Wenn ich das Ghettotor verlass
Fang ich zu atmen wieder an
Wenn ich das Ghettotor verlass
Fang ich zu leben wieder an.
Noch spüre ich die spitzen Steine
Noch brennt auf mir der gelbe Fleck
Doch bald seh ich nur grüne Bäume
und lebe nur den Augenblick.
Über mir wölbt sich der Himmel
Im wunderzarten lichten Blau
Das Meer rauscht milde in der Ferne
Über Felder und Wiesen liegt noch Tau.
Hier regt der Vogel seine Schwingen
Hier fühlt sich seine Seele frei
Und wir, die ärmsten der Gefangenen
Vergessen das tägliche Einerlei.
Es ist die Illusion der Freiheit
die hier so mächtig uns befällt
Die fernen Weiten, grünen Flächen
Nichts was uns schier das Herz vergällt.
Der Stacheldrahtzaun ist vergessen
Die Ghettoenge weggeweht
Wir träumen wach von unserer Freiheit
Oh Gott! Kommt sie für uns denn nie?
Text und Musik: Johanna Spector (Ghetto Libau 1942)