Jeden Morgen,
Auch wenn ich ausnahmsweise
Nicht aufgewacht bin, in kaltem Schweiß
Aus einem Alptraum –
Wenn ich nicht aufgestanden bin
In Furcht, in panischer Angst
Vor der SS.
Das Zelt des Gedenkens
Die Ewige Flamme, Kerzen
Die Halle der Namen
Die Fotos, Augen
Zähne, Gebisse aus Gold, Frauenhaar
Hier die Gaskammern,
Die Öfen
Die Krematorien.
Und Juden in gestreiften formlosen Gewändern
Die Leichen schieben
Nackte Frauen, die vergeblich versuchen,
Ihre Scham zu verstecken
Am Rande des Massengrabes
Nur der Gestank fehlt, der Rauch
Und die Musik
Was bedeutet dieser Lärm
Die Kadenz der Schritte im Gleichschritt:
„Links – links, links …!“
Der Peitschenknall, die Schüsse.
„Arbeit macht frei“
Auf dem Bogen über dem Tor
Und überall
Mauern, Hunde und Stacheldraht;
Namen und Nummern auf Listen
Und hier ist eine Hand – Yad, Hände.
In der langen Reihe: Wer kommt? Wer geht?
Woher? Wohin?
Ich habe dort gegeigt,
Mich haben sie ausgewählt
Im Orchester zu spielen
Tag für Tag mit Musik
Die Juden zu führen, die in die
Gaskammern getrieben wurden,
An den Rand des Abgrundes
An den Ort, von dem keiner zurückkommt,
Keiner wiederkommt, von wo man
bloß entfernt wird als Leiche
In die Krematorien.
Ich will zurückkommen
Jeden einzelnen Morgen,
Jeden einzelnen Tag –
Mit der Musik, die mich verfolgt
Zu den Bildern an der Wand,
zu dem Gestank,
Den nur ich wahrnehmen kann.
Ja jetzt bin ich Großvater,
mein Haar ist weiß,
nur wenig ist geblieben –
von mir
doch meine Züge gleich noch
ein klein wenig dem Geiger –
mir selbst
ich auf diesem Foto
aus Auschwitz.
Ich will zurückkommen,
jeden einzelnen Morgen, jeden einzelnen Tag
mit der Musik, die mich verfolgt,
zu den Bildern an der Wand,
zu dem Gestank,
den nur ich wahrnehmen kann.
Von Moshe Lieba für Jacques Jacob Stroumsa.