Aktenzahl des Gerichts (Geschäftszahl): LG Wien Vg 11i Vr 2016/47
Prozess wegen Funktion im NS-Regime (Gendarmerie/Polizei/Gestapo/SD), Stein-Prozess
Opfer
Widerstand/Opposition, Häftlinge
Tatland (Tatort)
Jugoslawien (Pettau), Österreich (Wien)
Volksgerichtsverfahren gegen
Karl Wolf
wegen
Misshandlung von Häftlingen in Wien in den Jahren 1942 bis 1944 unter Ausnützung seiner dienstlichen Gewalt als Gestapobeamter (Marxistenreferat)
Verletzung der Menschenwürde von Widerstandskämpfern im Juli 1944 bei der Gestapodienststelle in Pettau (ehemaliges Jugoslawien)
Verlauf der Vorerhebungen/Voruntersuchung bzw. des Gerichtsverfahrens
Am 29.10.1948 wurde Karl Wolf zu 8 Jahren schweren Kerkers verurteilt.
Am 02.03.1948 war das Verfahren gegen Karl Wolf wegen § 134 StG (Massaker im Zuchthaus Stein, April 1945), § 6 KVG (Arisierung einer Wohnung) eingestellt und am 06.04.1948 das Verfahren wegen §§ 8, 10, 11 VG ausgeschieden worden.
Am 16.06.1950 wurde das Verfahren gegen Josef Kouba wegen § 3 KVG ausgeschieden.
Beitrag ist kein Bestandteil der Gerichtsakte
Aus den Akten zu Sepp Gradl nach 1945
Er kam im Dezember 1943 in das südsteirische Aluminiumwerk in Pettau-Sterntal, wo 4000 Arbeiter für die deutsche Kriegsmaschinerie werkten. Nach wenigen Monaten stieg er als gelernte Schlosser zum Vorarbeiter auf und gewann das Vertrauen der Nazis. Aber seine Arbeit dauerte nicht lange. Es erschien die Gestapo, die ihn verhaftete. Schuld daran war nicht seine Unachtsamkeit, sondern die eines Genossen in Frankreich, bei dem die Gestapo die Listen der nach Österreich entsandten kommunistischen „Fremdarbeiter“ fand. (Was er in der Gestapohaft an Quälereien und Folter ertragen mußte, beschäftigte 1948 ein Gericht und führte zur Verurteilung eines Nazitäters zu 8 Jahren Kerker. Doch dieser Gestapobeamte Karl Wolf, auf dessen Konto ungezählte zu Tode gequälter Menschen kamen, mußte nur eineinhalb Jahre seiner Strafe absitzen, weil er, wie fast alle seinesgleichen, in den Genuß einer Amnestie kam.)
Mit einer kurzen Eisenkette wurden ihm Füße und Hände am Rücken zusammengeschlossen, und als er noch immer keine Aussagen machte, schlugen sie ihn mit einem Ochsenziemer und zogen ihn an der Kette hoch. Doch die Gestapo-Folterer brachten aus dem kleinen, schmächtigen, aber zähen Gradl kein Wort heraus, was sie veranlaßte, ihn im Keller in dieser Position auf einen Haken aufzuhängen. Mitte Juni 1944, knapp vor seinem Abtransport nach Wien und noch immer mit Händen und Füßen hinter dem Rücken zusammengekettet, konnte er mit einer bei der Visitation übersehenen Hosenspange das die Kette zusammenhaltende Schloß öffnen. Als Schlosser war die Kellertüre für ihn auch kein Hindernis mehr. Es gelang ihm die Flucht. Die ihn verfolgende SS zerschoß ihm das Hüftgelenk und den rechten Oberschenkel. Im Pettauer Spital lag er vier Wochen. Petau war bereits Partisanengebiet, auch der stellvertretende Chefarzt gehörte zu den Partisanen und organisierte seine Flucht zu den jugoslawischen Partisanen, wo er das Kriegsende erlebte.