SS-Obersturmbannführer
* 19.03.1906 in Solingen
+ 01.06.1962 im Gefängnis Ramleh bei Tel Aviv
Eltern:
Eichmann Adolf u. Eichmann Maria geb. Schefferling
Geschwister
Otto Eichmann, Linz a/Donau, Bischofstraße 3, Oberösterreich
Dr. Robert Eichmann, Linz a/Donau Bischofstraße 3, Oberösterreich
Kinder
Klaus * Berlin 1936
Horst Adolf * Wien 1940
Dieter Helmut * Prag 1942
Ricardo Francisco * Buenos Aires 1955
Adolf Eichmann war das einzige Mitglied seiner Familie, das – weil zum Zeitpunkt des Erwerbs der österreichischen Staatsbürgerschaft durch seinen Vater bereits volljährig – Deutscher geblieben war
NSDAP Mitglieds Nu. 889 895
SS Mitglieds Nu. 45 326
1914
Nach dem frühen Tod seiner Mutter und der erneuten Heirat seines Vaters zog die Familie 1914 nach Linz a.d. Donau in die Bischofstraße Nr. 1 in Oberösterreich, wo sein Vater als kaufmännischer Direktor der Linzer Straßenbahn und Elektrizitätsgesellschaft tätig war und sich glaublich in den zwanziger Jahren pensionieren ließ um ein Elektrowarenunternehmen zu gründen.
Gar manche heimelige Weinstube lockte zur Einkehr und in ihren alten Gemäuern ließ es sich gut sitzen. Eine solche Weinstube kannte er, deren Existenz bis in das dreizehnte Jahrhundert zurückzuverfolgen war. Und der ,Gumpoldskirchner" schmeckte nach jedem Viertel besser auch ohne Schrammeln und Zigeunermusik. Man lebte im Phüakenland; eben in Oberösterreich. Und fuhr man auf den Postlingberg, das Wahrzeichen von Linz, dann war der erste Weg mit der kleinen Freundin, zu Meister Bugele, dem Obergärtner der herrlich schönen Gartenanlagen auf diesem Berg, mit seinen tausend oder mehr Rosenstöcken. Ihn um einen Strauß Rosen für die Angebetete zu bitten, war für diesen Meister der Blumen, Sträucher und Bäume stets große Freude, kannte er Adolf doch schon als kleinen Lausbuben, wenn er Samstags an der Hand seines Vaters, die Anlagen besuchte. Sein alter Herr hatte seinerzeit viel zur Hebung dieser Augenweide, welche damals zum Besitztum der Linzer Straßenbahn- und Elektrizitätsgesellschaft gehörte, getan und seinen Freund Bugele, zum Obergärtner dieses Paradieses bestellt.
Aus Eichmanns Aufzeichnungen
Meine erste Mutter starb sehr früh; mein Vater heiratete zum zweiten Mal. Er mußte es, denn wir waren fünf kleine Kinder und es gab mit den Wirtschafterinnen, Köchinnen und Stubenmädchen, die in einer zweijährigen ,mutterlosen" Zeit den Haushalt meines Vaters zu führen hatten viel Ärger. Wie es schon so geht.
Mit der zweiten Mutter, die selbst keiner jüdischen Familie entstammte, kam aber jüdische Verwandtschaft in unsere Familie. Tanten, Onkel, später Cousinen. Wenn man klein ist, dann wächst man automatisch in seine Umgebung hinein. Unsere Familie, nicht nur die engere, ich meine die gesamte Sippschaft, gehörte zu den seltenen Familienverbänden, von denen man behaupten konnte, das niemand dem anderen seine Wässerchen trübte. Es war ein fröhliches, herzliches Verbundensein ohne Arglist, Lug oder Trug. Egal, ob Jude, jüdisch versippt oder Nichtjude.
Meine Eltern und damit meine Familie war weder judenfreundlich, noch judenfeindlich. Das Problem als solches, war eben ein völlig Familienfremdes gewesen; es stand niemals in irgend einer Form zur Debatte. Mein alter Herr selbst hatte u.a. auch Juden zu Freunden.
Wären es keine Juden gewesen, wären sie auch befreundet gewesen. Mein Vater kümmerte sich um diese Dinge ebenso wenig, wie etwa, was es am Abend zu essen gäbe. Ich erinnere mich noch des jüdischen Hopfenhändlers Taussig aus Urfahr bei Linz. Ich glaube es war der Nachbar unseres damaligen Gartens am Hang des Pästlingbergs. Und wir Kinder kamen zur Erdbeerzeit aus unserem Garten in Taussig`s Gehege und schnabelten dort, mit seinem Einverständnis und
Einladung, allmählich die Erdbeerbeete leer, nachdem unsere schon längst von
uns Kindern abgeerntet waren.
Ich war noch ein sehr kleiner Lausbub, aber ich erinnere mich zu genau, eines anderen jüdischen Freundes meines Vaters, der mir, war er Gast meiner Eltern, auf dem Flügel stets sehr feurig die Marseillaise vorspielte und vorsang ,Allons enfants de la patrie". Er war gebürtiger Franzose, aber längst naturalisierter Österreicher. In der Volksschule kam ich neben einem Juden zu sitzen; wir wurden Freunde. Ich in seinem Elternhaus, wie das schon so geht, er in dem meinen. Die Freundschaft hielt eigentlich lange an. Genau gesagt, bis wir uns aus den Augen verloren, durch meinen Abgang von Linz a/Donau, im Jahre 1933.
Eingemale trafen wir uns auch auf der Reise, letztmalig in Grünau im Almtal, bei einem Raseur. Es machte ihm offenbar nichts aus, das ich das Abzeichen der NSDAP angesteckt hatte und mir machte es nichts aus, das er Jude war. Im Gasthof tranken wir unser Getränk und kümmerten uns den Teufel ob Jude oder Nichtjude. Mein Religionslehrer, der evangelische Pfarrer Tiebel in Linz, ein Junggeselle aus Ostpreußen, erzählte uns während des Religionsunterrichts oftmals von seinem Amtsbruder - wie er ihn nannte - dem Rabbiner. Noch als SS-Obersturmbannführer, küsste ich sehr herzlich meine halbjüdische Cousine, die mich mit ihrem Vater in Berlin auf meiner Dienststelle besuchte und man brach am Abend in einer netten Weinstube in Berlin, einigen netten Flaschen den Hals. Und warum sollte ich meine bildhübsche zwanzigjährige halbjüdische Cousine nicht küssen, sagte ich zu meinem ,ständigen Vertreter", dem SS-Sturmbannführer Günther; so was kann doch unmöglich Reichsverrat sein. Er hatte diesbezüglich strengere Auffassungen.
In Budapest hatte ich auch entfernte Verwandte sitzen. Meine dortige Cousine, eine Psychiaterin, war mit einem jüdischen Schuhindustriellen verheiratet, von dem sie aber geschieden war und just um die Zeit, als ich 1944 nach Budapest befohlen wurde, war sie mit einem jüdischen Dozenten an der Universität Budapest, verlobt. Gemeinsam tafelten wir zu Abend. Meine Tante, meine Cousine, ihr jüdischer Verlobter und ich in der Uniform eines SS-Obersturmbannführers. So, wie es mir mit den Juden in der Verwandtschaft meiner zweiten Mutter erging, ähnlich erging es mir mit der Verwandtschaft meiner Frau bezüglich der Tschechen.
1925 bis Juni 1933
Verkaufsbeamter der ,Österreichischen Vacuum Oil Company A.G.", Filialdirektion Linz und Salzburg, bis ihm die Firma 1933 wegen seiner rechtsradikalen Neigungen kündigte.
Juli 1933
im August 1933 „zwecks militärischer Ausbildung“ ins Lager Lechfeld bei Augsburg beordert
Oktober 1933
SS-Verbindungsstab in Passau
Januar 1934
bei der österreichischen SS im Lager Dachau
01.10.1934
Referententätigkeit im SD-Hauptamt Berlin, Referat II 112 ("Referat Juden"). Eichmann informiert sich über Mittel und Wege, die erzwungene Emigration der jüdischen Bevölkerung zu forcieren. Er erwirbt oberflächliche Kenntnisse des Hebräischen und Jiddischen und nimmt Kontakt mit Zionistenführern auf.
Als er in das SD-Hauptamt versetzt wurde, gab es dort überhaupt noch kein Referat und keinen Sachbearbeiter, der sich mit Juden zu beschäftigen hatte. Dies war erst im Laufe des Jahres 1936 der Fall.
Aus Eichmanns Aufzeichnungen
an einem sonnigen Herbstmorgen 1934 kam ich von dem ersten Bataillon des Regimentes SS 1 nach Berlin, zum SD-Hauptamt versetzt, am Anhalter Bahnhof an. Nach durchfahrener Nacht war eine kleine Erfrischung sehr wichtig und brauchbar. Ich begab mich in einem, dem Bahnhof gegenüberliegenden, Friseurladen und ließ mir nach erfolgter Rasur, heiße Kompressen auf`s Gesicht legen, um die Übernächtigkeit zu verscheuchen. Und schlenderte sodann in eine ,Aschingerkneipe", gleich neben dem Friseur. Einige Mollen Helles und ebensoviele Schnäpslein, dazwischen ein ordentliches Gulasch mit frischen, knusprigen Brötchen, waren just das richtige Frühstück für einen Unteroffizier in der SS-Verfügungstruppe, der Vorläuferin der späteren Waffen SS. Als solcher hatte ich mich freiwillig zum Sicherheitsdienst des Reichsführers SS, gemeldet. Sicherheitsbegleitpersonal für die Götter. Warum auch nicht; ich stellte es mir sehr interessant vor. Erst später sollte ich draufkommen, daß ich einem Irrtum zum Opfer gefallen war. Das Begleitpersonal für die GöttVorläufig ahnte ich aber noch nichts. Vorläufig suchte ich ein Kaffeehaus. Kaffee war für alles gut. Gut zum dösen, gut um den Geruch von Aschingers Biermollen zu töten und bei der Truppe benutzten wir ihn Jahr und Tag zum Fleckenputzen an unseren schwarzen Uniformen. Freilich, zum Exerzierdienst hatten wir feldgrau oder was am lustigsten war, hellgraue bis fast an das Weißliche grenzende Drilliche, welche leicht schmutzten.
Mit souveräner Unteroffiziersruhe im Bauch, begab ich mich nun zu der mir befohlenen Dienststelle, ein Palais in der Wilhelmstraße 102, um mich zum Dienst zu melden. Ob ich verheiratet oder ledig sei. Dies war die erste Frage, die mir der Offizier vom Dienst stellte. Ledig. Natürlich, meine Braut war ja in Südböhmen, und an eine Heirat wegen meiner vorübergehenden Verhinderung im Augenblick nicht zu denken. Ledige sind kaserniert; wenn Sie heiraten, können Sie draußen wohnen, gab man mir zur Antwort.
Na schön dachte ich mir, irgendwo muß der Mensch ja hingehören. Zu den Eltern, in die Kaserne oder zur Ehefrau. Der Sicherheitsdienst des Reichsführers SS, war etwas ganz anderes. Also ging ich zum Kammerbullen. Bisher hatten wir Unteroffiziere stets so eine Art stillschweigend geduldeter Ordonanzen zur persönlichen Dienstleistung zur Verfügung gehabt; je vier Unteroffiziere eine Ordonnanz. Er trank frei, rauchte frei auf unsere Kosten und hatte seine vier Unteroffiziere zu Freunden, die ihn gegen Tod und Teufel verteidigten, fraß er etwas gegen das Dienstreglement aus. Außerdem hatte er nur allerleichtesten Exerzierdienst. Aber meistens verstand er es, sich sogar von diesem zu drücken.
Hier aber schmiss mir der Kammerbulle meine blauweißkarrierten Bettklamotten an meinen persönlichen Kragen; Decken und Leintuch folgten und dann damit auf die Stube.
Was dann noch an Kramzeug mehr war, war der übliche Kasernenzinober, war altbekannt und nichts Neues. Nachmittags wurde ich vereidigt. Zwar hatte ich beim Tode des Reichspräsidenten Generalfeldmarschall von Hindenburg den Fahneneid auf Führer, Reichskanzler und Vaterland geleistet; jetzt also nochmal, aber in einer anderen Form; mit der Geheimhaltungsverpflichtung.
Mich hatte es an sich schon mehr als stutzig gemacht, als ich zwecks Eidesleistung im Dienstanzug mit Stahlhelm, zu einem SS-Offizier geführt wurde und dabei einige Museumähnliche Räume durchschreiten mußte, auch sah ich einen Sarg in einem dieser Räume stehen, mit großer Glasplatte, indem ein menschliches Gerippe lag, aber ich hatte zu sehr auf meine Füße zu achten, denn meine schweren Stiefel vertrugen sich nicht mit dem glatt gewichsten, glänzenden Fußboden und bei Kurven hatte ich Mühe nicht auszurutschen.
Merkwürdig dachte ich mir; alles sehr merkwürdig. Aber möglicherweise war der Stab in einem Museum untergebracht, ging es mir durch den Sinn. Man fand die Dienststellen in jener Zeit ja an allen Ecken und Enden, wo man sie nie vermutet hätte. Außerdem kam ich von der Truppe und hatte mich um solchen Kram nicht zu kümmern. Behandelt wurde ich ohnedies, als sei ich Rekrut, der eben erst frisch eingezogen war. Und es ist erstaunlich, zu welchem Maß an Leiden, einem eingedrillter Kadavergehorsam mit einem gehörigen Schuss Idealismus gepaart, fähig macht. Natürlich muß es jedem rechtschaffenen Unteroffizier schwer, sehr schwer fallen, wenn er im Verein der elf weiteren Stubengefährten, mit denen er zusammenwohnte, von denen nur zwei, ebenfalls gediente Unteroffiziere waren, der Rest aber eine Kaserne höchstens vom Hörensagen kannte - allenfalls, auf Grund eines ,Schnellsiederkurses" von acht Wochen, - Samstag für Samstag den Boden zu schruppen, die Hocker und Tische zu scheuern hatte und im Spind nach einer anderen, neuartigen Ordnung die Klamotten zu legen kamen. Und sich dabei von einem Feldwebel der ,allgemeinen SS" also zivilen SS, der ebenfalls als ,Waffenträger der Nation" seine Dienstzeit noch nicht einmal angefangen hatte, sondern seinen Rang in dem SD, von der allgemeinen SS, also Zivil SS, mitbrachte, kommandieren zu lassen, wobei ihm seine herzliche Genugtuung, es den ,Herrn Unteroffizieren von der Truppe" einmal ,geben" zu können, auf tausend Meter Entfernung, anzumerken war. Es war auch keine Freude, frühmorgens im Park des Palais, zum Exerzieren anzutreten. Nicht des exerzieren Wegens; dies war im Gegenteil noch das einzig erfreuliche an dem ganzen Dienstbetrieb. Nein, das Wurmende und der nagende Zorn kam daher, daß Hanswürste denen selbst die Bedienung an einem Maschinengewehr fremd war, Sonntagsexerziermeister der allgemeinen SS also, uns hier die ”dümmsten und blödesten Bewegungen machen ließen; wir drei Gedienten der ,Stube zwölf", wurden durch diese Taktik zwar bis an den Rand unserer Geduld getrieben; aber wir parierten; wir gehorchten.
Nach wenigen Tagen kam ich dahinter, daß ich an der verkehrten Stelle gelandet war, und ein Abgang zum Reichssicherheitsdienst, nicht gestattet wurde. Jetzt war der Galeerensträfling fertig. Mit unsichtbaren Ketten fühlte ich mich an einen Karteitrog angebunden und hatte die Aufgabe, im Verein mit einem halben Dutzend anderer Kameraden, die Freimaurerkartei, aus Zehntausenden von Karteikasten bestehend, zu schreiben, zu ordnen und einzuordnen.
Der schwerste Kampf, der in diesen Tagen auszufechten war, war der Kampf gegen den Schlaf. Man wird einwerfen, ja großer Herrgott, wenn ich irgendwo gegen mein Wollen mit einer Arbeit, welche mir gegen den Strich geht, als freier Mensch, eingespannt werden soll, da macht man einfach Schluß damit, oder man ist ein Waschlappen, dem eben nichts besseres gebührt. Kaserne na ja, gut und schön; da hat man zu gehorchen, das weiß ein jeder.
Aber in einer Kanzlei, in einem Amt, da hau ich einfach auf den Tisch, sage meine Meinung und wetze aus dem Tempel raus. Noch dazu wenn man inzwischen ein Kerl von 28 Jahren geworden ist. Genau dieselben Gedanken hatte auch ich um jene Zeit und mit mir eine Anzahl meiner Stubengefährten.
21.03.1935
am 21. März 1935 heiratet er Vera Liebl (* 1909 in Ceské Budejovice)
(Die Trauung fand in der evangelischen Kirche zu Passau statt; in Uniform)
das Paar hat vier Söhne
Klaus * Berlin 1936
Horst Adolf * Wien 1940
Dieter Helmut * Prag 1942
Ricardo Francisco * Buenos Aires 1955
Bis der Möbelwagen meiner Frau aus der Tschechoslowakei nach Berlin kam, und die Zoll- und sonstigen Formalitäten erledigt waren, wohnten wir - es waren etwa drei Wochen - in einer Pension und bezogen dann ein nettes, kleines, Einstock hohes Einfamilienhäuschen mit Garten, in dem es sich ruhig und gemütlich leben ließ. Tagsüber schob ich meinen Dienst, mit der Gleichförmigkeit eines Uhrwerks und Abends und Wochenende arbeitete ich im Garten oder wir rekognoszierten und inspizierten in Berlin und nähere Umgebung herum.
Ich ließ mir über einen Kameraden manches Fäßlein guten Pfälzerweines aus seinem Heimatgau kommen. Und je nach Witterung und Jahreszeit, verdrückte ich manches Tröpflein unter dem Schatten einer japanischen Blutbuche oder innerhalb des geschmackvollen Mobiliars, dem Ausstattungsgut meiner Frau, im Living. Ab dem Augenblick der Dienst für mich vorbei war, ließ ich die Götter sein, wo sie waren und mein ausschließliches Interesse galt dem familiären
Beisammensein.
Meine dienstliche Tätigkeit war auch - wie ich zu sagen pflegte - zum Knochenkotzen. Tausende von Freimaurersiegeln und Münzen mußte ich katalogisieren und einordnen; meine kümmerlichen, allerletzten Lateinreste feierten in jener Zeit noch einmal fröhliche Urständ. Mein Chef war ein dienstgradgleicher, verbummelter Student an der Berliner Universität und selbst Berliner; ungedient und nie bei der Truppe gewesen; aus der zivilen, bzw. allgemeinen SS, kommend.
1936
1936 sprach mich SS-Untersturmführer Leopold von Mildenstein an, der seit kurzer Zeit ebenfalls im SD-Hauptamt tätig war. Er hatte eine Judenabteilung eingerichtet und suchte nun Personal, um seine Sachgebiete zu besetzen. Er erzählte mir, das er Diplom Ingenieur von Beruf sei, in Palästina gewesen wäre und nun noch einen Sachbearbeiter benötige, ob ich Lust hätte. Ich hatte Lust.
Ich hätte alles angenommen um jene Zeit, wenn ich dadurch nur von meinen verdammten Münzen und Siegeln, die mir schon beim Halse heraushingen, fortgekommen wäre.
Und so kam ich fort.
Die Abteilung hieß II 112; der Hauptabteilungschef blieb derselbe wie bisher, infolgedessen war die Personalabteilung des SD-Hauptamtes nicht erst groß zu befragen, sondern es brauchte ihr lediglich eine formlose Ordnungsmeldung gemacht werden. Leopold von Mildenstein hatte sich die Bearbeitung der Zionisten vorbehalten, ich hatte die jüdische Orthodoxie und ein dritter Mann die Assimilanten zu bearbeiten.
Dazu kamen noch drei Hilfskräfte, als Schreiber und Aktenschieber. Leopold von Mildenstein leitete das Ganze.
Meine erste Tätigkeit in diesem neuen Laden, war das Lesen eines Werkes von Adolf Böhm. Es war eine ausführliche Schilderung des Wirkens und Wollens der Zionistischen-Weltorganisation.
Ich sollte eine Kurzdarstellung des Inhaltes herausarbeiten.
Dies war meine erste bewusste Kontaktaufnahme mit dem Judentum. Mildenstein war ein liberaler und toleranter Geist; fern allem Fanatismus, Mystizismus und Radikalismus; und aus der Znaimer Gegend, aus Mähren, stammend; er war stets freundlich, ruhig, und hatte ein mildes Gemüt. Er sah die Judenfrage nicht vom rassischen und nicht vom religiösen Standpunkt, sondern einzig und alleine von der politischen Warte aus. Er war mein erster und zugleich mein bedeutendster Meister und Lehrer auf diesem Gebiet und seine Anschauungen von den Dingen habe ich mir zu eigen gemacht, da sie mich beeindruckten und überzeugten. Ich habe diese Anschauung bis zum Ende beibehalten.
Leider schied von Mildenstein bereits nach einigen Monaten aus. Er war einer der wenigen, dem es gelang. Freilich, sein Beruf kam ihm dabei zu Hilfe, sonst wäre es sicher nicht gegangen. Er war Straßenbaufachmann; als solcher erhielt er den Befehl, in Nordamerika die Autobahnen zu studieren. Als er von seiner Studienreise zurückkam, wurde er von irgend einem anderen Ministerium vereinnahmt, da um jene Zeit der Reichsautobahnbau, mit aller Macht vorangetrieben werden mußte. Seine Stelle als Abteilungsleiter übernahm ein junger Mann, der aber bereits nach kurzer Zeit zum Militär eingezogen wurde und mit der übernahme der Judenabteilung im SD-Hauptamt durch Wisliceny, und später durch Six kam auf längere Zeit eine gewisse Stabilität in den Laden. Es wechselten dann in der Folgezeit kurz hintereinander die Abteilungsleiter. Jeder hatte sein eigenes System, soeben als gültige Norm von sich gegeben, schon war er wieder abgelöst und ein anderer trat an seine Stelle. Schließlich übernahm Prof. Dr. Six die Zentralabteilung und setzte einen seiner Vertrauten als Leiter der Abteilung ,Judentum", ein. Es wurde im Laufe dieser Zeit mit der Anlage von Sachakten begonnen, eine Sachkartei wurde aufgestellt, eine Generalaktenhaltung aufgezogen und laufende Berichterstattung für die Vorgesetzten, bildete die Hauptarbeit, der wir nachzukommen hatten. Dem Berichterstattungswesen, waren alle anderen Arbeiten unterzuordnen.
26.02.1937
Aus dem Führungsstab der "Haganah", der jüdischen Selbstschutzorganisation in Palästina, traf in Berlin der Offizier Feisel Polkes ein und wurde von Eichmann am 26.Februar 1937 im Berliner Weinrestaurant „Traube“ eingeladen. Ihm gehe es darum, sagte Polkes zu Eichmann, die jüdische Einwanderung nach Palästina zu verstärken. Aus diesem Grund wolle er mit der SS kooperieren.
18.06.1937
Unter dem Aktenzeichen II/112/10-1 verwendet sich seine vorgesetzte Dienststelle am 18. Juni 1937 dafür, dem SS-Hauptscharführer Eichmann die "Unterrichtserteilung (Hebräisch zu lernen) durch einen Rabbiner" zu genehmigen und "die hierzu notwendigen Mittel (pro Stunde ca. 3 RM) zu bewilligen". In der Begründung dieses für SS -Männer gewiß außergewöhnlichen Begehrens wird darauf verwiesen, wie nützlich es wäre, wenn zumindest ein Angehöriger des SD hebräisch verstünde. Der Reichsführer SS Himmler, dem das Gesuch vorgelegt wurde, fand jedoch wenig Gefallen an der Idee, daß einer seiner Getreuen bei einem Juden in die Schule gehen solle. Er lehnte ab, und Eichmann lernte ohne Rabbi weiter.
Herbst 1937
Austritt aus der Kirche
Ich war jedenfalls schon seit einer kleinen Ewigkeit Hauptfeldwebel, trat ich ohne Druck oder Zwang, aus freien Stücken und in voller Überlegung aus dem evangelischen Religionsverband aus und bezeichnete mich ab dieser Zeit, als ,gottgläubig". Daran hat sich bis heute nichts geändert. Ich wurde weder ein Kirchenfeind, noch war ich je antiklerikal. Ich sah die Notwendigkeit religiöser Gemeinschaften aus ethischen und aus Gründen der Erziehung als wichtig an, aber ich wollte frei und ohne kirchliche Bindung im Verkehr zwischen meinem Herrgott und mir sein. Außerdem widerte mich der seinerzeitige Kampf innerhalb der evangelischen Kirche so an, das ich nichts mehr von ihr wissen wollte. Die eine Seite war Feuer und Flamme für die neuen Götter und ihr Tun; die andere Seite bekämpften sie auf Tod und Teufel.
Nicht die Tatsache des Kampfes gegen den damaligen Staat selbst war es, der mich zur Distanzierung zwang, als vielmehr die Überlegungen, das es kaum göttlichen Wünschen entsprechen mochte", wenn seine verordneten Diener sich derart eifernd und gegenseitig verunglimpfend, in irdische Belange einließen und sich gegenseitig ,in die Wolle" bekamen. Hinzu kamen meine Zweifel in Glaubensmäßiger Hinsicht, die ich an anderer Stelle noch einmal streife. Da lobte ich mir damals die römisch-katholische Kirche; sie holte ihren Wertmaßstab erst gar nicht aus der Kiste. Sie war gewohnt in Jahrhunderten zu denken, zu messen und zu wägen. Wäre ich damals Katholik gewesen und nicht Protestant, ich wäre stur als solcher im Kirchenverbande geblieben. Man hatte sich ja schon seit drei langen Jahren daran gewöhnt gehabt, das ich einer der ganz wenigen, wenn nicht der einzige war, der hier so lange stur blieb. Freilich muß ich einschränkend hinzufügen, das ich auf der anderen Seite aber auch in keiner Form etwa missionierend oder sonst irgendwie predigend tätig geworden bin.
Solches hätte ich nie und nimmer getan. Ich verteidigte ausschließlich meine eigene persönliche Stellung zu den mir anerzogenen Werten und Überlieferungen; bis auf den Tag, an dem ich aus eigener Erkenntnis, die Dinge in einer mich innerlich befriedigenderen anderen Helle sah.
September 1937
Im September 1937 erhielt Eichmann den Auftrag, zusammen mit seinem damaligen Vorgesetzten Herbert Hagen nach Palästina zu reisen. Zweck dieser Reise war es, Verbindung mit jüdischen und arabischen Politikern aufzunehmen, wohl um die Möglichkeiten einer forcierten Auswanderung deutscher Juden nach Palästina zu sondieren. Die britische Mandatsmacht verweigerte den beiden als Journalisten getarnten SS-Männern jedoch die Einreise, so daß ihre Nahostreise erfolglos in Kairo endete.
Immerhin scheint sich Eichmann in diesen zwei Tagen heftig amüsiert zu haben: Später jedenfalls brüstete er sich immer wieder seiner Eroberungen jüdischer Mädchen („Im Ausland gelten ja die Nürnberger Gesetze nicht, ha-ha-ha!“). Sein Vorgesetzter aber attestierte ihm in einer Beurteilung vom 17. September 1937: „Eichmann hat sich eine umfassende Kenntnis der Organisationsformen und Weltanschauung des Gegners Judentum angeeignet.“
1938
Die Referenten im SD-Hauptamt, erhielten Anfang 1938 von unserem Abteilungsleiter die Weisung, Material für eine Denkschrift zusammen zu stellen, in der darzulegen sei, das die Judenfrage auf der augenblicklichen Basis nicht zu lösen ist, wegen finanzieller Schwierigkeiten usw., und das man daran herantreten müsse, eine außenpolitische Lösung zu finden, wie sie bereits zwischen Polen und Frankreich verhandelt wurde.
Eichmann schrieb damals folgendes:
1.) ,Das Ergebnis der Volkszählung abwarten."
2.) ,In 10 Jahren gibt es in Deutschland bei gleichbleibender Tendenz nur noch etwa 60.000 Juden."
(Unter gleichbleibender Tendenz verstand Eichmann die stagnierende Haltung des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die Auswanderung von Juden, in Verbindung mit der Verproletarisierung der Juden, durch die gesetzgeberische Tätigkeit der hierfür zuständigen Zentralinstanzen.)
3.) ,Wenn die mittellosen Juden abgewandert sind kommen die Kapitalisten an die Reihe, die durch wirtschaftliche Maßnahmen bis dahin langsam entkapitalisiert sein können, mit Hilfe von Stapomaßnahmen."
(Darunter war zu verstehen, die von der Geheimen Staatspolizei in jener Zeit durchgeführten Beschlagnahmen und Einziehungen der Vermögenschaften).
So war der Status, so wurde es praktiziert. Es war die Katze, die sich ewig im Kreise drehend in ihren eigenen Schwanz biß.
Eichmann schrieb dann weiter als Vorschlag:
,Sie ist ferner dann zu lösen, wenn dem SD-Hauptamt keinerlei Hemmungen auferlegt werden"; und Eichmann nahm als Beispiel ein gerade in jenen Tagen aufgetretenes Problem im Hinblick auf das Jugenderziehungsclearing. Eichmann lebte damals gerade im Kampf mit den wirtschaftlichen Einschränkungen, welche den Juden auferlegt wurden, worunter auch die Auswanderungshemmenden Devisenvorschriften zählten.
Eichmann vertrat den Standpunkt der ,arme" Jude will genau so gerne und so schnell auswandern wie der ,reiche" Jude. Einem jeden war es lieber, je schneller, desto besser; nämlich das Ausland zu gewinnen. Und an sich wollte es ja auch die Reichsregierung. Sei es aus Neid oder Knickrigkeit, sei es aus Dummheit oder Unverständnis, oder aus blindem Hass, die meisten dieser Stellen förderten diese Auswanderung nicht, sondern hemmten sie; bewusst und unbewusst.
Was nutzte es, in Fragen des Jugenderziehungsclearings devisentechnische Schwierigkeiten zu machen, die obendrein meistens nur formeller und rein Paragraphen mäßiger Natur waren? Weder dem Deutschen noch dem Juden war dabei gedient.
Und warum mußte das Reich dem reichen Juden das Geld abnehmen, und dem Reichsfiskus einverleiben, anstatt mit einem Teil dieses Geldes die Auswanderung zu finanzieren. Natürlich - so dachte Eichmann - sollte der ,reiche" Jude mehr bekommen, denn es war ja sein Geld, aber ein Teil seines Geldes sollte er zwecks Finanzierung der jüdischen Kultusgemeinden und der Finanzierung der Auswanderung vermögensloser Juden zur Verfügung stellen.
Denn eine Auswanderung war teuer. Reisekosten, Vorzeigegeld usw. An Stelle eines zehn Jahre langen elenden Dahintreibens, konnte nach Eichmanns Idee eine Auswanderung zügig und flott in die Wege geleitet werden und die Juden dergestalt im Besitze ihrer Gesundheit und physischen Kraft neues Land betreten.
Einen durch jahrelanges, zermürbendes Warten krank Gewordenen, nahmen die Einwanderungsländer ohnedies kaum auf. Nein, so wie dies damals praktiziert wurde ging es nicht; und Ribbentrop irrte hier sehr, obgleich er Reichsaußenminister war, und es hätte wissen sollen. Bei jedem Reisebüroinhaber hätte er sich dieserhalb besser informieren können, als bei seinen Legationsräten und Unterstaatssekretären.
Außerdem schlug Eichmann in diesem Lösungsvorschlag als letzten Punkt, allmonatliche Besprechungen in dieser Angelegenheit zwischen allen an der Sache beteiligten Stellen vor, damit das hemmende Gegeneinander innerhalb der Behörden in Fortfall käme und schließlich Zurverfügungstellung von Ländereien für die Juden, und setzte dazu in Klammer, das Wort ,Madagaskar". Aber all dies war hoffnungslos, bei der Sturheit der deutschen Bürokratie. Eichmann will nicht einmal sagen deutsche Bürokratie, eine jede Bürokratie ist egal welche, gleich stur. Nur die Nachrichtendienste aller Länder neigen eher zur Beweglichkeit; es liegt in der Natur ihrer Aufgabe.
Auch das SD-Hauptamt war um jene Zeit noch lange nicht so verbürokratisiert, wie es später werden sollte. Natürlich verlangt eine jede Behördenarbeit ihr Maß an Schematismus, dies ist klar; aber er dürfte keinesfalls zum Selbstzweck ausarten.
Frühjahr 1938
Kurze Zeit nach der ,Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich", wurde Eichmann nach Wien versetzt, um dort als Referent des SD-Oberabschnittes ,Donau", die Auswanderung der Juden lenkend zu betreiben.
Es war Frühjahr 1938.
Aber was sah er, als er nach Wien kam; ein zerschlagenes jüdisch-organisatorisches Gebilde. Von der Geheimen Staatspolizei geschlossen und versiegelt. Die jüdischen Funktionäre saßen in Haft. Die Juden wollten auswandern, aber keiner kümmerte sich um sie. Sie wurden von Behörde zu Behörde geschickt. Standen halbe Tage lang und mehr Schlange, und mußten dann hören, das diese Stelle seit gestern nicht mehr für ihren Fall zuständig wäre.
Systemlos, ordnungslos; das Resultat war Verdruss, Ärger und Verstimmung auf beiden Seiten, wenn nicht noch Ärgeres.
Als erstes hielt Eichmann den Assessoren und Regierungsräten der Staatspolizeileitstelle Wien, Vorträge, wie sie am besten jede Auswanderung behindern und verhindern können. Darüber war nicht viel mehr zu sagen als wie: ,gleichbleibende Tendenz". Dann entwickelte Eichmann ihnen seinen von seinen Vorgesetzten genehmigten Plan. Enthaftung der jüdischen Funktionäre, Wiedereröffnung all jener jüdischen Organisationen, soweit sie der Auswanderung dienlich waren.
Ferner die Genehmigung einer jüdischen Zeitung in welcher alles Wissenswerte über die Auswanderung und der damit verbundenen Dinge zu lesen war. Auftreibung von Reichsmarkbeträge zur Anfangsfinanzierung der jüdischen Organisationen, Einstellung von Hilfskräften und Errichtung jüdischer Wohlfahrtsstellen zwecks Betreuung der Kranken und Alten. Als Eichmann das jüdisch-organisatorische Leben so in Gang gebracht hatte und bei der Geheimen Staatspolizei - Wien, auf Verständnis bezüglich der ,neuen Linie" traf, da bewarb er sich um eine freigewordene Abteilungsleiterstelle beim SD-Unterabschnitt in Linz a/Donau. In dieser Stadt wohnten seine Eltern, dort war er aufgewachsen. Nach dorthin wollte er nun wieder zurück.
Freilich, es war die unterste Instanz innerhalb des Gebildes des Sicherheitsdienstes, aber er wäre wieder zu Hause gewesen und wer weiß, vielleicht hätte er wegen der übernahme des elterlichen Geschäftes die Genehmigung bekommen, seinen Dienst eines Tages zu quittieren. Schicksal. Eichmann betonte später immer, es kann niemand über seinen eigenen Schatten springen. Denn sein Chef in Berlin Prof. Dr. Six hatte von seinem Vorhaben Kenntnis erhalten und so schrieb er am 16. Mai 1938 seinem damaligen Vorgesetzten, dem SS-Oberführer Naumann nach Wien, das Eichmann keinesfalls von Wien fortzugehen habe, da er ihn, falls er in Wien nicht bleiben wolle, notfalls durch den Chef des SD -Hauptamtes, wieder nach Berlin zurückversetzen lassen würde. Eichmann hatte also befehlsgemäß in Wien zu bleiben. Die Einschränkungen, denen die Juden unterworfen wurden, wurden immer fühlbarere. Das Amt des Reichskommissars für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich war fleißig tätig, auch auf dem Sektor ,Juden", Verordnung um Verordnung herauszugeben.
Die Behörden behandelten die Juden gelinde gesagt schroff und unsachlich, gemäß den von höheren Orten ergangenen Weisungen, sodass der seine Auswanderungspapiere komplett machen Wollende, hier nie auf einen grünen Zweig kam. Denn ein Teil der Dokumente, wie zum Beispiel die ,Steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung" hatte lediglich eine Laufzeit von sechs Wochen, nach der sie ungültig wurde und die Schlangensteherei zur Erlangung einer neuen Bescheinigung, von vorne angefangen werden mußte. Dazwischen aber wurden dann wieder andere Papiere ungültig, so das es einer Schraube ohne Ende gleichkam.
08.05.1938
Eichmann berichtet seinem Freund und Vorgesetzten Herbert Hagen wie er die Wiener Juden kontrolliert
19.07.1938
In den Personalakten der SS wird der Chef des Amts IV B 4 (Judenfragen) der Abteilung Inneres beim Reichssicherheitshauptamt am 19. Juli 1938 von seinem Vorgesetzten als selbstbewußter, korrekter SS-Mann geschildert. Rassisches Gesamtbild: "nordisch-dinarisch"; besondere Fähigkeiten: "Verhandeln, Reden, Organisieren". SS-Mitgliedsnummer: 45 326; NSDAP-Mitgliedsnummer: 899 895.
14.09.1938
Eichmann unterrichtet das Sicherheitshauptamt in Berlin über die Vertreibung mittelloser Juden aus Wien
21.10.1938
Eichmann meldet dem SD-Hauptamt in Berlin, dass täglich 350 Juden aus Österreich auswandern
09.03.1939
In einer Aktennotiz von Dr. Löwenherz vom 09. März 1939 heißt es:
Der Leiter des Palästina Amtes erhielt den Auftrag einen Bericht über die Möglichkeit der Errichtung einer landwirtschaftlichen Hachscharah (Umschulung) auf dem Gute Markhof zu erstatten und darauf hinzuweisen, welche staatlichen und Parteistellen, für und gegen die Errichtung dieser Hachscharah sind.
In demselben Aktenvermerk von Dr. Löwenherz und Dr. Rottenberg heißt es dann weiter: ,Herr SS-Hauptsturmführer Eichmann erklärte sich bereit, die Gebeine Herzl' s zwecks Überführung nach Palästina freizugeben, jedoch unter der Voraussetzung, das aus diesem Anlaß die jüdischen maßgebenden Organisationen neue Einwanderungsmöglichkeiten für 8.000 Personen aus der Ostmark verschafft werden, und beauftragte die Gefertigten, diesbezüglich gelegentlich ihrer Anwesenheit im Auslande, die erforderlichen Verhandlungen zu führen."
Natürlich konnte Eichmann hier nicht selbst freigeben. Wie jedermann weiß, sind für solche Exhumierungsgenehmigungen viele Wege bei den hierfür zuständigen Behörden erforderlich. Und um jene Zeit der ,Nachreichskristallnacht", hatte auch Eichmann bei den verschiedensten Behörden, in allen Dingen wenn es sich um Juden handelte, große Schwierigkeiten.
10.03.1939
Eichmann gibt zu bedenken, dass die rechtliche Diskriminierung der Israelitischen Kultusgemeinde Wien Deviseneinbußen zur Folge hätte
24.06.1939
Eichmann berichtet Reichskommissar Bürckel in Wien über die Entwicklung der Emigration
27.06.1939
Eichmann denunziert gegenüber dem Sicherheitsdienst Wien einen Direktor des Dräger-Werks, weil dieser Mitleid mit Juden bekundet hat
28.07.1939
Mitte 1939 erhielt Eichmann den Befehl nach Prag zu fahren und sich bei dem dortigen Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD, zu melden. Es sollte das Spiegelbild der ,Zentralstelle für jüdische Auswanderung, Wien", aufgezogen werden. Genau war es der 28. Juli 1939, an dem Eichmann in Prag in der Zentralstelle zu arbeiten anfing. Bis dahin gab es noch keine einheitlich geregelte Auswanderung. Wer von den Juden auswandern wollte, mußte sich die notwendigen behördlichen Dokumente selbst beschaffen. Damit ging er zur Durchlassscheinstelle der Geheimen Staatspolizei, die darüber entschied, ob dem Betreffenden die Auswanderung genehmigt wurde oder nicht.
Nach Errichtung dieser ,Zentralstelle für jüdische Auswanderung Prag", wurde der jüdischen Kultusgemeinde Prag übertragen, dafür zu sorgen, das die auswandernden Juden die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllten. Der Durchlassschein, der zum Verlassen des ,Protektoratsgebietes" berechtigte, wurde nunmehr von dieser Zentralstelle ausgegeben. Es waren eine große Anzahl Dokumente notwendig, um in jener Zeit in das Ausland auswandern zu können und Eichmann gibt nach 1945 an, das diese Anzahl für Juden und Nichtjuden so ziemlich die gleiche war.
Dazu gehörten:
1.) Wohnungsnachweis von der Polizeidirektion
2.) Polizeiliches Führungszeugnis
3.) Sichtvermerkerteilung durch den Oberlandrat Prag
4.) Gesuch um Ausstellung eines Reisepasses, an die Polizeidirektion Prag und an das Oberlandratsamt in Prag
5.) Formblatt für einen Auswanderungspass, von der Polizeidirektion in Prag
6.) Bestätigung des Magistrates der Stadt Prag, über die Bezahlung der Gemeindeabgaben
7.) Gesuch an die Gruppe VII/Wirtschaft/ des Reichsprotektors
8.) Gesuch und Fragebogen an die Steueradministration zwecks Erlangung einer
,Steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung"
9.) Ausgefüllter Fragebogen des staatl. Gebührenamtes
10.) Antrag auf Mitnahme des Umzugsgutes an die Revisionsabteilung des
Finanzministeriums und an die Nationalbank
11.) Verzeichnis des Umzugsgutes an die Revisionsabteilung des Finanzministeriums
12.) Vermögensbekenntnis für das Devisenschutzkommando der Zollfahndungsstelle.
13.) Bestätigung der Bezahlung der Auswanderungssteuer, Abgaben bezüglich des
Umzugsgutes usw. im Sinne der Regierungsverordnung No 287/1939; und anderes mehr.
21.09.1939
Am 21. September 1939 hatte Heydrich seine Amtchefs und in Polen tätigen Einsatzgruppenchefs zu einer Besprechung nach Berlin zusammengerufen.
Auch Eichmann wird in der Anwesenheitsliste eines Protokolls erwähnt, aber er war um diese Zeit noch gar nicht in Berlin und eben sowenig war er Einsatzgruppenchef. Sein ehemaliger Vorgesetzter, Prof. Dr. Six, der an dieser Besprechung teilnahm, wurde dieserhalb als Zeuge 1961 in Deutschland befragt.
Er erklärte, das Eichmann an keinerlei Amtchefbesprechungen teilgenommen habe. Sein Vorgänger in Berlin, ein Regierungsrat Lischka unterschrieb noch am 16. Oktober des gleichen Jahres, Schreiben seines Dezernates, die Reichszentrale für jüdische Auswanderung betreffend. Dr. Löwenherz stellte in seiner Aktennotiz vom 17. Dezember 1939 erstmalig fest, das Eichmann ihm mitgeteilt habe, das Eichmann nunmehr die Reichszentralstellengeschäfte zu bearbeiten habe. Also hatte Eichmann vordem dienstlich in Berlin nichts zu suchen. Er arbeitete in Wien und Prag in den Auswanderungszentralstellen. Heydrich hatte in dieser angeführten Besprechung die Gettoisierung der Juden im Generalgouvernement befohlen.
Dokumentarisch belegt ist die Beteiligung Eichmanns an antijudischen Masnahmen in Polen seit dem 21. September 1939. Er war als zustandiger SS- Offizier einer der Teilnehmer der Konferenz im Sicherheitshauptamt am 21. September 1939, auf der das zukunftige Schicksal der polnischen Juden in Anwesenheit Heydrichs erortert wurde. Unmittelbar danach begann er, die Deportation der polnischen
Juden aus den dem Deutschen Reich eingegliederten eroberten polnischen Gebieten in das Generalgouvernement zu organisieren. Seine dahingehenden posthum veroffentlichten Erklarungen werden nicht fur glaubwurdig gehalten. Alles hatte bestens funktionieren konnen, erklarte er, wenn sich nicht die Kriegsgottin vom Deutschen Reich abgewendet hatte.
06.10.1939
Der Chef der Gestapo beauftragt Adolf Eichmann am 6. Oktober 1939 mit der Abschiebung von Juden aus dem Bezirk Kattowitz in den Osten
12.10.1939
Eichmann reist in Begleitung von Stahlecker, zu dieser Zeit Chef der Sicherheitspolizei und des SD für Böhmen und Mähren, ins besetzte Polen, um ein "geeignetes Gebiet für die Umsiedlung von Juden" zu finden - für ein "Judenreservat", wie Eichmann es dann nannte. Er faßt dafür ein Gebiet in der Umgebung der Eisenbahnstation Nisko am San im Distrikt Lublin ins Auge.
16.10.1939
Eichmann lässt Kripochef Nebe mitteilen, dass den Deportationszügen nach Polen Waggons mit „Zigeunern“ angehängt werden können
Dezember 1939
Im Dezember 1939 bekam Eichmann den Befehl, sich zur Dienstleistung in Berlin, beim Amtchef IV des Reichssicherheitshauptamtes, Müller zur Dienstleistung zu melden. Seine Bitte um Abstandnahme von seiner Person zur dienstlichen Verwendung in Berlin, unter Hinweis darauf, das seine Familie in Wien lebe und sich auf eine Übersiedlung nach Prag vorbereite, Ihm Berlin daher aus diesem Grunde ungelegen sei, wurde abschlägig beschieden. Wird man zum Truppendienst eingezogen, dann hat man sich, ohne mit der Wimper zu zucken, zu fügen; aber zum Zwecke einer behördlichen Dienstleistung glaubte Eichmann einen solchen Antrag stellen zu können. Jedoch der Hinweis auf den Kriegszustand, ließ Eichmann keine weitere Rekursmöglichkeit mehr zu.
In Berlin war ,auf dem Papier" schon seit Monaten eine Reichszentralstelle für jüdische Auswanderung gegründet worden. Ihr Leiter war, gemäß der Verfügung des Reichsmarschalls Göring, in seiner Eigenschaft als Beauftragter für den Vierjahresplan, Heydrich.
Zum Geschäftsführer bestellte Heydrich seinen Amtchef IV, Müller. Des weiteren hatten noch gemäß Göring'scher Weisung, einige höhere Beamte des Innenministeriums, des Auswärtigen Amtes und der Dienststelle des Beauftragten für den Vierjahresplan, im Ausschuss dieser Reichszentrale tätig zu sein. Eichmann bekam den Auftrag, nunmehr diese Dienststelle praktisch einzurichten, damit sie für den Parteienverkehr funktioniere, sowie gemäß den Weisungen des Geschäftsführers, die Dienstgeschäfte zu führen.
Des weiteren wurde Eichmann mit der Koordinierung der Deportationstransporte betraut. Die entsprechende Verfügung erließ der Chef der Sicherheitspolizei und des SD am 21. Dezember 1939.Eichmanns Amtsbezeichnung war ,Sonderreferent IV R"; das heißt Sonderreferent für Räumung im Amte IV des Reichssicherheitshauptamtes. (Die Bezeichnung Sonderreferent erklärt sich daraus, das es ein neues Referat innerhalb des Amtes IV des Reichssicherheitshauptamtes war, also des Geheimen Staatspolizeiamtes, und der nächste etatmäßige Geschäftsverteilungsplan erst im Februar 1940 fällig war. Ab dieser Zeit war Eichmann sodann planstellenmäßiger Referent IV D 4, im Amt IV des Reichssicherheitshauptamtes. Er hatte also von Anfang an keine anderen Befugnisse, als jeder der übrigen etwa 100 bis 150 Referenten des Reichssicherheitshauptamtes sie auch hatten.
08.01.1940
Zum 8. Januar 1940 wurden alle an den Transporten beteiligten Dienststellenvertreter zu einer Besprechung nach Berlin befohlen. An der grundsätzlichen, Bestehenden Befehlsgebung durfte nichts geändert werden. Aber keine Dienststelle konnte durch die neuen Anweisungen, die Eichmann jetzt in transportmäßiger Hinsicht zu erlassen hatte, künftig ohne vorherige Genehmigung durch sein Referat, Züge in Gang setzen. Natürlich, Berlin war weit, und es konnte niemand mehr ohne Erlaubnis einen Transport durchführen, dann war dies zwar auch die Regel, die eben da und dort trotz allem immer mal wieder durch eine Ausnahme bestätigt wurde. Denn die örtlichen Gauleiter und Reichsstatthalter oder die Oberpräsidenten der Provinzen, unterstanden nicht den Befehlen des Reichssicherheitshauptamtes. Im Gegenteil, diese Stellen waren Erlassmäßig sogar berechtigt, den in ihrem Hoheits- oder Befehlsbereich tätigen Staatspolizeistellen oder anderen Dienststellen der Sicherheitspolizei und des SD Weisungen zu erteilen, denen diese nachzukommen hatten. Oft und oft war diese merkwürdige Regelung eine quelle des Ärgers und der Grund zahlreicher Unzukömmlichkeiten. Aber es lag mit im Funktionellen des doppelt- und dreifachen Kontrollsystems.
30.01.1940
Heydrich befahl zum 30.01.1940 zu einer Zentralkonferenz, zu der die örtlichen Dienststellenleiter und Einheitschefs geladen wurden. Er umriss ihnen das gewaltigste Völkerwanderungsprogramm der Neuzeit, und übermittelte die Befehle Himmlers, welche dieser in seiner Eigenschaft als Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums gab. Wiederholte die bisher schon befohlenen Zahlen und Personengruppen, ergänzte diese durch 30.000 Zigeuner und befahl erstmals die Deportierung von etwa 1000 Juden aus dem Altreichsgebiet; aus Stettin, nach dem Generalgouvernement. Genau 14 Tage gab er Zeit; zu diesem Termin mußte diese Deportation beendet sein. Die Leitung all dieser Unternehmungen, lag bei Stellen, welche Eichmanns Referat übergeordnet waren. Eichmann hatte lediglich mit dem Reichverkehrsministerium die Fahrplanerstellung und was damit zusammenhängt zu bearbeiten, nachdem ihm sowohl von den Deportierungsbehörden als auch von den Aufnahme Ämtern des Generalgouvernements die hierfür notwendigen Unterlagen eingesandt wurden.
13.08.1941
Unter Vorsitz Eichmanns diskutieren Vertreter von Ministerien und Sicherheitspolizei in Berlin über eine „Verschärfung" des Judenbegriffs
28.08.1941
Eichmann erwähnt gegenüber dem Auswärtigen Amt „die kommende und in Vorbereitung befindliche Endlösung“
02.10.1941
Am 02. Oktober 1941, um 22:20 Uhr, gab Ribbentrop bekannt, sofort mit Himmler die Frage zu klären, ob er die 8.000 Juden, nach Ostpolen schaffen könne. Und mit Heydrich wurde vereinbart, das ein Sonderbeauftragter des Reichssicherheitshauptamtes zur Regelung der Frage nach Belgrad kommen werde. Drei Tage später schreibt Luther nach Belgrad, das Adolf Eichmann in Begleitung des Legationsrates Rademacher die Reise antreten würde. Am 15. Oktober wurde dieser Plan wieder aufgegeben, denn Luther mußte Belgrad mitteilen, das nicht
Eichmann, sondern andere, als Vertreter des Reichssicherheitshauptamtes, gemeinsam mit Rademacher nach Belgrad kämen. Auch hier scheint aber wieder etwas dazwischen gekommen zu sein, denn Rademacher fuhr - wie sein Dienstreisegenehmigungsantrag den er an seine
Behörde richtete lautet - zwecks Liquidierung von 8.000 Juden, offensichtlich alleine nach Belgrad, denn sein ausführlicher Dienstreisebericht beinhaltet nichts über andere Dienstreiseteilnehmer; auch die Akten besagen nichts diesbezüglich.
Herbst 1941
Im Herbst 1941 teilte Eichmanns vorgesetzter Amtchef ihm mit, das er sich gemäß Befehl Heydrichs, bei ihm zu melden hatte.
Wurde man zu Heydrich befohlen, dann war eins gegen tausend zu wetten, das vorerst stundenlanges Warten im Vorzimmer einem bevorstand. Der verschobene Stundenplan des Terminkalenders gehörte zu den Tagtäglichkeiten des Vielbeschäftigten. Ähnlich erging es Eichmann auch mit den häufigen Vorsprachen bei seinem Amtschef, wenngleich die Wartezeit hier auch nicht annähernd so lang war, als die, beim Chef der Sicherheitspolizei selbst. Es war klar, Ranghöhere rangierten immer zuerst, wie spät sie auch kommen mochten, und wie lange der dienststellenmäßig Geringere, schon wartete. Genau so war es, wenn Besucher aus der Ferne plötzlich aufkreuzten. Nun, dies war alles verständlich. Und nach dem Motto: ,Die Hälfte seines Lebens, wartet der Soldat vergebens", ergab man sich mit Gleichmut in sein Warteschicksal.
Da Eichmanns Verhältnis zu den Adjutanten ein kameradschaftlich-freundliches war, half stets ein Gläs'chen Wein oder Armagnac über die Langeweile des Wartezimmer hinweg und Haustratsch mit dem Adjutanten verkürzte die Zeit. Aber alles hat einmal ein Ende. Eichmann meldete sich gehorsamst, wie befohlen, zur Stelle.
,Der Führer hat die physische Vernichtung der Juden befohlen. Odilo Globotschnig(g) hat vom Reichsführer eine diesbezügliche Weisungen erhalten. Er soll demnach dazu die Panzergräben benützen. Ich möchte wissen, was er macht und wie weit er gekommen ist. Fahren Sie zu ihm und berichten Sie mir über das, was Sie gesehen und gehört haben."
Damit war Eichmann entlassen. Er mußte sich erst einmal den Begriff ,physische Vernichtung" ordentlich durch den Kopf gehen lassen, um die ganze Bedeutung ermessen zu können.
Und mit diesen Gedanken stieg er ein Stockwerk höher, um sich bei Müller zu melden. Eichmann teilte ihm den erhaltenen Befehl mit, aber er schien ihn schon zu kennen, denn seine Bemührungen galten dem Unterschreiben des Marschbefehles, den sein Adjutant für ihn schon ausgestellt hatte.
Eichmann fuhr los. üble Vorstellungen über das, was er zu sehen bekommen würde, im Kopf. Der einzige Trost war seine Feldflasche, die er mit einem Liter Rotwein gefüllt hatte. Sie war mit braunem Filz überzogen, wie eben Feldflaschen überzogen zu sein pflegen und nur am Gewicht und am Schwinden seiner Vermutungsschilder, merkte er, das er sie sich irgendwo in einem der Flecken die er mit seinem Fahrer druchfuhr, wieder auffüllen lassen müßte.
So kam er nach Lublin.
Am nächsten Tage fuhr er mit einem Adjutanten Globotschnig(g)s zu der Stelle, über die Eichmann berichten sollte.
Globotschnig(g) war um jene Zeit SS Brigadeführer und Generalmajor der Polizei. Seine Dienststellung war die eines SS- u. Polizeiführers des Distriktes Lublin im Generalgouvernement. Er unterstand dem Höheren SS- u. Polizeiführer im Generalgouvernement und Staatssekretär für das Sicherheitswesen, in der Regierung des Generalgouverneuer in Krakau, SS Gruppenführer und General der Polizei, Krüger. Er und damit seine vier SS- u. Polizeiführer, waren Himmler unmittelbar untergeordnet.
Nach etwa zwei Stunden Fahrt, es mögen auch nur anderthalb Stunden gewesen sein, kamen sie zu einer Waldlichtung, an der zur rechten Straßenseite ein Bauernhäuschen stand. Dort hielt der Wagen. Sie wurden von einem Ordnungspolizisten mit aufgekrempelten Hemdärmeln, offenbar bei der Arbeit selbst mit Hand anlegend, empfangen. Die Art seiner Stiefel und der Schnitt seiner Reithose, deutete auf einen Offizier. Bei der Vorstellung wußte Eichmann, das er es mit einem Hauptmann der Ordnungspolizei zu tun hatte. Sein Name war Wirth, Christian Wirth (später SS-Sturmbannführer, maßgeblich an der „Aktion T4“ beteiligt, erster Kommandant des Vernichtungslagers Belzec, und Inspekteur der Vernichtungslager soowie beteiligt an der „Aktion Reinhardt“.) Besagter Hauptmann Wirth also, führte sie auf einen kleinen Waldweg zur linken Seite der Straße und da standen unter Laubbäumen zwei kleinere Bauernhäuser.
Eichmann konnte sich später nicht mehr mit Sicherheit erinnern, ob dort im Augenblick seines "Besuches" gearbeitet wurde, aber Wirth erklärte Ihnen seinen Auftrag. Demzufolge hatte er sämtliche Fenster und Türen hermetisch verschließen lassen. In den Räumen würden nach Arbeitsbeendigung Juden kommen, welche durch die Auspuffgase eines russischen U-Bott-Motors, die in diese Räume geleitet würden, getötet werden. Das war alles, was er zu sagen hatte.
Von Panzergräben war nichts zu sehen. Juden oder Leichen sah Eichmann keine. Nach Berlin zurückgekehrt, machte er seine Meldung bei Müller und Heydrich. Kommentarlos wurde sie zur Kenntnis genommen.
Januar 1942
Im Januar 1942 erhält Adolf Eichmann von Heinrich Müller („Gestapo-Müller) dem Leiter im Amt IV des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) den Befehl nach Kulm bei Posen zu fahren und ihm Bericht über die dort in Durchführung befindlichen Tötungen an Juden, zu machen. Wenngleich er in den Berichten, die innerhalb des Reichssicherheitshauptamtes als Geheimumlauf zirkulierten, viel und laufend von Erschieáungen im Osten inzwischen gelesen hatte, hatte er keine Vorstellung von dem, was Ihn dort erwartete.
Eichmann fühlte sich nicht verantwortlich, denn "er hatte es nicht angeordnet, er hatte es nicht zu bearbeiten, er konnte es auch nicht beeinflussen oder abstellen"; er konnte es sich nicht einmal als Wirklichkeit so richtig vorstellen, denn er hatte es auch noch nie gesehen. Einen Augen- oder Tatzeugen hattte er bisher nicht gesprochen. Eichmann wurde, im damaligen Warthegau angekommen, von einem Beamten der dortigen Staatspolizeistelle nach Kulm gelotst.
Was er allerdings jetzt dort zu sehen bekam, dies war das Grauen schlechtweg. Und seine Vorstellung, er könnte ähnlich gut davonkommen, wie letzten Herbst bei Lublin wurde durch die gräßlichste Wirklichkeit, die er je sah, gewandelt. Er sah nackte Juden und Jüdinnen in einen geschlossenen Omnibus ohne Fenster, einsteigen. Die Türen wurden zugemacht und der Motor angelassen. Das Auspuffgas entströmte aber nicht in's Freie, sondern in das Innere des Wagens, Ein Arzt im weißen Kittel, machte Eichmann auf ein Guckloch beim Fahrersitz aufmerksam, wodurch man in das Innere des Wagens sehen konnte und forderte ihn auf, den Vorgang anzusehen.
Das konnte er nicht mehr. Eichmann fehlten die Worte, seine Reaktion zu diesen Dingen wieder zu geben, denn es war alles zu Unwirklich. Er war auch nicht fähig gewesen, den Befehl Müllers, die Zeit der Tötung zu stoppen, durchzuführen. Er hatte es vergessen; und wäre auch physisch nicht fähig dazu gewesen. Dann setzte sich der Omnibus in Bewegung. Eichmann selbst wurde zu einer Art Waldwiese gefahren und als er dort ankam, bog auch schon der Omnibus ein, er fuhr an eine ausgehobene Grube; die Türe wurde aufgemacht und heraus purzelten Leichen; in die Grube hinein. Eine über die andere. Das war ein schauriges Inferno. Nein, es war ein Superinferno. Eben sah er sie noch lebendig. Nun waren sie samt und sonders tot. Und dann sprang ein Zivilist in die Grube, kontrollierte die Münder und brach mit einer Zange die Goldzähne aus.
Eichmann fuhr zurück nach Berlin. Er hatte nur Müller zu berichten. Nach der Meldung sagte er ihm, er hätte nur eine andere Dienstverwendung, dafür sei er nicht der richtige Mann. Rein nervlich halte er solches nicht aus; das sei keine politische Lösung! Müller antwortete ihm: Der Soldat an der Front kann sich auch nicht aussuchen wo er gerne kämpfen möchte. Er hat dort seine Pflicht zu tun, wo man ihn hinstellt.
Januar 1942
Adolf Eichmann erhält im Januar 1942 die Weisung nach Minsk zu fahren und dem RSHA über die Vorgänge dort zu berichten.
Es war bitterkalt und er trug einen langen, gefütterten Ledermantel und nahm sich die entsprechende Alkoholreserve mit, denn ohne dieser konnte er diesen Befehlen nur unter stetigem Sinnieren nachkommen. Der Alkohol aber schuf einige Betäubung. Es ist klar, das der Grad, nie zur Trunkenheit heranlangen durfte, denn er fuhr ja in Uniform mit Fahrer, in einem Polizeifahrzeug. Aber es ist erstaunlich, welche Alkoholmengen der Mensch bei aufgepeitschten Nerven braucht, um sie einigermaßen in Rand und Band zu halten. Freilich wäre Schnaps besser gewesen als Rotwein, aber Schnaps trank Eichmann nur, wenn Wein nicht erhältlich war. Er kam an einem Abend an. Und am nächsten Tag hatte er sich verspätet. Die ihm genannte Stunde war längst überschritten, so kam er erst zur Stelle, als die letzte Gruppe erschoßen wurde. Als er den Exekutionsort anfuhr, knallten die Schützen in ununterbrochenem Dauerfeuer in eine Grube vom Ausmaß mehrere großer Zimmer. Sie schossen mit Maschinenpistolen. Angekommen sah Eichmann eine jüdische Frau mit einem kleinen Kind in den Armen in der Grube. Er wollte das Kind herausreißen, aber da zerschlug eine Kugel den Kopf des Kindes. Sein Fahrer wischte mir vom Ledermantel kleine Gehirnstücke. Er stieg in seinen Wagen. - Berlin, sagte er zu seinem Fahrer. - Eichmann aber trank Schnaps, als sei es Wasser. Er mußte trinken.
Er mußte sich betäuben, und er dachte an seine eigenen Kinder.
20.01.1942 12:00-13:30 Uhr
Am 20. Januar 1942 fand unter Heydrichs Vorsitz im Gebäude der ,Internationalen-Kriminalpolizeilichen-Kommission", Am Großen Wannsee bei Berlin die mehrmals verschobene Besprechung statt. Eichmann hatte mit einer Stenotypistin das Protokoll zu erledigen, nachdem er schon Wochen vorher, Heydrich, das für seine Rede benötigte zahlenmäßige Unterlagenmaterial besorgen mußte.
Der Staatssekretär des Reichsinnenministeriums, Dr. Stuckart, ein sonst so vorsichtige und abwägende Beamte, ging an diesem vormittag sehr forsch an das Werk, indem er knapp und formlos erklärte, die ,Zwangssterilisierung" und die gesetzlich noch zu erlassende Anordnung ,Mischehen sind geschieden", sei die einzige Lösungsmöglichkeit des Mischehen- und Mischlingsproblems.
Auch Luther vom Auswärtigen Amt, der äuáerst aktive Unterstaatssekretär Ribbentrops, brachte zu Heydrichs Staunen seine Wunschliste vor, aus der die Bedenkenlosigkeit des Auswärtigen Amtes, Deportationen aus den beeinflußten Ländern Europas durchzuführen, klar hervorging. Der Staatssekretär B. trug Sorge, man könne bei dieser Gelegenheit das Generalgouvernement, in dessen Regierung er saß, stiefmütterlich behandeln und bat darum, mit dem Generalgouvernement zu beginnen. Denn einmal seien die Juden seines Gebietes als Seuchenträger zu bezeichnen und zum anderen stünden weder Arbeitseinsatzmäßige Gründe, noch Transportschwierigkeiten einer Umsiedlung hindernd im Wege.
Es nahmen ferner teil, der Chef des Rasse- und Siedlungshauptamtes SS-Gruppenführer Hoffmann, Gauleiter Dr. Meyer, der Präsident des Volksgerichtshofes, damals als Staatssekretär für das Reichsjustizministerium, Dr. Freisler, der bevollmächtigte Vertreter der Parteikanzlei und andere mehr.
Seitens der Polizei waren außer Heydrich und Müller als Amtchef IV des Reichssicherheitshauptamtes, noch die Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD, Dr. Schöngarth und Dr. Lange vertreten.
Dachte Heydrich, durch eine wohlgesetzte Rede überzeugend wirken und wie die Praxis es bislang zeigte, gegen allfällige Bedenken und Vorbehalte Stellung nehmen zu müßen, so konnte auf dieser Konferenz das gerade Gegenteilige festgestellt werden. In seltener Einmütigkeit und freudiger Zustimmung, forderten diese Staatssekretäre ein beschleunigtes Durchgreifen. Und es war die sachbearbeitende, federführende Prominenz, welche sich zur Beschlußfassung hier versammelt hatte. Und ihre Entscheidungen waren endgültig, denn sie waren von ihren Ministern und Chefs, bevollmächtigt, nicht nur bindendes Einverständnis zu erklären, sondern teilweise sogar, über von Heydrich Erhofftes, hinauszugehen. Und es wurde eine offene, unverblümte Sprache gesprochen. Die Art und Weise der bürokratischen Bearbeitung im Hinblick auf die Detailregelung war noch unklar. Es wurde daher seitens der Konferenzteilnehmer besprochen, das in Zeitkürze eine Besprechung der Sachbearbeiter der zuständigen Zentralinstanzen in den Räumlichkeiten Eichmanns Referates, in der Kurfürstenstraáe 116, stattzufinden habe. Sie hätte ebenso gut im Amte II des Reichssicherheitshauptamtes als die für juristische Dinge zuständige Dienststelle der Sicherheitspolizei sich auch mit Judenangelegenheiten befaßte, die mit Juristerei kaum oder schon gar ncihts mehr zu tun hatten stattfinden können; obzwar sie in der Prinz-Albrechtstraße reichlich wenig Platz hatten. Die Wannseekonferenz selbst wurde aus diesem Grunde auch nicht in der Heydrich'schen Zentrale der Albrechtstraße abgehalten. Außerdem fanden in jener Zeit umfangreiche Umbauten im Innern des Hauses statt. Es war ein Haus mit hundert Winkeln und Ecken, noch aus der alten Kaiserzeit stammend, und für einen modernen Behördenapparat kaum noch geeignet. Den Diensträumen der Amtchefs, insonderheit aber denen des Chefs der Sicherheitspolizei, wurden durch Innenarchitekten der Stil der neuen Zeit aufgeprägt. Eichmann fand ihn schön, weil er einfach und sauber war.
Diese Besprechungen hätten ebenso gut aber auch im Innenministerium oder in der Parteikanzlei, dem Auwärtigen Amt, oder selbst wieder am Wannsee stattfinden können. Warum Heydrich gerade Eichmanns Dienststelle dazu bestimmte, ist nicht bekannt. Aber er bestimmte es jedenfalls so. Denn das Eichmann sachlich nicht damit befaßt worden ist, zeigt die erste diesbezügliche Sitzung am 6. März 1942.
Weder Eichmann, noch irgendeiner der Angehörigen seines Referates, hatte daran teilgenommen. Das Besprechungsprotokoll mit der Anwesenheitsliste, zeigte dies deutlich. Der für diese Fragen zuständige Referent im Reichsministerium des Innern, Regierungsrat Dr. Fledscher erläuterte im einzelnen die Meinung seines Staatssekretärs, bezüglich seines am 20. Januar gemachten Vorschlages.
Es war eine reine Angelegenheit der Juristen des Innenministerium, der Parteikanzlei, des Auswärtigen Amtes, der Reichskanzlei, des Rassepolitischen Amtes der NSDAP, des Rasse und Siedlungshauptamtes, des Amtes II des Reichssicherheitshauptamtes, des Propagandaministeriums und der anderen zentralen Behörden. Diese Besprechung endete mit dem Einverständnis aller Anwesenden, jedoch Beschlüße wurden nicht gefaßt, da die Teilnehmer ja nur Referenten, ohne Entscheidungsbefugnisse waren.
Erklärung Heydrichs:
"In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter, werden die arbeitsfähigen Juden straßenbauend in diese (Ost-) Gebiete geführt, wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird. Der anfällig verbleibende Restbestand wird, da es sich bei diesem zweifellos um den widerstandsfähigsten Teil handelt, entsprechend behandelt werden müssen, da dieser, eine natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaus anzusprechen ist."
Die 15 Teilnehmer
SS-Obergruppenführer / Chef d. Reichssicherheitshauptamtes
Reinhardt Heydrich
* 07.03.1904 + 04.06.1942 (Attentat)
NSDAP-Gauleiter / Reichsstadthalter
Dr. Alfred Meyer
* 05.10.1891 Göttingen + 11.04.1945 Hessisch-Oldenburg (Suizid)
Reichsamtsleiter im Ostministerium
Dr. Georg Leibbrandt
* 05.09.1899 Hoffnungsthal bei Odessa + 1982
Jurist / Staatssekretär in versch. Ministerien
Dr. Wilhelm Stuckart
* 16.11.1902 Wiesbaden + 15.11.1953 bei Hannover (Autounfall)
Jurist / Staatssekretär
Erich Neumann
* 31.05.1892 Forst Lausitz + 1948
Jurist / Staatssekretär / Präsident des VGH
Dr. Roland Freisler
* 30.10.1893 Celle + 03.02.1945 Berlin (starb bei Luftangriff im Keller des Volksgerichtshofs)
Reichsminister / Staatssekretär
Dr. Josef Bühler
* 16.02.1904 Waldsee + 21.08.1948 Warschau) (hingerichtet)
Unterstaatssekretär
Martin Luther
* 16.12.1895 Berlin + 13.05.1945 Berlin (im Krankenhaus)
SS-Gruppenführer / stellv. Martin Bormanns
Gerhard Klopfer
* 18.02.1905 Schreibersdorf + 09.01.1987 Ulm
Ministerialdirektor in der Reichskanzlei
Friedrich Wilhelm Kritzinger
* 14.04.1890 Grünfter + 07.10.1947 Nürnberg (im Krankenhaus)
SS-Obergruppenführer
Otto Hofmann
* 16.03.1896 Innsbruck + 31.12.1982 Bad Mergentheim
SS-Gruppenführer & Gen.Ltn. der Polizei
Heinrich Müller
* 28.04.1900 München (verschollen seit 29.04.1945)
SS-Obersturmbahnführer / Leiter RSHA Ref. IV B4
Adolf Eichmann
* 19.03.1906 Solingen + 01.06.1962 Tel Aviv (hingerichtet)
Jurist
Dr. Karl Schöngarth
* 22.04.1903 Leipzig + 15.05.1946 Hameln (hingerichtet)
SS-Standartenführer
Dr. Rudolf Lange
* 18.04.1910 Weißwasser + 23.02.1945 Poznan
Die Konferenz sollte ursprünglich am 09.12.1941 stattfinden. Von den dreissig Kopien des Protokolls über die Zusammenkunft blieb die 16. Ausfertigung erhalten. Diese wurde im Frühjahr 1947 in den Akten des Auswärtigen Amtes (Gebäude der Telefunken GmbH in Berlin-Lichterfelde) gefunden.
28.02.1942
Am 28.02.1942 bekam Eichmann den Befehl, der Dienststelle Paris auf deren Anfrage vom 27.02.1942, mitzuteilen, das tausend Juden sofort nach Beendigung einer im Augenblick im Gang befindlichen Fahrplanbesprechung deportiert werden können. Aber es gab offenbar immer noch Schwierigkeiten, denn die Bürokratie aller Länder Arbeitet eben in einem bürokratischen Tempo.
04.03.1942
Befehlsgemäß hatte Eichmann für den 04.03.1942 eine Judenreferenten-Besprechung in Berlin, anzuberaumen gehabt. In dieser hatte der zuständige Referent des Beauftragten des Chefs der Sipo u. des SD in Paris, neuerlich auf die Dringlichkeit einer sofortigen Deportierung hingewiesen. Auftragsgemäß hätte ich eine Anahme für den Moanat März 1942 zuzusagen und bekanntzugeben, das vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung durch Heydrich, schon jetzt mit der französischen Regierung in Verhandlungen wegen Abschubs von fünftausend Juden nach dem Osten eingetreten werden könne. Weisungsgemäß habe es sich dabei zunächst um männliche, arbeitsfähige Juden, nicht über 55 Jahre alt zu handeln. Ferner sei dafür zu sorgen, das die Juden französischer Staatsangehörigkeit, vor dem Abschub oder spätestens am Tage der Deportation ihre Staatsangehörigkeit verlieren, und die Vermögensabwicklung müße gleichfalls erledigt sein.
Hier spuckte die von der Abteilung I des Reichsinnenministeriums ausgekochte 11. Verordnung zum Reichsbürgerschaftsgesetze, in den Köpfen Eichmanns Vorgesetzter herum. Als Deportierungsbeginn war gemäß Fahrplanregelung durch das Reichsverkehrsministerium der 23.03.1942 vorgesehen.
14.04.1942
Im April 1942 teilte der Reichskommisar für die besetzten Ostgebiete den in Frage kommenden Zentralinstanzen nach Berlin mit, das örtliche rumänische Stellen in letzter Zeit etwa 10.000 Juden über den Bug in das Reichskommissariat Ukraine abgeschoben hätten und die Abschiebung weiterer 60.000 rumänischer Juden, den Umständen nach zu befürchten sei. Auch das Reichssicherheitshauptamt erhielt solch eine Beschwerde.
Gemäß Befehl Eichmanns Vorgesetzten schrieb Eichmann daraufhin am 14. April 1942 an das Auswärtige Amt, das bei den örtlichen rumänischen Stellen seitens der rumänischen Regierung auf unverzügliche Einstellung dieser illegalen Judentransporte hinzuwirken wäre. Da angenommen werde, das seitens der rumänischen Regierung bedingungslos entsprochen würde, wird zwecks Vermeidung einer Verschärfung der durch die illegale Abschiebung der Juden zwischen den örtlichen Stellen bereits enstandenen Spannungen, zunächst von sicherheitspolizeilichen Maßnahmen abgesehen.
Für den Fall jedoch - so hatte Eichmann weisungsgemäß weiter zu schreiben - das die
rumänische Regierung dem Ersuchen um Einstellung nicht entspreche, oder aber örtliche rumänische Stellen entgegen einer Weisung der rumänischen Regierung handeln und weiterhin Juden abschieben sollten, bleiben sicherheitspolizeiliche Maßnahmen vorbehalten.
Im Mai 1942, wurden diese, über den Bug abgeschobenen Juden, in der Ukraine liquidiert. Sie wurden von den örtlichen Stellen gemäß einer höheren Weisung getötet.
Frühjahr 1942
Im Frühjahr 1942 erhält Eichmann von seinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem Generalleutnant der Polizei, Müller den Befehl nach Auschwitz zu fahren und ihm über das Vorgehen des Kommandanten des Konzentationslagers Auschwitz, gegen die Juden, zu berichten.
Höss, der Kommandant sagte Eichmann, das er mit Blausäure, töte. Runde Pappfilze waren mit diesem Giftstoff getränkt und wurden in die Räume geworfen, worin die Juden versammelt wurden. Dieses Gift wirkte sofort tötlich. Die Leichen verbrannte er auf einem Eisenrost, im Freien. Er führte Eichmann zu einer flachen Grube, worin eine groáe Anzahl von Leichen gerade verbrannt wurden. Es war ein grauenhaftes Bild, das sich ihm darbot. Nur durch den Rauch und die gewaltigen Flammen gemildert.
11.06.1942
Befehlsgemäß mußte Eichmann für den 11.06.1942 wieder einmal eine Besprechung in Berlin anberaumen, zu der er die Judenreferenten aus Paris, Brüssel und Den Haag, auf dem Dienstweg, zu laden hatte. Glücks hatte inzwischen Aufnahmevorbereitungen in Auschwitz getroffen und Himmler befahl die Deportation von 100.000 Juden aus Frankreich, 15.000 aus den Niederlanden und 10.000 aus Belgien. Gemäß Himmlers Weisung war Grundbedingung, das die Juden zwischen 16 und 40 Jahre alt sind, wobei er 10 % nichtarbeitsfähige Juden tolerierte. Ab 13.07. 1942 sollten diese Transporte gefahren werden und zwar wöchentlich deren drei.
22.06.1942
Adolf Eichmann unterrichtet das Auswärtige Amt am 22. Juni 1942 über die geplante Deportation von Juden aus Westeuropa nach Auschwitz
10.07.1942
Am 10.07.1942 teilt Paris Eichmanns Dezernat mit, das 4000 jüdische Kinder bei der Verhaftungswelle auftreten würden und verlangte dringende Fernschriftliche Entscheidung darüber, ob die Kinder der Abzutransportierenden staatenlosen Juden, vom 10. Transport ab, mit abgeschoben werden können. Elf Tage später erhielt Eichmann seitens seines Vorgesetzten Befehl, Paris mitzuteilen, das, sobald der Abtransport in das Generalgouvernement wieder möglich ist, diese Kinder deportiert werden müßen. Eichmann hatte um jene Zeit selbst drei kleine Kinder.
27.10.1942
Am 27. Oktober 1942 fand eine Besprechung statt, mit ungefähr demselben Teilnehmerkreis wie am 20. Januar 1942. Diesmal war auch Eichmann zugegen und mit ihm, einige Herren seines Referates. Auch anläßlich dieser Besprechung wurde lediglich geredet; gelöst wurde nichts. Die Protokolle zeigen es einwandfrei auf.
Es war und blieb auch jetzt eine Angelegenheit der Juristen. Eichmanns Dezernat hatte den bürokratischen Kram der Protokollerstellung und der Einladung zu besorgen. Es war auch ganz klar; Aufgabe der Polizei ist es nicht, Erkenntnisse zu gebären, oder Sterilisationsmaßnahmen durchzuführen, auch nicht den Gesetzestext im Hinblick auf Zwangsscheidung zu erbrüten. Dies ist Aufgabe der zuständigen Ministerien, der verschiedenen zentralen Behörden und Ämter. Niemals aber Angelegenheit der Polizei. Auch in dieser Konferenz, wurden die Ergebnisse der Planung der Staatssekretäre weder geändert, noch weiterentwickelt. Das Ergebnis auch dieser Konferenz war nicht die Anordnung der Durchführung der geplanten Maßnahmen. Es kam überhaupt nie dazu. Es hatte sich irgendwie totgelaufen. Auch war Eichmann weder mit der Planung noch mit der Durchführung von Sterilisationsmaßnahmen befasst; es wurden auch keine Maßnahmen zur Geburtenverhinderung festgelegt. Das Protokoll selbst läßt darüber hinaus keinerlei Schluß zu, das beispielsweise Eichmann aktiv an dieser Besprechung teilgenommen hätte.
16.11.1942
Am 16. Nov. 1942 erhält Eichmann mit dem Posteingang ein Schreiben des ,Persönlichen Stabes des Reichsführers SS", betreffend des Aufbaues einer Sammlung von Skeletten in der Anatomie Straßburg. Und da konnte Eichmann folgendes Merkwürdige lesen:
,Der Reichsführer SS hat angeordnet, das dem Direktor der Anatomie Straßburg, SS-Hauptsturmführer Prof. Dr. Hirt, der zugleich Leiter einer Abteilung des Institutes für wehrwissenschaftliche zweckforschung im Amt Ahnenerbe ist, für seine Forschungen alles Notwendige zur Verfügung gestellt wird. Im Auftrage des Reichsführers SS bitte ich deshalb, den Aufbau der geplanten Skelettsammlung zu ermöglichen. Wegen der Einzelheiten wird sich SS-Obersturmbannführer Sievers, mit Ihnen in Verbindung setzen." Eine Woche später schickt der Persönliche Stab an den genannten Sievers eine Abschrift des vorgenannten Schreibens zur Kenntnisnahme. Für so etwas war Eichmann nicht zuständig. In den reichlich vorhandenen Dokumenten, liegt auch keinerlei Reaktion seinerseits vor. Wie schon so oft; man richtete zwar an Eichmann Schreiben über Schreiben, aber es findet sich nirgends eine Antwort oder Stellungnahme seinerseits. Eichmann konnte ja gar nichts anderes tun, als - mangels Zuständigkeit, - die Akte seinem Chef zu übergeben. Was er damit machte, entzog sich seiner Kenntnisnahme.
11.01.1943
Adolf Eichmann erhielt am 11. Januar 1943 einen verschlüsselten Funkspruch des SS-Sturmbannführers Hermann Höfle mit den Zahlen der bis Jahresende 1942 in Lublin-Majdanek, Sobibor, Belzec und Treblinka ermordeten Juden: »… zusammen 1274166«. Der vom britischen Geheimdienst entschlüsselte und unter Verschluss gehaltene Funkspruch wurde erst im Jahr 2000 freigegeben.
17.02.1943
Ein Legationsrat vom Auswrtigen Amt schrieb am 17. Februar 1943 an das Reichssicherheitshauptamt, zu Eichmanns Händen, oder Vertreter im Amt, ich möchte eine listenmäßige Erfassung der im Deutschen Machtbereich ansäßigen fremden Staatsangehörigen jüdischer Rasse vornehmen. Darauf teilte Eichmann ihm am 24. Februar fernmündldich mit: ,das es ihm nicht möglich ist, der vorgetragenen Bitte des Auswärtigen Amtes zu entsprechen, da die listenmäßige Erfassung dieser Personen nicht kriegsentscheidend sei, und er daher kein Personal für diese Arbeiten abstellen kann."
Am 26. Februar kam ein weiterer Brief des Auswärtigen Amtes an seine Dienstbehörde, in der es u.a. heißt: Die von Ihnen mündlich vorgetragenen Argumente erscheinen daher zur Begründung der Ablehnung der vom Auswärtigen Amt vorgetragenen Bitte nicht ausreichend. Die von Ihnen mündlich vorgetragenen Argumente erscheinen daher zur Begründung der Ablehnung der vom Auswärtigen Amt vorgetragenen Bitte nicht ausreichend.
21.06.1943
Am 21. Juni 1943 schrieb der SS-Obersturmbannführer Sievers Eichmann abermals an. Er nimmt Bezug auf ein Schreiben seines Referates vom 25.09.1942 und wiederholte die zwischenzeitliche persönliche Besprechungen und teilte mit, das die Arbeiten betreffend des Aufbaues einer Sammlung von Skeletten im Konzentrationslager Auschwitz am 15.06. 1943 wegen der Seuchengefahr beendet seien. Der SS-Hauptsturmführer Dr. Bruno Beger habe sie durchgeführt. Er schreibt weiter: ,Insgesamt 115 Personen, davon 79 Juden, 2 Polen 4 Innerasiaten und 30 Jüdinnen sind bearbeitet worden. Diese Häftlinge sind z. Zt. Getrennt nach Männern und Frauen in je einem Krankenhaus des Konzentrationslagers Auschwitz untergebracht und befinden sich in Quarantäne.
Zur weiteren Bearbeitung der ausgesuchten Personen ist nunmehr eine sofortige überweisung an das Konzentrationslager Natzweiler erforderlich, was mit Rücksicht auf die Seuchengefahr in Auschitz, beschleunigt durchgeführt werden müßte. Ein namentliches Verzeichnis der ausgesuchten Personen ist beigefügt.
Es wird gebeten, die entsprechenden Anweisungen zu erteilen."
Nun, auch dieses Schreiben wurde von Eichmann nicht beantwortet, sondern gemäß der bestehenden Weisung, als unzuständig dem Amtchef übergeben. Denn es hatte über Verlegungen einzig und alleine das SS-Wirtschafts- u. Verwaltungshauptamt zu entscheiden und zwar dessen Amtsgruppe D, nämlich die ,Inspektion für das Konzentrationslagerwesen" unter dem SS-Gruppenführer u. Generalleutnant der Waffen SS, Glücks. Es heißt da u.a. in den Richtlinien dieser ,Inspektion": ,Verlegungen in andere Lager, vor allen Dingen in Stufe III beim Reichssicherheitshauptamt bzw. Reichskriminalpolizeiamt zu beantragen, gibt es nicht. Verlegungen werden grundsätzlich nur von hier verfügt."
Also, ein ganz klarer und einwandfreier Fall von Unzuständigkeit Eichmanns; und Müller kann nur das eine getan haben, den Vorgang an Glücks abzutreten. Anders ist es bürokratisch nicht denkbar. Von Eichmann jedenfalls ist auch auf dieses Schreiben keine Reaktion erfolgt.
02.11.1943
Am 2. November 1943 schreibt der Legationsrat von Thadden an Eichmann
,Die Deutsche Gesandtschaft in Bukarest hat sich u.a. geäußert: Das Vorgehen gegen die Juden ist im wesentlichen eingeschlafen. Man nimmt lediglich den reichen Juden das Geld ab und zieht ärmere Judem zum Arbeitsdienst ein. Die Gesandtschaft zieht den Schluß, das die Rumänen dem jüdischen Treiben freien Lauf lassen, um die Engländer und Amerikaner nicht zu vergrämen. Eine Änderung des rumänischen Verhaltens dürfte sich erst erzielen lassen, wenn es zu einer Stabilisierung der Ostfront gekommen ist und die Sorge, unbedingt den Versuch machen zu müßen, sich mit den Angloamerikanern gut zu stellen, bevor die Russen rumänisches Gebiet erreichen, nicht mehr berechtigt erscheint."
27.11.1943
Telegramm des deutschen Gesandten Neubacher, aus Athen an das Auswärtige Amt vom 27. Nov. 1943. ,Bitte bei Chef des Reichssicherheitshauptamtes anzuregen, das mit Abtransport hiesiger Juden noch abgewartet wird. Es haben sich von ca. 8.000 Juden der Aufforderung
des Sicherheitsdienstes, ca. 1.200 gemeldet; die übrigen sind geflüchtet oder halten sich verborgen. Nach Abtransport der Juden, die sich gemeldet haben und die wahrscheinlich das uninteressanteste Kontingent darstellen, besteht überhaupt keine Aussicht mehr, an diejenigen heranzukommen, die für uns politisch wesentlich interessanter sind als die gemeldeten. Der Höhere SS- u. Polizeiführer und Chef des Sicherheitsdienstes sind derselben Ansicht. Erbitte Bescheid an mich in Belgrad und an Höheren SS- u. Polizeiführer nach Athen."
Neubacher war um jene Zeit der Bevollmächtigte des Auswärtigen Amtes für den gesamten Südosten.
Dieses Telegramm leitete der Referent in der Abteilung DIII des Ausw. Amtes, Legationsrat Dr. von Thadden an Adolf Eichmann weiter, mit der Bitte, um entsprechende Stellungnahme des Chefs des Reichsicherheitshauptamtes, General der Polizei und der Waffen SS, Dr. Kaltenbrunner, zu. Herr v. Thadden versah das Doppel seines Schnellbriefes an Eichmann, am 4. Dez. 1943 mit einer Handnotitz, die besagt, das er mit Eichmann die Sache besprochen habe und Eichmann ihm mitgeteilt hätte, das Kaltenbrunner die Angelegenheit inzwischen direkt mit den Beteiligten, telephonisch erledigt habe und der Abtransport daher durchgeführt werde.
März 1944
Kurz nachdem Eichmann im März 1944 in Budapest war, erschien eines Nachmittags auf seinem Hotelzimmer - (Eichmann arbeitete und wohnte um jene Zeit auf seinem Zimmer im Hotel Majestic, da ihm noch keine Dienststellenunterkunft angewiesen war) - der SS-Obersturmbannführer der Waffen SS, Kurt Becker.
Da sie beide gleichrangig waren, ergab sich von Haus aus sogleich ein Verhältnis, welches unter Gleichrangigen derselben Uniformfarbe, in den meisten Ländern der Erde dasselbe sein dürfte. Dieser SS-Obersturmbannführer Becker teilte Eichmann mit, das er Sonderbevollmächtigter Himmlers in Budapest sei; seine Aufgabe wäre es, Vermögenswerte für die Waffen SS sicherzustellen; kompletter gesagt, damit Ausrüstungsgegenstände für dieselbe zu besorgen.
Das Interesse an seinem Besuch bei Eichmann galt dem Datum des Deportationsbeginnes. Eichmann konnte ihm keine andere Auskunft geben, als die, welche er wahrscheinlich ohnedies wissen mochte, da er ja gewissermaáen ,frisch gebacken" von Himmler kam. In der Folgezeit sahen sie sich sehr oft, und allmälig konnte Eichmann ihm auch genauere Details geben; er war ja schließlich Sonderbevollmächtigter Himmlers. So konnte Eichmann ihm sagen, das Veesenmayer und Winkelmann mit den Verhandlungen bei der ungarischen Regierung beschäftigt sind, um die Deportationspläne und Phasen zu besprechen und sehr genaue Details vermochte Eichmann ihm über die operativen Vorarbeiten durch die ungar. Gendamerie vermitteln, da er hierüber ja laufend informiert wurde, um seinen Chefs Berichterstattungsmäßig stets die neueste Lage zu geben; so, wie Eichmann dies befohlen war. Insoweit kamen sie gut aus. Nur als Herr Becker eines Tages anfing zu drängeln, da er in einer deportationnsschwangeren Luft, in einer überhitzten Atmosphäre, seine Himmler-Befehle schneller, besser und eleganter durchführen könne und als diese Drängelei zunahm, da wurde Eichmann - wie man zu sagen pflegte - linkisch.
Denn im ,Ruck-Zuck" Verfahren arbeitet keine Behörde, auch die ungarische Gendarmerie, so intakt und schlagkräftig dieses Korps auch war, machte darin keine Ausnahme. Der Amtsschimmel braucht überall seine Zeit, egal ob in Deutschland oder Ungarn. Außerdem, und dies war das Schönste, konnte Eichmann sie weder anlaufen lassen, weder abstellen, weder beschleunigen, noch verzögern. Daher fand Eichmann seine Angriffe ungerechtfertigt und mit der Besorgung eines Bürokraten schickte Eichmann sich daran, dieserhalb eine dienstliche Meldung an seine Vorgesetzten abzufassen, da er nichts anderes annehmen konnte, das er dasselbe auf seinem Dienstweg ebenfalls in die Wege leiten würde. Sein Dienstweg war kurz, denn er unterstand in jener Zeit, Himmler unmittelbar.
Eichmanns Ärger wurde groß und größer, als Kurt Becker eines Tages damit anfing, Juden gegen Abtretung von Vermögenswerten, auswandern zu lassen. Nun war die Auswanderung von Juden um jene Zeit durch einen Befehl Himmlers strengstens verboten. Und nur er selbst oder der Chef der Sicherheitspolizei, konnten Ausnahmen zulassen. Um wieviel mehr erstaunter war Eichmann, als der Obersturmbannführer Becker solches ebenfalls, kraft eigenen Entscheides, nunmehr genehmigen konnte.
Eichmann, der jahrelang inmitten der jüdischen Auswanderung steckte und dienstlich damit befaßt war, bis eben zu jenem genannten Verbot, mußte in Deportationsfahrplänen mit dem Reichsverkehrsministerium herumfummeln; ihm, der in Auswanderungserfahrung eine mehrjährige ,Schule" durchlaufen hatte, wurde hier ein Polizeiferner zur Seite gesetzt, ohne das auch Eichmann solche Genehmigungen erteilen konnte. Er mußte sich im Gegenteil von dieser polizeifernen Person noch drängeln lassen mit der Deportation nunmehr endlich zu beginnen, damit er sich seine ,Rosinen aus dem Kuchen" holen konnte, dabei genau wissend, das über Deportation alleine der Reichsbevollmächtigte, der Höhere SS- u. Polizeiführer, Himmler und Ribbentrop zu entscheiden hatten; und allenfalls noch Kaltenbrunner. Da packte Eichmann der Zorn; ein Zorn der umso schlimmer war, als Becker ja infolge seiner Himmler-Vollmacht tatsächlich unangreifbar gewesen ist. Er hatte eben den Befehl, gegen Vermögenswerte, alles zu genehmigen. Dazu kam, das um diese Zeit die deutsche Abwehr gegen Devisenzahlung ebenfalls Juden in das Ausland schleuste. Eichmann aber wie eine Pick-Neun da saß und in wenigen Wochen, in wenigen Tagen, würde er Fernschreiben mit abgegangenen Transportzügen an die befohlenen Stellen zu richten haben. Berichte an den Befehlshaber der Sicherheitspolizei für das Reichssicherheitshauptamt, nachrichtlich an den Höheren SS- u. Polizeiführer; dazwischen wieder Einholung von Detailauskünften aus dem ungar. Innenministerium oder an die Reichsbahndirektion Wien, wegen Anberaumung einer Fahrplankonferenz, zu der Eichmann Befehl erhielt. Dazwischen dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei auf Grund der Fahrpläne, die Zahl der befohlenen Transportbegleitmannschaften auszurechnen, welche dieser in Verhandlung mit dem Befehlshaber der Ordnungspolizei klarmachen mußte. Die komplizierte Korrespondenz bezüglich der Variationen in der Behandlung von Juden der verschiedenen ausländischen Staatsangehörigkeiten und was dergleichen bürokratischen Tätigkeiten mehr waren.
10.04.1944
Es mag um den 10. März 1944 gewesen sein, als Eichmanns Chef, der SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei, Müller, Eichmann auf einer Arbeitsstelle, etwa 80 km östlich von Berlin, im Kreise Wustrow, inspizierend kontrollierte. Eichmann hatte den Befehl, dort ein Barackendorf, als Ausweichstelle für ein zusammengelegetes Geheimes Staatspolizeiamt, aufzubauen. Er fand alles gut und schön und zweckmäßig.
Abschlieáend sagte er: ,Eichmann Sie melden sich sofort bei dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD-Ungarn, SS-Standartenführer u. Oberst der Polizei, Ministerialrat Dr. Gentke, in Mauthausen. Sie sind ihm als Referent zur Dienstleistung zugeteilt. Der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei hat die Evakuieurng sämtlicher Juden aus Ungarn, aus strategischen Gründen, von Osten nach Westen durchkämmend, befohlen."
Eichmann versuchte noch einen Hinweis auf die noch längst nicht fertiggestellte Arbeit und bat um die Genehmigung, dieselbe zu Ende bringen zu dürfen, aber die Nutzlosigkeit dieser Bitte war ihm bereits beim Beginn des Aussprechens derselben klar geworden.
Eichmann übergab das Referat nun endgültig an seinen bisherigen ,Ständigen Vertreter" und setzte sich nach Mauthausen in Marsch. Dort waren bereits die Befehlshaber der Ordnungspolizei und der Sicherheitspolizei mit der Aufstellung und Einteilung ihrer Kommandos beschäftigt. Es wurde feldmarschmäßige Adjustierung ausgegeben, die Kommandos wurden bewaffnet und vermunitioniert. Der dazugehörige Kraftfahrzeugpark aufgestellt und es fuhren sodann die Kommandos in drei Gruppen in Richtung Ungarn los. Das schnelle Vorauskommando aus Ordnungspolizei und Sicherheitspolizei unter dem SS-Obersturmbannführer Krumeg, und etwa 24 Stunden später das Gros - ebenfalls Ordnungspolizei und Sicherheitspolizei - unter Eichmanns Kommando; abschließend fuhr der Befehlsstab mit den Befehlshabern. Im Aufmarschraum angekommen, wurde Eichmann hinter der 1. Panzerlehrdivision eingezogen und marschierte hinter diesem Vorhand, gemäß der befohlenen Aufmarschordnung. In Budapest angekommen, löste Eichmann befehlsgemäß die Marschordnung auf und die verschiedenen Einheiten seines Marschverbandes - (denn nur während des Marsches und, falls der Einmarsch aus irgendwelchen Gründen nicht reibungslos vonstatten gehen sollte, unterstand ihm die Einheit) - meldeten sich bei ihren verschiedenen Dienststellen und Chefs, zur Dienstleistung.
15.04.1944
Am 15. April 1944 meldet der SS-Brigadeführer Edmund Veesenmayer, das seine an die ungarische Regierung gestellte Forderung, noch bis Ende des Monates 50.000 Juden zur Arbeit in Deutschland, zur Verfügung zu stellen, angenommen wurde und er mit Obergruppenführer Winkelmann die Einzelheiten des Abtransportes vereinbaren wird. Er bat das Auswärtige Amt, ihm aber jetzt schon umgehend Weisung zu erteilen, wohin der Transport im Reich geleitet werden solle. Das Auswärtige Amt teilte ihm als Antwort mit, das die Waggengestellung und der Fahrplan durch Eichmanns Dienststelle geregelt würde, sobald die abschließende Weisung von Obergruppenführer Kaltenbrunner vorliege. Diese Weisung bekam Eichmann durch das Reichssicherheitshauptamt am 22. April. Und der behördliche Instanzenweg manifestiert sich in einem Schreiben des Reichssicherheitshauptamtes, indem es das Auswärtige Amt darauf hinweist, das der Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Ungarn durch Blitz-Fernschreiben von den Verhandlungen Veesenmayers mit der ungarischen Regierung und seiner Vereinbarung mit dieser, wegen der 50.000 Juden, in Kenntnis gesetzt wurde und angefragt wurde, ob unter Hinblick auf die Transportschwierigkeiten eine Einschaltung des Reichssicherheitshauptamtes beim Reichsverkehrsministerium für erforderlich gehalten werde. Aber trotz allem und offensichtlich wegen der umständlichen Bürokratie, die im Amt IV des Reichssicherheitshauptamtes unvermeidbar war, ging es den interessierten Stellen im Auswärtigen Amt nicht schnell genug und als ob sie Rüge von höchster Stelle befürchteten, empfiehlt der Botschafter Ritter am 27. April Veesenmayer im Falle weiterer Verzögerung des Abtransportes, bei seiner drahtlichen Berichterstattung deutlich zum Ausdruck zu bringen, das von seiner Seite aus alles Mögliche und Notwendige zur schleunigen Durchführung der Aktion geschehen ist, das der Abtransport der bereitgestellten Juden aber dadurch verzögert wird, das die für Abtransport und übernahme der Juden zuständigen Stellen, die notwendigen Anordnungen nicht treffen.
22.09.1944
Am 22. September 1944, löst Eichmann befehlsmäßig mit einem Schlußappell das Kommando auf. Eichmann wird nach Berlin in das Reichssicherheitshauptamt zurückbefohlen, wurde jedoch angewiesen noch eine Woche in Budapest zu bleiben und sich dann in Berlin zurückzumelden.
18.10.1944
Mit geänderter politischer Lage ist auch in Ungarn die Judenfrage in neues Stadium getreten.
Obersturmbannführer Eichmann, der auf Antrag des Höheren SS- und Polizeiführers und Befehl des Chefs der Sicherheitspolizei heute nach Budapest zurückgeholt ist, hat Verhandlungen mit der ungarischer Regierung dahin aufgenommen, das 50.000 männliche, arbeitsfähige Juden aus Budapest zum Arbeitseinsatz nach Deutschland transportiert werden.
Aus einer Veröffentlichung der neuen Regierung ist im übrigen zu ersehen, das auch bisherige Ausnahmejuden, wieder zum Sterntragen verpflichtet werden."Noch am selben Tag berichtet Veesenmayer weiter: ,Trotz seitens Szalasi bereits erfolgter grundsätzlicher Stellungnahme, keinen ungarischen Juden weiterhin in das Reich abtransportieren zu lassen, wird der Innenminister versuchen, ausnahmsweise Zustimmung zu beantragter, zeitweise überlassung von 50.000 arbeitsfähigen, männlichen Juden zu erlangen, die im Reichsgebiet für das
Jägerprogramm, und zur Ablösung von russischen Kriegsgefangenen, die anderwärts dringend benötigt werden, eingesetzt werden sollen. Transport soll durch Fußtrecks in Begleitung deutscher Kommandos erfolgen. Das Einsatzkommando Eichmann wird abgesehen von teilweiser übernahme der Bewachung des Fußtrecks, nur beratend mitwirken, während die Aktion im übrigen von ungarischer Gendarmerie unter Leitung des bisherigen Beauftragten für Judenfragen Oberleutnant Ferencsy und der Oberleitung Staatssekretär Laday, durchgeführt werden soll.
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