Erster Teil C. II.

Die Endlösung im Generalgouvernement

Der Endlösungsbefehl Hitlers machte sich im Generalgouvernement zunächst in personellen Umbesetzungen bemerkbar.

Als erstes wurden die bislang nur schwach besetzten Dienststellen der SS- und Polizeiführer in den Distrikten durch weiteres Verwaltungspersonal vergrößert.
Ferner fand eine nicht unerhebliche Umbesetzung der SS- und Polizeiführer in den einzelnen Distrikten statt, und zwar in erster Linie mit dem Ziele, zu weiche und damit für die neuen Aufgaben nicht befähigte Personen zu entfernen.

Im Distrikt Krakau wurde der SS- und Polizeiführer SS-Oberführer Schwedler durch den robusten und rigorosen SS-Oberführer Scherner ersetzt und im Distrikt Warschau der SS-Oberführer Wiegand durch den SS-Brigadeführer Dr. von Sammern-Frankenegg.

Den von besonders vielen Juden bevölkerten Distrikt Galizien übernahm anstelle des SS-Oberführers Oberg der als rücksichtslos bekannte SS-Brigadeführer Katzmann, der bisher den Distrikt Radom geführt hatte.

In Radom trat an seine Stelle der SS-Oberführer Bttcher.
Die abgelösten SS-Oberführer Oberg, Schwedler und Wiegand verließen das Generalgouvernement.

Lediglich der SS- und Polizeiführer im Distrikt Lublin, der SS-Gruppenführer Odilo Globocnik, verblieb auf seinem Posten. Er wurde zur Zentralfigur bei der Endlösung der Judenfrage im Generalgouvernement. Globocnik, der bis 1939 Gauleiter von Wien gewesen war, machte sich nach seiner Ernennung zum SS- und Polizeiführer im Distrikt Lublin sogleich energisch ans Werk und richtete als alter Kämpfer sein Augenmerk auf die Juden. Er fand ein reiches Betätigungsfeld vor.
Die Aussiedlung von Juden in das Generalgouvernement stand eine gewisse Zeit in engem Zusammenhang mit dem damals erwogenen Plan, Östlich der Weichsel ein sogenanntes Judenreservat zu bilden, in dem die nationalsozialistischen Machthaber einen großen Teil der Juden zu konzentrieren und zu isolieren beabsichtigten.

So hatte Himmler bereits am 30.10.1939 aufgrund eines Geheimen Erlasses Hitlers vom 07.10.1939 in seiner Eigenschaft als Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums zwecks Ausschaltung des schädigenden Einflusses von solchen volksfremden Bevölkerungsteilen, die eine Gefahr für das Reich und die deutsche Volksgemeinschaft bedeuten, angeordnet, dass die Juden hierbei in das Gebiet Östlich der Weichsel, zwischen Weichsel und Bug, einzuweisen seien.
Auf diesen Plan spielte auch der ehemalige Generalgouverneur Hans Frank anlässlich einer am 25.11.1939 vor den Kreishauptleuten und Stadtkommissaren des Distriktes Radom gehaltenen Rede an, in der er darauf hinwies, dass die deutsche Regierung 1/2 bis 3/4 aller Juden Östlich der Weichsel haben wolle.
Wenn auch der Plan der Bildung eines großen Judenreservats bereits im Frühjahr aufgegeben wurde, so wurden doch in der Zwischenzeit bereits größere Transporte von Juden aus dem Reich und anderen Teilen des besetzten Europas in den Raum Lublin gebracht und entweder in der Stadt Lublin selbst oder in den kleineren und fast ganz jüdischen Städten des Distrikts in der Nähe der deutsch-sowjetischen Demarkationslinie angesiedelt, die man dann im März 1943 zu Durchgangsstationen für das Vernichtungslager Belzec machte.
Dieser Juden nahm sich Globocnik besonders an, indem er sie zu den in seinem Distrikt durchzuführenden Grenzsicherungsarbeiten und zum Bau strategisch wichtiger Strassen einsetzte. Die Unterbringung, Verpflegung und Behandlung dieser Juden durch Globocnik und seine Leute ließ viel zu wünschen übrig. Globocnik verfuhr mit ihnen in einer Art und Weise, dass viele von ihnen an Erschöpfung starben.
Da Globocnik mit den ihm zur Verfügung stehenden jüdischen Arbeitskräften in besonders rigoroser Weise verfuhr, musste er den nationalsozialistischen Machthabern als der geeignete Mann für die Durchführung der Endlösung der Judenfrage im Generalgouvernement erscheinen.
Sie wurde in diesem Bereich wahrscheinlich in Anlehnung an den Vornamen des damaligen Chefs des Reichssicherheitshauptamtes Reinhard Heydrich unter der Tarnbezeichnung Aktion Reinhard oder auch Einsatz Reinhard durchgeführt.

Dass Globocnik den Auftrag zur Massenvernichtung der jüdischen Bevölkerung des Generalgouvernements erhielt, dass Himmler und mit ihm auch Hitler tatkräftig daran Anteil nahmen, ergibt sich auch aus folgendem Schreiben des Oberdienstleiters Viktor Brack in Hitlers Parteikanzlei an den Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei vom 23.06.1942:

Geheime Reichssache
Sehr geehrter Reichsführer!

Ich habe dem Brigadeführer Globocnik auf Anweisung von Reichsleiter Bouhler für die Durchführung seiner Sonderaufgabe schon vor längerer Zeit einen Teil meiner Männer zur Verfügung gestellt. Aufgrund einer erneuten Bitte von ihm habe ich nunmehr weiteres Personal abgestellt. Bei dieser Gelegenheit vertrat Brigadeführer Globocnik die Auffassung, die ganze Judenaktion so schnell wie nur irgend möglich durchzuführen, damit man nicht eines Tages mitten drin stecken bliebe, wenn irgendwelche Schwierigkeiten ein Abstoppen der Aktion notwendig machen. Sie selbst, Reichsführer, haben mir gegenüber seinerzeit schon die Meinung geäußert, dass man schon aus Gründen der Tarnung so schnell wie möglich arbeiten müsse. Beide Auffassungen, die ja im Prinzip das gleiche Ergebnis zeitigen, sind nach meinen Erfahrungen mehr als berechtigt.

Dass Globocnik diesen Auftrag auch durchführte, ergibt sich eindeutig aus den von ihm in den Jahren 1943 und 1944 mit Himmler geführten Schriftverkehr.

So schrieb Globocnik am 04.11.1943 von Triest aus an Himmler wie folgt:

Reichsführer!
Ich habe mit 19.10.1943 die Aktion Reinhard, die ich im Generalgouvernement geführt habe, abgeschlossen und alle Lager aufgelöst. Als Abschlussdarstellung erlaube ich mir, beiliegende Mappe, Ihnen, Reichsführer, zu überreichen. Meine Feststellungen in Lublin haben ergeben, dass es sich im Generalgouvernement um einen besonderen Ausstrahlungsherd gehandelt hat und versuchte ich daher diese Gefahrenmomente bildlich festzuhalten. Es wird vielleicht für die Zukunft sich zweckmäßig erweisen, auf die Ausschaltung dieser Gefahr hinweisen zu können. Andererseits aber habe ich versucht, eine Darstellung über den Arbeitseinsatz zu geben, aus dem nicht nur die Arbeitsmenge zu ersehen ist, sondern auch mit wie wenig Deutschen dieser Grosseinsatz ermöglicht wurde. Er ist jedenfalls so angewachsen, dass sich namhafte Industrien hierfür interessieren.
Ich habe mittlerweile diese Arbeitslager an SS-Obergruppenführer Pohl übergeben.

Ich bitte, Reichsführer, diese Mappe durchzusehen. Bei einem Besuch haben mir Reichsführer in Aussicht gestellt, dass für die besonderen Leistungen dieser harten Aufgabe einige EKs nach Abschluss der Arbeiten verliehen werden könnten. Ich bitte, Reichsführer, um Mitteilung, ob ich hierfür Vorschläge unterbreiten darf.
Ich darf mir erlauben darauf hinzuweisen, dass für den Warschauer-Einsatz, der einen verhältnismäßig kleinen Teil der Gesamtarbeit ausgemacht hat, an die Kräfte des dortigen SS- und Polizeiführers ebenfalls eine solche Verleihung bewilligt wurde.
Ich wäre Ihnen, Reichsführer, für eine positive Entscheidung diesbezüglich sehr dankbar, als ich gerne die harte Arbeit meiner Männer belohnt sehen möchte.


In einer Meldung über den wirtschaftlichen Teil der Aktion Reinhard, die Globocnik einem an Himmler gerichteten Schreiben vom 5.1.1944 beifügte, führte Globocnik unter anderem folgendes aus:

Die gesamte Aktion Reinhard zerfällt in 4 Gebiete:
A) die Aussiedlung selbst
B) die Verwertung der Arbeitskraft
C) die Sachverwertung
D) die Einbringung verborgener Werte und Immobilien
A. Die Aussiedlung

Sie ist erledigt und abgeschlossen. Die Voraussetzung hierbei war, durch eine methodisch richtige Behandlung, mit den schwachen zur Verfügung stehenden Kräften, die Menschen zu erfassen und möglichst wenig wirtschaftlichen Schaden an der Kriegsproduktion anzurichten.
Im Grossen und Ganzen ist dies gelungen.
Ein größerer Schaden ist nur in Warschau entstanden, wo aus Verkennung der Sachlage der Abschluss methodisch falsch durchgeführt wurde. Die Abwicklung Litzmannstadt konnte von mir aus wegen der Versetzung nicht mehr durchgeführt werden.

Die für diese Aktion aus anfallenden Mitteln, die jedoch als Reichsmittel aufzufassen sind, erstellten Einrichtungen sind zur Gänze weggeräumt. Aus Überwachungsgründen ist in den Lagern je ein kleiner Bauernhof entstanden, der von einem Fachmann besetzt ist. An ihn muss laufend eine Rente gezahlt werden, um den Bauernhof erhalten zu können.

Nach Erhalt des Auftrages zur Durchführung der Aktion Reinhard hatte Globocnik seiner Dienststelle eine neue entsprechend benannte Hauptabteilung angegliedert, welcher der durch Selbstmord aus dem Leben geschiedene Sturmbannführer Hans Höfle vorstand.

Der SS-Obersturmführer und ehemalige aus Württemberg stammende Kriminalobersekretär Christian Wirth wurde erster Kommandant des Vernichtungslagers Belzec, später Inspekteur der drei Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka.
Ihm stand als Adjutant der aus Bayern stammende spätere SS-Untersturmführer Josef Oberhauser zur Seite.

Darüber hinaus forderte Globocnik nach und nach eine größere Anzahl von Kräften zum Einsatz in den geplanten Vernichtungs- und Arbeitslagern an.

Er erhielt solche Kräfte, die fast ausschließlich an der sogenannten Euthanasieaktion mitgewirkt hatten und von denen zu erwarten war, dass sie sich ohne Skrupel an der Aktion Reinhard beteiligen würden.
Diese Euthanasieaktion stand unter der Leitung der Kanzlei des Führers (KdF), einer Parteidienststelle, die im Hause Tiergartenstrasse 4 in Berlin untergebracht war. Die Euthanasieaktion erhielt deshalb nach der Anschrift der Kanzlei des Führers den Decknamen T4 (Tiergartenstrasse 4).
An ihrer Spitze stand der Reichsleiter Philipp Bouhler. Ihre Hauptabteilung II, der die Euthanasieangelegenheiten unterstanden, wurde vom Oberdienstleiter Viktor Brack geleitet. Eine weitere bedeutsame Rolle spielte der Amtschef in der Kanzlei des Führers SA-Standartenführer Blankenburg. Die Kanzlei des Führers bediente sich ihrerseits wieder dreier sachlich und persönlich zusammenhängender Tarnorganisationen, und zwar der Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten, der Gemeinnützigen Stiftung für Anstaltspflege und der Gemeinnützigen Krankentransport GmbH.

Ein großer Teil des Personals dieser Stellen wurde nach und nach an die Dienststelle des SS- und Polizeiführers für den Distrikt Lublin abgeordnet. Die Männer wurden jedenfalls vor Beginn der Massentötungen zunächst in dem ebenfalls zur Aktion Reinhard gehörenden Lager Trawniki zusammengefasst und dort einer militärischen Grundausbildung unterworfen. Danach wurden sie gemeinsam mit anderen bewährten SS-Leuten auf die einzelnen von Globocnik geschaffenen Lager aufgeteilt. Zuvor wurden sie jedoch soweit sie nicht schon als Beteiligte an der Euthanasieaktion zur Verschwiegenheit ausdrücklich verpflichtet worden waren, zur absoluten Geheimhaltung ihrer Aufgaben verpflichtet.


Diese schriftliche Verpflichtung hatte folgenden Wortlaut:
Verhandlung
über die Verpflichtungen des ................ als besonders beauftragte Person bei der Durchführung von Arbeiten bei der Judenumsiedlung im Rahmen des Einsatzes Reinhard beim SS- und Polizeiführer im Distrikt Lublin. Der ............ erklärt:
Durch SS-Hauptsturmführer Höfle als Leiter der Hauptabteilung Einsatz Reinhard beim SS- und Polizeiführer im Distrikt Lublin bin ich eingehend unterrichtet und belehrt worden:

1. darüber, dass ich unter keinen Umständen an Personen, die außerhalb des Kreises Mitarbeiter im Einsatz Reinhard stehen, irgendwelche Mitteilungen über den Verlauf, die Abwicklung oder die Vorkommnisse bei der Judenumsiedlung mündlich oder schriftlich zukommen lassen darf.

2. darüber, dass die Vorgänge bei der Judenumsiedlung Gegenstand einer Geheimen Reichssache im Sinne der Verschl. V sind.

3. über die entsprechenden Sonderbestimmungen der Geschäftsordnung des SS- und Polizeiführers im Distrikt Lublin unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass diese Vorschriften Befehle in Dienstsachen bzw. Gebote und Verbote im Sinne des 92b des RStGB sind

4. über ein ausdrückliches Photografier Verbot in den Lagern des Einsatzes Reinhard.

5. über 88 bis 93 RStGB in der Fassung vom 24.April 1934 und über die Verordnung gegen Bestechung und Geheimnisverrat nichtbeamteter Personen vom 3. Mai 1917.

6. über die des RStGB 139 (Anzeigepflicht) und 353c (Verletzung des Amtsgeheimnisses).
Ich kenne die angeführten Bestimmungen und Gesetze und bin mir der Pflichten bewusst, die mir aus der übertragenen Aufgabe erwachsen. Ich verspreche, sie nach bestem Wissen und Gewissen wahrzunehmen.

Mir ist bekannt, dass die Pflicht zur Geheimhaltung auch nach meinem Ausscheiden aus dem Dienst weiterbesteht.

Nach der erfolgten Abordnung und nach Erfüllung der Formalitäten begann ein erstes, aus etwa 30 Chemikern, Ärzten und Pflegern bestehendes Kommando im Herbst 1941 mit dem Ausbau des Lagers Belzec, das in der Nähe der Stadt Tomaszow an der südlichen Grenze des Distrikts Lublin gelegen war.

Es folgten das in der Nähe der Stadt Wlodawa an der Östlichen Grenze des Distrikts Lublin gelegene Tötungslager Sobibor und schließlich das Vernichtungslager Treblinka, das jedoch im Gegensatz zu den Lagern Belzec und Sobibor nicht mehr im Distrikt Lublin, sondern bereits im Distrikt Warschau lag, ungeachtet dessen aber Globocnik und nicht dem SS- und Polizeiführer in Warschau unterstand.

Als erstes dieser Lager nahm Belzec im Mrz 1942 seine Tätigkeit mit der Vernichtung von etwa 35000 Juden aus dem Ghetto der Stadt Lublin auf. Im Mai 1942 war dann das Lager Sobibor voll in Betrieb, und im Juli 1942 folgte schließlich das Lager Treblinka.
Die Vernichtung der Juden in allen drei Lagern erfolgte in der Weise, dass sie in Gaskammern getrieben und dort durch Motorenabgase getötet wurden.

Aufgabe der vier übrigen SS- und Polizeiführer in den Distrikten Krakau, Warschau, Radom und Galizien war, die Juden in ihrem Bereich zu erfassen und den unter der Leitung von Globocnik stehenden Vernichtungslagern zur Tötung zuzuführen.

Die Abschiebung der Juden aus dem Generalgouvernement in die drei Vernichtungslager erfolgte unter der Tarnbezeichnung Aussiedlung.
Ihr Abtransport erfolgte mit Sonderzügen, und zwar meist in geschlossenen Güterwagen. Die Fahrpläne für diese Züge wurden von der zum Dezernat 33 (Reisezüge) der Generaldirektion der Ostbahn (Gedob) in Krakau gehörenden (allgemeinen und nicht auf Judensonderzüge beschränkten) Sonderzuggruppe aufgestellt. Diese Sonderzugfahrpläne erstreckten sich teilweise über einen längeren Zeitraum, insbesondere dann, wenn zum Abtransport der Juden aus einem Ort mehr als ein Güterzug erforderlich war. Diese Fahrpläne wurden, wenigstens in gewissem Umfange - erst nach Verhandlungen oder Besprechungen mit der Reichsbahn in Berlin (Reichsverkehrsministerium) und der Dienststelle des Höheren SS- und Polizeiführers Ost in Krakau erstellt.
Eine andere Gruppe der Sonderzugfahrpläne galt nur für eine einzelne Zugfahrt. Ihrer Aufstellung lag zumeist die Anforderung eines SS- und Polizeiführers im Distrikt auf Gestellung eines Zuges zugrunde.
Die Bereitstellung der Sonderzüge durch die Ostbahn stieß jedoch aufgrund der durch die Kriegsereignisse bedingten Transportknappheit - Polen war Durchgangsgebiet zur Ostfront zeitweilig auf erhebliche Schwierigkeiten. Diese nahmen im Sommer 1942 einen derartigen Umfang an, dass sich Himmler selbst zum Eingreifen genötigt sah. In seinem Auftrage wandte sich schon früher der damalige Leiter seines Stabes, der SS-Obergruppenführer Wolff, am 16.07.1942 an den Staatssekretär im Reichsverkehrsministerium Dr.Ing. Gan. und bat dringend um die besondere Unterstützung der Reichsbahn bei dem Abtransport der Juden in die Vernichtungslager.

Der Staatssekretär Gan. antwortete unter dem 28.7.1942 wie folgt:

Geheim
Sehr geehrter Pg. Wolff!

Unter Bezugnahme auf unser Ferngespräch vom 16.07.1942 teile ich Ihnen folgende Meldung meiner Generaldirektion der Ostbahnen (Gedob) in Krakau zu Ihrer gefälligen Unterrichtung mit:
Seit dem 22.07. fährt täglich ein Zug mit je 5000 Juden von Warschau über Malkinia nach Treblinka, außerdem zweimal wöchentlich ein Zug mit 5000 Juden von Przemysl nach Belzec. Gedob steht in ständiger Fühlung mit dem Sicherheitsdienst in Krakau. Dieser ist damit einverstanden, dass die Transporte von Warschau über Lublin nach Sobibor (bei Lublin) so lange ruhen, wie die Umbauarbeiten auf dieser Strecke diese Transporte unmöglich machen (ungefähr Oktober 1942).
Die Züge wurden mit dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei im Generalgouvernement vereinbart. SS- und Polizeiführer des Distrikts Lublin, SS-Brigadeführer Globocnik, ist verständigt.
Heil Hitler!
Ihr ergebener
gez. GEZ. Gan.

Dieses Schreiben wurde am 18.August 1942 vom Persönlichen Stab des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei Abschriftlich dem Höheren SS- und Polizeiführer Ost in Krakau Krüger und dem SS- und Polizeiführer im Distrikt Lublin Globocnik übermittelt.

Diese sich allein schon aus dem vorstehend auszugsweise zitierten Schriftverkehr ergebenden Schwierigkeiten bei der Beschaffung des Transportraumes und die damit notwendig verbundene erhöhte Umlaufgeschwindigkeit der Waggons und Lokomotiven führten zu kaum zu beschreibenden Grausamkeiten gegenüber den Aussiedlern, die durch das Verhalten des Wachpersonals noch gesteigert wurden.
Zunächst führten die Schwierigkeiten bei der Beschaffung des Transportraumes dazu, dass das Fassungsvermögen der einzelnen Waggons, bei denen es sich fast ausschließlich um geschlossene Güterwagen (G-Wagen) handelte, bis auf den letzten Quadratzentimeter ausgenutzt wurde.
In aller Regel wurden daher rund 100 Personen, sehr oft aber auch mehr, ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht in die Waggons gepfercht, die anschließend mit Plomben verschlossen wurden. Da alle diese Personen auch noch über zum Teil recht umfangreiches Gepäck verfügten, blieb der Raum für die einzelne Person auf wenige Quadratzentimeter beschränkt.
Darüber hinaus führte die hohe Umlaufgeschwindigkeit der einzelnen Züge dazu, dass auf dem Wege vom früheren Wohnsitz der Aussiedler bis zum Vernichtungslager gar kein oder nur ein vereinzelter Halt eingelegt wurde. Selbst bei einem Anhalten war es den Juden verboten, die verplombten Waggons zu verlassen. Die Plomben an den Güterwagen wurden erst bei der Ankunft in Treblinka gelöst.

Alle diese Umstände führten in ihrem Zusammenwirken dazu, dass die Juden erhebliche körperliche Leiden erdulden mussten.

Ihre Notdurft mussten sie in den geschlossenen Waggons verrichten, was alsbald zu einer immer unerträglicher werdenden Verpestung der Luft führte.
Wasser oder Getränke erhielten die Juden nicht. Bemühten sie sich auf den vereinzelten Halten durch die kleinen Lüftungsklappen um Wasser, so liefen sie Gefahr, vom Begleitpersonal erschossen oder misshandelt zu werden.

Diese körperlichen Qualen erreichten ihren Höhepunkt bei den in der wärmeren Jahreszeit durchgeführten Transporten, wo durch starke Sonneneinwirkung und durch die Vielzahl der in den einzelnen Waggons befindlichen Menschen sehr bald eine unerträgliche Hitze entstand. In einer sehr großen Zahl von Fällen überstanden Kranke, Gebrechliche, alte Leute und Kinder die Transporte nicht mehr lebend. Ihre Leichen blieben aber bis zur Ankunft im Vernichtungslager im Waggon.

Soweit die jüdische Bevölkerung noch nicht in den großen Städten des Landes in den jüdischen Wohnbezirken und Ghettos konzentriert war und sie nicht allzu weit von den für sie zuständigen Vernichtungslagern ansässig war, erfolgte der Abtransport entweder zu Fuß oder mit Lastkraftwagen oder Pferdefuhrwerken. Die Strapazen und Misshandlungen, denen die Juden bei solchen Transporten ausgesetzt waren, waren jedoch um nichts geringer als bei den Bahntransporten.
Misshandlungen und Erschießungen waren auch hier an der Tagesordnung. Wenn die Zahl der auszusiedelnden Juden so klein war, dass sich ein besonderer Transport nicht lohnte, wurden die Ortschaften dadurch judenrein gemacht, dass man die Juden eben an Ort und Stelle liquidierte, dh erschoss.
Durch die Aktion Reinhard, die mit dem 19.10.1943 ihren offiziellen Abschluss fand, haben schätzungsweise 1500000 Juden allein in den drei Vernichtungslagern Treblinka, Belzec und Sobibor den Tod gefunden.

Die bei der Aktion Reinhard angefallenen und in den drei Vernichtungslagern Belzec, Sobibor und Treblinka sichergestellten Sachwerte, die dem SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt in Berlin zur Verfügung gestellt wurden, machen nach einem von Globocnik unterzeichneten, für dieses Amt in Berlin bestimmten Bericht über die Verwaltungsmäßige Abwicklung der Aktion Reinhard den Betrag von RM 178.745.960,59 aus, der sich wie folgt aufgliedert:

Abgelieferte Geldmittel Zl- und RM-Noten RM 73.852.080,74
Edelmetalle RM 8.973.651,60
Devisen in Noten RM 4.521.224,13
Devisen in gemünztem Gold RM 1.736.554,12
Juwelen und sonstige Werte RM 43.662.450,00
Spinnstoffe RM 46.000.000,00
RM 178.745.960,59
Die abgelieferten Geldmittel betrugen eigentlich sogar RM 85.741.903,28. Von diesem Betrag sind die Ausgaben für die Aktion Reinhard in Höhe von RM 11.889.822,54 bereits abgezogen worden, so dass die als erster Posten in der Aufstellung aufgeführte Reineinnahme von RM 73.852.080,74 verblieb.

Nach dem Abschluss der Aktion Reinhard wurden die einzelnen Lager abgeräumt und die Bauten und sonstigen Einrichtungen sorgfältig beseitigt.
Auf dem jeweiligen Lagergelände wurde je eine landwirtschaftliche Siedlerstelle mit einem Bauernhaus geschaffen, die mit je einem ehemaligen Mitglied des ukrainischen Wachpersonals besetzt wurde.

Globocnik und Wirth wurden bereits im August 1943 nach Italien versetzt, wobei Globocnik zum Höheren SS- und Polizeiführer für das adriatische Küstenland mit dem Sitz in Triest ernannt wurde.
Die übrigen Angehörigen der Aktion Reinhard verlegte man gegen Ende 1943 ebenfalls nach Oberitalien, Istrien und Dalmatien. Hier wurden sie in den sogenannten Einheiten R 1, R 2 und R 3 (Reinhard) zusammengefasst, um auch hier Maßnahmen zur Judenvernichtung vorzubereiten und durchzuführen. Infolge der zunehmenden Partisanentätigkeit wurden sie jedoch bis zum Kriegsende überwiegend zur Partisanenbekämpfung eingesetzt, in deren Verlauf eine ganze Reihe von ihnen verwundet oder getötet wurde.