Deportationslager für Juden
Kistarcsa (Mala Tarca) 15 km. NW von Budapest
Ungarn, Landkreis Pest, Region Budapest
vor 1945 (ab März 1944)
Deportationslager für Juden
Internierungslager für Juden
Lagerkommandant Istvan Vasdenyei
29. April 1944 RSHA Transport Lager Kistarcsa - Konzentrationslager Auschwitz
Ankunft 02. Mai 1944 1800 Ungarische Juden und unerwünschte Elemente
Nach 1945
Haftanstalt für Politische
zuletzt Europas größtes Abschiebegefängnis
Berüchtigt blieb das Gefängnis auch nach 1945. Bis in die 50er Jahre saßen dort politische Gefangene ein. Die aktuelle Schließungsphase des Abschiebegefängnisses begann am 15. Juli 1995. Die Flüchtlinge in Ungarn, deren äußerst prekäre Existenz gerade im Moment der Schließung von Kistarcsa sichtbar werden könnte, werden auf schnellstem Weg in die Nachbarstaaten abgeschoben oder verlegt. Die neuen Lager befinden sich mehr als 100 Kilometer außerhalb der Hauptstadt. Menschenrechtsorganisationen werden sie wegen der hohen Reisekosten und der erschwerten Besuchsgenehmigungen nur noch schwerlich erreichen. Nicht mehr die gewöhnliche Polizei, sondern der Grenzschutz wird die Flüchtlinge mit Wehrpflichtigen und Berufssoldaten auf Militärgelände bewachen. Die Afrikaner befürchten, daß ihre Gruppe durch die Verlegung zerrissen werden könnte und sich ihre Haftbedingungen drastisch verschlechtern werden. Kein Außenstehender werde bezeugen können, was mit ihnen geschehen wird. Die Martin-Luther-King-Organisation, die die Abschiebehäftlinge in Kistarcsa betreut hat, weist auf die drohende Militarisierung der Flüchtlingsfrage in Ungarn hin. Die kritische Öffentlichkeit zugunsten von Gefangenen aus Afrika und Asien, die die Menschenrechtsorganisationen mühsam haben aufbauen müssen, werde durch die Verlegungen vorerst zerstört. Dafür gibt die Abschiebung von 19 Tamilen und Singhalesen, den Überlebenden der Fluchttragödie von Györ, ein beredtes Zeugnis. Sie gehörten zu einer Gruppe von vierzig Personen, die am 13./14. Juni die Flucht über die Grenzen in einem LKW-Container versucht hatten. Achtzehn von ihnen erstickten. Die Überlebenden wurden auf einem Mililtärgelände des Grenzschutzes in der ungarischen Stadt Györ interniert. Am 5. August wurden sie abgeschoben, fernab der Öffentlichkeit. Keine ungarische Zeitung berichtete darüber, kein Protest regte sich
Die ersten beiden Transporte verließen am 29. April 1944 Kistarcsa (1 800 Juden) und am 30. April 1944 Topolya (2 000 Juden). Nach einer zweiwöchigen Unterbrechung begann am 15. Mai 1944 die Hauptphase der Deportationen. Bis zum 9. Juli 1944, wurden 437.402 Juden aus Ungarn nach Auschwitz deportiert.
Vor der Ankunft der ersten Transporte in Auschwitz wurden großangelegte Vorbereitungen getroffen. Die Krematorien wurden sorgfältig ausgebessert, die Öfen neu mit Schamotte (feuerfester Ton) ausgelegt und die Kamine mit Eisenreifen verstärkt. Hinter den Krematorien wurden umfangreiche Gruben ausgehoben. Die Zahl der Angehörigen des Aufräumkommandos sowie des Sonderkommandos wurden erhöht. Trotz der Erhöhung der Häftlingszahl in diesen beiden Kommandos schafften sie es nicht, die große Zahl der Menschen und ihrer Habseligkeiten zu bewältigen.
Die ungarischen Juden waren im Schnitt mindestens vier Tage unterwegs. Die Waggons waren dermaßen überfüllt, daß die Menschen nicht genug Luft bekamen. Sie bekamen auch nichts zu trinken. Viele erstickten daher oder starben vor Durst. Besonders kleine Kinder, alte Menschen und Kranke starben unter diesen Transportbedingungen.
Da die Transporte zu umfangreich waren, sonderte die SS viele Menschen für das Lager aus und schickte sie erst von da ins Gas. Die Zahl der vergasten Menschen war aber so groß, daß die Krematorien diese Massen nicht zu fassen vermochten. Die sich türmenden Leichen wurden daher in den vorbereiteten Gruben auf Scheiterhaufen geschichtet und verbrannt. Um das Verbrennen zu beschleunigen, wurden rund um die Scheiterhaufen Rinnen ausgehoben, in die das Fett der schmorenden Körper abfließen konnte. Mit diesem Fett wurden die Leichenstöße begossen, damit sie besser und schneller verbrannten. Sadistische SS-Männer vergnügten sich damit, kleine Kinder und alte Frauen lebendig in das brodelnde Fett oder ins Feuer zu stoßen. Um die Angehörigen der Deportierten und die restliche ungarische Bevölkerung zu beruhigen, der es natürlich auffiel, daß eine sehr große Zahl an Menschen plötzlich verschwand, mußten die ungarischen Neuankömmlinge Korrespondenzkarten mit dem üblichen Text "Es geht mir gut." schreiben. Als Absender mußte das Arbeitslager Waldsee angegeben werden, das aber nur in der Phantasie der Lager-Gestapo existierte. Auch an diejenigen, die direkt vom Zug in die Gaskammer gingen, wurden in den Auskleideräumen der Krematorien diese Korrespondenzkarten verteilt mit dem Befehl, nach Hause zu schreiben.