Aktenzahl des Gerichts (Geschäftszahl): LG Wien Vg 12h Vr 6308/46
KZ-Mauthausen-Prozess (Nebenlager Gusen)
Opfer
Häftlinge
Tatland (Tatort)
Oberösterreich (Sankt Georgen an der Gusen) Langenstein
Volksgerichtsverfahren gegen
Alois Johandl
(SS-Unterscharführer) der einarmige Satan von Gusen
wegen
Misshandlung und Ermordung von Häftlingen des KZ Gusen, Nebenlager des KZ Mauthausen, im Zeitraum Oktober 1944 bis Mai 1945
Verlauf der Vorerhebungen/Voruntersuchung bzw. des Gerichtsverfahrens
Am 28.04.1948 wurde Johandl zu 20 Jahren schweren Kerkers verurteilt.
Die Staatsanwaltschaft hatte gemäß § 3/2 KVG die Todesstrafe beantragt.
Dieser Beitrag ist nicht Bestandteil der Gerichtsakten
Alois Johandl, geboren 1925, war Waise und kam im Jahr 1938 durch Fürsorgemaßnahmen in die Erziehungsanstalt Korneuburg, wo er die Schule beendete und bis zum Oktober 1942 das Maurerhandwerk erlernte. Seit 1943 bei der Waffen-SS, wurde er im Verband der SS-Division "Das Reich" an die Ostfront geschickt, wo er im Herbst 1943 seinen rechten Arm verlor. Im Oktober oder November 1944 erfolgte Johandls Abkommandierung zum Führungsstab der Baustelle des Rüstungsbetriebes in St. Georgen an der Gusen (OÖ).
Damals hatten die Messerschmidt-Flugzeugwerke bereits begonnen, eine unterirdische Fabriksanlage zu errichten, die mit dem Kennwort "Bergkristall" bezeichnet wurde. In nur 13 Monaten wurde in das Felsmassiv rund um St. Georgen ein gewaltiges Tunnelsystem geschlagen. Die meisten Häftlinge befanden sich in einer elenden körperlichen Verfassung. Etwa 90 Prozent der in "Bergkristall" arbeitenden Häftlingen kamen ums Leben.
Alois Johandl hatte den Rang eines SS-Unterscharführers. Ihm oblag beim Stollenbau die Kontrolle der aus Gusen mit der Bahn an die Arbeitsstätte transportierten Häftlinge. Johandl war laut Zeugenaussagen einer der brutalsten Aufseher und wurde von den Häftlingen der "einarmige Satan von Gusen" oder "der einarmige Teufel" genannt. Als besondere Gelegenheit zum Prügeln hatte sich Johandl die Zeit des Schichtwechsels ausgesucht. Er passte die aus dem Stollen kommenden Häftlinge am Eingang ab und schlug brutal zu. Dazu benützte er seinen Armstummel, einen Stock oder einen Schlauch, der am Ende zur Steigerung der Schlagkraft mit Beton ausgefüllt war. Mehrere Häftlinge starben an den Folgen dieser Schläge, einige davon konnte das Gericht namentlich eruieren.
Ebenso war "angebliche Nachlässigkeit bei der Arbeit" ein Vorwand für Misshandlungen. Diesen Exzessen fielen besonders jüdische Lagerinsassen zum Opfer.
Zeuge Gottfried B. in der Hauptverhandlung vor dem Volksgericht Wien am 10. März 1948:
"Der Angeklagte hat einmal einen alten Juden verprügelt, weil er einen Zementsack nicht wieder auf die Schulter nehmen konnte. Ich bin mit der Lok gefahren, vom Boden musste er den Zementsack wieder auf den Rücken nehmen und dazu war er nicht fähig. [...] Die Papierhülle des Zementsack war bereits beschädigt, Häftlinge durften ihm dabei nicht behilflich sein. Der alte, etwa 50 jährige Jude hat den gelben Winkel getragen, der Angeklagte hat mit einem Stock auf ihn eingeschlagen, weil er den Sack nicht wieder auf den Rücken nehmen konnte, obwohl er merkte, dass der Jude dazu nicht mehr fähig war, der Jude schrie und jammerte, bei seinen Kindern und Enkeln beschwor er den Angeklagten ihn nicht mehr zu schlagen, der Angeklagte liess sich jedoch davon nicht abhalten sondern prügelte weiter auf den alten Juden ein, wobei der alte Jude unter dauernden Abwehrversuchen und Jammern schrittweise zur Mauerecke nach rückwärts ging. Aus dem Schreien ist dann ein Wimmern geworden bis auch das verstummte und der alte Jude regungslos in der Mauerecke im Zementstaub, der fast bis über Knöchelhöhe reichte, regungslos liegen blieb." Hauptverhandlungsprotokoll S. 51f. (LG Wien Vg 12h Vr 6308/46, Blatt 227f.)
Johandl versetzte seine Opfer in einen derartigen Verzweiflungszustand, dass sich einer der Misshandelten auf einen Transformator stürzte und nur mehr tot und halb verkohlt geborgen werden konnte. Zeugen bestätigten auch, dass im Lager das so genannte "Schicken durch die Postenkette" als beliebtes Spiel gehandhabt wurde, an dem sich auch Johandl ergötzte. Die SS-Wachen bekamen für einen Herzschuss eine "Jagdprämie" von 300 Zigaretten, eine Flasche Wein und einen Tag dienstfrei.
Die Staatsanwaltschaft Wien erhob am 26. November 1947 Anklage gegen Alois Johandl wegen Verbrechen der Quälereien und Misshandlung [§§ 3/1, 3/2 KVG] und Verbrechen des vollbrachten Mordes [§§ 134, 135/4 StG] in 5 Fällen. Johandl selbst leugnete die ihm vorgeworfenen Tötungsdelikte und rechtfertigte die Misshandlungen und Schläge damit, dass er die Häftlinge vor höheren Strafen des Führungsstabes beschützen wollte. Weiters berief er sich auf seine Verwundungen während des Fronteinsatzes, derentwegen er nicht die Kraft gehabt hätte, KZ-Häftlinge zu erwürgen. Wegen seiner ständigen Rückenschmerzen hätte er auch nicht mit den Füßen treten oder auf Häftlingen "herumtrampeln" können.
Für das Gericht stand zugunsten Johandls außer Zweifel, dass er den Großteil der aufgezählten Untaten noch vor Vollendung des 20. Lebensjahr begangen hatte, "also noch in dem Zustande seiner körperlichen und geistigen Entwicklung".
Als weiteren mildernden Umstand gab das Gericht die Disziplinlosigkeit der so genannten "kriminellen Häftlinge" an:
"Dazu kommt, dass sich unter den Häftlingen viele kriminelle Verbrecher befanden, denen ein besonders starker Antrieb zur Auflehnung eigen war. Der Angeklagte hatte daher fortlaufend Anlass, solche Elemente zur Disziplin zu zwingen. Es darf ihm dabei nicht schwer angelastet werden, dass er hiebei wegen der Häufigkeit der Fälle anstelle der Meldung an das Lagerkommando zwecks Bestrafung durch Hiebe über den "Bock", sich der einfacheren und für die Häftlinge weniger schmerzhaften Methode der Verabreichung von Ohrfeigen begnügte."