Außenlager des Konzentrationslagers Ravensbrück

Bezeichnung:

Gebiet:
Brandenburg, Landkreis Elbe-Elster, Amt Schlieben

Eröffnung:
19.07.1944

Schließung:
09.04.1945

Deportationen:

Häftlinge:

Geschlecht:
Frauen

Namensliste der Opfer

Einsatz der Häftlinge bei:
HASAG (Hugo Schneider AG), Schlieben

Art der Arbeit:
Herstellung von Panzerfäusten

Bemerkungen:
Hasag Schlieben - Das vergessene Lager

Das drittgrößte deutsche Rüstungsunternehmen, die Hasag Hugo Schneider AG errichtete im Jahre 1938 in Schlieben einen Rüstungsbetrieb. Dieser diente der Fertigung von Munition. Zusätzlich wurde auf Anordnung des Oberkommandos des Heeres eine Schießbahn zu Munitionstests errichtet.
Um die Entwicklung zu beschleunigen wurde Hasag die Sondervollmacht Hochlauf Panzerfaust erteilt. Das Unternehmen erhielt die Vorgabe, monatlich 1,5 Millionen Panzerfäuste zu fertigen.
Zum Erreichen dieser Ziele wurden von Hasag jüdische sowie Sinti- und Roma-Zwangsarbeiter eingesetzt.

998 weibliche Zwangsarbeiter erreichten das Lager am 19. Juli 1944. Hierbei handelte es sich um Sintezza aus dem Konzentrationslager Ravensbrück.
Schlieben war ursprünglich als Außenstelle von Ravensbrück geplant, wurde dann aber Buchenwald zugeordnet. Am 14. August 1944 trafen zusätzlich 1387 jüdische männliche Zwangsarbeiter ein. Fast alle dieser Männer waren vorher im Hasag Arbeits - und Todeslager Skarzysko - Kamienna , Generalgouvernement , ausgebeutet worden. Nach Ankunft der Männer wurden bis auf 250 weibliche Zwangsarbeiterinnen sämtliche Frauen zum Hasagwerk Altenburg deportiert. Die Verbliebenen waren Sintezza aus Frankreich, Belgien, Luxemburg sowie weiteren europäischen, von deutschen Truppen besetzten Ländern.
Das Lager war ein gemischtes Lager. Dies bedeutet, dass es sowohl arische als auch jüdische Insassen besaß.
Um die geforderten 1,5 Millionen Panzerfäuste monatlich fertigen zu können forderte das Unternehmen von den Zwangsarbeitern ein extremes Akkordsystem. Prämien wurden den zivilen Meistern bei Überschreitung der Norm gezahlt. Die Häftlinge wurden als Ware betrachtet, Misshandlungen der Zwangsarbeiter waren üblich. Hunger, Krankheiten und Arbeitsunfälle forderten zahllose Opfer. Kapos und SS-Mannschaften ermordeten Arbeiter. Wer für die Arbeit nicht mehr geeignet erschien, wurde ins Konzentrationslager Buchenwald zurückgeschickt und durch andere Zwangsarbeiter ersetzt. Sintezza wurden in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert.
Am 12. Oktober 1944 kam es im Werk zu einer Explosion. Hierbei verstarben entsprechend Unterlagen aus dem Konzentrationslager Buchenwald 96 jüdische Häftlinge.
Um rasch wieder in der Lage zu sein, die für den Krieg erforderlichen Waffen zu produzieren, wurden zusätzliche Häftlingskontingente angefordert. Hierdurch wurde der Wiederaufbau des Werks in kürzester Zeit erreicht. Das mörderische Arbeitstempo und verstärkte Misshandlungen forderten zusätzliche Opfer. Die Zeit zwischen Oktober 1944 und April 1945, der Auflösung des Lagers bezeichneten zahlreiche Überlebende als die Hölle von Schlieben.
Im April 1945, kurz vor der Eroberung durch Truppen der Roten Armee, verließen zwei Häftlingstransporte das Lager in Richtung Konzentrationslager Theresienstadt. Auf diesen Todesmärschen verloren noch viele Häftlinge ihr Leben.

Unterlagen belegen, dass ca. 5000 Häftlinge als Zwangsarbeiter in Schlieben eingesetzt wurden, 217 verloren dort ihr Leben, 130 wurden von der Roten Armee am 21. April 1945 befreit.

Auf dem Friedhof von Schlieben wurden die sterblichen Überreste von Häftlingen beigesetzt, die zuvor auf dem Häftlingsfriedhof und in einem Massengrab vergraben wurden. Ein kleines Denkmal mit der Inschrift ODF 1933 – 1945 (Opfer des Faschismus) erinnert an die Opfer. Zwei Tafeln mit Namen jüdischer Opfer wurden dort angebracht allerdings ist auch vermerkt , dass deutsche Wehrmachtssoldaten hier ihre letzte Ruhe gefunden haben. Diese Gleichsetzung Opfer - Täter ist nicht verständlich und für Überlebende der Hasag und deren Familien, welche Schlieben besuchen nicht nachvollziehbar.

Nach Kriegsende wurden die verbliebenen Baracken als Wohnung für Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten genutzt. Die Armee der DDR und später die Bundeswehr nutzte das Areal der ehemaligen Hasag als Betriebsstoffdepot. Zusätzlich entstand hier ein Industriegebiet. Eine verbliebene Holzbaracke diente längere Zeit als Tanzlokal und später als Turnhalle. Heute existieren nur noch Ruinen der früheren Panzerfaustproduktionsstätte und Bunkerreste.

Im Jahre 1963 wurde neben dem ehemaligen Gästehaus der SS eine kleine Gedenkstätte errichtet. Diese wurde im Jahre 2007 in Privatinitiative renoviert, nachdem sie zuvor in Vergessenheit geraten war.
Es ist der Schliebener Familie Uwe Dannhauer zu verdanken , dass die kleine Gedenkstätte 2007 renoviert wurde. Allerdings muß nach einem neuen Zugang gesucht werden , der Bewohner des angrenzenden Gebäudes erlaubt eine Benutzung seines privaten Weges nicht.

Eine Gedenkveranstaltung zum 50. Jahrestag der Explosion fand in der Kirche unter mangelnder Beteiligung der Bevölkerung statt , Teilnehmer eines Ostermarsches mußten vom beabsichtigten Besuch der Gedenkstätte Abstand nehmen da das Amt Schlieben trotz mündlicher Zusage keine Übernachtungsquartiere stellte.

In das Blickfeld einer breiteren Öffentlichkeit gelangte die Hasag Schlieben im Jahr 2005 als der Historiker und Antifaschist Dr. Walter Strnad sein Buch Das KZ Außenlager Schlieben veröffentlichte. An den Herstellungskosten bzw. Druck beteiligte sich die Stadt nach einer Anfrage des Autors.
Unverständlich bleibt, warum selbst nach Erscheinen dieses Buches in einer Broschüre zum 1050 jährigen Bestehens der Stadt und einem heimatkundlichen Lesebuch des Ortschronisten das Außenlager kaum oder nur oberflächlich behandelt wurde. Auf Lesezuschriften in der Regionalzeitung Lausitzer Rundschau mit Meinungen zum Umgang der Stadt Schlieben mit dieser Thematik reagierte das Amt ausgesprochen nervös.


Das Lager unterstand bis zum 31.08.1944 verwaltungsmäßig dem KZ Ravensbrück, arbeitsmäßig jedoch dem KZ Buchenwald.


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