Die erwiesene Erhängung von drei auf der Flucht gefassten Häftlingen (Exzesstat außerhalb der Massentötungen, die nicht im Eröffnungsbeschluss und in der Anklageschrift aufgeführt ist)
In der Hauptverhandlung ist eine Reihe von Exzesstaten des Angeklagten Matthes erörtert worden, die nicht im Eröffnungsbeschluss und in der Anklageschrift enthalten sind. Von den in den rechtlichen Hinweisen des Schwurgerichts vom 23.Juli 1965 aufgeführten 8 Einzelfällen sieht das Schwurgericht 7 als nicht hinreichend nachgewiesen und nur die nachfolgende Tat als bewiesen an.
Im Laufe des Dezember 1942 gruben mehrere Häftlinge des oberen Lagers nach und nach vom Inneren ihrer Unterkunftsbaracke aus einen Tunnel unter dem Lagerzaun hindurch ins Freie. In einer Nacht Ende Dezember 1942 flohen 5 Häftlinge durch diesen Tunnel. Ihre Flucht wurde jedoch bald entdeckt, und alle Häftlinge des oberen Lagers wurden nachts zu einem Sonderappell herausgepfiffen. Beim Abzählen stellte man fest, dass insgesamt 5 Mann, nämlich die 5 Flüchtlinge, fehlten. Während die zum Appell herausgeholten Juden wieder in ihre Baracke zurückgetrieben wurden, nahm man sogleich die Verfolgung der 5 Entflohenen auf. Da gerade in dieser Nacht der erste Schnee gefallen war, konnte man die Flüchtlinge aufgrund der von ihnen im Schnee hinterlassenen Spuren leicht verfolgen. Am nächsten Tage brachte man vier der fünf Männer auf einem Pferdewagen zurück. Einer von ihnen war tot, die anderen drei waren an ihren Händen gefesselt. Die drei Lebenden sperrte man tagsüber in eine leere Gaskammer. Beim Abendappell hielt Matthes eine Ansprache an die versammelten Häftlinge, in der er sie vor einer Flucht warnte. Dann befahl er die Erhängung der drei gefassten Häftlinge, die noch lebten. Inzwischen war bereits vor dem alten Gaskammergebäude ein Galgen errichtet worden. In Anwesenheit von Matthes, der die Exekution leitete, wurden die drei mit dem Kopf nach oben am Hals erhängt. Zur Abschreckung blieben sie bis zum nächsten Morgen hängen. Dann kamen sie in eine Leichengrube. Der eine der Aufgehängten hieß Mechele mit Vornamen, der andere Shlomo, der dritte war ein kleiner Mann, der aus Petrikau stammte.
Der Angeklagte Matthes bestreitet, die Erhängung dieser drei Häftlinge angeordnet zu haben.
Er wird jedoch dieser Tat durch die eidliche Bekundung des Zeugen Ros. überführt, auf dessen besondere Glaubwürdigkeit schon mehrfach hingewiesen worden ist. Ros. hat nicht nur die Vorgänge bei der Erhängung selbst, sondern auch die Vorbereitungen der Flucht aus eigener Anschauung erlebt. So hat er unter anderem eingehend geschildert, wie eines Abends Anfang Dezember 1942 die Tunnelbauer zu ihm gekommen seien und ihn gebeten hätten, seinen Schlafplatz zu räumen, weil von dieser Stelle der Baracke aus der Tunnelbau am zweckmäßigsten begonnen werden könne. Er hat dann weiter beobachtet, wie der Bau des Tunnels nach und nach vorangetrieben wurde, bis sich die 5 Tunnelbauer zur Flucht entschlossen. Die Flucht von mehreren Häftlingen in der Nacht des ersten Schneefalls im Jahre 1942, das Ergreifen der Flüchtlinge und ihre von Matthes angeordnete Erhängung schildert daneben auch der eidlich vernommene Zeuge Li. Er meint allerdings, es seien 6 bis 7 Mann entflohen, 6 Männer habe man zurückgebracht, davon 2 tot und 4 lebendig, und diese 4 Lebenden seien dann beim Abendappell auf Befehl von Matthes am Halse erhängt worden. Li. bestätigt damit im Wesentlichen die von Ros. gemachten Angaben.
Hinsichtlich der Zahl der Aufgehängten folgt das Schwurgericht jedoch in vollem Umfange der Bekundung des Zeugen Ros., der über diesen Vorgang umfassender informiert ist als Li., da er nicht nur die Flucht selbst, sondern auch bereits ihre Vorbereitung mit Anteilnahme verfolgt und da er darüber hinaus auch nähere Einzelheiten über die Persönlichkeit der drei Aufgehängten (bei zweien die Vornamen und bei einem die Heimatstadt) im Gedächtnis behalten hat.