Auschwitz
Mit diesem Transport wurden 1000 Personen (342 Männer und 86 Jungen sowie 486 Frauen und 86 Mädchen) aus dem Durchgangslager für Juden und unerwünschte Elemente Mechelen/Malines (St. Georges Kaserne) in das KL Auschwitz deportiert. Nach der Selektion werden 157 Männer, die die Nummern 59344 bis 59500 erhalten, sowie 205 Frauen, die mit den Nummern 17317 bis 17521 gekennzeichnet werden, als Häftlinge in das Lager eingewiesen. 638 Deportierte werden der Sonderbehandlung zugeführt.
Bericht
Transport III von Mechelen, Malines, Caserne Dossin (Malines-Mechelen),
Der dritte Transport von Mechelen nach Auschwitz fuhr am 15. August 1942 ab und umfasste 1000 Deportierte (428 Männer und 572 Frauen). Er war Teil der ersten Phase von Deportationen nach Auschwitz. Die Adressaten der Deportationsbefehle stellte die AJB der Sipo-SD-Dienststelle aus ihrem Personenverzeichnis zur Verfügung. Ehlers zwang die AJB in der Folge zur Weiterleitung seines Befehls, der die Deportierten anwies, sich im Sammellager Mechelen zu melden. Sie sollten Proviant für 14 Tage mitbringen (unverderbliche Lebensmittel wie Haferflocken und Konserven), zudem Arbeitsstiefel, Arbeitskluft und andere unverzichtbare Kleidungsstücke sowie einen Napf und eine Tasse, Lebensmittel- und Kleiderkarten und Ausweise. Transport III war der letzte Transport vor den großangelegten Razzien in Antwerpen, Brüssel und Lüttich, die Sipo und SD nach der schleppenden Zusammenstellung der ersten drei Transporte anordneten. Seine Formierung dauerte mehr als doppelt so lange wie geplant, insgesamt sieben Tage, weswegen Sipo und SD sich beim RSHA darüber beklagten, dass die Juden „alle möglichen mittel anwenden, um der Einziehung zu entgehen“.
739 Deportierte kamen von sich aus mit den persönlichen und nummerierten Deportationsbefehlen in der Hand. 261 Juden wurden mit Gewalt herbeigeschafft.
Die meisten Insassen in Mechelen erhielten eine Nummer. Die „Freiwilligen“ wurden von der Sipo-SD-Dienststelle in Brüssel zugeteilt und in Mechelen unter der Rubrik AB (Arbeitseinsatz) in die Transportliste aufgenommen. Jeder Gefangene erhielt ein Erkennungszeichen. Die für die unmittelbare Deportation vorgesehenen „Transportjuden“ erhielten eine Ordnungsnummer, die ihren Namen ersetzte. Diese Nummer (in arabischen Ziffern) musste gemeinsam mit der Transportnummer (in römischen Ziffern) auf einem Schild um den Hals getragen werden. Die für längere Zeit Internierten erhielten statt einer Nummer einen Buchstaben wie „E“ für „Entscheidungsfälle“, deren Identität weitere Überprüfung erforderte, „G“ für andernorts in Straflager zu steckende „Gefährliche Juden“ oder „P“ (Personal oder Stammpersonal) für Juden, die in der Lagerverwaltung arbeiteten.
Bei der Aufnahme hatten sie zuerst an von SS-Männern und mehrsprachigen jüdischen Sekretären und Buchhaltern besetzten Tischen vorbeizugehen. Joseph Hakker, ein Konditor aus Antwerpen, hat die Registrierungsprozedur in seinem ausführlichen Zeugenbericht über seine Lagererfahrungen wie folgt geschildert: „Das Registrierungsbüro stand unter dem Kommando des Rechtsanwalts Dr. Erich Krull. Wir saßen auf einer Bank, wo wir eine Nummer erhielten… Eine Stimme wies uns an, alles, was wir hatten, in einen Hut zu stecken, und sagte, wir dürften nichts behalten. Die Wände waren voll von Postern, die uns aufforderten, alles an Gold, Bargeld, Diamanten, Lederwaren, Pelzen, Stiften, Essen… abzugeben. Am ersten Tisch mussten wir Namen, Beruf und Adresse angeben. Am zweiten Tisch wurden wir registriert. Am dritten Tisch mussten wir alle in unserem Besitz befindlichen Ausweise abgeben… […] Dieser Prozedur folgten eine Leibesvisitation und Schläge, sofern ein versteckter Gegenstand gefunden wurde… Die scheußlichste Sache, die ich gesehen habe, war, dass alle Fotos von Ehegatten, Kindern, Muttern, Vätern zerstört wurden, auch Briefe, Zertifikate, Pässe – alle Habseligkeiten mit hohem persönlichen Wert.“
In einigen Fällen setzte die SS Folter als Strafmaßnahme bei der Suche nach Wertsachen ein. SS-Sturmscharführer Max Boden, der Personal- und Verwaltungsleiter im Lager, pflegte regelmäßig Frauen zu missbrauchen und seine Opfer brutal zu schlagen, wie mehrere Zeugen während des Prozesses gegen ihn (1950) bezeugten.
98 Kinder waren unter dem Alter von 15 Jahren, etwa doppelt so viel wie bei den ersten beiden Transporten. Anna Kaufmann, eine kleines Mädchen aus Antwerpen, war erst 19 Monate alt. Nur 28 der Kinder waren mit einer AB-Nummer registriert. 67 waren verhaftet worden, beinahe alle mit ihren Eltern.
Über das Ziel der Reise wurden die Deportierten im Dunkeln gelassen. Sie mussten in Dritte-Klasse-Passagierwaggons steigen, jeder gemäß seiner/ihrer Nummer auf der Transportliste.
Die genaue Fahrtroute des dritten Transports ist nicht bekannt. Die Fahrpläne oder andere entsprechende Dokumente, die Auskunft über die Route geben könnten, sind nicht überliefert. Manche der Deportierten geben eine ungefähre Vorstellung vom Verlauf der jeweiligen Strecke. So etwa Erwin Haber aus Brüssel. Er brachte unterwegs ein paar flüchtige Notizen zu Papier und warf sie aus dem fahrenden Zug. Darin bat er den Finder "höflichst" seine Nachricht nicht aufzugeben sondern, so möglich, in personam "auch ohne Briefmarken" zu überbringen. "Meine Familie wird Ihre Unkosten entsprechend vergüten." Solche Nachrichten, auch Postkarten, wurden in der Nähe von Bahnhöfen aus dem Fenster geworfen. "Wir fahren jetzt über Louvain und Tienen und sind wahrscheinlich auf dem Weg nach Deutschland, möglicherweise gar Polen." Aussagen von Überlebenden, die mit den nächsten Transporten fuhren erwähnen auch andere Strecken. Demanch nahmen die Transporte aus Belgien nicht immer die gleiche Route. In den meisten Aussagen werden bestimmte Orte jedoch wiederholt genannt. Das sind vor allem die Städte Leuven (Louvain), Tienen (Tirlemont), Tongren (Tongeres) und Waremme (Borgworm). Es ist daher wahrscheinlich, dass der Zug über Louvain und Liège (Lüttich) die Bahnlinie nach Köln nahm. In Belgien waren belgische Waggons und Lokomotiven der staatlichen belgischen Eisenbahngesellschaft SNCB im Einsatz. Die Lokomotiven wurden von belgischen Zugführern gesteuert. In den Grenzbahnhöfen Eupen und Herbesthal hat das technische Personal von der Reichsbahn den Zug übernommen. Die Lokomotiven wurden ebenfalls ausgetauscht. Von Köln aus nahm der Zug dann entweder die nördliche Route über Hagen, Kassel, Erfurt und Leipzig nach Dresden oder die südliche Route über Gießen, Erfurt und Chemnitz nach Dresden. Von Dresden aus fuhr er über Görlitz nach Schlesien. Die meisten Züge aus dem Westen Deutschlands steuerten anschließend das Vernichtungslager Auschwitz über den Knotenbahnhof Kohlfurt (Węgliniec), Bunzlau (Boleslawiec) und Liegnitz (Legnica) an. Von Liegnitz aus fuhr der Zug wahrscheinlich in südöstlicher Richtung über Breslau und Oppeln weiter nach Kattowitz. Von dort aus blieben nur noch 60 der grob 1200 km nach Auschwitz.
Transport III traf am 17. August am Gleisanschluss zwischen Auschwitz und Birkenau ein. Nach der Ankunft wurden 638 Juden sofort in den Gaskammern ermordet. Nur 362 Deportierte wurden zur Zwangsarbeit selektiert. 157 Männer wurden mit den Ordnungsnummern 59344-59500 tätowiert und 205 Frauen mit den Ordnungsnummern 17317-17521.
Die Historiker Maxime Steinberg und Laurence Schramm von der „Kazerne Dossin“ (Gedenkstätte, Museum und Dokumentationszentrum) in Mechelen erklären, dass abgesehen von jenen, die gleich nach der Ankunft des Transports ermordet wurden, bis Ende August durchschnittlich eine Person pro Tag starb. Im September 1942 stieg der Durchschnitt auf zwei Personen pro Tag. Bei Kriegsende waren alle gestorben außer fünf Deportierten, vier Männern und einer Frau: Henia Zysa Sygier, Jeszajah Sztajn, Moses Schuldenfrei, Chaim Lejb Markowicz und Dow Lewi. Schuldenfrei wurde am 27. Januar 1945 von der Roten Armee in Auschwitz befreit. Markowicz wurde Ende 1943 von Auschwitz in das Kommando überführt, das für die Beseitigung der Ruinen des Warschauer Ghettos verantwortlich war, und kam am 6. August 1944 ins Konzentrationslager Dachau. Die US-Army befreite ihn in Mühldorf, einem der Außenlager von Dachau. Die einzige bekannte Zeugenaussage (in polnischer Sprache) stammt von Lewi. Am 4. August 1945 schrieb er über seine Erfahrungen:
„Am 28. Juli wurde ich verhaftet und in eine alte Kaserne in Mechelen gebracht, auf halbem Wege zwischen Antwerpen und Brüssel. Dies war ein Sammellager für Juden, die nach Deutschland zur Arbeit geschickt wurden. Am 15. August waren wir eine Gruppe von etwa tausend Juden, die nach Oberschlesien deportiert wurden. Das war alles, was wir über die Reise wussten. Zwei Tage später, um 6 Uhr morgens, erreichten wir unser Ziel. Man befahl uns, die Waggons zu verlassen und das ganze Gepäck zurückzulassen und uns in Fünferreihen aufzustellen. Da der Befehl auf Deutsch ausgestoßen wurde, verstanden ihn jedoch die meisten von uns nicht, und so warteten wir auf eine Erklärung, die dann auch nicht lange auf sich warten ließ. Die SS begann, mit dicken Knüppeln auf unsere Köpfe einzudreschen… Auf diese Weise verstand jeder die Bedeutung des Befehls, und ich begriff in vollem Ausmaß, wo ich war.“
Quelle Gedenkstätte: yad vashem