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Übersicht
Deutschland, Bundesland Thüringen, Landkreis Ilm-Kreis
Mit der urkundlichen Ersterwähnung im Jahr 704 ist Arnstadt die Stadt in Thüringen, die den ältesten Beleg für ihre Existenz vorweisen kann, und eine der ältesten Städte Deutschlands außerhalb der römischen Siedlungsgebiete.
Nach § 3 der Hauptsatzung gehören mit Geltung der Ortschaftsverfassung im Sinne des § 45 Thüringer Kommunalordnung. die vier Ortschaften Angelhausen-Oberndorf, bestehend aus Angelhausen und Oberndorf, Dosdorf/Espenfeld, Rudisleben sowie Siegelbach zur Stadt Arnstadt.
Am 1. April 1923 erhält der Bahnhof Arnstadt den offiziellen Zusatz Hauptbahnhof und ist damit einer von nur 4 Hauptbahnhöfen in Thüringen.
Während des Zweiten Weltkrieges mussten 2.950 Frauen und Männer vorwiegend aus der Sowjetunion und Polen sowie Kriegsgefangene aus den von Deutschland besetzten Ländern Zwangsarbeit verrichten: im Polte-Werk 1 und 2, in der Firma Siemens & Halske, in der Eisengießerei Winter, bei der Firma Schmidt & Co. Daimon, im Reparaturwerk Erfurt, in der Aktiengesellschaft für Kartonagenindustrie, in der Firma Braunsteinwerke Kunze & Co., in der Fahrzeugfabrik Renger & Co. und in der Bahnmeisterei. Auf dem Neuen Friedhof erinnern 102 Grabsteine an die bei Zwangsarbeit Umgekommenen. Zudem unterhielten die Nationalsozialisten im nahe gelegenen Jonastal ein geheimes Bauvorhaben.
28.03.1920
Am Sonntagmorgen, dem 28.3.1920, rückten von allen Seiten Reichswehrtruppen in Arnstadt ein. Postenketten gingen mit schußbereiten Waffen an den Häusern entlang, geschlossene Abteilungen folgten, so daß die Stadt in kurzer Zeit im Besitz der Truppen war. Zu irgendwelchen Zwischenfällen ist es dabei nicht gekommen. Das Einrücken erfolgte auf Anordnung der Reichsregierung, in deren Auftrag folgende Bekanntmachung angeschlagen wurde.
Bekanntmachung
1.) Auf Befehl der Reichsregierung sind Reichswehrtruppen in Arnstadt einge- rückt, um die Abgabe der noch im unrechtmäßigen Besitz der Bevölkerung befindlichen Waffen herbeizuführen.
2.) Die Bevölkerung hat alle Schußwaffen, Handgranaten und Munition bis heute 4 Uhr nachmittags im Zimmer 2 und 3 des Rathauses abzugeben. Ausgenommen sind Jagdwaffen, deren Eigentümer im Besitz von gültigen Jagdscheinen sind. Wer bis zum angegebenen Termin der Abgabepflicht genügt, hat keine Bestrafung zu befürchten.
3.) Die Abgabe erfolgt unter Hinzuziehung der örtlichen Polizeibehörden.
Die Waffen sind mit herausgenommenen Schlössern, Magazinen pp. zur Abgabe zu tragen.
4.) Zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung verbiete ich jede Versammlung unter freiem Himmel und alle Umzüge, mit Ausnahme von Trauerzügen.
5.) Auf Befehl der Reichsregierung ordne ich die Bildung eines Standgerichts für Arnstadt an, das jeden Fall von Aufruhr und Landfriedensbruch aburteilen wird.
Arnstadt, den 27. März 1920
von Selle
Oberst und Bezirksbefehlshaber
20.06.1921
Am Montag, dem 20.06.1921, begann in Arnstadt die Quäkerspeisung in sämtlichen Schulen der Stadt. Es nahmen etwa 700 Kinder daran teil. Die Kinder selbst hatten eine Topf oder eine Schüssel (½ Liter) sowie einen Löffel mit in die Schule zu bringen. Die Reinigung des Eßgeschirrs war Sache des Empfängers. Jedes Kind hatte zu Beginn der Woche 1,50 Mark als Unkostenbeitrag zu entrichten. Die Speisung war auf 13 Wochen berechnet und es wurde Wert darauf gelegt, daß jedes Kind bis zu Ende der Speisung daran teilnahm.
Finanziert wurde das Ganze vom „American Friends Servicé Commitee“ zu Leipzig. Von der gesamten Kinderzahl (3181) nahmen 22% teil.
14.02.1924
Nach fast 3-wöchigem Aufenthaltes verließ am Morgen des 14.02.1924 die 10. Kompanie des I.-R. Nr. 18 Arnstadt, das vorübergehend Garnisonsstadt war. Der Abtransport nach Weimar erfolgte per Lastkraftwagen.
03.07.1932
Am Sonntag, dem 03.07.1932, fand in Arnstadt das Fest der Arbeit statt, zu dem aus dem Stadt- und Landkreis Arnstadt sowie aus Erfurt Organisationen gekommen waren. Etwa gegen 11:30 Uhr wurde ein Zug der SA in der Ohrdrufer Straße von Schufoleuten belästigt. Zusammenstöße konnten hier vermieden werden. Als dann der Zug der SA die Erfurter Straße passierte, wurden von Leuten, die die Schufouniform trugen, Schmährufe gegen die Nationalsozialisten ausgerufen. Im Handumdrehen kam es zum Handgemenge. Sehr bald wurden die Streitenden voneinander getrennt und die SA setzte ihren Umzug fort. Auf beiden Seiten gab es einige Leichtverletzte. Gegen 14:30 Uhr kam es auf dem Holzmarkt, als dort in der Nähe der Zug der Gewerkschaften vorbei kam, zu einer Anpöbelei zwischen dort stehenden Stahlhelmleuten und anderen Leuten, die sich nicht am Zug beteiligten. Die Polizei nahm einem der Beteiligten einen Gummiknüppel ab. In der Schloßstraße vor dem Schloß sind dann weitere 3 Nationalsozialisten von Zugteilnehmern geschlagen worden. Später wurden an derselben Stelle einzelne vorbeikommende Jungstahlhelmer mißhandelt. Einer von ihnen mußte mit einer Kopfverletzung ins Krankenhaus gebracht werden. Die Polizei war hier gezwungen, Ansammlungen mit dem Gummiknüppel auseinanderzutreiben. Gegen 17:00 Uhr war die Ruhe wiederhergestellt.
30.11.1932
Arnstädter Anzeiger
Am 28.11.1932 erschienen um 11:00 Uhr eine Menge Erwerbsloser, darunter viele Frauen mit ihren Kindern, im Arnstädter Rathaus und forderten „Kohlen und Brot“. Vor dem Rathaus sammelten sich weitere Erwerbslose an. Eine Abordnung von ihnen trug dem Stadtverband die Wünsche vor. Ihre Weitergabe an das Thür. Ministerium wurde zugesagt. Die Kriminalpolizei forderte die im Rathaus Versammelten zum Verlassen des Rathauses auf, dieser Aufforderung wurde Folge geleistet. Am folgenden Tag, dem 29.11., um 11:00 Uhr, bot sich vor dem Rathaus wieder das selbe Bild. Ins Rathaus wurden nur Personen gelassen, die hier zu tun hatten. Der Abordnung der Erwerbslosen wurde mitgeteilt, daß die gestellten Forderungen nicht erfüllt werden könnten, da keine Mittel zur Verfügung ständen. Nachdem die Abordnung das Rathaus verlassen hatte, verliefen sich die vor dem Rathaus Stehenden in kleineren Trupps in Richtung Erfurter Straße. Hier „rotteten“ sie sich auf den Bürgersteigen zusammen und zogen durch die Karl-Marien-Straße zur Rosenstraße. Die sich ihnen entgegenstellenden Polizeibeamten wurden tätlich angegriffen, und die Demonstranten versuchten, einen Festgenommenen zu befreien. Außerdem wurden die Polizeibeamten angepöbelt und ihre Anordnungen nicht befolgt. Erst der Einsatz eines stärkeren Kommandos schaffte wieder Ordnung. Beim „Säubern der Straßen“ machte die Polizei teilweise vom Gummiknüppel Gebrauch. Hervorzuheben ist, daß vor allen Dingen Frauen waren, die den Polizeibeamten in der „rabiatesten Weise“ entgegentraten. Auf dem Schulplatz wurde die Polizei mit Steinen beworfen. Einem Fußgänger, dem von einem Polizeibeamten der Umhang zum Aufbewahren übergeben worden war, wollten Frauen den Umhang entreißen, wobei der Umhang zerrissen und zerschnitten wurde. Kleinere Ansammlungen, die sich in der Mittagszeit in der Nähe des Rathauses bildeten, wurden bald zerstreut.
24.03.1933
Am 24.03.1933 bei Tagesanbruch wurden von Beamten der Landespolizei, Kriminalpolizei und von den gesamten Polizeibeamten der Stadt überraschend verschiedene Häuser umstellt und durchsucht. Die Durchsuchungen dauerten bis gegen Mittag. Gefunden wurden eine Menge kommunistischer Druckschriften, Gegenstände, die verschiedenen aufgelösten Verbänden gehörten, ferner eine Anzahl Hieb- und Stichwaffen, sowie verschiedene Schußwaffen nebst Munition. Etwa 20 Personen wurden festgenommen.
10.05.1933
Eine Polizeiaktion mit Unterstützung der SS und SA wurde in Arnstadt am 10.05.1933 gegen marxistische Parteifunktionäre durchgeführt. Man suchte vor allem nach verbotenen Flugblättern, Vervielfältigungsgeräten und dergleichen. Auch die Schrebergartenkollonie „Kesselbrunn“ war betroffen. Die ganze Aktion dauerte von 7:00 bis 19:00 Uhr. In dieser Zeit wurden nicht weniger als 80 Wohnungen durchsucht. Es wurden Flugblätter, Schußwaffen nebst Munition sowie Hieb- und Stichwaffen entdeckt. In einer Gartenlaube fand man eine Selbstladepistole mit 150 Patronen sowie eine Kugelhandgranate. In einer Wohnung im südwestlichen Stadtviertel wurde ein Geheimsender gefunden, den man schon geraume Zeit in Arnstadt vermutete. Acht Personen wurden in Schutzhaft genommen, von denen man sechs am Abend wieder auf freiem Fuß setzte.
29.04.1936
Arnstädter Anzeiger vom 29.04.1936
Vor dem Strafsenat des Oberlandesgerichts in Jena fand im April 1936 eine Verhandlung wegen Vorbereitung zum Hochverrat gegen eine Anzahl Einwohner aus Arnstadt und Umgebung statt. Die Verhandlung war dadurch bemerkenswert, daß zum ersten Male in Thüringen unter den Angeklagten auch rückfällige Hochverräter, die schon einmal im Dritten Reich wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilt worden waren, sich zu verantworten hatten. Im Mittelpunkt der Verhandlung stand der 25-jährige Schuhmacher Fritz Schörnig aus Arnstadt, vom Reichsgericht wegen Hochverrats im November 1933 mit anderthalb Jahren Gefängnis vorbestraft. Er hatte sich alsbald nach Verbüßung seiner Strafe daran gemacht, in Arnstadt und Umgebung die ehemaligen Genossen zu sammeln und die KPD und den kommunistischen Jugendverband wieder aufzubauen. Alle anderen Angeklagten waren seine Opfer geworden. Gegen ihn beantragte der Staatsanwalt lebenslängliche Zuchthausstrafe. Der Senat erkannte auf die höchste zeitliche Zuchthausstrafe von 15 Jahren, 10 Jahren Ehrverlust und Zulässigkeit der Polizeiaufsicht. Lebenslängliche Zuchthausstrafe sprach das Gericht nur deshalb nicht aus, weil der Angeklagte 1933 und 1934 im Gefängnis gewesen war und die Hochstimmung des politischen Umbruchs nicht auf ihn hatte wirken können.
Im übrigen wurden verurteilt: Rudi Gaude aus Arnstadt und Max Weiß aus Langewiesen zu je 3 Jahren Gefängnis, Werner Gottfeld aus Arnstadt zu 4 Jahren Zuchthaus, Hans Greßler aus Eisenach, Werner Löhn aus Langewiesen, Walter Schneider aus Geraberg, Heinz Schubert aus Langewiesen, Willy Ziegler aus Arnstadt und Karl Zink aus Sömmerda zu je 2 Jahren Gefängnis. Emil König und Alfred Pfesdorf aus Arnstadt wurden freigesprochen. Dagegen bekamen Erich Schneider aus Geraberg 3 Jahre Zuchthaus, Emmi Schörnig aus Arnstadt 1 Jahr Gefängnis. Walter Weiß aus Langewiesen wegen Begünstigung 6 Monate Gefängnis und Karl Zeitsch aus Marzahna 5 Jahre Zuchthaus.
Die Strafe gegen Werner Gottfeld wurde deshalb schärfer gefaßt, weil der Angeklagte in der Verhandlung seine „jüdisch-kommunistische Gesinnung ohne Hemmung kundgab“.
12.03.1942
Todesstrafe für einen „Volksschädling“
Am 17.01.1942 fuhr der 19-jährige Kurt Schiml, der zuletzt in Schkopau beschäftigt war nach Arnstadt. Er hatte sich von einem Arbeitskameraden einen Anzug geborgt und führte ungefähr 80 RM Bargeld bei sich, mietete sich in Arnstädter Hotels ein und lebte etwa eine Woche auf großem Fuße. Als seine Mittel bis auf wenige Pfennige zusammengeschrumpft waren, führte er in 9 Arnstädter Gaststätten Diebstähle von WHW-Büchsen durch, erbrach sie und beraubte sie ihres Inhalts. Nach seinen eigen Angaben habe er dabei nur 30 RM erbeutet. Bei seinem früheren Lehrherrn stahl er am 07.02.1942 zwei Kaninchen und verkaufte sie einem gutgläubigen Bekannten für 20 RM.
Am Abend des 08.02.1942 beobachtete er die Wirtin eines Arnstädter Lokals, bezahlte seine Zeche in Höhe von 2,50 RM und verließ zur Polizeistunde das Lokal. Er trieb sich dann noch ½ Stunde auf dem Bahnhof herum und ging dann unter genauer Überlegung und Vorbereitung seiner Tat (er hatte festgestellt, daß ihn nur noch 60 Pfennig Taschengeld verblieben waren) nach dem Willibrordplatz. Die Adresse der Frau hatte er aus einem Gespräch „aufgeschnappt“. Eine ¾ Stunde wartete Schiml hinter einer Hausecke und stürzte dann auf die zwei Frauen zu. Die Wirtin war von einer Bekannten begleitet, die das Geld in einer Aktentasche trug. Der Täter schlug mit der Faust auf die Hand der Frau, die inzwischen zu Boden gefallen war, und brachte sich so in den Besitz der Beute. Er nahm sofort Reißaus, rannte zum Bahnhof, überstieg dort einen Zaun und ging dann durch die Sperre in den Wartesaal. Eine Fahrkarte nach Erfurt wurde gelöst und mit dem D-Zug verließ er in den Morgenstunden Arnstadt. Nach einigen Tagen wurde er dann festgenommen.
Am 12.03.1942 verurteilte das Sondergericht für den Oberlandgerichtsbezirk Jena, welches unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Dr. Werther in Arnstadt tagte, den Angeklagten zum Tode.
Täter und Mitläufer 1933-1945
SS-Sturmmann
Bertels Otto (Werner Paul)
* 05.10.1911 in Arnstadt
vor 1945 Angehöriger der Lagermannschaft im KL Auschwitz
SS-Unterscharführer u. Kriminalsekretär
Pelzhausen Walter
* 21.10.1891 in Arnstadt
+ 01.03.1948 in Lodz gehängt
vor 1945 Komandant des Erweiterten Polizeigefängnis Radegast in Lodz