|
|
Die Zeit der Auswanderung der Juden in den Jahren 1939 bis 1941
Das Ziel aller bis Ende 1938 gegen die Juden gerichteten Maßnahmen war, ihre Auswanderung aus Deutschland zu beschleunigen. Dieser Zweck war jedoch nicht in dem wünschenswerten Ausmaß erreicht worden. Im Gegenteil war in den politisch ruhigeren Jahren 1936 und 1937 eine größere Zahl von Juden, die vorher emigriert waren, nach Deutschland zurückgekommen. Dies führte dazu, dass Göring als Beauftragter für den Vierjahresplan mit einem Schreiben vom 24.Januar 1939 den Reichsminister des Inneren mit der Errichtung einer Reichszentrale für die jüdische Auswanderung beauftragte. Diese Reichszentrale wurde dem Chef der Sicherheitspolizei Heydrich unterstellt.
Die Reichszentrale für die jüdische Auswanderung arbeitete mit der durch die 10. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 4.Juli 1939 zwangsweise gebildeten, dem Amt IV des Reichssicherheitsamtes unterstellten Reichsvereinigung der Juden in Deutschland zusammen. Diese Vereinigung wurde zwar formell Trägerin des jüdischen Schulwesens und der freien jüdischen Wohlfahrtspflege, hatte aber vor allen Dingen den Zweck, die Zwangsauswanderung der Juden und damit ihre Vertreibung aus dem Reichsgebiet gemäß Punkt 8 des Parteiprogramms der NSDAP zu fördern. Tatschlich wanderten viele Juden aus, und zwar auch noch nach dem Ausbruch des 2.Weltkrieges.
Während und nach dem Frankreichfeldzug griff das Auswärtige Amt den Gedanken auf, die Juden Europas in ein Reservat zu überführen. Das Auswärtige Amt arbeitete zu dieser Frage verschiedene Denkschriften aus. Daneben entwarf das Reichssicherheitshauptamt von sich aus einen detaillierten Plan für die Verschickung der Juden in ein Reservat. Alle diese Pläne liefen zuletzt darauf hinaus, sich die Insel Madagaskar von den Franzosen im Friedensvertrag abtreten zu lassen, die Insel als Protektorat der Verwaltung des Reichssicherheitsamtes zu unterstellen, die Juden ganz Europas nach Madagaskar zu deportieren und sie dort in einem Reservat leben zu lassen, das sich selbst verwalten, aber einem Polizeigouverneur Himmlers unterstehen sollte. Der Madagaskarplan war in den Augen Hitlers bereits insoweit eine Realität, als er im Herbst 1940 Juden aus dem Saargebiet, aus der Pfalz und Baden nach Frankreich bringen ließ, und zwar in Verbindung mit dem Plan, sie später nach Madagaskar verschiffen zu lassen. Letzten Endes ließ sich der gesamte Madagaskarplan jedoch wegen unvorhergesehener Veränderungen der politischen und militärischen Lage nicht durchführen. So lief die Auswanderung der Juden weiter, wenn auch in geringerem Umfange als bisher.
Eine grundsätzliche Änderung der Judenpolitik war in den nächsten Monaten noch nicht erkennbar.
Allerdings erfolgte eine besonders scharfe Diskriminierung der Juden durch die Polizeiverordnung vom 1.September 1941, nach der alle Juden, die das 6. Lebensjahr vollendet hatten, in der Öffentlichkeit den Judenstern, einen Handtellergrossen, schwarz ausgezogenen Sechsstern aus gelbem Stoff mit der schwarzen Aufschrift Jude, auf der linken Brustseite des Kleidungsstücks fest aufgenäht tragen mussten.
|