwimmer, Fünfkämpfer, ein Sportsmann an Können und an Gesinnung.
Kennzeichnend für seinen Mut und seine Energie jedoch ist es, daß er selbst, schon schwer verwundet, sich noch wehrte und zweimal auf den Attentäter schoß.
Tagelang hofften wir, daß sein aus der Kraft gesunder Vorfahren stammender und von ihm in einem einfachen und disziplinierten Leben gesund gehaltener Körper die schwere Gefahr bannen könne. Am siebenten Tage, am 4. Juni 1942, hat dann das Schicksal, der Herrgott, der Uralte, an den er, der große Gegner des Mißbauchs jeder Religion zu politischen Zwecken, in selbstverständlicher Unbeirrtheit und Unterordnung zutiefst glaubte, sein körperliches Leben vollendet.
Wir alle, voran des Reiches Führer, dem er mit der ganzen Treue seines Herzens diente, und wir, seine Freunde und Kameraden und seine beiden kleinen Söhne, die als Zeugen seines unendlich glücklichen Familienlebens und als Vertreter ihrer tapferen Mutter, die ein neues Kind erwartet, hier weilen, sind versammelt, um ihm nun die letzte Ehre zu erweisen.
Der Führer verlieh ihm das Verwundetenabzeichen in Gold und zeichnete ihn dadurch aus, daß er einem Regiment der Waffen SS an der Ostfront, der 6. SS Infanterie-Standarte, am Tage seines Todes dem Namen "Reinhard Heydrich" gegeben hat.
Er wird weiterleben nach unserer heiligen Überzeugung, die auch sein Glaube war. So wie er aber die Reihe seiner Ahnen fortgesetzt hat und diesen nur Ehre bereitete, so wird er fortleben mit all seinen Eigenschaften als musischer Mensch und als tapferer Kämpfer, als froher und ernster, niemals zu beugender Geist, als Charakter reinster Prägung, edel, anständig und sauber in seinen Söhnen, in den Kindern, die seines Blutes und Namens Erben sind.
Seiner Frau und diesen Kindern aber gehört unsere ganze Zuneigung und liebevolle Sorge. Wohlgeborgen sollen sie sein in der großen Familie der Schutzstaffel. Darüber hinaus aber wird er weiterleben in unserer Ordensgemeinschaft der SS. Die Erinnerung an ihn wird uns helfen, wenn wir Aufgaben für den Führer und das Reich zu lösen haben: Er wird mit uns kämpfen und fechten, wenn wir, getreu dem Gesetz, antreten, angreifen
und ausharren als Letzte. Er wird so mit uns sein, wenn wir in guten und schlechten Zeiten ewig die gleichen bleiben werden. Er wird aber auch unter uns sein, wenn wir im Kameradenkreis zusammensitzen und feiern.
Für den Sicherheitsdienst und die Sicherheitspolizei wird er als Schöpfer und Gründer das jedem einzelnen stets vor Augen schwebende, vielleicht niemals mehr zu erreichende Vorbild sein.
Für alle Deutschen aber wird er als Blutzeuge ein Mahner sein, daß Böhmen und Mähren deutsche Reichslande sind und bleiben werden, wie sie es waren von jeher. Drüben, in der anderen Welt, wird er mit unseren alten Kameraden Weitzel, Moder, Herrmann, Mülverstedt, Stahlecker und vielen anderen inmitten der langen Bataillone toter SS Männer leben und ewig im Geiste in unseren Reihen kämpfen.
Unser ist aber die heilige Verpflichtung, seinen Tod nun zu sühnen, seine Aufgabe zu übernehmen und erst recht ohne Gnade und Schwäche die Feinde unseres Volkes zu vernichten.
Mir selbst bleibt nur noch eines zu sagen: Du, Reinhard Heydrich, bist wahrhaft ein guter SS Mann gewesen!
Persönlich aber darf ich Dir hier Dank sagen für Deine unwandelbare Treue und für die wunderbare Freundschaft, die uns in diesem Leben verband und die der Tod nicht trennen kann!"
Rede des Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler
Ich habe diesem Toten nur noch wenige Worte zu widmen. Er war einer der besten Nationalsozialisten, einer der stärksten Verteidiger des deutschen Reichsgedankens, einer der größten Gegner aller Feinde dieses Reiches. Er ist als ein Blutzeuge gefallen für die Erhaltung und Sicherung des Reiches. Als Führer der Partei und als Führer des Deutschen Reiches gebe ich Dir, mein lieber Kamerad Heydrich, nach dem Parteigenossen Todt als zweitem Deutschen die höchste Auszeichnung, die ich zu verleihen habe: die Oberste Stufe des Deutschen Ordens.
Das Grab befand sich ursprünglich: Grabfeld A auf dem Invalidenfriedhof Berlin Ortsteil Mitte des Berliner Bezirks Mitte.
Der Friedhof liegt zwischen Scharnhorststraße und Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal, nördlich des Bundeswirtschaftsministeriums.
09.10.1951
In der Landtagssitzung in Kiel am 09. Oktober 1951 wurde erstmals auch der Fall Lina Heydrich angesprochen. Bei Lina Heydrich handelte es sich um die Witwe des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Reinhard Heydrich. Vom „Sonderbeauftragten für Entnazifizierung" Dennhardt war im Frühjahr 1951 dennoch versucht worden, ihr eine Villa in Burg Tiefe auf Fehmarn zu verschaffen, die zum Erbe ihres Mannes gehörte und der Vermögenssperre unterlag. Doch der Protest blieb erfolglos, und im Jahre 1958 geriet der Fall Lina Heydrich erneut in die Schlagzeilen. Denn nun hatte das Schleswiger Landessozialgericht der Frau des SS Obergruppenführers sogar eine Pension aus dem Bundesversorgungsgesetz zugesprochen, weil ihr Mann „als Reichsprotektor für Böhmen und Mähren den Soldatentod" gestorben sei.
Versorgungsstreit Lina Heydrichs
Heydrich hatte neben der Witwe zwei Kinder hinterlassen, Heider und Silke, das dritte Kind Marte war erst sechs Wochen nach dem Tod Heydrichs zur Welt gekommen und ein viertes vor seiner Tötung bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt.
Im NS-Staat waren Lina Heydrich, die sich schließlich in ihr Haus in Burg auf Fehmarn zurückgezogen hatte, neben einigen Ehrungen und der Zuwendung des Schlosses Jungfern-Breschan, einschließlich der ,Dienstboten" (KZ Häftlinge) und umfänglichen und wirtschaftlich nutzbaren Ländereien, die Witwen- und Waisenbezüge eines Polizeigenerals, 1942 sehr stattliche 1 900.- Reichsmark netto monatlich, zugestanden worden. Das hatte bis 1945 gereicht. Nach der Kapitulation, mutmaßlich keineswegs sofort, war damit irgendwann Schluß gewesen, und die Witwe des einst so mächtigen und erfolgreichen Polizeichefs hatte sich bald gezwungen gesehen, sich zumindest teilweise um den eigenen Lebensunterhalt zu bemühen. Sie spielte, wie sie später schrieb,„auf den Tastendes Schwarzmarktes" und hat sich bis zur Währungsreform „einigermaßen durchgemogelt". Danach sei es für sie schwieriger geworden, sie hätte angeblich nur 160.- Reichsmark zur Verfügung gehabt.
War es Unverfrorenheit, Mut, ein einfacher Versuch oder die weitsichtige Einsicht in den erstaunlich schnellen Lauf der Dinge in der Bundesrepublik. 1950 schien ihr zumindest, daß ihres Leidens genug sei. Sie beantragte im September bei der Außenstelle Lübeck des Landesversorgungsamtes Schleswig-Holstein schlicht die Gewährung von Witwen- und Waisenbezügen nachdem frischen Bundesversorgungsgesetz, weil, so führte sie aus, ihr Ehemann „einer unmittelbaren Kriegseinwirkung zum Opfer gefallen" sei.
Zunächst wehrte das Landesversorgungsamt 1952 formlos ab.
Heydrich sei gar kein Soldat, sondern Reichsbeamter gewesen, falle folglich gar nicht unter das Bundesversorgungsgesetz. Das Versorgungsamt Lübeck beschied im selben Jahr mit einer klugen und überzeugenden Begründung, daß Heydrichs Tod in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit Kriegseinwirkungen gestanden habe. Ähnlich lautend lehnte der Beschwerdeausschuß des Landesversorgungsamtes kurz darauf Pensionszahlungen ab. Dagegen legte Lina Heydrich Berufung beim zuständigen Oberversicherungsamt in Schleswig ein, und erhielt hier Recht. Das Urteil der VIII. Spruchkammer vom 28.Februar 1952 führte aus, daß Heydrich „von tschechischen Staatsangehörigen, die in England für den Partisanenkampf ausgebildet wurden, von englischen Flugzeugen in ihre Heimat befördert und dort vermittels Fallschirmen abgesetzt" worden seien, getötet wurde. Aufgrund der Vorbereitungen in England sei das Attentat „als Kampfhandlung im Sinne des § 1 Abs. 2a, § 5 Abs. Ia des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) anzusehen." Gegen dieses Urteil, das erhebliche Pensionszahlungen ab 1950 intendierte, legte das Landesversorgungsamt 1954 Berufung ein, der sich der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung anschloß. Darüber hatte schließlich das Landessozialgericht in Schleswig zu urteilen. Und es nahm sich dreieinhalb Jahre Zeit bis zum nicht mehr anfechtbaren Urteil. Drei Senate des Gerichts, zunächst der 1., dann der 7. und schließlich der urteilende 4. Senat nahmen sich der Entscheidungsfindung in dieser heiklen und natürlich von der Medienöffentlichkeit beachteten Angelegenheit an.
Zunächst Berichterstatter und damit Hauptakteur in der Vorbereitung war Landessozialgerichtsrat Dr. Meinicke-Pusch, (* 12. Februar 1905 in Breslau + 31. Oktober 1994 war ein deutscher Politiker, FDP, später CDU. Meinicke-Pusch blieb bis zu seiner Pensionierung Anfang der 1970er Jahre Landessozialgerichtsrat. Die ausbleibende Beförderung wird auf seine Aussagebereitschaft im Untersuchungsausschuss zur Heyde-Sawade-Affäre zurückgeführt. Ein wegen der Affäre eingeleitetes Dienststrafverfahren endete im März 1962 mit einem Verweis für Meinicke-Pusch. Ein gegen ihn eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Begünstigung war im April 1960 eingestellt worden).
Meinicke-Pusch war 1937 Mitglied der NSDAP geworden, hatte ab 1940 als Kriegsgerichtsrat gewirkt und war 1950 bis 1954, noch als Rechtsanwalt und Notar, zunächst als FDP-, dann als CDU-Fraktionsmitglied Abgeordneter des Schleswig-Holsteinischen Landtages gewesen.
Jetzt, 1955, ging der am 1. Februar zum Landessozialgerichtsrat ernannte Richter mit Fleiß an die Ermittlungsarbeit, ob Heydrich tatsächlich Opfer von Kriegshandlungen geworden sei.
Nur um diese, formaljuristisch und wahrlich historisch anmutende Frage konnte es in Anwendung des BVG gehen. Eine Bewertung der eventuell verbrecherischen Rolle oder die Berücksichtigung konkreter Taten schloß das Bundesgesetz im Gegensatz zu seinen Vorläufern der Ländergesetzgebung oder der alliierten Verordnungen ausdrücklich aus. Ein wahrlich eklatanter Gegensatz der Kriegsopferentschädigung zur Wiedergutmachung für NS-Opfer.
Die Verfahren der Wiedergutmachung kannten von Beginn an und schließlich gesetzlich fixiert die Unwürdigkeit der Antragsteller als klaren Ausschlußgrund. Weiter aktive Kommunisten sowie Homosexuelle, Asoziale’, Zigeuner' und, Verbrecher wurden damit keineswegs „vergessen", sondern bewußt und gezielt von jeder Zahlung ausgeschlossen, auch wenn sie jahrelange KZ-Haft nachweisen konnten.
Meinicke-Pusch formulierte die Situation im Fall Heydrich in seinem Auftrag an einen Gutachter in aller Deutlichkeit. „Grundsätzlich ist für die Beurteilung von Bedeutung, dass die Hinterbliebenen Heydrichs nur dann Anspruch auf Hinterbliebenenrente haben, wenn Heydrich selbst Ansprüche aufgrund des Versorgungsgesetzes erheben könnte. Da nach dem Bundesversorgungsgesetzs eine persönliche. Unwürdigkeit nicht rechtserheblich ist, dürfte es entscheidend darauf ankommen, ob in dem Attentat auf Heydrich eine Kriegshandlung feindlicher Mächte zum Ausdruck gekommen ist oder ob es nicht anders als ein Attentat z.B. eines deutschen Kommunisten oder Juden zu bewerten ist." Von der klaren Intention dieses Schreibens abgesehen, bleibt festzuhalten, daß die Schleswiger Juristen ihre spätere Entscheidung offenbar daran maßen, ob - ihrer Interpretation nach - Reinhard Heydrich selbst einen Anspruch auf staatliche Versorgungsleistungen der Bundesrepublik besessen hätte oder nicht. Der Anspruch seiner Hinterbliebenen galt lediglich als ein abgeleiteter. Sie erhielten sozusagen in Vertretung des Massenmörders dessen Bezüge. Mit dem Außerachtlassen eventueller Unwürdigkeit schied übrigens auch die im gesamten Verfahren nicht ein einziges Mal aufgeworfene Frage aus, ob denn unschuldige Kinder und die allenfalls mitwissende Ehefrau unter diesem Ausschlußgrund leiden dürften. Eine nicht triviale ethische Fragestellung, die allerdings bei Wiedergutmachungsfällen eindeutig beantwortet war.
Selbstverständlich konnten Waisen einer im KZ ermordeten Asozialen in den 1950er Jahren nicht mit Zahlungen rechnen.
Trotz des hohen Bekanntheitsgrades von Heydrich und trotz des Dokumentenapparates des Nürnberger Tribunals war in den 1950er Jahren präzises Wissen über Hergang und Hintergründe des Attentats in Prag nicht ganz einfach zu beschaffen. Meinicke-Pusch unternahm das, was von ihm zu erwarten war. Er wandte sich unter anderem an das Münchner Institut für Zeitgeschichte, ließ Auszüge aus publizierten Erinnerungsbüchern ehemaliger deutscher Besatzer anfertigen und spürte Zeugen auf, vorwiegend ehemalige Angehörige der Staatspolizeistelle Prag und der deutschen Kriminalpolizei. Diese waren 1955 entweder Pensionäre oder längst wieder im Polizeidienst beziehungsweise, wie ein vernommener ehemaliger Prager Gestapoangehöriger, beim Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes tätig. Selbst der Präsident des Bundessozialgerichtes, laut seines Schreibens gelegentlich vom Schleswiger Gerichtspräsidenten Dr. Buresch, später einer der Hauptbelasteten in der Heyde-Sawade-Affäre - auf den Fall Lina Heydrich angesprochen, teilte Hinweise und Namen mit, denn auch er sei „damals in Prag" gewesen.
Die 1942 mit den Tatermittlungen (und der Täterverfolgung) befassten Zeugen sagten aus: Durch einen Verräter aus der Tätergruppe seien sie schnell auf die richtige Spur gekommen. Die mutmaßlichen Täter hätten Polizisten und Angehörige der Waffen-SS schließlich in einer Kirche gestellt, durch deren Schüsse und angeblich auch durch Selbsttötungen seien alle Verdächtigen umgekommen. Die Sachermittlungen hätten ergeben, daß die Attentäter als Fallschirmspringer von einem britischen Flugzeug abgesetzt worden seien und im Auftrag der Exilregierung Benesch in London handelten. Der ehemalige Leiter des kriminalistischen Referats der Staatspolizeistelle Prag, Heinz P, gab in erstaunlich geringer Präzision zu Protokoll: Nach dem, was ich von den entsprechenden Dezernatsleitern gehört habe, mögen im Jahre 1941 bis zum Attentat auf Heydrich etwa 50 Personen mit dem Fallschirm abgesetzt worden sein." Es habe sich um Angehörige der tschechischen Exilarmee gehandelt, die von britischen Soldaten ausgebildet worden seien. War in den ebenfalls beigezogenen Ursprungsakten der Prager Gestapo noch durchweg von „Partisanen" die Rede, wählten, was bei dem Prozeß Gegenstand auffallen muß, spätere Zeugen gern die militärische Bezeichnung „Offiziere", ging es doch schließlich im Kern um die Frage, ob Heydrich einer militärischen Operation zum Opfer gefallen war
Für den Prozeßvertreter Lina Heydrichs, den Kieler Anwalt Dr. Wilhelm Maßmann, der übrigens zeitgleich auch den ehemaligen schleswig-holsteinischen NSDAP-Gauleiter und Oberpräsidenten Hinrieh Lohse bei seinen Bemühungen um eine staatliche Pension vertrat, schien die Sachlage klar und eindeutig.
Die tschechische Exilregierung in London hat seinerzeit dem Deutschen Reich den Krieg erklärt und eine Truppe aufgestellt."
Richter Meinicke-Pusch hatte zuvor alle Verfahrensbeteiligten befragt, ob sie, dem Nürnberger Urteil folgend, die Tschechoslowakei als ein vom Deutschen Reich besetztes und nicht durch Staatsvertrag in Protektorat genommenes Gebiet ansehen könnten, mit der logischen Ableitung, daß die Besatzungspolitik wie die Gegenwehr jeweils als „Kriegshandlung" anzusehen wären. „Bejahen die Beteiligten die Rechtsauffassung
des Nürnberger Gerichtshofes und die sich daraus ergebenden rechtlichen Folgen?" Das Landessozialgericht wäre mit dem Hinweis auf Nürnberg elegant aus der Not einer kritisierbaren eigenen Entscheidung entlassen worden.
Im Gegensatz zu Maßmann mochte das verfahrensbeteiligte Bundesministerium für Arbeit dieser Logik keineswegs folgen.
„Es ist vielmehr ein politisches Attentat gewesen, das Heydrich durch sein brutales politisches Wirken herauf beschworen und auf sich gelenkt hatte." Dezidiert befaßt sich die Antwort wieder mit der verantwortlichen Rolle Heydrichs am Holocaust: „Einer der Führer dieser Einsatzgruppen, Otto Ohlendorf, der in Nürnberg zum Tode verurteilt und in Landsberg hingerichtet wurde, gestand, 90 000Juden, darunter Kinder, Frauen und Greise, beseitigt zu haben. Dieses alles geschah auf Weisung und nach Plan Heydrichs. Daneben führte Heydrich systematisch einen Vernichtungskampf gegen die Intelligenz in ausserdeutschen Gebieten".
Schließlich gelte doch wohl: „Sinn und Zweck des BVG, das amtlich als ,Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges' bezeichnet wird, würden in ihr Gegenteil verkehrt werden, wollte man den Tyrannentod Heydrichs oder etwa den Tod der als Kriegsverbrecher hingerichteten Kaltenbrunner, Frank oder Ohlendorf dem Opfertod von Millionen anständiger deutscher Soldaten gleichsetzen."
Schon im Jahr zuvor hatte das Arbeitsministerium darauf hingewiesen, daß selbst den Hinterbliebenen der Militärs, die zum Verschwörerkreis des 20. Juli 1944 gehört hatten, Ansprüche aus dem BVG nicht zustünden, ihr Handeln werde von bundesdeutschen Gerichten als allein politisch motiviert erachtet. Dann dürften erst recht weder Heydrichs Rolle als stellvertretender Reichsprotektor in Prag noch das Handeln seiner Attentäter als militärisch erachtet werden. Im Übrigen sei das Protektorat Böhmen und Mähren gar nicht im Kontext des 2. Weltkriegs, sondern ja bereits im Frühjahr 1939 errichtet worden.
In dieser verwirrenden Situation forderte Meinicke-Pusch ein wissenschaftliches historisches Gutachten beim Kieler Ordinarius Michael Freund an. Prof. Dr.Michael Freund war bekannt als profilierter, publikationsfreudiger und historisch orientierter Politikwissenschaftler sowie als aktiver Sozialdemokrat. Er tat sich schwer mit diesem Auftrag, hielt sich kaum an die engen Fragen nachdem militärischen Gehalt des Attentats auf Heydrich. In seinen vorläufigen Antworten wie im lesenswerten 42 Seiten umfassenden Gutachten holte er weit aus. Dem tschechischen Staatspräsidenten Hacha, der am 15.März 1939 unter massivem Druck mit Hitler den Protektoratsvertrag abgeschlossen hatte, schrieb er ins Stammbuch: „Ein Staatsmann hat nicht in Ohnmacht zu fallen, wenn es um Sein oder Nichtsein seiner Nation geht." Die Besetzung der Tschechoslowakei sei ein„Einmarsch im Frieden" gewesen, ein „Kriegszustand zwischen der Tschechoslowakei und dem Deutschen Reich" habe zu keiner Zeit geherrscht, das Attentat auf Heydrich sei als „eine völlig isolierte Tat" ohne Bezug zum „Geschehen des Krieges" zu werten. Im übrigen sei über den Tathintergrund herzlich wenig bewiesen.
Nach seiner Lektüre der im Verfahren entstandenen Zeugenaussagen müsse er festhalten. „Ich bin verblüfft über die Unverfrorenheit, mit der von den Herren Dinge behauptet werden, über die sie aus unmittelbarer Kenntnis nichts wissen". Im Gutachten heißt es an anderer Stelle. Zwar kenne das Bundesversorgungsgesetz „den Begriff der Unwürdigkeit nicht", vielleicht wären Heydrichs „Kriegsverbrechen" auch rechtlich unerheblich, wenn ein Luftangriff sein Leben ausgelöscht hätte, „Aber das Attentat meinte ihn als Person, und die Rechtsnatur des Attentats wird beherrschend durch seine Person bestimmt." Wie die kommentierenden Randnotizen auf dem Gutachten ausweisen, missfiel es den Auftraggebenden Juristen in Schleswig, daß Freund immer wieder das Gebiet seines eigentlichen Auftrages verließ und eine eigene, Beweiswürdigung' vornahm.
Aber Freund selbst schien sich darum nicht zu scheren. Er charakterisierte Heydrich schlicht als eine „der ganz großen Verbrechergestalten der Geschichte", testierte ihm, daß er im Überlebensfalle mit nahezu absoluter Sicherheit in Nürnberg hingerichtet worden wäre,und schilderte den Werdegang Heydrichs als Holocaustverantwortlichen und Polizeichef so plastisch, daß er festhalten konnte, über das was in der Tschechoslowakei selbst geschah, ist im Grunde bedeutungslos.
Das Fazit des engagierten Gutachters: Zwar gelte: „Gesetz ist Gesetz und muß es bleiben, auch wenn es uns nicht gefällt, wem es zugute kommt." Aber: Wo es auch für mich Zweifel und eine freie Entscheidung läßt, müssen die größeren Gesichtspunkte und Wertbegriffe herangezogen werden, die einem von Recht und Menschlichkeit bestimmten Gemeinwesen zugrunde liegen.
Genau daran sind juristische Urteile in der Tat zu messen. Wo Handlungsspielraum für die Einbeziehung fundamentaler ethischer Gesichtspunkte besteht, ist er zu nutzen. Freund verwies in seiner rhetorisch geschickt aufgebauten Stellungnahme auf einen möglichen Interpretationspunkt. „Das Bundesversorgungsgesetz hat nicht definiert, was denn Krieg wäre." Bezogen auf das Reichsprotektorat war damit einbeachtlicher juristischer Ermessensspielraum definiert. Und außerdem, so Freund weiter, müsse es „offenkundig Unterschiede geben" bei der Antwort auf die Frage, „welchen Krieg der deutsche Soldat führte und welchen er rechtmäßig führen durfte". Denn, so der Schlußappell des Gutachters an das Landessozialgericht, es müsse „auch der Anschein vermieden werden - um der Rechtlichkeit und des moralischen Ansehens der Bundesrepublik willen - als ob das verbrecherische Tun Heydrichs dem Kriegsdienst redlicher deutscher Soldaten gleichgestellt werden sollte."
Kurz vor Eingang des Gutachtens von Michael Freund hatte das Nachrichtenmagazin ,Der Spiegel' von Lina Heydrichs Bemühungen um Hinterbliebenenrenten berichtet.
Ein aufgebrachter, jetzt im Exil in Frankfurt lebender ehemaliger Prager Student, der eine von Heydrich verantwortete KZ-Haft überlebt hatte, schrieb an das Gericht in Schleswig: „Ich stamme aus Böhmen.
Ich kenne Heydrich. Wissen Sie, wer Heydrich war?
Der Teufel von Böhmen, ein Mörder, der durch Blut und Tränen watete, ein Scherge, der tausende Menschen auf dem Gewissen hat.
Haben Sie von dem Blutbad in Lidice gehört?
Den Richtern des Landessozialgerichts mußte spätestens jetzt, im Frühsommer des Jahres 1956, klar sein, welch einen heiklen und sensiblen Fall sie bearbeiteten. Und, bei aller Unzufriedenheit der professionellen Juristen mit Freunds Gutachten und den Stellungnahmen aus dem Bundesministerium für Arbeit: Ihnen waren mehrere Wege gewiesen worden, die eine auch juristisch saubere und sichere Ablehnung der Hinterbliebenenzahlungen ermöglicht hätten. Das Ergebnis der Überlegungen in Schleswig deutete indes in die entgegengesetzte Richtung. Im April 1956 teilte Meinicke-Pusch seinem Dienstvorgesetzten und wegen der „Bedeutung dieser Sache" auch den potentiell beisitzenden Richtern mit, nach eingehender Befassung in der Sache sei er „zu dem aus der Anlage ersichtlichen Ergebnis gekommen". Er wolle es mitteilen, damit der Adressat Tatbestand und Votum „in Ruhe durchdenken" und seine „etwaige gegenteilige Auffassung begründen" könne.
Vorerst aber tat das Gericht - gar nichts. Das Verfahren dümpelte über viele weitere Monate ohne erkennbar relevante Aktivitäten weiter. Freund gab Ende 1956 eine Ergänzung seines Gutachtens ab. Rechtsanwalt Maßmann bezweifelte Anfang 1957 die Unbefangenheit des Gutachters und beantragte vorsichtshalber die Berufung eines alternativen Sachverständigen.
Ende Januar 1957 mahnte das Bundesarbeitsministerium eine Entscheidung beim Schleswiger Gericht an. „Damit scheint der Sachverhalt voll geklärt und die Sache zur Entscheidung reif."
Kurz darauf nutzte der Eckernförder Bundestagsabgeordnete Pohle (SPD) die Fragestunde des Bundestages, um vom Bundesarbeitsminister den Stand des Verfahrens zu erfahren.
Das Gericht geriet also offenkundig unter Druck. Aber für weitere 12 Monate passierte wenig. Dann aber, am 20.Januar 1958, ging die Streitsache nach Beschluß des Präsidiums des Landessozialgerichtes mit sofortiger Wirkung vom 7. auf den 4. Senat über. Übrigens ohne notierte Begründung, was als unüblich anzusehen ist. Zumindest bleibt die Ursache des Wechsels unklar. Weitere fünf Monate später, am 20. Juni 1958 traf der Senat unter der Leitung des Senatspräsidenten Michaelis sein „mit Rechtsmitteln nichtanfechtbares Urteil. Michaelis, laut Personalakte NSDAP-Mitglied seit 1932 und fachlich lediglich als, mittelmäßig’ bewertet sowie auch ein Mitwisser Heyde-Sawades fällte mit seinen Kollegen - Dr. Meinicke-Pusch war aufgrund des Senatswechsels nicht mehr dabei - eine klare Entscheidung.
Lina Heydrich und ihren Kindern stehe Hinterbliebenenrente zu. In der umfänglichen Urteilsbegründung wurde sprachlich sehr zurückhaltend der Werdegang Heydrichs gewürdigt, etwa daß er „an der Organisation und Durchführung der Maßnahmen gegen die Juden beteiligt" gewesen sei und daß er „einen schärferem Kurs in der Regierung des Protektorats" eingeführt habe. Und auch in diesem Textauszug ist die Diktion bezeichnend. „An der Glaubwürdigkeit der Zeugen" bestehe kein begründeter Zweifel, „auch wenn sie damals im Auftrage der Staatspolizei tätig und im Sinne einer gewissen propagandistischen Zielsetzung zu arbeiten gezwungen gewesen sind." Zur Tätigkeit tschechischer Partisanen heißt es lapidar, aber richtungweisend. „Im Ausland befindliche Tschechen hatten sich nach Kriegsausbruch England und Frankreich militärisch zur Verfügung gestellt. "Die aus ihnen gebildeten Truppenteile" hätten das - offenbar also militärische - Rekrutierungsfeld der Attentäter gebildet, ausführende waren tschechische Soldaten, die auf Seiten der alliierten Streitkräfte am Kriege gegen das Deutsche Reich teilnahmen." Das war nun schlicht das Gegenteil dessen, was der wissenschaftliche Gutachter Freund ausgeführt hatte. Die „sogenannten Freischärler oder Partisanen" hätten im 2. Weltkrieg eine „zunehmende Rolle" gespielt. Und: „Es
entspricht dem Wesen dieser Art von Kriegsteilnehmern, daß sie meist einzeln, im Verborgenen und ohne äußere Kennzeichnung auftreten und den Gegner nicht in der eigentlichen Kampfzone, sondern im Hinterland zu schädigen suchen. Die Besonderheit ihrer Beteiligung besteht, wie der letzte Krieg erneut bewiesen hat, gerade in der Abweichung von den Kriegsregeln." Dadurch würden „ihre Aktionen aber nicht den Charakter von Kampfhandlungen" verlieren -und folglich sei Heydrich Opfer einer militärischen Operation geworden.
Genau diesen entscheidungsrelevanten Aspekt hätte auch ein als Gutachter hinzugezogener Völkerrechtler genauer und offener bewerten können. Aber es scheint, daß die Schleswiger Richter meinten, aus eigener teilnehmender Beobachtung des Krieges ein Urteil treffen zu können. Das einschlägige personelle Milieu des Landessozialgerichts in Schleswig hat Klaus-Detlev Godau-Schüttke mit vielen Bezügen zum Landessozialminister der Jahre 1950 bis 1957, Hans-Adolf Asbach (BHE), der als ehemaliger Kreishauptmann im besetzten Polen der Jahre 1941 bis 1943 später des Mordes an mindestens 3148 Juden beschuldigt wurde, beschrieben. Wodurch auch immer ihr Handeln motiviert war. Alle Randnotizen auf den Akten und die schriftlichen Bewertungen sowie Vorstöße der Bearbeiter in Schleswig deuten einhellig in eine Richtung. Sie wollten nicht anders entscheiden, sie wollten keine alternative Prüfung.
Ihr Fazit: Heydrich sei zwar nicht an der „Folge einer militärischen oder militärähnlichen Dienstverrichtung" gestorben, soweit irre die Witwe in ihrem Antrag, aber der Tod sei eindeutig „als Folge einer unmittelbaren Kriegseinwirkung" zu werten.
Die gesetzlichen Voraussetzungen der Hinterbliebenrente sind danach gegeben. Damit hatte Lina Heydrich im Sommer 1958 mit Rückwirkung bis 1950 ihr Ziel erreicht. Proteste des Bundes der Verfolgten des Naziregimes, entrüstete Eingaben von Bürgern, Anfragen des offenbar sehr überraschten Gutachters Freund, auch die deutliche Verärgerung der ohnehin mit NS-Altlasten geplagten Landesregierung von Hassel änderten daran nichts. Das Urteil war rechtskräftig und unanfechtbar.
Und es reihte sich ein in eine Serie vergleichbarer Gerichtsentscheide in Schleswig-Holstein:
Der ehemalige Lübecker NS-Polizeipräsident und höhere SS- und Polizeiführer im besetzten Lettland, Schröder, Oberreichsanwalt Lautz, ehemaliger Ankläger vor dem Volksgerichtshof, und bald darauf auch Ex-Staatssekretär Schlegelberger, einst der Erlasser des ,Sonderstrafrechts gegen Juden und Polen',- durchweg Leute also, die man ohne Abstrich als Mörder bezeichnen kann, bezogen im nördlichsten Bundesland stattliche Staatspensionen. Der politisch unverdächtige
,Rheinische Merkur' druckte im November 1960 die publizistische Kritik eines ehemaligen Richters, der von „der erschreckenden Häufung düsterer Justizbeschlüsse" sowie „brauner Patronage in Schleswig-Holstein" schrieb.
Der Zahlungsanspruch Lina Heydrichs auf Witwenversorgungsbezüge eines Polizeigenerals erlosch erst 1985 mit dem Tod der 74jährigen. Das Urteil kam die bundesrepublikanische Gesellschaft also nicht billig. Im Übrigen hatte Heydrichs Witwe, die 1951 selbst als „unbelastet" aus ihrem Entnazifizierungsverfahren hervorgegangen war, mit Hilfe hoher Gerichte - und begleitet von einer Landtagsdebatte - ihr zunächst beschlagnahmtes Erbe, eine Villa auf Fehmarn, schließlich zurückerhalten. Ein mutiger Amtsgerichtsrat auf Fehmarn hatte das zunächst verweigert. 1962 erstattete der tschechoslowakische Verband der Widerstandskämpfer bei mehreren Staatsanwaltschaften, unter ihnen auch die in Schleswig, Strafanzeige gegen Lina Heydrich wegen „Misshandlung von Häftlingen", Beihilfe zum Mord und Durchsetzung von Hinrichtungen.
Anklage wurde nie erhoben. Lina Heydrich verbrachte fast die ganzen Jahrzehnte auf Fehmarn, investierte glücklos in touristische Herbergen, heiratete 1965 einen finnischen Künstler, sammelte Zeugnisse der Vorzeit und galt als gute Erzählerin. Ihre publizierten Memoiren unter dem Titel „Leben mit einem Kriegsverbrecher" werden entsprechend bewertet: als belanglos, stark fehlerhaft, schönfärberisch. Sie sind darüber hinaus sehr provozierend. Sie, die Witwe eines Cheforganisators des Holocausts schrieb darin im Jahr 1976 über die Juden in der deutschen Gesellschaft der 30er Jahre in hämischer Weise.
„Merkwürdigerweise begriffen die Juden dies und ihr Fremdsein in unserem Land überhaupt nicht, auch wenn ihnen der blanke Haß entgegenschlug. Hätte es damals Psychotherapeuten gegeben, hätten sie den Juden nur den Auszug aus Deutschland raten können." Auch machte sie keinen Hehl daraus, daß sie in der Nachkriegszeit zahlreiche ehemalige SS-Leute mit falschen Pässen versorgt habe. Schließlich bezeichnete sie die „sogenannte Entnazifizierung" als „systematische Räuberei". „Ich gehörte zu denen, die alles verloren."
Rein kann das Gewissen von Lina Heydrich jedoch kaum gewesen sein. Wie Insider wissen, pflegte sie nicht zu Hause zu übernachten. Jeden abend verließ sie ihre Wohnung, um sich anderweitig zur Nachtruhe zu begeben. Sie befürchtete, die DDR-Marine könne mit Schnellbooten durch die Mecklenburger Bucht kommen und sie in einem Kommandounternehmen entführen, um sie im Ostblock vor Gericht zu stellen bzw. der Strafvollstreckung zuzuführen.
Schleswig-Holstein galt nach 1945 als "Braunes Schutzgebiet", hier fanden die Mörder und Henker des dritten Reiches Unterschlupf, konnten sich Ausruhen, und konnten ihr verbrecherischen Wissen weitergeben. Viele Namen die sich auf Fahndungslisten befanden, aber auch verurteilte (darunter Todesurteile) finden sich in der gehobenen Politik, Justiz, Polizei und Wirtschaft wieder.