Die Erschießung von fünf Fleckfieberkranken im Lazarett
Im Winter 1942/1943 lag eine größere Anzahl von Häftlingen, die an Fleckfieber erkrankt waren, im Krankenrevier des unteren Lagers. Eines Tages forderte der SS-Hauptscharführer Kttner den Angeklagten Miete auf, die Krankenstube zu kontrollieren, die Schwerkranken herauszusuchen und sie dann im Lazarett zu erschießen. Kttner stellte es in das Ermessen von Miete, welche und wieviele Kranke er zur Erschießung selektieren sollte. Miete betrat allein das Krankenrevier und ließ sich von einem der beiden dort tätigen jüdischen Ärzte die Schwerkranken zeigen. Er nahm fünf Schwerkranke mit ins Lazarett und erschoss sie selbst durch Genickschuss. Kttner kümmerte sich später nicht mehr um diese Angelegenheit. Miete brauchte ihm über die Durchführung der Aktion auch keine Meldung zu erstatten und ihm keine Rechenschaft zu geben.
Miete gibt diese Erschießung von fünf kranken Häftlingen glaubhaft zu. Er meint jedoch, die Verantwortung hierfür treffe nicht ihn, sondern allein den SS-Hauptscharführer Kttner, der ihm den Befehl zur Selektion und zur Tötung der fünf Kranken gegeben habe.
Dieser Ansicht vermag sich das Schwurgericht nicht anzuschließen, denn Miete räumt ein, dass es in seinem Ermessen gestanden habe, wen er im einzelnen zur Tötung heraussuchte. Kttner hat also keineswegs selbst die fünf Kranken zur Erschießung ausgewählt und dann erst dem Angeklagten Miete befohlen, diese fünf ausgewählten Häftlinge zu erschießen. Miete hat vielmehr die Aufforderung Kttners, das Krankenrevier zu inspizieren, lediglich als eine Anregung zum Tätigwerden aufgefasst und mit großer Bereitwilligkeit ausgeführt. Bemerkenswert ist, dass Miete einmal in der Hauptverhandlung erklärt hat, er brauchte niemanden zu fragen, wenn er einen Häftling erschoss. Dieser Einstellung entsprechend hat er auch bei der Tötung der fünf Schwerkranken gehandelt, zu der er allerdings durch Kttner ermuntert worden sein mag.
Aufgrund der eidlichen Aussagen des Schneiders Lac., des Bautechnikers Koh. und des Schlossers Ku. sowie aufgrund der uneidlichen Bekundung des Frisörs Bor. steht zur Überzeugung des Schwurgerichts fest, dass Miete keineswegs nur ein einziges Mal, sondern mehrfach Aussortierungen von Kranken in der Krankenstube vorgenommen und die Selektierten im Lazarett erschossen hat. Freilich lassen sich diese anderen Fälle nicht konkretisieren und auch nicht von dem Fall abgrenzen, den der Angeklagte Miete eingestanden hat. Bestimmte Feststellungen hinsichtlich weiterer Selektionen von Häftlingen im Krankenrevier können deshalb nicht getroffen werden.