Aktenzahl des Gerichts (Geschäftszahl): LG Wien Vg 13b Vr 4013/47

(Heeresstreifen-Prozess)

Opfer
deutsche/österreichische Soldaten/Polizisten/HJ-/Volkssturmangehörige

Tatland (Tatort)
Österreich (Wien)

Volksgerichtsverfahren gegen Wenninger-Lammel
Alois Pürrer
Johann Holfelner
Johann Stykar
Franz Fasching
Walter Wenninger-Lammel

wegen
Misshandlung von inhaftierten Deserteuren in der Rossauerkaserne in Wien in den Jahren 1943 bis 1945 unter Ausnützung ihrer dienstlichen Gewalt als Angehörige der Wehrmachtsfahndung (Heeresstreife Groß-Wien)

Verlauf der Vorerhebungen/Voruntersuchung bzw. des Gerichtsverfahrens

am 16.11.1950 wurde Alois Pürrer zu 1 Jahr schwerem Kerker verurteilt

am 16.11.1950 wurde Johann Holfelner zu 18 Monaten schwerem Kerker verurteilt

am 16.11.1950 wurde Johann Stykar zu 9 Monaten schwerem Kerker verurteilt

am 16.11.1950 wurde Franz Fasching zu 6 Monaten schwerem Kerker verurteilt

am 16.11.1950 wurde Walter Wenninger-Lammel freigesprochen

am 22.11.1948 war das Verfahren gegen Peter Baden zur Vermeidung von Verzögerungen gemäß § 57/1 StPO ausgeschieden worden

am 19.5.1949 war das Verfahren gegen
Kazdar
gemäß § 57 StPO ausgeschieden worden

am 19.5.1949 war das Verfahren gegen
Hauptmann Anton Kress (Leiter der Fahndungsabteilung)
gemäß § 57 StPO ausgeschieden worden

am 19.5.1949 war das Verfahren gegen
Johann Binder
gemäß § 57 StPO ausgeschieden worden

am 19.5.1949 war das Verfahren gegen
Otto Holzinger
gemäß § 57 StPO ausgeschieden worden

am 19.5.1949 war das Verfahren gegen
Leopold Stumwoehrer
gemäß § 57 StPO ausgeschieden worden

am 19.5.1949 war das Verfahren gegen
Eder
gemäß § 57 StPO ausgeschieden worden

am 19.5.1949 war das Verfahren gegen
Major Wilhelm Dell (Leiter der Streifenabteilung)
gemäß § 57 StPO ausgeschieden worden

am 19.5.1949 war das Verfahren gegen
Erwin Betz
gemäß § 57 StPO ausgeschieden worden

am 19.5.1949 war das Verfahren gegen
Kuehnberger
gemäß § 57 StPO ausgeschieden worden

am 19.5.1949 war das Verfahren gegen
Franz Hoflehner
gemäß § 57 StPO ausgeschieden worden

am 19.5.1949 war gemäß § 90 StPO die Zurücklegung der Anzeige gegen
Wenzel Mottl erfolgt
Erklärung der Staatsanwaltschaft: kein Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung

am 19.5.1949 war gemäß § 109 StPO die Zurücklegung der Anzeige gegen
Josef Rinsa erfolgt
Erklärung der Staatsanwaltschaft: kein Grund zur weiteren gerichtlichen Verfolgung

am 25.7.1949 war das Verfahren gegen
Karl Everts (Oberfeldrichter)
gemäß § 57 StPO ausgeschieden und in Vg 6f Vr 1705/49 einbezogen worden

Beitrag ist kein Bestandteil der Gerichtsakte

Die Rossauer Kaserne im 9. Wiener Gemeindebezirk an der Rossauer Lände 1 (Türkenstr. 22) war von 1938-1945 Kasernierungsort der Wehrmachtsstreife Groß-Wien und Dienstort des Kommandeurs des Wehrmachtsstreifendienstes.

die Heeresstreife Groß-Wien war eine gefürchtete Einheit der Militärpolizei, die für ihre Folterungen berüchtigt war.
Die Streife gliederte sich in diverse Abteilungen und Aufgabengebiete, darunter Fahndungs- und Streifenabteilung, Bahnhofsstreife, Stadtstreife, Urlaubsüberwachung, Fahndungsgruppen. Diese waren der Streifenabteilung Groß-Wien, diese der Wehrmachsstreifenabteilung XVII, unterstellt. Diese Teileinheiten hatten teils Bataillionsstärke, die Streifenabteilung Groß-Wien mindestens 1600 militärisches Personen, dazu sind noch Bürokräfte, Fahrer, etc zu rechnen.

Ab Anfang August 1944 beauftragte der Oberfeldrichter Karl Everts die Fahndungsabteilung der Heereststreife Groß-Wien mit der Einrichtung eines Verhörraumes in der Rossauerkaserne. In ihm sollen Geständnisse erzwungen werden, notfalls auch unter Gewaltanwendung.

Die Kaserne wurde 1945 schwer beschädigt. Die Kaserne wurde von der US Army und in den nächsten Jahre verwendet, wobei sie von Anfang an den Aufbau der Wiener Polizei unterstützten. In zwei Trakten zog das Volksgericht zur Aburteilung von Wehrmachtsverbrechen ein, die Hafträume der Wehrmachtsstreife wurde unter anderem für ebendiese weiterverwendet.
Seit den 1980ern benützt neben der Wiener Polizei auch das Österreichische Bundesheer die Kaserne, seit 2003 ist die Kaserne Sitz des Bundesministers. 2005 wurde der von der Streife und nun vom Minister benützte Nordhof nach Carl Szokoll benannt, obwohl dieser keinen Ortsbezug aufweist.

Verantwortlich für die fanatische Jagd auf mutmaßliche »Selbstverstümmler« war vor allem ein Mann: Dr. Karl Everts, Richter am Feldgericht der Division Nr. 177, stationiert in Wien. Er betrachtete es als seine Hauptaufgabe, Soldaten, die sich selbst verletzten, um nicht wieder an die Front zu müssen, zu schnappen. Jedes Mittel war ihm dafür Recht. Auch Folter. Er brauchte Geständnisse, Beweise. Ohne diese konnte er die Soldaten nicht verurteilen! Er forderte daher von der Wiener Heeresstreife, Geständnisse mit Gewalt zu erzwingen und ließ einen eigenen Verhörraum errichten, in dem die Gefangenen geschlagen und anderweitig misshandelt wurden. Karl und seine Freunde sollten als abschreckendes Beispiel vorgeführt werden. Warum sie zu so einem extremen Mittel gegriffen und sich selbst verletzt hatten, war Karl Everts dabei gänzlich unwichtig. Insgesamt wurden unter seiner Aufsicht mindestens 90 Fälle wegen des Vorwurfs der Selbstverstümmelung in Wien zur Anklage gebracht. In 39 dieser 90 Fälle forderte Everts für die Angeklagten die Todesstrafe.

Aus der Heeresstreife sind rund zwei Dutzend Täter namentlich bekannt, vor allem aus dem Heeresstreifenprozess direkt nach 1945.

Gerichtsverfahren nach 1945 im Zusammenhang mit der Heeresstreife Groß-Wien
LG Wien Vg 11 Vr 7188/46
LG Wien Vg 11 Vr 483/46
LG Wien Vg 13b Vr 4013/47