(Beispiele) 1941-1945
als geheilt entlassen: Martha
Sehr geehrter Herr,
Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihre Gattin, Frau ... am heutigen Tage unerwartet infolge Angina mit darauffolgender Sepsis verstorben ist. Eine Benachrichtigung über die Erkrankung unterblieb in der Absicht, Sie nicht unnötigerweise zu beunruhigen, da der Krankheitsverlauf zunächst ein ganz normaler war und nach ärztlichem Ermessen zu irgendwelchen Befürchtungen ein Anlass nicht bestand. Der nicht vorauszusehende Eintritt einer Sepsis hat leider unsere Annahme nicht bestätigt.
Die Verlegung in unsere Anstalt erfolgte vor kurzem aus Gründen, die mit der Reichsverteidigung im Zusammenhang stehen.
Nachdem unsere Anstalt nur als Durchgangsanstalt für diejenigen Kranken bestimmt ist, die in Kürze in eine andere Anstalt unserer Gegend verlegt werden sollen, dient der Aufenthalt hier lediglich zur Feststellung von Bazillenträgern, die sich erfahrungsgemäß immer wieder unter derartigen Kranken befinden. Die Ortspolizeibehörde Bernburg-Gröna hat, um den Ausbruch und die Verschleppung übertragbarer Krankheiten zu verhindern, im Einvernehmen mit den beteiligten Stellen weitgehende Schutzmassnahmen angeordnet und gemäß § 22 der Verordnung zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten die sofortige Einäscherung der Leiche und Desinfektion des Nachlasses verfügt. Eines Einverständnisses seitens der Angehörigen bedurfte es in diesem Falle nicht.
Der in die Anstalt eingebrachte Nachlass der Verstorbenen wird nach erfolgter Desinfektion hier zurückgelegt, weil er in erster Linie als Pfand für die Kostenträger dient; andernfalls steht er den Erbberechtigten zur Verfügung. Diese haben damit aber auch die Verantwortung gegenüber etwaigen Ansprüchen anderer Erbberechtigter zu übernehmen. Bei dieser Gelegenheit erlauben wir uns, Sie darauf hinzuweisen, dass sich eine Beschädigung des Nachlasses durch die Desinfektion infolge Verwendung nachhaltigster Mittel sehr oft nicht vermeiden lässt und vielfach sowohl Versendung wie Herbeiführung eines Entscheids über Zuweisung des Nachlasses mehr Zeit und Kosten verursacht, als der Nachlass wert ist. Wir schlagen Ihnen daher vor, auf denselben zu verzichten, sodass wir ihn im Falle der Beschädigung der NSV. zur Verwendung überlassen würden und im anderen Falle etwaigen bedürftigen Anstaltsinsassen zuweisen können.
Falls Sie die Urne auf einem bestimmten Friedhof beisetzen lassen wollen - die Überführung der Urne erfolgt kostenlos, nicht aber die Beisetzung - bitten wir um Mitteilung und Zusendung einer entsprechenden Einverständniserklärung der betreffenden Friedhofsverwaltung. Sollte uns diese innerhalb von 14 Tagen nicht zugehen, würden wir die anderweitige Beisetzung der Urne veranlassen, wie wir auch annehmen würden, dass Sie auf den Nachlass verzichten, wenn Sie uns innerhalb gleicher Zeit eine Nachricht hierüber nicht zukommen lassen sollten.
Anbei 2 Sterbeurkunden zur gefl. Bedienung.
Heil Hitler!
Molli
Man versetze sich einmal in die Situation des Ehemannes, der diesen Brief in den Händen hält, der ihn ein-, zwei-, dreimal gelesen hat. Er weiss, was die Ärzte 1934 seiner Frau attestiert haben: Schizophrenie. Und nun dieser Brief: Bestürzung? Erleichterung? Verzweiflung? ein böser Verdacht? Der Ehemann wir nennen ihn Leo ist, als er den Brief bekommt (1941), Soldat. Er nimmt sich Sonderurlaub und fährt zu der Anstalt, die ihm diesen Brief geschickt hat. Heil- und Pflegeanstalt Bernburg war der Absender, sie liegt südlich von Berlin, an der Saale. Was Leo dort nun gewollt hat, ist nicht mehr zu ermitteln; er dürfte aber auch nur bis ans Tor der Anstalt gekommen sein, keinen Schritt weiter. Man stellt Leo eine Bescheinigung aus, dass er dort gewesen ist, und schickt ihn wieder weg.
Leo ist 1982 gestorben; er hat nach 1945 erfahren, dass seine Frau Martha ermordet worden ist. Er hat aber nicht mehr erfahren,
dass seine Reise nach Bernburg auf jeden Fall umsonst gewesen ist,
dass Martha nicht am 14.August, sondern schon einige Tage vorher vergast wurde,
dass Martha mit größter Wahrscheinlichkeit gar nicht in Bernburg, sondern in Hadamar (bei Limburg) ermordet wurde,
dass die Asche, die ihm großzügigerweise angeboten wurde, nie die Überreste von Martha, sondern die eines anderen x-beliebigen Euthanasie-Opfers gewesen wären.
Schwerer als der Betrug wiegt natürlich die Tatsache der Ermordung, die das sei vorweg gesagt bei Martha und den anderen Kranken aus vielerlei Indizien geschlossen werden muss. Doch von Anfang an:
Wann Leo (Jahrgang 1907) und Martha (Jahrgang 1905) geheiratet haben, ist nicht bekannt. Leo ist KPD-Mitglied und geht sofort nach dem 30.Januar 1933 in den Untergrund. Im März 1933 wird Martha schwanger. Im Herbst wird Leo von den Nazis geschnappt und in das KZ Brauweiler gesteckt. Am 11.Dezember 1933 wird die Tochter Brigitte in Köln geboren, wohin die schwangere Martha umgezogen ist.
Was in den nächsten Wochen geschieht, lässt sich nur vermuten. Offensichtlich verkraftet die junge Mutter die Ungewissheit über das Schicksal ihres Mannes nicht. Am 19.Februar 1934 wird sie zum ersten Mal in die Psychiatrische und Nervenklinik der Universität Köln eingeliefert. Der einweisende Arzt diagnostiziert unsicher: Unruhe und Erregungszustand, Schizophrenie? Er hält in den nächsten Stunden fest:
Hier in der Klinik war Patientin äußerst erregt, verwirrt, sprach mit nicht anwesenden Personen, hörte anscheinend auch eine Antwort. War äußerst unruhig, schrie, schlug gegen Türen und Wände, griff die Pflegerinnen an. Nur mit Morphium-Scopolamin vorübergehend zur Ruhe zu bringen. Sie grimassierte äußerst stark, griff sich in die Haare, nahm keinerlei Nahrungsmittel zu sich. Körperliche Untersuchung und Exploration wegen der großen Aggressivität der Pat. unmöglich.
Am folgenden Tag wird Martha in die Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt (HPA) Bonn überwiesen wegen manischen Erregungszustandes, dort bleibt sie bis zum 08. März; obwohl Leo am 27.Februar aus der Untersuchungshaft entlassen wird, bleibt Martha in den folgenden Tagen bei ihren Eltern.
Etwa am 16.März kommt sie wieder in ihre Wohnung. Leo sagt später dem Arzt,
sie habe sich da wohl wieder an alles erinnert, sei wieder krank gewesen. Jetzt klage sie über Summen im Kopf, sei erregbar, könne keinen Widerspruch vertragen, rede sehr viel manchmal ganz unverständliches Zeug; sie sei ganz unberechenbar.
Am 20.März 1934 wird Martha wieder in Köln eingeliefert, der einweisende Arzt diagnostiziert jetzt: Paranoia (gemeingefährlich!) und überweist sie wegen Sperrung des unruhigen Saales sofort in die Anstalt Galkhausen (heute: Langenfeld); dort hat man Martha im April entlassen.
Am 4.Juni 1934 ist Martha zum dritten Mal in der Kölner Psychiatrie. Diesmal ist sie laut Krankenakte gewaltsam dorthin gebracht worden; die Feuerwehrleute, die sie ablieferten, sind zerkratzt, zerbissen, voll Blut; und weiter: Keine Angehörigen dabei, keine zu sprechen. Mann soll von dem Erregungszustand zu mitgenommen sein. Martha wird sofort in die HPA Bonn gebracht.
Am 8.August 1934 beantragt der stellvertretende Direktor der HPA Bonn, Dr. G., beim Erbgesundheitsgericht Köln die Unfruchtbarmachung Marthas; Diagnose: Schizophrenie. Das für das Erbgesundheitsverfahren vorgeschriebene ärztliche Gutachten (Anlage 5) erstellt Dr. Le., damals 35 Jahre alt, von 1955 bis 1964 Leiter der Bonner Anstalt. Er schreibt in dem Abschnitt: Psychischer Befund.
Martha zeigt hier seit der Aufnahme einen hochgradigen psychomotorischen Erregungszustand; ist kaum fixierbar, erhöht ablenkbar durch akustische und optische Reize, an alles sofort anknüpfend, aber nicht haftend.
Hochgradige Inkohaerenz im Gedankenablauf bis zur vollkommenen Sprachverwirrtheit. Zeigt einen erheblich gesteigerten Rededrang ebenso wie einen gesteigerten Drang zu motorischen Entladungen.
Ihre Spontanreden werden mit übertriebenem Affekt vorgebracht, wobei der Affekt häufig inadäquat wirkt.
Die Gestik, mit der sie ihre Reden begleitet, ist übertrieben, eckig, ausfahrend, maßlos. Häufiges Grimassieren. Beim Explorationsversuch fortgesetztes Vorbeireden, häufige Verbigeration und Iteration.
Die einzelnen Phasen der Stimmung wechseln übergangslos. Sinnestäuschungen sind nicht sicher feststellbar.
Diagnose: Schizophrenie. Hochgradiger psychomotorischer Erregungszustand.
Am 28.September 1934 findet die (nicht-öffentliche) Verhandlung vor dem Erbgesundheitsgericht in Köln statt. Die seelische Verfassung von Martha und Leo beschreibt er 1949 so:
Vor der Verhandlungstür wurde mir sowie meiner Frau von Dr. Le Abteilungsarzt der Anstalt Bonn erklärt, dass wir überhaupt keine Aussagen machen dürften, da meine Frau sonst sofort wieder zur Heil- und Pflegeanstalt Bonn zurückgeführt würde.
Das Erbgesundheitsgericht, besetzt mit dem Amtsgerichtsrat Sch. als Vorsitzendem, dem Medizinalrat Dr. E. und dem Professor P., beschließt erwartungsgemäß:
Martha leidet an Schizophrenie, sie ist somit erbkrank und unfruchtbar zu machen.
In seiner Begründung folgt das Gericht dem Gutachten, setzt sogar noch hinzu: Eine Wochenbettpsychose kommt nicht in Frage, weil seit der Entbindung (11.12.1933) infolge der seitdem verflossenen Zeit kein Zusammenhang mehr besteht. Martha und Leo verzichten schriftlich auf eine Beschwerde gegen den Gerichtsbeschluss, Martha darf nach Hause gehen.
Am 02.Oktober 1934 wird Martha in der Frauenklinik der Universität Köln von Professor K. unfruchtbar gemacht; sein Bericht auf Vordruck 6:
Martha ist am 2.10.34 von mir unfruchtbar gemacht worden.
Art der Unfruchtbarmachung:
Bei dem Eingriff wurden die Eileiter beiderseits vom Leistenkanal aus unwegsam gemacht. Die Operation verlief regelrecht. Die Wunde heilte in 8 Tagen ohne Nebenerscheinungen. Die Operierte wurde am 11.10.34 als geheilt entlassen.
Als Martha 1938 erneut erkrankt, wird sie am 13.August in die Bonner Anstalt eingeliefert, wo sie bis zu ihrer letzten Verlegung am 10.Juni 1941 bleibt. Leo, der in den 30er Jahren beim Autobahnbau unterkommt, wird 1940 zur Wehrmacht eingezogen. In den drei Jahren in Bonn wird Martha mit Sicherheit keine Therapie zuteil, im Gegenteil: ab 1940 wird sie für den Meldebogen 1 beobachtet, der vom Reichsinnenministerium an alle Anstalten und Krankenhäuser verschickt worden ist. Marthas Meldebogen und ihre Krankenakte existieren nicht mehr, vermutlich sind sie mit der Leiche in Hadamar verbrannt worden.
Am 10.Juni 1941 trägt jemand in Marthas Bonner Karteikarte unter Abgang ein: Andernach Heil u. Pflegeanst. Das ist das letzte gesicherte, wenn auch indirekte, Lebenszeichen von Martha, der Trostbrief aus Bernburg ist eine Täuschung. 1973 hält die Staatsanwaltschaft Bonn fest:
ein Transport von 55 Patienten, die am 10.6.1941 der Anstalt in Andernach überstellt wurden,
Die oben genannten Geisteskranken nichtjüdischer Abstammung sind teilweise bereits am Tag ihrer Ankunft, teilweise möglicherweise nach einer in der Zwischenanstalt vorgesehenen Nachuntersuchung mit späteren Transporten in die Anstalt Hadamar verbracht worden. Wenngleich dies nicht bei allen Personen urkundlich nachgewiesen werden kann, ist dennoch davon auszugehen, dass jedenfalls die Mehrzahl der oben aufgeführten Patienten in Hadamar in der oben geschilderten Weise getötet worden sind.
Ein Bonner Facharzt für Psychiatrie und Neurologie in den 30er Jahren selbst Arzt in der HPA Bonn bestätigt 1953 die Diagnose der Schizophrenie und schreibt dann: Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass die Ehefrau nach der damals herrschenden Euthanasie ermordet worden ist.
Dass die oben wiedergegebene Todesnachricht aus Bernburg gekommen ist, muss nicht weiter stören: Nach Angaben ehemaliger T-4-Mitarbeiter wurden die Sterbeakten und die Aschen reihum durch Deutschland verteilt, um eine auffällige Häufung von Todesfällen zu vertuschen. Zudem gehörte das Rheinland weder zum direkten Einzugsgebiet noch zum Kreis der Zwischenanstalten von Bernburg.
Ihr Sohn hat keine Beschwerden: Oskar
Oskar ist ruhig, stumpfsinnig, macht seine Angaben abgehackt und mit läppischer Euphorie. Macht den Eindruck eines schwer Schwachsinnigen. So schreibt es der aufnehmende Arzt in den Fragebogen zur ärztlichen Untersuchung des Gemütszustandes von Oskar, als dieser und sein Bruder ihm am 21.Mai 1937 in den Räumen der Heil-und Pflegeanstalt Bonn gegenübersitzen. Der 43jährige Oskar ist nicht freiwillig von Troisdorf nach Bonn gekommen: Ein Unterbringungsbefehl der Strafkammer des Landgerichts Bonn vom 22.Februar 1937 hat gemäss § 126 a Abs.1 StrPO die einstweilige Unterbringung in eine Heil- und Pflegeanstalt angeordnet, die mit Rücksicht auf die öffentliche Sicherheit erforderlich sei.
Was hat Oskar verbrochen? Ihm wird vorgeworfen, mit Kindern unzüchtige Handlungen vorgenommen und mit einem anderen Mann Unzucht getrieben zu haben, und zwar im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit. In den folgenden Wochen in der Bonner Anstalt wird Oskar offenbar nicht ärztlich oder pflegerisch betreut, wenn man von zwei Liquoruntersuchungen zum Preis von zusammen 11,70 RM absieht, deren Notwendigkeit vom Landgericht zunächst auch noch bezweifelt wird.
Oskars Mutter erkundigt sich acht Tage nach seiner Einlieferung in die Anstalt, wann die Besuchsstunden sind; auch das Befinden meines Sohnes möchten Sie mir bitte mitteilen. Der Assistenzarzt Dr. W. antwortet ihr:
Ihr Sohn fühlt sich wohl, hat keine Beschwerden. Sie können ihn zu den festgesetzten Zeiten hier besuchen.
Bald darauf wird gegen Oskar ein Verfahren wegen Unfruchtbarmachung vor dem Erbgesundheitsgericht Bonn eröffnet. Den Antrag hat die Anstalt gestellt. Die Mutter Oskars der Vater ist bereits 1930 gestorben wird aber erst im September von dem Vorhaben unterrichtet; sie antwortet am 20.September:
Ihr Schreiben habe ich erhalten und teile Ihnen mit, dass ich mit allem einverstanden bin. Als Mutter will ich für meinen Sohn Oskar nur das Beste. Teilen Sie mir bitte mit, wann und wo ich meinen Sohn nach der Unfruchtbarmachung besuchen kann.
Am 23.September 1937 beschließt das Erbgesundheitsgericht Bonn, besetzt mit einem Juristen und zwei Ärzten, die Unfruchtbarmachung, denn es liegt bei ihm hochgradiger Schwachsinn Imbezillität vor; das festgestellte Leiden ist auf die Nachkommenschaft leicht vererblich. Eine Woche später wird Oskar von der Polizei nach Düren in die dortige Heil- und Pflegeanstalt gebracht. Am 20.November 1937 ist er in Düren unfruchtbar gemacht worden.
Der nächste erhaltene Hinweis auf Oskar ist eine Eintragung im Geburtenbuch seines Geburtsstandesamtes: Gestorben 20.08.1941, Standesamt Hadamar-Mönchberg Nr.158. Dass Oskar in Hadamar ermordet wurde: Davon kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden.
Kurt und Herbert
Kurt ist der ältere von zwei Brüdern, die beide in der Gaskammer von Hadamar verschwinden. Bis zu seinem 17.Lebensjahr wohnt Kurt bei seiner Familie in der Poststrasse 47. Später vermerkt ein Beamter des Meldeamtes: in der Irrenanstalt. Was zu der Einweisung geführt hat, ist nicht bekannt. Am 10.September 1917 kommt Kurt in das St. Josefshaus in Waldbreitbach, ein Heim, das von Franziskaner-Brüdern geleitet wird, die sich die Pflege männlicher Schwachsinniger und die Erziehung verlassener und geistesschwacher Jungen zur Aufgabe gemacht haben. Diese Vereinigung gerät im April 1935 in die öffentliche Kritik. Eine ganze Reihe von Brüdern wird wegen Homosexualität verurteilt. Das Heim meldet 1937 Konkurs an.
Am 23.Oktober 1936 wird Kurt aus Waldbreitbach in die staatliche Provinzial-Anstalt nach Herborn verlegt: Kein Einzelfall. In diesem Jahr beginnen die Nazis, den konfessionellen, d.h. privaten, Heimen die Patienten wegzunehmen und in den staatlichen quasi zu konzentrieren. Man kann aber nicht so recht an eine Aktion glauben, die von langer Hand vorbereitet worden ist, nämlich die konfessionellen Häuser mittels solcher Sittlichkeitsprozesse auszuhebeln, um an die Patienten heranzukommen.
Angeblich am 17.Februar 1941 stirbt Kurt. Sein Tod ist beurkundet vom Standesamt Hadamar-Mönchberg unter der Nummer 96/1941. Kurts Leiche wird verbrannt; die Urne mit seinen sterblichen Überresten landet auf dem Kölner Westfriedhof und wird im Urnenreihengrab (UR) Nr.643 beigesetzt. Die Stelle ist heute nicht mehr exakt zu bestimmen.
Herbert, den sechs Jahre jüngeren Bruder, ereilt das gleiche Schicksal: Er kommt am 11.Oktober 1920 nach Waldbreitbach, wird mit Kurt nach Herborn verlegt und stirbt angeblich am 19.Februar 1941. Seine Urne (UR 644) wird neben der seines Bruders am 28.März 1941 beigesetzt. Sein Todesvermerk im Geburtenbuch des Troisdorfer Standesamtes lautet: Nr.50/1941 Standesamt Hadamar. Offensichtlich war der Troisdorfer Standesbeamte 1941 ahnungslos und hat deswegen den zu erwartenden Zusatz Mönchberg weggelassen, weil er ihn für unbedeutend hielt oder wollte er schon damals Spuren verwischen?
Gisela
In Hadamar wird ebenfalls ermordet Gisela, geboren 1884 und Mutter von fünf Kindern und zuletzt wohnhaft in der Nordstrasse. Das angebliche Todesdatum ist der 30. Juni 1941. Gisela war schon 1926 nach Bonn gekommen, und wird 1933 nach Bedburg-Hau verlegt. Weiter ist nichts bekannt.
Änne
Änne stirbt am 28.Juli 1944, morgens um 5 Uhr, in Meseritz-Obrawalde (heute: Miedzyrzecz), einer Anstalt in Pommern. Es ist ein plötzlicher Tod: Änne, die sieben Jahre in der Bonner Anstalt gelebt hat, stirbt in Meseritz-Obrawalde nach drei Wochen. Änne ist 1888 geboren und hat sieben Kinder, von denen zwei 1918 und 1936 sterben; heute leben noch eine Tochter und ein Sohn. Die Kinder haben bis zuletzt die Kosten von 35 RM monatlich getragen, Änne war sogenannte Selbstzahlerin, d.h. sie fiel dem Staat oder staatlichen Einrichtungen nicht zur Last: Im Gegenteil, sie dürfte noch Geld eingebracht haben. Deswegen ist sie auch nicht 1941 wie die anderen vergast worden, deswegen wird sie bis 1944 aufgespart.
Nach Angaben einer deutschen Schwester sind in Meseritz insgesamt rund 18.000 Menschen ermordet worde, auf (fast) jede erdenkliche Art, zumeist aber durch die Verabreichung von Medikamenten wie Veron.