Konzentrationslager Ahrensbök

Bezeichnung

Gebiet
Schleswig-Holstein, Kreis Ostholstein, Kreisfreie Stadt Ahrensbök, Amt Holstendorf

Eröffnung
03.10.1933

Schließung
Offiziell wurde das Ahrensböker KZ am 09.05.1934 aufgelöst.
Nach der Auflösung wurden einige Gefangene in andere Lager eingewiesen, die meisten frei gelassen.

Häftlinge
durchschnittlich 50 bis 60 Menschen gleichzeitig.
Die meisten (252) kamen aus Polen und der Sowjetunion (234). Andere kamen aus der Tschechoslowakei, Holland, Belgien, Frankreich, Jugoslawien, den baltischen Staaten, Italien. Osteuropäern ging es besonders schlecht

Geschlecht
Männer

Einsatz der Häftlinge bei

Art der Arbeit
Die Häftlinge mussten täglich acht Stunden im Wegebau arbeiten, Gräben ziehen, Land umgraben und planieren.

Bemerkungen
Etwa 300 Häftlinge waren insgesamt – in wechselnder Besatzung von jeweils 50–60 Männern - im Direktorenhaus eines unbewohnten Privathauses in der Plöner Straße untergebracht. Im Dachgeschoss befand sich der Schlafsaal, im Erdgeschoss Räume für die Wachmannschaften, im Keller eine Vernehmungszelle.

Für die Errichtung des Konzentrationslagers hatte die Regierung mehrere Gründe.
Zunächst einmal war die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28.02.1933 im Landesteil Lübeck zu spüren. Diese Verordnung erlaubte der Polizei, politische Gegner ohne jegliche richterliche Einspruchsmöglichkeit in Haft zu nehmen. Die Verordnung ermöglichte die Schutzhaft als Vorbeugemaßnahme gegen eventuelle staatsfeindliche Elemente. Mit dieser Verordnung wurden die Freiheitsrechte der Weimarer Verfassung elementar beschnitten.
Am 02.08.1933 veranlasste dann der Innenminister die Verbreiter von unwahren Meldungen über leitende Persönlichkeiten der nationalsozialistischen Freiheitsbewegung in Schutzhaft zu nehmen und Konzentrationslagern zuzuführen. Die Folge war, dass bald die Polizeigefängnisse im Landesteil Lübeck überfüllt waren. Dazu trug auch bei, dass im Juli 1933 angeordnet wurde, verschärft Kommunisten und Sozialdemokraten zu verfolgen.
Zudem beschloss Böhmcker den sogenannten Kampf gegen das Bettelunwesen zu forcieren. Es sollten dem Konzentrationslager die Arbeitsscheuen, Asozialen und Bettelnden zugeführt werden.
Am 30.08.1933 wurden Angehörige der Gendarmerie und der SA-Hilfspolizei von Unbekannten in Neukirchen und Malente niedergestochen, was den Anlass zu einer groß angelegten Aktion gegen Landstreicher gab. Zwischen dem 18. und dem 23. September nahm die SA 17 Landstreicher fest.
Am 03. Oktober 1933 wurde das Konzentrationslager eröffnet, wofür der Platzbedarf für die dahin schon 93 festgenommenen Personen ein entscheidender Grund war.

Das Konzentrationslager Ahrensbök könnte als eine Art privates Lager des Regierungspräsidenten Böhmcker bezeichnet werden. Er nutzte als Regierungspräsident seine relative Unabhängigkeit von der Landesregierung in Oldenburg, um in dem Konzentrationslager arbeitslose SA-Männer als Wachmannschaften zu beschäftigen. Diese Männer ernannte er zu seiner Hilfspolizei. Um diese zu finanzieren, ließ er wohlhabendere NS-Gegner festnehmen. An ihm lag es, für wie lange der Verhaftete eingewiesen wurde und unter welchen Bedingungen er wieder frei kam. Bei Personen, denen es finanziell nicht so gut ging, kam es oft vor, dass sie einen bestimmten Tagessatz an das Konzentrationslager abführen mussten, wenn sie wieder im Beruf waren. Beispiel, der Eutiner Arzt Dr. Ernst Wittern, der in Schutzhaft genommen wurde und 2500 Reichsmark Buße zahlen musste, weil er abfällige Bemerkungen über die Hakenkreuzflagge gemacht hatte.
So wurden zur abzusitzenden Schutzhaft noch zusätzlich Geldbußen eingezogen, die das Konzentrationslager finanzierten.
Eine weitere Besonderheit des KZ‘s in Ahrensbök war, dass es den Übergang von der Weimarer Republik zum Nationalsozialismus markierte.
Das Konzentrationslager war, an dem Ort eingerichtet worden, an dem sich vorher das FAD-Lager befunden hatte. Böhmcker entschied sich für diesen Standort, da die Häftlinge dort den FAD-Dienst fortsetzen konnten. Der Standort blieb im Prinzip also ein Arbeitslager, bekam nun aber einen Zwangscharakter. Der Arbeitszwang in diesem KZ stellte im übrigen einen massiven Unterschied zu anderen frühen Konzentrationslagern da, da dort die Häftlinge meist inhaftiert und nicht zur Arbeit gezwungen wurden. Man spricht in Bezug auf das Ahrensböker KZ von einer Besserungsanstalt mit Unterdrückungscharakter.

Tageseinteilung
06:00 Wecken. Anschließend Waschen, Bettenmachen und Schlafräume
reinigen.
07:00 Kaffeetrinken
07:30 Fortmarsch zur Arbeitstätte
12:00 Mittagessen
16:00 Feierabend
17:00 Kaffeetrinken, anschließend Freizeit
19:00 Abendessen
20:00 Abendbeschäftigung (Vorträge und dergleichen)
21:30 Tagesausklang
22:00 Nachtruhe (Sonntags 23:00)

Auszüge aus einem Urteilsspruch des Landgericht Lübecks vom 14.05.1949
So wird dort geschildert, wie ein Gefangener namens Plötner, der zuvor aus dem Lager geflohen war, körperlich misshandelt wurde. Er wurde gezwungen, sich mit dem Rücken an einen Spind zu stellen und darauf vom Lagerführer Tenhaaf und einem Mann namens Tiesch mit Peitschen, an denen Lederriemen befestigt waren, solange geschlagen, bis er besinnungslos zu Boden fiel. Dies geschah unter Anwesenheit anderer Häftlinge. Als Plötner bewusstlos am Boden lag, sprach Tenhaaf zu den anderen Häftlingen, Nun habt ihr alle gesehen, wie es einem ergeht, der ausreißt.
So, nun bringt das Schwein nach oben.
Ein anderer Häftling hatte sich eine verbotene kommunistische Zeitung besorgt und war daraufhin aus dem Lager geflohen, aber nach drei Tagen wieder eingefangen worden. Er wurde von fünf bis sechs SA-Männer mit Ketten blutig geschlagen und gegen die Knie getreten. Dann wurde er noch eine Nacht mit gefesselten Händen und Füßen auf dem Rücken liegend im Konzentrationslager festgehalten, bis er am nächsten Tag ins Eutiner Krankenhaus überführt wurde.

Aussage Jungclaussen Jullus vom 06.01.1946
Zu der Angelegenheit kann ich angeben, dass ich vom 13.11.1933 bis Januar 1934 auf Veranlassung des damaligen Regierungspräsidenten Böhmcker in Eutin, wiederholt eingesperrt worden bin. Das erste Mal lockte man mich aus dem Haus mit dem Vorwand, dass der Präsident mich im Konzentrationslager Holstendorf sprechen wolle. Ich wurde sofort eingesperrt. Nach einigen Tagen wurde ich ins Gefängnis nach Eutin überführt. Meine wiederholten Beschwerden, einem ordentlichen Richter vorgeführt zu werden, wurden hohnlächelnd abgewiesen. Nach 14 Tagen erfuhr ich, dass ich wegen der Ja-Plakette gelegentlich der Hitler-Wahl auf Anzeige hin inhaftiert worden war. Von Eutin aus wurde ich dann nach dem Konzentrationslager Nüchel transportiert. In dieser Zeit wurde ich eines Tages ohne jeden Grund plötzlich von dem Wachmann Tiesch überfallen und geprügelt, dass mit die Zähne aus dem Mund flogen.
Auf Drangen meiner Kundschaft wurde ich 2 Tage vor Weihnachten beurlaubt mit dem Hinweis, dass ich Weihnachtsabend wieder im Konzentrationslager zu sein hatte. Dieser Aufforderung habe ich Folge geleistet. Hiernach wurde mir zu verstehen gegeben, dass ich mich freikaufen könnte. Der Regierungspräsident Böhmcker forderte von mir 10 000 RM. Den größten Teil konnte ich bar bezahlen. Den Rest musste ich in monatlichen Raten zur persönlichen Verfügung von Böhmcker per Postanweisung zahlen. Hierdurch wurde ich Ende Januar 34 bis auf Weiteres beurlaubt und seit dem nicht wieder inhaftiert. Erwähnen möchte ich, dass ich von dem Wachmann Tiesch und dem Lagerkommandanten Tenhaaf öfter misshandelt worden bin. Bei einer Vorführung wurde ich in Gegenwart des Regierungspräsidenten Böhmcker von Tenhaaf derart mit Fußtritten bearbeitet, dass ich unter dem Tisch flog.

Das im Folgenden Ausgeführte beruht auf einer Aussage, einer ehemaligen Angestellten des Ahrensböker Jugendzentrums, die aber anonym bleiben wollte.

In Ahrensbök gibt es eine beunruhigend große Anzahl rechtsradikaler Jugendlicher. Frau X schilderte diese als sehr gewaltbereit und sehr verschlossen gegenüber Fremden. Im Jugendzentrum begrüßen sich einige Jugendliche mit dem Hitlergruß und rufen Sieg Heil. Als Grund für das Denken der Jugendlichen nannte Frau X eine Verherrlichung des Nationalsozialismus durch die Großelterngeneration. Die Großeltern hätten ihren Enkelkindern von der Zeit erzählt und versichert, Wenn Hitler noch leben würde, wäre alles besser. Angeblich habe man damals seine Meinung frei äußern können. Es habe eine große Gemeinschaft existiert. Diese gefährliche Verklärung des Nationalsozialismus mische sich mit heutiger Fremden- und Ausländerfeindlichkeit. Wenn der Vater eines deutschen Kindes arbeitslos werde, würde in einigen Familien nach einem Sündenbock gesucht. Die Türken würden dann verantwortlich gemacht. Das würden die Kinder miterleben. Und das sei etwas, was zu dem rechtsextremen Denken führe.
Auch seien die Jugendlichen sehr stolz, Ahrensböker zu sein. Alles, was die Jugendlichen nicht kennen, meiden sie oder bekämpfen sie sogar.

Viele Schüler beschäftigen sich nach Aussage von Frau X mit den NS-Geschehnissen in Ahrensbök. In vielen Schulen würden Projekte gemacht, in denen die Schüler mit Zeitzeugen sprächen oder doch Interviews mit ihnen sähen.
Frau X findet das sehr wichtig. Man dürfe auch den Menschen, die sich selbst als Nazis bezeichnen, nicht den Rücken zukehren, sondern müsse ihnen die Scheußlichkeiten des NS-Regimes aufzeigen, um ihre Einstellung zu ändern.