Mehr als 12000 Menschen wurden im Wald von Piaśnica durch ein SS-Sonderkommando erschossen
Die Patienten der pommerschen Heil- und Pflegeanstalten wurden per Bahn, zum Teil über Umwegen durch verschiedene Anstalten, nach Neustadt (Wejherowo) nordwestlich von Danzig (Gdansk) transportiert.
Sie kamen auf dem Güterbahnhof an, mussten ihre letzte Habe abgeben und wurden auf LKW verladen, die sie dann in den ca. 10 km entfernten Wald von Piaśnica brachten. Die Flucht ist keinem gelungen.
Die Gebäude gibt es noch, sie wurden in all' den Jahren kaum verändert. Dort wurden sie durch das SS-Sonderkommando Wachsturmbann Eimann, Einsatzkommando 16 in empfang genommen. Der SS-Wachsturm rekrutierte sich aus SS-Angehörigen des ehemaligen Gebietes des Freistaates Danzig.
Sie führten Massenverhaftungen im Danziger Raum und Pommern aus und waren für die Exekutionen verantwortlich. Eimann, der nicht von seinen Männern verlangen wollte, was er selbst nicht tat, erschoss das erste Opfer.
Er schilderte in seinem Prozess 1968 freimütig die Exekution:
Der Transportzug brachte etwa 120 Geisteskranke. Sie wurden von mir am Bahnhof in Empfang genommen. Die Kranken wurden dann durch die SS-Männer auf Lastwagen geladen, die meiner Truppe zu Verfügung standen. Die LKW fuhren dann bis auf 50 m an die Erschießungsstelle heran. Dort ließ ich die Kranken einzeln aussteigen. Jeweils zwei SS-Männer führten den Geisteskranken bis an den Rand der Grube, ein dritter SS-Mann folgte mit einer Pistole 08. Am Grubenrand schoss der dritte SS-Mann dem Kranken mit der Pistole in das Genick, so dass er in die Grube fiel. Dieser Vorgang wiederholte sich einzeln hintereinander bei sämtlichen Kranken des Transportes.
Nach Eimann begannen die Exekutionen mit den Stralsunder Patienten. Spätere polnische Untersuchungen belegten aber, dass die Tötungen im Wald von Piaśnica bereits kurz nach Kriegsbeginn begonnen haben müssen. Es wird als das erste große Verbrechen der Nazi in Europa eingeschätzt. Es wurden auf diesem 250 ha großen Areal nicht nur die Patienten aus den Heil- und Pflegeanstalten erschossen, sondern die Erschießungen begannen bereits im Oktober 1939. Viele Menschen, insgesamt über 12 Tausend, sollen in den wenigen Monaten, bis zum Frostbeginn, dort erschossen worden sein.
Unter den getöteten Menschen befanden sich Vertreter aller Gesellschaftsgruppen und Berufe, die politisch, geistig, kulturell oder kirchlich zwischen 1920 und 1939 engagiert waren. Es handelt sich um Lehrer, Geistliche, Beamte der Staats- und Selbstverwaltung, Arbeiter, polnische Intelligenz, Landwirte, Mitglieder polnischer Vereine.
Überwiegend waren es Einwohner von Neustadt (Wejherowo), Putzig (Puck), Gdynia (Gotenhafen), Reda, Ramel (Rumia), Karthaus (Kartuzy) und Danzig (Gdansk).
Es wurden tausende polnische und deutsche Familien aus dem Reich, die als Gegner des Nazi-Reiches bekannt waren ermordet. Die vom Gauleiter Forster am 17. Oktober 1939 vom Balkon des Neustädter Rathauses verkündete Worte: Wir müssen dieses Volk von der Wiege an ausrotten räumten selbst die geringsten Zweifel bezüglich der völkischen Politik der Nazis aus.
Die grausame Weise der Ermordung wurde von einer jungen Frau E. Ellwart aus dem Dorf Orle in der Nähe des Dorfes Piaśnica geschildert. Sie kam zufällig auf den Exekutionsplatz und wurde Zeugin einer Massenexekution. Einer der SS-Männer nahm das letzte Kind und tötete es auf grausamste Weise.
Unter den Leichen sah sie auch den ihr bekannten Pfarrer Dr. Boleslaw Witkowski.
Unter den Ermordeten waren u.a. die Ordensschwester Alicia Kotowka (Vorsteherin des Mädchengymnasiums in Neustadt), der Gemeindevorsteher Rittmeister Hipolit Roszczynalski, Starost Antoni Potocki, der Regierungsvizekommissar von Gdingen Ing. Wlodzimierz Szaniawski, der Direktor des Meeresamtes Ing. Stanislaw Legowski, der Präsident des Kreisgerichtes Gdingen Jaroslaw Czarlinska.
Die Bahnarbeiter der Stationen Lauenburg (Leborg) und Neustadt (Wejherowo) beobachteten die Transporte und berichteten später, dass sich unter den Passagieren meistens polnische Landarbeiter, Tschechen, Juden und auch deutsche Familien, die als Nazi-Gegner bezeichnet wurden, befanden.
Die Massengräber wurden von KZ-Häftlingen aus dem Lager Stutthof ausgehoben. Da die Erschießungen geheim gehalten wurden, erfolgten dann die Ermordungen der Häftlinge. Nach 1945 wurden 35 Massengräber entdeckt und davon 30 Gräber ausgegraben und 26 genauer untersucht. In zwei Gräbern wurden noch 305 Leichen erschossener Menschen gezählt.
Ende August 1944, die Front kam immer näher, der Krieg schien verloren zu sein, mussten die Greueltaten vertuscht werden. Häftlinge aus dem KZ-Lager Stutthof mussten unter Aufsicht eines besonderen SS-Kommandos die Gräber öffnen, die Leichen aus den Gräbern entfernen, zusammenlegen und verbrennen. Die Leichenverbrennungen dauerten etwa 6 Wochen.
1962 wurden neben den Massengräbern Brandstellen entdeckt. In diesen Vertiefungen erfolgten die Leichenverbrennungen. In der Asche fand man auch noch einige persönliche Kleinigkeiten der Opfer. Weiterhin entdeckte man zwei separate Brandstellen, eine große Brandstelle, hier mussten viele Leichen verbrannt worden sein und eine kleine Brandstelle.
In letzterer fand man Überreste von Ketten, mit denen 20 Häftlinge gefesselt waren, die nach der Erfüllung ihrer Aufgabe erschossen und verbrannt wurden.
Die Verbrechen der Nazi wurden ans Tageslicht geholt und der Weltöffentlichkeit kund getan
Nach dem Kriegsende, im Jahre 1946 fanden offizielle Ausgrabungen im Wald von Piaśnica statt. Unter den damals ermittelten Gräbern fand man die zwei nicht geöffneten Gräber mit den nicht verbrannten Opfern. Die Leichen wurden teilweise durch ihre Familien identifiziert. Ärzte der Exhumierungskommission stellten dabei fest, dass mehrere Opfer verwundet, dann aber lebendig begraben wurden.
In weitern Gräbern blieben Bekleidungsstücke und kleinere Gegenstände zurück, die Personen zugeordnet werden konnten.
Gerichtliche Ermittlungen nach dem Kriege haben ergeben, dass im Wald von Piaśnica wahrscheinlich mehr als 12.000 (bis 14.000) Menschen erschossen worden sind. Wie viele davon Deutsche waren ist nicht bekannt.
So schrieb der Landrat des Kreises Neustadt in einem Bericht vom 22.1.1940: Aus dem Reich sind 1220 Irre im Kreis Neustadt zur Liquidation gekommen. Und der höhere SS-und Polizeiführer Danzig und Westpreußen, Richard Hildebrandt, dem der SS-Wachsturnbann Eimann unterstand, schrieb in einem Bericht vom Januar 1940, dass Teile des Wachsturms Eimann zwischen Oktober und Dezember 1939 zur Beseitigung von 1400 unheilbar Geisteskranken aus pommerschen Irrenanstalten und zur Beseitigung von ca. 1200 unheilbar Geisteskranken der Irrenanstalt Konradstein (Nähe Danzig) eingesetzt wurden.
Die Ermordung der Angehörigen der polnischen Führungsschicht wird nie offiziell erwähnt und war mir in diesem Ausmaß auch nicht bekannt.
Nach den Erschießungen der unzähligen Menschen im Wald von Piaśnica wurden weitere SS-Sonderkommandos zusammengestellt, die systematisch durch Erschießungen und dann durch fahrbare Gaskammern mit der Aufschrift Kaisers - Kaffee - Geschäft in den besetzten Gebieten mordeten.