Aktenzahl des Gerichts (Geschäftszahl): LG Wien Vg 1d Vr 760/45
Prozess wegen Endphase-Verbrechen, Denunziationsprozess
Opfer
deutsche/österreichische Soldaten/Polizisten/HJ-/Volkssturmangehörige
Tatland (Tatort)
Niederösterreich (Krems an der Donau)
Volksgerichtsverfahren gegen
Herbert Schebor
wegen
Denunziation von Richard Ott wegen Fahnenflucht bei der Kriminalpolizeistelle Krems (Niederösterreich) Anfang Februar 1945 (die Denunziation hatte die Ermordung von Ott zur Folge)
Verlauf der Vorerhebungen/Voruntersuchung bzw. des Gerichtsverfahrens
am 29.01.1946 wurde Herbert Schebor zu 15 Jahren schweren Kerker verurteilt.
Beitrag ist kein Bestandteil der Gerichtsakte
Die Hände mit Handschellen gefesselt, einen Verband über der linken Hand, steigt der 20jährige Richard Ott aus dem Auto der Gestapo. Plötzlich reißt er sich Ios, beginnt zu laufen, die Kirche ist vielleicht seine letzte Chance, das Todesurteil ist ihm so gut wie sicher. Zum zweiten Mal von der Wehrmacht desertiert, bereits 1941 als Rädelsführer einer Kommunistenbande bezeichnet. Acht Schuß benötigen die Beamten.
Ein Schuß der Schutzpolizisten trifft, Richard Ott stirbt auf dem Pfarrplatz in Krems, am 4. Februar 1945, um 6:00 Uhr abends.
Mit der Herrschaft der Nazis hatte er sich nie anfreunden können. Bis Ende Juli 1941 arbeitete er als Installateur bei der Firma Haider. Ein Versuch, aus dem Reich zu flüchten, scheiterte.
Im Oktober 1943 desertierte Richard von der Wehrmacht, wurde aufgegriffen und vom Gericht der Division Nr. 177 einer Strafkompanie zugeteilt. Das Gnadengesuch seiner Mutter wurde abgewiesen: Ihr Sohn muß erst im Straflager zum Soldaten erzogen werden.
Aus dem Lazarett in Czestochowa in Polen setzte er sich mit zwei Kameraden am 4. Januar 1945 ab. Die Flucht gelang, eine waghalsige Reise auf den Dächern der Transportzüge. Bei der ersten Hausdurchsuchung in der Wohnung seiner Eltern in Krems wurde Richard Ott nicht gefunden, er lag zugedeckt im Ehebett. Es war aber
nur eine Frage der Zeit, bis die Gestapo seine Spur aufgenommen hatte. Er fand Zuflucht bei Bekannten in Stein, im Haus neben dem Sägewerk Lohr/Schütz. Durch Zufall entdeckte Herbert Schebor, der mit Richard Ott die Schulbank gedrückt hatte und sich nun auf Fronturlaub befand, den Versteckten. Schebors Weg führte zur Gestapo, wo er Anzeige erstattete.
Josefine Ott muß einem Begräbnis unter Ausschluß der Öffentlichkeit und ohne Feierlichtkeiten zustimmen
Nach der Befreiung wurde Herbert Schebor beim Wiener Volksgericht verurteilt. Der Schutzpolizist, der den tödlichen Schuß abgegeben hatte, setzte sich in den Westen ab. Die Kremser Gestapo-Beamten, die die Untersuchung gegen die Familie Ott geführt hatten, wurden nie zur Verantwortung gezogen.