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Die Rolle der SS und Polizei bei der Endlösung der Judenfrage
Die Schutzstaffeln (SS) der NSDAP, denen anfänglich der Schutz höherer Parteiführer und die Verhütung und Niederschlagung von Parteirevolten oblag, zählten im Jahre 1933 bereits 50000 Mitglieder. Nach der Machtübernahme entstanden neben dieser Allgemeinen SS eine neue Stabswache, die spätere Leibstandarte Adolf Hitler, und politische Bereitschaften, die sog. SS-Verfügungstruppen, aus denen später die Waffen-SS hervorging.
Dieser Aufbau der SS ist eng mit Heinrich Himmler verknüpft. Nach seiner Ernennung zum Reichsführer der SS ging er unverzüglich dazu über, die SS zu einer politisch und weltanschaulich besonders gefestigten Kampfeinheit der NSDAP auszubauen. Daneben war Himmler bestrebt, einen beherrschenden Einfluss auf die Polizei auszuüben. Bereits am 09.03.1933 ernannte ihn der Ritter von Epp zum stellvertretenden Polizeipräsidenten von München. Schon Mitte März 1933 wurde er zum politischen Referenten beim Staatsministerium des Innern ernannt und ihm in dieser Eigenschaft die gesamte politische Polizei Bayerns unterstellt. Von Bayern ausgehend, gelang es Himmler, im Winter 1933/1934 in allen deutschen Ländern zunächst mit Ausnahme von Preußen und Schaumburg-Lippe, Chef der jeweiligen politischen Polizei zu werden. In Preußen erreichte er es, am 20.04.1934 stellvertretender Chef und Inspekteur der Preußischen Geheimen Staatspolizei zu werden. Zwar war hier Göring nach wie vor Chef dieser Polizei, praktisch aber hatte Himmler die volle Befehlsbefugnis. Schließlich erhielt Himmler durch ein Schreiben der Landesregierung von Schaumburg-Lippe vom 02.06.1934 auch das Kommando der dortigen politischen Polizei.
Den Anfang zur Verschmelzung von SS und Polizei machte Hitler mit seinem Erlass vom 17.06.1936, durch den er Himmler zum Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern ernannte. Es war dies der wichtigste Schritt auf dem Wege der Umwandlung der deutschen Polizei in ein Instrument der Führergewalt.
In seiner Eigenschaft als Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei nahm Himmler durch zwei Erlasse vom 26.06.1936 eine grundlegende Neuorganisation der deutschen Polizei vor. Er setzte den General der Polizei Kurt Daluege als Chef der Ordnungspolizei und den SS-Gruppenführer Reinhard Heydrich als Chef der Sicherheitspolizei ein.
Dem Chef der Ordnungspolizei (Orpo) wurden Schutzleute, Gendarmerie und Gemeindepolizei unterstellt, dem Chef der Sicherheitspolizei (Sipo) die Politische Polizei und die Kriminalpolizei. Eine besondere Organisation der SS war der 1931 gegründete Sicherheitsdienst (SD), den Heydrich anstelle der bisherigen Polizei zur neuen Polizei machen wollte. Das scheiterte jedoch an der fachlichen Unzulänglichkeit des zur Verfügung stehenden Personals. Immerhin erhielt der SD eine eigene Organisation im gesamten Reichsgebiet.
Parallel zu den Oberabschnitten und Abschnitten der Allgemeinen SS wurden Oberabschnitte und Abschnitte des SD eingerichtet.
Die Allgemeine SS, der SD und die ebenfalls 1933 entstandenen Politischen Bereitschaften waren drei voneinander unabhängige Organisationen, die zusammen die Gesamt-SS bildeten.
Im Gegensatz zu den Politischen Bereitschaften, aus denen die Verfügungstruppen bzw. die Waffen-SS hervorging, blieb der SD etatmäßig immer im Zuständigkeitsbereich des Reichsschatzmeisters der NSDAP.
Nachdem es Himmler und Heydrich in kurzer Zeit gelungen war, die Verfügungsgewalt über die politische Polizei in allen deutschen Ländern zu erringen, waren für den SD keine Exekutivaufgaben mehr vorhanden. Er bekam deshalb nachrichtendienstliche Aufgaben allgemeiner Art zugewiesen. Es handelte sich um die Beschaffung von Informationen über einzelne, besonders interessierende Personen oder um zusammenfassende Darstellungen über die Verhältnisse in einzelnen Gebieten des öffentlichen Lebens, der Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Kirche. Das nachrichtendienstliche Monopol des SD im Bereich der nationalsozialistischen Bewegung wurde durch eine Anordnung des Stellvertreters des Führers vom 09.06.1934 begründet und schließlich durch einen Erlass des Reichsministers des Innern vom 11.11.1938 staatlich sanktioniert. Daneben hatte der SD als selbständige Formation der Gesamt-SS noch eine bestimmte organisatorische Funktion.
Himmler war im Zuge der Verschmelzung von SS und Polizei darauf bedacht, die Angehörigen der Polizei unter mehr oder minder starkem Druck zu veranlassen, der SS beizutreten. Angehörige der Ordnungspolizei traten der Allgemeinen SS bei, Angehörige der Sicherheitspolizei dagegen wurden der Formation SD zugewiesen. Sie trugen dann die sogenannte SD-Raute am linken Ärmel. Da der Einsatz der Sicherheitspolizei in den besetzten Gebieten in der Regel in SS-Uniform erfolgte, stand er für Außenstehende Beobachter des Auslands unter dem Zeichen des SD, so wie er im Altreich unter dem Zeichen der Gestapo stand.
Durch Erlass vom 27.09.1939 fasste Himmler die Sicherheitspolizei und den Sicherheitsdienst mit Wirkung vom 01.10.1939 im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) unter Heydrich als Chef zusammen. Es bestand zunächst aus 6, später aus 7 Ämtern, die jeweils einem eigenen Amtschef unterstellt waren.
Die Organisation der Heydrich als dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD (CSSD) Nachgeordneten regionalen und lokalen Dienststellen in den besetzten Gebieten war klar und einfach. Beim Einmarsch in diese Gebiete wurden die sicherheitspolizeilichen und nachrichtendienstlichen Belange von sogenannten Einsatzgruppen wahrgenommen. Sie trugen die Bezeichnung Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und waren in Einsatzkommandos untergeteilt, von denen je eines einem Korps zugeteilt war. Aufgabe der Einsatzgruppen war die Bekämpfung aller reichs- und deutschfeindlichen Elemente rückwärts der fechtenden Truppe.
Die Gliederung der Einsatzgruppen, beziehungsweise Einsatzkommandos, entsprach im Prinzip der Gliederung des Reichssicherheitshauptamtes. Es handelte sich also um verkleinerte Ausgaben der Zentrale mit den entsprechenden Sparten von Staatspolizei, Kriminalpolizei und Sicherheitsdienst.
Die Einsatzgruppen und Einsatzkommandos wurden jedoch, sobald sich die Besatzungsverwaltung konsolidiert hatte, in eine territorial fest stationierte Organisation der Sicherheitspolizei und des SD umgewandelt.
In den besetzten Gebieten wurden nun Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD (BdS) eingesetzt, und jedem Befehlshaber waren mehrere Kommandeure der Sicherheitspolizei und des SD (KdS) unterstellt, z.B. im Generalgouvernement 5 Kommandeure. Ähnlich war die Ordnungspolizei in den besetzten Gebieten gegliedert, also in das Hauptamt Ordnungspolizei (HA Orpo) in Berlin, in die Befehlshaber der Ordnungspolizei (BdO), denen wiederum die Kommandeure der Ordnungspolizei (KdO) unterstanden.
Der Befehlsweg war damit klar vorgezeichnet. Er ging vom Reichssicherheitshauptamt (beziehungsweise vom Hauptamt Ordnungspolizei) in Berlin zu den Befehlshabern der Sicherheitspolizei (beziehungsweise der Ordnungspolizei).
Der hier insbesondere interessierende Befehlsweg der Sicherheitspolizei wurde, sieht man von einer nur selten vorgekommenen Unterstellung der Organe der Sicherheitspolizei unter eine Örtliche Zivilverwaltung ab, in der Regel nur dann unterbrochen, wenn ein Höherer SS- und Polizeiführer (HSSPF), dem wiederum SS- und Polizeiführer unterstanden, vom Reichsführer SS mit einer Sonderaufgabe betraut wurde.
Die Einrichtung der Höheren SS- und Polizeiführer beruhte auf einem Erlass des Reichsinnenministers vom 13.11.1937. Sie war zunächst nur auf den Einsatz von SS und Polizei im Krieg zugeschnitten. Im Altreich war diese Institution von geringerer, in den besetzten Gebieten jedoch von größter Bedeutung. Ein Höherer SS- und Polizeiführer in den besetzten Gebieten konnte unter Einschaltung der ihm unterstellten SS- und Polizeiführer seine Weisungen unter Umgehung des Reichssicherheitshauptamtes direkt an die Befehlshaber und Kommandeure der Sicherheitspolizei erteilen und sich überdies zur Erfüllung seiner Sonderaufgabe sämtlicher Teilorganisationen der SS und Polizei bedienen. Diesen kürzeren Befehlsweg wählte Himmler zur Durchführung der Judenvernichtung, insbesondere auch in Polen.
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