Auschwitz

Mit diesem Transport werden 1139 "Häftlinge" aus dem Polizeiliches Durchgangslager Westerbork (Durchgangslager für Juden, Zigeuner und Resistenzkämpfer) ins KL Auschwitz deportiert. Nach der Übernahme ins Lager erhalten die übernommenen Männer die Häftlingsnummern 47087 – 47687. Die übernommenen Frauen erhalten die Häftlingsnummern 8801 - 8999

Am 15. Juli 1942 in den frühen Morgenstunden kam in Hooghalen ein Zug aus Amsterdam mit 800 Personen an. Diese Leute befolgten den Aufruf der "Zentralstelle" und kamen "freiwillig", um sich am Arbeitseinsatz in Deutschland zu beteiligen, 800 Männer, Frauen und Kinder. Der Aufruf war in der holländischen Sprache verfasst. Von Hooghalen wurden die Leute nach Westerbork gebracht. Fast alle mussten zu Fuß gehen, nur die Behinderten wurden mit Lastautos transportiert. Es war jedoch nur das einzige Ziel dieses sehr kurzen Aufenthaltes in Westerbork, die Juden in den großen Saal zur Registrierung zu bringen, in deren Rahmen die Leute jeglichen Besitz - Wohnungsschlüssel, Bankkonten, Wertpapiere us.w. - abliefern mussten. Sie waren die Ersten, deren Namen in der Zentralkartothek als "abgereist" verzeichnet wurden. Diese Kartothek wurde über zwei Jahre, bis zum 3.September 1944, als der letzte Zug nach Auschwitz fuhr, benutzt. Über 100.000 Personen, die in 90 Zügen nach dem "Osten" deportiert wurden, waren diesem S.S.-Ritual unterworfen.
Sofort nach dem Verlassen des Registratursaales wurden alle wieder nach Hooghalen gebracht und in einem Güterzug mit geschlossenen Viehwaggons nach dem "Osten"deportiert.

Dieser erste Massentransport fuhr am 15. Juli von Westerbork, dem zentralen Sammellager für die Niederlande, in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Angesichts der in den Augen der Nazis reibungslosen Abfahrt dieses Transports informierte der Repräsentant des Auswärtigen Amts in den Niederlanden, Otto Bene, das Berliner Amt, dass nun 4.000 Juden pro Woche deportiert würden. In den folgenden Monaten verließ fast jeden Dienstag und Freitag ein Zug das Lager Westerbork nach Auschwitz.
Die Deportationslisten basierten auf der fast lückenlosen Registrierung der niederländischen Juden, die im Januar 1941 vom staatlichen Rijksinspectie van de Bevolkingsregisters (Reichsinspektor des Einwohnermeldeamts), Jacob Lentz, durchgeführt worden war. Der Joodse Raad (Judenrat) Amsterdam, der auf deutschen Befehl eingesetzt worden war und ab 1941 der Zentralstelle unterstand, musste die Deportationslisten zusammenstellen.
Die Zentralstelle ließ den Juden die Deportationsbescheide sowie Informationen über das erlaubte Gepäck zukommen, wie u.a. einen Koffer, Arbeitsschuhe, eine Essschüssel, Essensvorräte für drei Tage – wodurch die Deportation als Arbeitseinsatz getarnt wurde. Die Juden mussten sich im Vorfeld der Deportation in der Zentralstelle melden und ihre Wohnungsschlüssel abgeben. Ihre Abschiebung aus den Niederlanden erfolgte Hand-in-Hand mit ihrer Enteignung. Deutsche und niederländische Firmen – einige "arisiert", wie die Lippmann, Rosenthal & Co - Bank (LIRO) – führten den Enteignungsprozess durch und profitierten von ihm.

Der Historiker Houwink ten Cate geht davon aus, dass der erste Massentransport von Westerbork nach Auschwitz am 15. Juli 1942 überstürzt zusammengestellt wurde, weil eine Deportation aus Frankreich verschoben worden war, Reichsführer SS Heinrich Himmler das Vernichtungslager aber am 17. Und 18. Juli besuchen sollte.

Da die Anzahl von 962 Deportierten, die am 15. Juli mit dem Zug von Amsterdam in Westerbork eingetroffen waren, geringer war als von den Deutschen gewollt – zwischen dem 14. und 17. Juli sollten insgesamt 4.000 Juden aus den Niederlanden deportiert werden – füllten sie die anvisierte Quote mit Westerbork-Häftlingen auf. Fred Schwarz, der mit seinem Bruder seit Juli 1940 im Lager lebte, beschreibt in seinen Memoiren, wie den Lagerinsassen mitgeteilt wurde, dass 100 Männer in den Transport von Amsterdam über Westerbork eingeteilt und die Selektion von Erich Deppner, dem Lagerkommandanten zu dieser Zeit, durchgeführt wurde. Schwarz, der den Deportierten beim Verlassen des Lagers zur Seite stand, bezeugte, wie Deppner entschied, "daß die 50 Kinder aus dem Waisenhause mitfahren sollen. [Jaques] Schol [Lagerleiter] versucht, das zu verhindern. Aber Deppner versichert ihm, daß es dort auch Kinderheime gibt. Salo Carlebach, Lehrer im Waisenhaus, will mit den Kindern mitfahren. Deppner stimmt zu." Diese Beobachtung wird von Historikern wie Jacob Presser gestützt. Einen Tag vor dem Transport hatte Carlebach sich von seinen Freunden im Lager verabschiedet und ihnen geschrieben, er werde mit den Kindern gehen. Ein genauer Blick auf die Altersstatistik des Transports seitens Aline Pennewaard lässt hinterfragen, ob die Waisenkinder tatsächlich unter den Deportierten aus Westerbork waren. Die Beweise sind also nicht eindeutig, wir gehen aber davon aus, dass unter 'Waisenkinder' auch ältere Kinder aus Deutschland fielen, die ohne ihre Eltern deportiert wurden.

Die Deportationsliste der Zentralstelle wurden von in Westerbork tätigen Vertretern der Lippmann, Rosenthal & Co Bank kopiert und weitergegeben an Hans Fischböck, Generalkommissar für Finanzen und Wirtschaft in den Niederlanden, dem die Bank unterstand. Die Liste für diesen Transport zeigt, dass mindestens 1.131 Männer, Frauen und Kinder von Westerbork nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurden. Die meisten von ihnen waren ledig, aber auch ganze Familien sind aufgeführt. Die jüngste Deportierte, ein neugeborenes Mädchen, war kaum zwei Monate alt, als man sie verschleppte. Viele deutsche und österreichische Juden befanden sich unter den Deportierten und wurden als "staatenlos" geführt, da ihnen ihre Staatsangehörigkeit entzogen worden war, als sie Nazi-Deutschland verlassen hatten. Die meisten Deportierten sind mit einer Amsterdamer Adresse angeführt. Einige kamen aber auch von Aliyah- und Hachshara-Ausbildungslagern (zur landwirtschaftlichen Vorbereitung auf ein Leben in Palästina).

Jozef Hony, der zusammen mit seiner Frau und seinem Kind deportiert wurde, berichtete 1947: "Wir blieben nur eine Stunde in Westerbork. Wir wurden registriert und sofort weiter nach Auschwitz geschickt. Unser Transport war sehr groß. Es gab nicht ausreichend Platz im Zug, so dass einige erste am nächsten Tag abfahren sollten." Der zweite Teiltransport nach Auschwitz sollte Westerbork/Hooghalen am 16. Juli verlassen.
Die Fahrt am 15. Juli beschreibt Kurt Israel, einer der wenigen Überlebenden dieses Transports, wie folgt: "Auf dem Weg von Hooghalen nach Osten hielten wir oft an, durften den Zug aber nicht verlassen, bis auf einmal, als man erlaubte, uns unter Bewachung zu erleichtern. Weil wir 70 Personen mit unserem Gepäck in einem Waggon waren und es so furchtbar eng war, fielen einige Frauen in Ohnmacht. Obwohl wir mehrmals um Wasser baten, wurde uns keins gegeben."

Mit größter Wahrscheinlichkeit passierte der Zug in Nieuweschans die Grenze zu Deutschland, fuhr dann über Bremen, Hamburg (oder Hannover) und Berlin, weiter durch das besetzte Polen via Liegnitz (Legnica), Breslau (Wroclaw), Oppeln (Oppole), Cosel (Koźle) and Katowice (Kattowitz). Der Transport traf rund 40 Stunden später, am 17. Juli 1942 im Vernichtungslager ein, zusammen mit einem weiteren Transport, der Westerbork am 16. Juli verlassen hatte.
Von den 1.131 Männern, Frauen und Kindern, die am 15. Juli von Westerbork nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurden, haben nur 8-10 Personen überlebt, keine(r) von ihnen besaß die niederländische Staatsangehörigkeit.

Aus Dokumenten geht hervor, daß die registrierten Häftlinge aus dem am 15. Juli vom holländischen Westerbork abgefahrenen Judentransport beim Morgenappell des 17. Juli in Auschwitz bereits in den Lagerbestand aufgenommen worden waren. Somit war der Transport zwischen dem Abendappell des 16. und dem Morgenappell des 17. Juli eingetroffen.
Dementsprechend waren die registrierten Häftlinge aus den von Westerbork abgegangenen Transporten beim Morgenappell des 18. Juli schon im Lagerbestand verzeichnet, was bedeutet, daß diese beiden Transporte zwischen dem Abendappell des 17. und dem Morgenappell des 18. angekommen sein mußten.
Zu jener Zeit galt für die Häftlinge die von Rudolf Höß im Sonderbefehl vom 17. April 1942 festgelegte Arbeitszeit von 6 bis 19 Uhr, mit einer Stunde Pause für das Mittagessen. Berücksichtigt man die Zeit, welche die Rückkehr der Außenkommandos ins Lager beanspruchte, kann man mit Sicherheit davon ausgehen, daß der Abendappell nicht vor 20 Uhr stattfand. Daraus läßt sich folgern, daß der erste Transport nicht vor 20 Uhr des 16. und nicht nach 6 Uhr des 17. Juli in Auschwitz angelangt sein kann und daß der andere Transporte nicht vor 20 Uhr des 17. und nicht nach 6 Uhr des 18. Juli angekommen sein kann.

15.07.1942
von Abfahrtsbahnhof Westerbork
Teilstrecke
Bahnhof Hooghalen
(LKWs, Fußmarsch)

von Abfahrtsbahnhof
Bahnhof Hooghalen
Teilstrecke
Personenzug
KL Auschwitz

Namensliste

Hirschfeld Hermann
Hermann Hirschfeld wurde am 29.7.1903 als Sohn von Hugo Hirschfeld und seiner Frau Ida geb. Scheiberg in Braunschweig geboren. Er war seit 1928 in Bremen als kaufmännischer Geschäftsführer tätig und Mitglied der Israelitischen Gemeinde.
Am 6.9. 1929 heirate er in Bremen die 1904 in Hamburg geborene Else Salomon, eine Tochter des Buchhändlers Albert Salomon (1870 - 1937) und seiner Frau Ida, geb. Rosenthal, (1881 - 1938). Hermann und Else Hirschfeld wohnten in der Kaiserstr.14 in demselben Haus wie Elses Eltern sowie ihr Bruder Leopold und ihre Schwester Sophie mit ihren Familien. Am 12.9.1930 wurde in Bremen Hermanns und Elses Tochter Helga geboren.
Ende Mai 1933 emigrierte die Familie Hirschfeld in die Niederlande und zog in die in der Südstadt von Amsterdam gelegene Roerstraat 20. Else eröffnete dort eine Pension, in der vor allem Flüchtlinge aus Deutschland unterkamen; Hermann wurde Geschäftsführer einer Firma aus der Modebranche. Im Sommer 1935 besuchten Elses jüngste Schwester Grete Gottschalk und ihre Tochter Else – vor ihrer Auswanderung nach Südafrika – die Familie Hirschfeld in Amsterdam. Am 22.5.1936 wurde in Amsterdam Else und Hermann Hirschfelds Tochter Ilse geboren.
Im Mai 1940 besetzten deutsche Truppen die – neutralen – Niederlande und errichteten ein militärisches Besatzungsregime. Seit Ende 1940 wurden die in den Niederlanden lebenden Juden registriert und in der folgenden Zeit systematisch isoliert. Am 1.7.1942 wurde das im Osten der Niederlande gelegene Lager Westerbork in ein „Durchgangslager“ umgewandelt und der Sicherheitspolizei unterstellt. Mitte Juli 1942 begannen von dort die Deportationen vor allem in die Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und Sobibor. Die von der SS zusammengestellten und von der Deutschen Reichsbahn organisierten Transporte in Viehwaggons dauerten zwei bis drei Tage. An der Bewachung der Deportationszüge waren Angehörige des Polizeibataillons 105 aus Bremen beteiligt.
Hermann, Else, Helga und Ilse Hirschfeld wurden am 15.7.1942 aus Amsterdam deportiert. Vom Bahnhof Hooghalen mussten sie 6 km zum Lager Westerbork laufen, wurden dort registriert und mussten zurück zum Bahnhof laufen. Es war der erste Transport von Westerbork nach Auschwitz-Birkenau; er umfasste 1137 Personen.
Else Hirschfeld und ihre Töchter Helga und Ilse wurden gleich nach der Ankunft am 17.7.1942 ermordet; Else Hirschfeld wurde an diesem Tag 38 Jahre alt. Hermann Hirschfeld wurde am 17.7.1942 an der Rampe des Lagers Auschwitz-Birkenau von seiner Frau und seinen beiden Töchtern getrennt und zur Arbeit selektiert; er wurde Anfang Dezember 1942 ermordet.
Verfasser:
Michael Cochu (2013)


Basch Walter
* 13.06.1922 in Poysdorf,NÖ
Deportationsdatum 15.07.1942 Westerbork - Auschwitz
Sterbedatum 14.08.1942 in Auschwitz