1939
Nach Zeugenaussagen wurde bereits Ende 1939 vom Sonderkommando Lange eine Zugmaschine mit Anhänger als mobile Gaskammer benutzt, um polnische Heilanstalten für Geisteskranke als Lazarette oder zur Raumbeschaffung für SS-Ersatzeinheiten „freizumachen“. In diese mobile Gaskammer wurde reines Kohlenstoffmonoxid aus Gasflaschen eingeleitet. Obwohl keine dokumentarischen Beweise erhalten sind, deuten Indizien darauf hin, dass das KTI an der Entwicklung dieses ersten Gaswagens beteiligt war.
Die Initiative zur Entwicklung der Gaswagen ging von Heydrich aus. Heydrich beauftragte im September 1941 den Gruppenleiter im Reichssicherheitshauptamt Walther Rauff, mit der Planung, dieser gab den Auftrag an an seinen Untergebenen Friedrich Pradel vom RSHA-Referat II D 3a weiter. Der für die Kraftfahrzeuge der Sicherheitspolizei zuständige Pradel konnte Rauff nach kurzer Zeit von der Machbarkeit eines Gaswagens berichten. Rauff befahl Pradel, sich zum Bau der Gaswagen mit dem Chemiker Walter Heeß vom Kriminaltechnischen Institut (KTI) in Verbindung zu setzen, und erteilte der Firma Gaubschat aus Berlin-Neukölln den Auftrag, die Kastenaufbauten zu liefern, während das RSHA die Fahrgestelle der Gaswagen beschaffte.
Gaubschat Fahrzeugwerke GmbH
1904 eröffnete Fritz Gaubschat in Neukölln (bei Berlin) eine Fahrzeugschmiede für Pferdewagen. 1922 wurde der Betrieb erweitert.
Beteiligung an der Herstellung der Gaswagen:
Die Kastenaufbauten mit dicht schließender Flügeltür am Heck wurden von der Firma Gaubschat aus Berlin-Neukölln geliefert. SS-Obersturmbannführer Walter Rauff war verantwortlich für alle Gestapo-Fahrzeuge, einschließlich Gaswagen. Rauff, Leiter der Abteilung II D3, Technischer Service der Sicherheitspolizei befahl SS-Hauptsturmführer Friedrich Pradel, Abteilung II D3, Chef des Technischen Dienstes des Reichskriminalpolizeiamtes und Harry Wentritt, Abteilung II D3a, Chef der Kfz-Werkstatt des Reichskriminalpolizeiamtes, die Firma Gaubschat Fahrzeugwerke GmbH, Willi-Walter Straße 32-38, Berlin aufzusuchen. Die Fabrik stellte Fahrzeugaufbauten für LKW und Busse seit 1918 her. Bei Gaubschat gaben beide Männer vor, dass die Wagen für den Transport von Seuchenopfern gebraucht würden. Die Fahrgestelle sollten dem Reichssicherheitshauptamt geliefert werden, letztlich wurden nur 5 oder 6 an das RSHA geliefert. Rauff schlug für die noch zu liefernden 10 Wagen gewisse Veränderungen vor, aber Gaubschat teilte mit, dass wegen fehlender Arbeiter und Materials dies nicht durchgeführt werden könne, Perversion der Arbeiten: Die Firma Gaubschat beschäftigte, nach neuerer Forschung jüdische Zwangsarbeiter. Pradel berichtete: Die Änderungen, die Gaubschat wegen der Geheimhaltung nicht machen kann, werden in unserer eigenen Werkstatt durchgeführt. Die Wagen wurden dann auch in Wentritts Werkstätten zu Gaswagen umgebaut. Die Umrüstung zum Gaswagen wurde in der Werkstatt des Referates II D 3a vorgenommen.
Aussage Wentritt Harry 1961 in Hannover:
„Dort wurde am Auspuff ein Abgasschlauch angebracht, der von außen zum Boden des Wagens geführt wurde. In diesen Wagen bohrten wir ein Loch im Durchmesser von etwa 58 bis 60 mm, in Stärke des Auspuffrohres. Im Wageninnern, über diesem Loch, wurde ein Metallrohr (Auspuffrohr) angeschweißt, das mit dem von außen herangeführten Abgasschlauch verbunden war bzw. verbunden werden konnte. Bei Anlassen des Motors und nach hergestellten Verbindungen gingen die Auspuffgase des Motors durch den Auspuff in den Abgasschlauch und von dort in das im Wageninneren angebrachte Auspuffrohr, wo das Gas sich dann verteilte.“
Gaswagen in Chelmno
Bei diesen Gaswagen handelte es sich um große graugestrichene Lastkraftwagen eines ausländischen Fabrikats mit einem geschlossenen
Kastenaufbau, der vom Führerhaus getrennt und etwa 2 m breit, 2 m hoch und 4 m lang war. Das Innere war mit verzinktem Eisenblech ausgeschlagen. Auf dem Boden lagen zwei Holzroste, unter denen sich in der ersten Zeit eine Öffnung im Wagenboden, die mit einer durchlöcherten Eisenplatte abgedeckt war, und später zwei mit feinen Löchern versehene Rohre befanden. An diese Öffnung bzw. Rohre war unter dem Wagenboden ein Schlauch angeschlossen, der eine konisch zulaufende Spitze besaß. Das Schlauchende konnte in das Auspuffrohr eingeführt und mit einer Überwurfmutter fest verschraubt werden. Die beiden an der Rückwand befindlichen Flügeltüren öffneten sich nach außen und waren mit einer Gummidichtung versehen, die eine luftdichte Verschließung gewährleistete.
Dem Sonderkommando standen drei solcher Gaswagen zur Verfügung, von denen in der Folge zwei ständig und der dritte nur vorübergehend eingesetzt wurden
05.06.1942
Schreiben an den Leiter der Gruppe II D im Reichsicherheitshauptamt
Berlin, SS-Obersturmbannführer Walter Rauff, zuständig für die technische
Weiterentwicklung der Gaswagen. "Berlin, den 5. 6. 1942
Geheime Reichssache
Einzigste Ausfertigung
"I. Vermerk
Betrifft: Technische Abänderungen an den im Betrieb reingesetzten
und an den sich in Herstellung befindlichen Spezialwagen
Seit 12. 1941 werden beispielsweise mit 3 eingesetzten Wagen 97 000 verarbeitet, ohne daß Mängel an den Fahrzeugen auftraten. Die bekannte Explosion in Kulmhof ist als Einzelfall zu bewerten. Ihre Ursache ist auf einen Bedienungsfehler zurückzuführen. Zur Vermeidung von derartigen Unfällen ergingen an die betroffenen Dienststellen besondere Anweisungen.
Die Anweisungen wurden so gehalten, daß der Sicherheitsgrad erheblich heraufgesetzt wurde.
i.A. Just
Die Beschickung der Wagen beträgt normalerweise 9-10 pro Quadratmeter Bei den großräumigen Saurer -Spezialwagen ist eine Ausnutzung in dieser Form nicht möglich, weil dadurch zwar keine Überlastung eintritt, jedoch die Geländegängigkeit sehr herabgemindert wird. Eine Verkleinerung der Ladefläche erscheint notwendig.
Um eine handliche Säuberung des Fahrzeuges vornehmen zu können ,ist der Boden in der Mitte mit einer dicht verschließbaren Abflußöffnung zu versehen. Der Abflußdeckel mit etwa 200-300 mm erhält einen Syphonkrümmer ,sodaß dünne Flüssigkeit auch während des Betriebes ablaufen kann .Zur Vermeidung von Verstopfung ist der Krümmer oben mit einem Sieb zu versehen.
Die bisher angebrachten Beobachtungsfenster können entfallen, da sie praktisch nie benutzt werden.
Die Beleuchtungskörper sind stärker als bisher gegen Zerstörung zu sichern.
Aus der Praxis wurde vorgeschlagen, die Lampen entfallen zu lassen, da sie angeblich nie gebraucht werden, es wurde aber in Erfahrung gebracht, daß beim schließen der hinteren Tür und somit drängen der Ladung nach der Tür erfolgte.
Dieses ist darauf zurückzuführen, daß die Ladung bei eintretender Dunkelheit sich nach dem Licht drängt. Es erschwert das einklinken der Tür. Ferner wurde festgestellt, daß der auftretende Lärm wohl mit Bezug auf die Unheimlichkeit des Dunkels immer dann einsetzt, wenn sich die Türen schließen.”