Tränen des Vaterlandes
Wir sind doch nunmehr ganz,
ja mehr denn ganz verheeret,
Der frechen Völker Schar,
die rasende Possaun,
Das vom Blut fette Schwert,
die donnernde Kartaun
Hat aller Schweiß und Fleiß
und Vorrat auf gezehret.
Die Türme stehn in Glut,
die Kirch ist umgekehret,
Das Rathaus liegt im Graus,
die Starken sind zerhaun,
Die Jungfern sind geschändt,
und wo wir hin nur schaun,
Ist Feuer, Pest und Tod,
der Herz und Geist durchfähret.
Hier durch die Schanz und Stadt
rinnt allzeit frisches Blut.
Dreimal sind schon sechs Jahr,
als unser Ströme Flut,
Von Leichen fast verstopft,
sich langsam fortgedrungen.
Doch schwelg ich noch,
von dem, was ärger als der Tod,
Was grimmer denn die Pest
und Glut und Hungersnot,
Daß auch der Seelenschatz
so vielen abgezwungen.
Text: Andreas Gryphius