SS-Oberscharführer

* 13.05.1920 in Berlin
† 1994

CSU-Bürgermeister von
Bürgstadt in Bayern und Abgeordnete des Kreistags von Miltenberg, Ernst Heinrichsohn, im Kriege als SS-Unterscharführer Sachbearbeiter im Judenreferat des Befehlshabers der Sicherheitspolizei (Sipo) und des SD in Paris, zugleich Mitglied des "Aktionsausschusses für die Judentransporte aus Frankreich"

1939 nach dem Abitur zur Wehrmacht eingezogen
(als wehruntauglich wieder entlassen)

Jurastudium

in das Reichssicherheitshauptamt notdienstverpflichtet

ab September 1940 als Offiziersanwärter Mitarbeiter des Judenreferats der deutschen Sicherheitspolizei in Frankreich

Heinrichsohn organisierte 1942 im untergeordneten Rang eines SS-Unterscharführers in der Funktion eines Transportsachbearbeiters die Deportation zehntausender staatenloser und französischer Juden nach
Auschwitz. In Ergänzung einer Aufzeichnung einer Besprechung, die er mit dem französischen Präfekten Jean Leguay geführt hatte, notierte Heinrichsohn: Am Freitag, den 28. 08.1942 ist der 25000. Jude abgeschoben worden. Bei dieser Besprechung notierte Heinrichsohn auch, dass die Festnahmen des „September-Programms“ gemeinsam von „Polizei, Gendarmerie und Wehrmacht“ durchgeführt wurden. Als es bei dem Transport am 30. September 1942 zu Verspätungen kam, ließ Heinrichsohn, der regelmäßig die Abfahrt im Sammellager Drancy überwachte, auch den französischen Senator Pierre Masse in das KZ Auschwitz-Birkenau deportieren. Für den Transport Nr. 45 vom 11. November 1942 hatte Heinrichsohn 35 bettlägerige Personen hohen Alters aus dem Hôpital Rothschild ausgewählt, um die Zahl der Deportierten zu erhöhen.

ab 1943 Mitarbeiter des Kommandeurs der Sipo Kurt Lischka

nach 1945
Studium der Rechtswissenschaften in Würzburg

Rechtsanwalt in Miltenberg

1952 als CSU-Mitglied zum zweiten, ehrenamtlichen Bürgermeister seiner Wohngemeinde Bürgstadt gewählt
(seine 1946 geheiratete Ehefrau stammte aus Bürgstadt)

Am 7. März 1956 wurde er in Frankreich in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Da eine Verfolgung (und Verurteilung) durch die Alliierten formal eine Strafverfolgung in der Bundesrepublik Deutschland verhinderte, dauerte es bis 1975, bis dieses Prozesshindernis mit dem Überleitungsvertrag von 1971, gegen den Widerstand des FDP-Politikers Ernst Achenbach, ausgeräumt werden konnte. Als 1976 auf Initiative des französischen Historikers und Holocaustüberlebenden Serge Klarsfeld seine Beteiligung am Holocaust ruchbar wurde, gab er im Gemeinderat eine Ehrenerklärung ab, nicht mit einem in Frankreich gesuchten Gestapo-Agenten namens „Heinrichson“ identisch zu sein. Diese Ehrenerklärung wirkte nicht nur in der Gemeinde, sondern auch im Vorstand der CSU, dessen Generalsekretär Edmund Stoiber nicht mit Vorverurteilungen in ein schwebendes Ermittlungsverfahren eingreifen wollte.

Das Oberlandesgericht Bamberg erkannte 1977 die von Klarsfeld veröffentlichten belastenden Dokumente nicht an und wollte Heinrichsohn nicht die Zulassung zur Anwaltschaft entziehen.

Im brechend vollen Gasthaus "Adler" erkor der CSU-Ortsverband Burgstadt den einstigen SS-Kämpen am 6. Dezember 1977 für die Kommunalwahlen einstimmig wieder zum Bürgermeister-Kandidaten -- und der CSU-Kreisvorsitzende Henning Kaul versicherte den Parteifreund dabei der "Solidarität des Kreisverbandes".

1978 Wiederwahl mit 85 Prozent aller Stimmen.

Am 11.02.1980 in Köln wegen Beteiligung an den Judendeportationen nach Auschwitz zu 6 Jahren Haft verurteilt.
(Zunächst Freilassung gegen eine Kaution von 200 000 Mark, gestellt von Bürgern des Ortes Bürgstadt.)

Am 03. Juni 1982 wurde er auf Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vorzeitig entlassen, nachdem das Landgericht Bayreuth dies im März 1982 noch abgelehnt hatte, da die Zweidrittelfrist noch nicht abgelaufen war.

1987 wurde seine Reststrafe erlassen.

Eine Zeugin erinnert sich an Heinrichsohn:
Während meines Aufenthaltes im Lager wurden mehr als 5000 Kinder nach der Deportation ihrer Eltern in Viehwaggons geladen und nach Auschwitz transportiert. Ich habe ihren erbärmlichen Zustand nicht vergessen können, ich habe auch den Sadismus und die Brutalität des SS-Heinrichsohn nicht vergessen können, der sich in diesem Alptraum bewegte, schreiend, diese armen Kinder terrorisierend und auch diejenigen, die wie ich auf sie aufpaßten.