Franz
Der Angeklagte Franz hat als Stellvertreter des Lagerkommandanten Stangl und später als dessen Nachfolger die ihm erteilten Befehle und Anweisungen zur Vernichtung von Juden und Zigeunern hemmungslos und mit großem einverständlichen Eifer befolgt.
Er hat dabei eine Energie und Ausdauer entwickelt, die derjenigen der Taturheber in nichts nachsteht. Die Art und Weise, wie Franz sich bei der Abfertigung der Transporte verhielt, seine Grausamkeit und Unnachgiebigkeit, mit der er die Opfer zum Lazarett und zu den Gaskammern schickte, sowie das strenge Schreckensregiment, das er auch ausserhalb der Transportabfertigungen im Lager führte, beweisen eindringlich, dass es sich bei ihm nicht um einen Mordgehilfen, sondern um einen Mörder handelt, der die Vernichtung jüdischen Lebens als sein ureigenstes Anliegen betrieben und verwirklicht hat.
Daneben ist nicht zu übersehen, dass Franz als Stellvertreter des Lagerkommandanten und später als dessen Nachfolger auch eine erhebliche Tatherrschaft bei der Abfertigung der Transporte insofern gehabt hat, als es in seiner Macht stand, je nach seinem Belieben eine größere oder kleinere Anzahl von angekommenen Juden zur Arbeit auszusuchen und sie damit vor der Vergasung zu bewahren.
Da sich der Angeklagte Franz trotz Kenntnis aller Tatumstände an der Massenvernichtung beteiligte, handelte er vorsätzlich.
Die Zahl der von Franz hierbei begangenen Morde lässt sich zahlenmäßig auch nicht annähernd genau feststellen. Sie beschränkt sich keineswegs auf die im Abschnitt AV des
Zweiten Teiles der Grnde nachgewiesenen Einzelfälle, in denen der Angeklagte bei der Transportabfertigung mit eigener Hand Menschen getötet oder zu ihrer Tötung persönlich beigetragen hat, sondern sie umfasst auch alle die Fälle, in denen während der Anwesenheit des Angeklagten in Treblinka und unter seiner Mitwirkung im weitesten Sinne Menschen vergast, erschossen oder auf sonstige Weise bei der Massenvernichtung zu Tode gekommen sind.
Es ist bereits dargelegt worden, dass die Tötung von mindestens 700000 Personen im Vernichtungslager Treblinka einen Mord in wenigstens 700000 tateinheitlich verbundenen Fällen darstellt.
Der Angeklagte Franz hat nach der Überzeugung des Schwurgerichts zwar nicht an der Tötung aller 700000 Personen mitgewirkt, mindestens aber an der Tötung von 300000 Menschen. Er hat dem SS-Sonderkommando Treblinka seit der ersten Hälfte des Monats September 1942 bis zur Auflösung des Lagers Ende November 1943, also über 14 Monate angehört, mithin auch in den letzten Monaten des Jahres 1942, als die Transporte mit Juden aus Warschau und aus anderen polnischen Städten besonders zahlreich gewesen sind.
Selbst wenn man berücksichtigt, dass er während seines Einsatzes rund 14 Wochen beurlaubt gewesen ist, so ist er immer noch mehr als 11 Monate in Treblinka tätig gewesen, so dass es gerechtfertigt ist, eine Mindestzahl von 300000 Personen zugrundezulegen, an deren Tötung Franz beteiligt gewesen ist.
In dieser Zahl sind die im Abschnitt AV des Zweiten Teiles der Gründe festgestellten Fälle von Einzeltötungen mit enthalten, denn sie wurden sämtlich bei der Abfertigung begangen und dienten dazu, den reibungslosen Ablauf der Massenvernichtung zu gewährleisten.
Der Angeklagte Franz erfüllt, soweit seine Mitwirkung bei der Massenvernichtung in Betracht kommt, aus allen diesen Gründen den Tatbestand des gemeinschaftlichen, aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch und grausam begangenen Mordes in mindestens 300000 tateinheitlich miteinander verbundenen Fällen (211, 47, 73 StGB).