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Häftlinge mit Gewehrkolben ins Feuer getrieben Am Holzzaun des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers Lamsdorf hängt ein Schild in verwaschenem Rot: Staatliche Hühnerfarm. Dahinter, zwischen Akazien und Buchen, blühen Vergißmeinnicht auf einer Wiese. Abends spielt hier die Dorfjugend Fußball. Sie spielen auf dem Massengrab der deutschen Opfer von Lamsdorf, 6488 Leichen sind hier verscharrt. Die Kapos waren kriminelle Lustmörder, sagt Walter Swierc. Was im Lager geschah, enthüllen Gerichtsakten, die erst jetzt von der polnischen Geheimpolizei freigegeben wurden. Frauen, die nebeneinander saßen, wurden von hinten erschossen. Aufseher ritzten Insassen (meist Bauern) Hakenkreuze in die Haut, sperrten sie tagelang in Keller, in denen fauliges Wasser ein Meter hoch stand. Die Bäuerin Agnes Haiduk wohnt nur einen Kilometer entfernt. Sie steht gebückt in ihrer Wohnküche in Lamsdorf, Haus Nummer 16. Sie holten uns morgens um acht. Sie trieben das ganze Dorf in einer langen Kolonne ins Lager. Das war am 8. Februar 1946. Es hatte geschneit, 20 Grad minus. Die Mutter von fünf Kindern hatte ihren Kleinsten, Karl-Heinz, auf dem Arm. Er weinte. Bäuerin Haiduk ist die einzige der 400 Deutschen aus Lamsdorf, die das Lager bis heute überlebt hat. Sie vergräbt ihr Gesicht in beide Hände, spricht im Flüsterton: Meinem Mann haben die Aufseher einen Stahlhelm aufgesetzt und mit dem Vorschlaghammer draufgeschlagen. Emanuel Haiduk, Postassistent, erblindete. Andere bekamen einen glühenden Stahlhelm aufgesetzt. Sie waren sofort tot.
Ihr müßt alle dran glauben Einmal kam ein Kommandant in die Baracke: Wenn der da drüben nicht in einer Stunde tot ist, müßt ihr alle dran glauben. Der Angesprochene war Gastwirt. Er erhängte sich selbst, um die anderen zu retten. Maria Springer, Bäuerin aus Ellguth-Hammer: Meinen Nachbarn steckten sie in ein Faß, in das von außen Nägel eingeschlagen waren. Sie rollten das Faß so lange, bis er tot war. Landwirt Karl Kaplytta erinnert sich genau an die Nacht vom 4. Oktober 1944. Die Kommandanten zündeten Baracke 12 an, trieben Häftlinge mit Gewehrkolben zum Löschen. Dann stießen sie sie ins Feuer. Er war auch als Zeuge im Prozeß gegen Lagerleiter Czeslaw Geborski und dessen Stellvertreter Ignacy Szypulla geladen. Das war 1957. Er sagte nichts, aus Angst. Die zwei Kommandanten wurden freigesprochen. Der Stellvertreter, ein Alkoholiker, stürzte im Rausch vor 18 Jahren vom Balkon im siebten Stock eines Krankenhauses. Geborski, der Chef, Ex-Oberst der polnischen Stasi, lebt heute unter dem falschen Namen Sucho in der Straße des 1. Mai in Kattowitz, Hausnummer 48, dritter Stock. Er sagt: Ich weiß nichts mehr. Ich bin schwer herzkrank. Noch dieses Jahr werden die Leichen der Lageropfer exhumiert. Am Fußballplatz der Dorfjugend von Lamsdorf ist ein Mahnmal geplant.
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